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Momentum für Frauenfußball nutzen

23. August 2022

Die UEFA sieht ein riesiges wirtschaftliches Potential für Europas Frauenfußball. In einer Studie wird Borussia Dortmund für sein Konzept gelobt.

Vorstellung  BVB  Frauen Fussballmannschaft
Das BVB-Frauenteam dreht eine "Ehrenrunde" bei der Saison-EröffnungBild: Maik Hölter/TEAM2sportphoto/IMAGO

Platz drei hinter Meister VfL Wolfsburg und Vizemeister FC Bayern - nicht schlecht für einen Kreisligisten. Mit im Schnitt 700 Zuschauenden pro Spiel lagen die Fußballerinnen von Borussia Dortmund in der vergangenen Saison weit vorn in der Gunst der deutschen Frauenfußball-Fans. Dabei hat ihre Geschichte gerade erst begonnen. Die Spielzeit 2021/22 war die erste der Mannschaft. Sie endete mit dem Aufstieg in die Bezirksliga: 18 Spiele, 18 Siege, ein Torverhältnis von 143:3. Das BVB-Team ist durchgestartet.

In einer Studie der UEFA zum wirtschaftlichen Potential des Frauenfußballs in Europa wird die neue Mannschaft des Traditionsvereins Borussia Dortmund als Musterbeispiel dafür genannt, wie ein Klub die Fanbasis mit einbeziehen kann, wenn er ein Frauenteam gründen will. "Ich freue mich, dass wir bei der UEFA eine Rolle spielen, obwohl wir in der niedrigsten Spielklasse angefangen haben", sagt Svenja Schlenker der DW. Die 39-Jährige leitet seit Oktober die BVB-Abteilung Mädchen- und Frauenfußball. "Zum anderen bestätigt es uns in der Überzeugung, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben, indem wir die Fans fragten - die Menschen, die uns unterstützen."

BVB-Fans für Ochsentour

Svenja Schlenker, BVB-Abteilungsleiterin für FrauenfußballBild: Thomas Bielefeld/IMAGO

In einer Umfrage hatten sich die Anhängerinnen und Anhänger der Dortmunder dafür ausgesprochen, sich nicht einfach eine etablierte Frauen-Mannschaft einzuverleiben und mit deren Lizenz gleich in der Bundesliga zu starten. Stattdessen sollte ein neues Frauenteam auf die "Ochsentour" geschickt werden: in die Kreisliga, die unterste Spielklasse, um sich von dort aus sportlich hinaufzuarbeiten. Damit sollte auch verhindert werden, dass etablierte Frauenfußballvereine durch die neue, starke Konkurrenz "ausbluten", weil ihre besten Spielerinnen abwandern. Ganz verhindern lässt sich das nicht. "Natürlich stehen jetzt Spielerinnen der untersten Ligen bei uns Schlange, vor allem jene, die auch BVB-Fans sind", sagt Schlenker. "Wir nehmen aber nur maximal je eine Spielerin aus anderen Vereinen auf, auch wenn sich zehn bei uns bewerben sollten. So gewährleisten wir, dass wir andere Klubs nicht kaputt machen."

Fünfmal müssen die BVB-Fußballerinnen noch aufsteigen, um in die Bundesliga zu gelangen. Die höchste deutsche Spielklasse gehört - neben den Ligen in England, Frankreich, Italien, Spanien, Norwegen, Schweden und Dänemark - zu den Frauenfußball-Märkten, in denen die UEFA das größte wirtschaftliche Potential sieht. Nach Erkenntnissen des europäischen Verbands könnte der kommerzielle Wert der Frauenligen in ganz Europa bis 2033 auf das mindestens Fünffache steigen: von 116 Millionen Euro auf 552 bis 668 Millionen Euro. Vor allem drastisch höhere TV-Einnahmen werden erwartet - und deutlich mehr Sponsoring.

Neue Sponsoren durch gutes Image

Das Frauenteam von Borussia Dortmund profitiert von den Sponsoren und Partnern des Gesamtvereins, hat aber auch schon neue Geldgeber gefunden. "Da kommt auch schon mal ein regionales Unternehmen, das sich vorher noch nie für Sponsoring im Fußball interessiert hat, und ist ganz heiß darauf, speziell in das Frauen-Team zu investieren", berichtet Schlenker. "Diese Nischen sollte man nutzen."

Das empfiehlt auch die UEFA und verweist dabei auf das gute Image des Frauenfußballs: In einer Umfrage bezeichneten europäische Fans den Frauenfußball besonders häufig als "inspirierend" und "familienfreundlich". Die Spielerinnen seien zudem "gute Vorbilder". BVB-Funktionärin Schlenker hat beobachtet, dass es möglich ist, selbst Fans zu gewinnen, "die bisher noch kategorisch sagen: 'Frauenfußball? Zu langsam, zu schlecht.' Bei unseren Spielen erlebe ich oft, dass Männer hinterher sagen: 'Eigentlich wollte ich mir das gar nicht anschauen. Aber es war überraschend gut. Ich komme auf jeden Fall wieder. Es hat Bock gemacht.'"

"Hype versandet auch schnell wieder"

Damit das Potential des Frauenfußballs ausgeschöpft werden kann, muss nach Ansicht der UEFA auch die Sichtbarkeit erhöht werden - mehr Übertragungen im Fernsehen und auf digitalen Medien, attraktivere Anstoßzeiten, Topspiele auch in großen Arenen. Dann, so die Prognose des Verbands, werde auch die Zahl der Fans steigen: von aktuell 144 Millionen auf 328 Millionen im Jahr 2033. Das große Potential des Frauenfußballs zeige sich etwa in der Champions League, die nach einer umfassenden Reform neue Sponsoren, neue TV-Verträge und deutlich gestiegene Zuschauerzahlen hervorgebracht habe. "Jetzt ist es an der Zeit, das Momentum zu nutzen, das wir gemeinsam geschaffen haben", sagt die frühere deutsche Nationalspielerin und Weltfußballerin Nadine Keßler, inzwischen bei der UEFA zuständig für den Frauenfußball: "Jetzt ist es an der Zeit, sich zu engagieren und zu investieren."

Erfolgsmodell Champions League - in der vergangenen Saison triumphiert Olympique LyonBild: Maja Hitij/Getty Images

In Deutschland komme es darauf an, auch den Schwung der begeisternden Europameisterschaft in England mitzunehmen, ergänzt Svenja Schlenker: "Wichtig ist, dass wir uns mit den Reformen beeilen. So ein Hype versandet auch schnell wieder. Und es wäre schade, wenn wir das fantastische Turnier nicht nutzen würden, um den Frauenfußball in Deutschland voranzubringen."

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