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Politik

EURO 2020: Neuers politisches Statement

Marko Langer
21. Juni 2021

Kann ein Armband zum Aufreger werden? Eine Geste gar zum Eigentor? Manuel Neuers Zeichen gegen Diskriminierung und für "Pride" sorgt bei der EURO 2020 für Debatten, so wie der Kniefall mancher Mannschaft gegen Rassismus.

Fußball EM 2021 | Torhüter Manuel Neuer
Manuel Neuer, Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, mit der entsprechenden Binde am ArmBild: Philipp Guelland/epa/AP/picture alliance

Wenn wir die ganze Sache zunächst einmal optisch betrachten, ist sie schön bunt anzusehen: Auf Manuel Neuers neonfarbenem Trikot macht sich die Kapitänsbinde in den Regenbogenfarben ausgesprochen hübsch, abgesehen von der Botschaft, die der deutsche Spielführer damit transportiert: Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender - ihr gehört zu uns. Wir spielen auch für euch. Dass rechte politische Kreise das nicht so sehen, steht auf einem anderen Blatt. Doch dazu später mehr.

Nichts zu meckern

Jedenfalls hat jene farbenfrohe Regenbogen-Binde des Nationaltorwarts kurzzeitig für ziemliche Erregung gesorgt. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) bestätigte am Sonntagabend eine Überprüfung des symbolträchtigen Ausrüstungsstücks durch die Europäische Fußball-Union UEFA - die dann aber, wie es die Deutsche Presse-Agentur wertete, nichts zu meckern hatte. Die Regenbogenbinde werde "als Zeichen der Mannschaft für Vielfalt und damit für 'good cause' bewertet", teilte der DFB via Twitter mit.

"Good cause": die deutsche Nationalmannschaft beim TrainingBild: Federico Gambarini/dpa/picture alliance

Der Verband hatte zuvor eingeräumt, dass die "Regularien besagen, dass die offiziell von der UEFA bereitgestellte Binde getragen werden muss". Aber zugleich darauf verwiesen, dass der Monat Juni "auch im Sport im Zeichen von 'Pride'", stehe, um sich für mehr Vielfalt stark zu machen. Manuel Neuer trage diese Kapitänsbinde als Zeichen und "klares Bekenntnis der gesamten Mannschaft für Diversität, Offenheit, Toleranz und gegen Hass und Ausgrenzung", hatte DFB-Pressesprecher Jens Grittner mitgeteilt. Rückendeckung erhielten Neuer und der DFB vom Sprecher der Bundesregierung. Die Regenbogen-Fahne stehe "dafür, wie wir leben wollen - mit Respekt füreinander" - ohne die Diskriminierung, der Homosexuelle und andere Minderheiten lange Zeit ausgesetzt gewesen seien, sagte Steffen Seibert in Berlin. "Dazu können sich sicherlich die Allermeisten bekennen."

Der Mann der AfD

Wer nicht, konnte man an der Reaktion reaktionär-rechter Kreise erkennen. So wie einst der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland Nationalspieler Jerome Boateng beleidigte ("Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbar haben"), machte auch jetzt ein Mann der AfD die aus seiner Sicht passende Bemerkung. Die war so unpassend, dass die Fraktionsvorsitzende der Partei im Bundestag, Alice Weidel, Stellung bezog.

Was war passiert? Uwe Junge, früherer langjähriger Fraktionschef der AfD in Rheinland-Pfalz, hatte geschrieben, Neuers Regenbogen-Kapitänsbinde sei eine "Schwuchtelbinde". Dieser Tweet ist inzwischen gelöscht. "Für den Begriff 'Schwuchtelbinde' entschuldige ich mich", twitterte Junge später. "Inhaltlich bleibe ich dabei, dass derartige Statements nichts an oder auf dem Trikot der Nationalmannschaft zu suchen haben." Weidel schrieb auf Twitter: "Uwe Junge wird sich die Partei demnächst von außen anschauen dürfen." Zwischenfazit: Auch in Sachen Teambildung könnte sich die AfD von der deutschen Nationalmannschaft einiges abschauen.

England kniet, Kroatien nicht - der englische Spieler Mason Mount Bild: Carl Recine/REUTERS

Die Diskussion wird nach einer ersten EM-Woche geführt, da die Europameisterschaft so politisch ist wie kaum ein Sportwettbewerb zuvor. Die englische Nationalmannschaft - und inzwischen nicht nur sie - kniet vor jedem Spiel, um Rassismus entgegenzutreten. Die Gefahr, dabei von den eigenen Fans ausgepfiffen zu werden, nimmt das Team von Trainer Gareth Southgate recht gelassen hin. Mehr noch: Southgate wandte sich in einem Brief an seine englischen Landsleute, um denen zu erläutern, was es mit der Aktion auf sich habe.

Die UEFA sitzt zwischen den Stühlen. Grundsätzlich gilt die Ablehnung politischer Botschaften. Wer "Sportveranstaltungen für sportfremde Kundgebungen benutzt", verstößt laut den UEFA-Statuten gegen die "Allgemeinen Verhaltensgrundsätze". Schon die Proteste gegen Rassismus während der EM hatte der Dachverband aber ausdrücklich begrüßt. Und so waren sogar Schiedsrichter auf die Knie gegangen.

München ist nicht Budapest

Am kommenden Mittwoch könnte das nächste Kapitel eingeleitet werden. Die Stadt München, der Austragungsort der Spiele der Deutschen, möchte, dass die Allianz Arena beim Gruppenfinale gegen Ungarn in Regenbogenfarben leuchtet. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) wandte sich mit diesem Vorschlag an die UEFA und den DFB. "Das ist ein wichtiges Zeichen für Toleranz und Gleichstellung", sagte das Stadtoberhaupt der dpa. Und Nationalspieler Leon Goretzka, sagte, das sei doch eine "tolle Idee" mit der Beleuchtung. Hintergrund: Das ungarische  Parlament hat just ein Gesetz gebilligt hat, das die Informationsrechte von Jugendlichen in Hinblick auf Homosexualität und Transsexualität einschränkt. Das Gesetz gilt als besonderes Anliegen von Regierungschef Viktor Orban.

Schönes Bild: die Allianz Arena leuchtet in Regenbogenfarben Bild: Frank Hoerman/augenklick/SvenSimon/picture alliance

Gleichzeitig dürften sich die Münchner Sicherheitsbehörden noch andere Gedanken machen. Bei den bisherigen Partien der Ungarn in Budapest (0:3 gegen Portugal und 1:1 gegen Frankreich) war die so genannte "Carpathian Brigade" in den Stadien in Erscheinung getreten. Der schwarz gekleidete Mob wird von Experten als paramilitärische Gruppierung eingeschätzt, die aus Neonazis besteht. Agenturberichten zufolge sollen die Mitglieder der Brigade durch homophobe und rassistische Äußerungen aufgefallen sein, auch der Hitlergruß sei gezeigt worden. Der Begriff "Problemfans" ist da noch harmlos.

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