EURO 2025 der Frauen: Null Toleranz bei Diskriminierung
2. Juli 2025
"Wir haben in Deutschland einen wichtigen Anstoß gegeben, und es entwickelt sich weiter", sagt Sylvia Schenk von Transparency International Deutschland. Die Juristin und frühere Leichtathletin saß bei der Fußball-Europameisterschaft der Männer 2024 in Deutschland zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern anderer Nicht-Regierungsorganisationen im Menschenrechtsbeirat des europäischen Fußballverbands UEFA. Das Gremium kümmerte sich während des Turniers um Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen.
Die UEFA, der Deutsche Fußball-Bund, die deutsche Bundesregierung, die Regierung der beteiligten Bundesländer und die zehn Städte, in denen gespielt wurde, hatten sich verpflichtet, bei der EM "Demokratie, Respekt, Gleichstellung sowie die Förderung und den Schutz der Menschenrechte" in den Vordergrund zu stellen. "Es war erst ein Anfang", bilanziert Schenk im Gespräch mit der DW. "Aber es war wichtig. Wir haben jahrelang dafür gekämpft."
EURO 2024 als Vorbild für EURO 2025
Das Engagement während der Männer-EM soll als Blaupause für die Europameisterschaft 2025 der Frauendienen, die vom 2. bis 27. Juli in der Schweiz ausgespielt wird. Auch die Schweizer Regierung sowie die anderen am Turnier beteiligten Verbände und Institutionen unterzeichneten im vergangenen März eine Erklärung, in der sie sich zu den Menschenrechten bekannten, insbesondere zu "Diversität, Chancengleichheit und Inklusion im und durch den Sport", wie es die Schweizer Sportministerin Viola Amherd formulierte.
Auch für das Frauenturnier gibt es einen Menschenrechtsbeirat, in dem ebenfalls wieder Nichtregierungsorganisationen vertreten sind, etwa Amnesty Schweiz und das in Genf beheimatete Centre for Sport and Human Rights.
"Aufbauend auf den Erfahrungen des Beirats der UEFA EURO 2024 haben wir auch Vertreter von Behörden (z. B. des Europarats und des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten) einbezogen, um einen umfassenderen Ansatz für die Menschenrechte zu gewährleisten", teilt die UEFA auf DW-Anfrage mit.
Amnesty: "Maßnahmen weniger umfangreich als gewünscht"
Der europäische Fußball-Verband habe aus den Erfahrungen des vergangenen Jahres gelernt, sagt Sylvia Schenk. "Bei uns kam vieles erst auf den letzten Drücker. Der Menschenrechtsbeirat wurde erst im Mai einberufen, wir hatten die erste Sitzung im Juni [die EM begann am 14. Juni - Anm. d. Red.]. Für die Frauen-EM wurde das Gremium bereits zu Jahresbeginn gebildet."
Die Verantwortlichen hätten den Beirat mit einbezogen, als es darum ging, die Risiken für Menschenrechtsverletzungen bei der EM einzuschätzen, sagt Lisa Salza, Verantwortliche für Sport und Menschenrechte bei Amnesty Schweiz. Anschließend hätten die UEFA, der Schweizerische Fußballverband und die acht Spielorte entsprechende Maßnahmen beschlossen.
"Auch wenn diese weniger umfangreich sind als gewünscht, ist dieses Vorgehen ein Schritt in die richtige Richtung", so Salza gegenüber der DW. "Letztlich ist es auch wichtig, dass die Verhaltensregeln für dieses Turnier im Stadion, in den Fanzonen und an neuralgischen Orten wie Bahnhöfen gut sichtbar sind: Null Toleranz für Diskriminierung, Rassismus und sexualisierte Gewalt."
Wer sich in den Stadien bedroht oder diskriminiert fühlt, kann einen QR-Code einscannen, der gut sichtbar auf Plakaten aushängt. Dann erhält die Zuschauerin oder der Zuschauer sofort die Hilfe eines sogenannten "Awareness-Teams".
Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen können auch über die Turnier-App oder die UEFA-Internetseite an den europäischen Fußballverband übermittelt werden. Eine unabhängige juristische Stelle beurteilt anschließend die Beschwerden und leitet sie, wenn sie es für nötig hält, an die verantwortlichen Stellen weiter.
Bei der Männer-EM 2024 war eine Frankfurter Anwaltskanzlei dafür zuständig. Sie schloss knapp 400 Beschwerden ab. Die meisten Fälle bezogen sich auf politisches Verhalten, etwa nationalistische, rechtsgerichtete Aussagen, Gesten oder Symbole, die Spielern oder Fans zugeschrieben wurden. Nur eine geringe Anzahl von Fällen sexueller Belästigung und rassistischer Diskriminierung wurden angezeigt.
UEFA: "META, X und TikTok arbeiten weiter mit uns zusammen"
Ein weiterer Schwerpunkt ist der Kampf gegen Cybermobbing. Bei der EM im vergangenen Jahr in Deutschland wurden rund 700 Social-Media-Konten von Spielern, Trainern und Schiedsrichtern überwacht. Laut UEFA wurden allein in der Gruppenphase 666 beleidigende Posts an die sozialen Plattformen gemeldet, damit diese dagegen vorgingen. In etwa drei von vier Fällen richteten sich die Posts gegen Spieler, in über 90 Prozent in Form von Hassreden. Den Anteil rassistischer Beleidigungen bezifferte die UEFA auf rund fünf Prozent, den homophober Äußerungen auf 2,5 Prozent.
Eine etwas andere Verteilung hatte sich bei der Frauen-EM 2022 in England gezeigt, als die UEFA erstmals gemeinsam mit den Social-Media-Anbietern META, X und TikTok gegen Cybermobbing vorgegangen war. So wurden während des damaligen Finals zwischen Gastgeber England und Deutschland (2:1) 189 Posts beanstandet. Bei 51 Prozent handelte es sich um eher allgemeine Hassrede, bei 45 Prozent um Sexismus, und bei je zwei Prozent um Rassismus und Homophobie.
Dass die Konzerne META und X nach der neuerlichen Amtsübernahme von US-Präsident Donald Trump ihre Firmenpolitik geändert haben und nun weniger entschlossen gegen Hasskommentare vorgehen, hat nach Angaben der UEFA keine Auswirkungen auf den Kampf gegen Cybermobbing während der Frauen-EM in der Schweiz: "Die Social-Media-Unternehmen bekräftigten ihr Engagement für die Zusammenarbeit mit der UEFA und unterstützen weiterhin die Bemühungen zum Schutz des Spiels."
Meinungs- und Versammlungsfreiheit schützen
Wird Sexismus bei der Frauen-EM eine größere Rolle spielen als bei der Männer-EM 2024? "Ich denke, im Zuschauerbereich eher nicht, weil die Mischung eine andere ist. Dort geht es ja eher familiär zu", antwortet Sylvia Schenk von Transparency. "Eine größere Rolle könnte es bei den Hasskommentaren im Internet spielen."
Lisa Salza von Amnesty Schweiz sieht dagegen ein "intaktes Risiko für verbale oder physische sexualisierte Gewalt, sei es in den Fanzonen wie auch im Stadion, gegenüber Fans und Spielerinnen. Hetze und Gewalt ausgehend von rechtsextremen Bewegungen sind angesichts des Wiedererstarkens dieser Kräfte auch nicht von der Hand zu weisen."
So habe beim Eurovision Song Contest 2025 im Mai in Basel eine rechtsextreme Organisation gegen Geflüchtete und Migrantinnen und Migranten gehetzt.
Salza sieht auch die Meinungs- und Versammlungsfreiheit bei der EM unter Druck. "In Anbetracht der multiplen Krisen weltweit und dem Risiko, dass diese in den nächsten Wochen weiter eskalieren, ist davon auszugehen, dass es zu weiteren Protesten und Meinungsbekundungen inner- und außerhalb der Stadien kommen wird", sagt die Amnesty-Vertreterin. "Die Verantwortlichen sind aufgefordert, auch in dieser Ausnahmensituation die Meinungs- und Versammlungsfreiheit angemessen zu schützen."