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ErnährungssicherheitUganda

Ugandas Heuschrecken-Farmer fürchten um Weihnachtssnack

Simone Schlindwein aus Kampala
24. Dezember 2023

Was in der Bibel als Plage beschrieben wurde, ist in Uganda ein Segen: die gigantischen Heuschreckenschwärme, die in der Adventszeit fliegen. Gebraten werden die Insekten als Snack in der Weihnachtszeit vernascht.

Uganda Kampala Heuschrecken als Nahrungsmittel
Vor dem Braten werden den Heuschrecken Beine und Flügel ausgerissen - manche Tiere leben dabei nochBild: Simone Schlindwein/DW

Bauer Seru Hudson kämpft mit seinem Dieselgenerator. Immer wieder zieht er an einer Schnur, doch das Gerät springt einfach nicht an. Er flucht und guckt zum Himmel. Über der ugandischen Hauptstadt Kampala bricht die Dämmerung herein. Der Bauer hat es eilig: Was er in der Nacht hier ernten will, das ist eine Delikatesse, die ihm seine Weihnachtskasse auffüllt. 

"Nsenene" werden sie auf der lokalen Sprache Luganda genannt: die Heuschrecken, die sich in gigantischen Schwärmen um diese Jahreszeit über Ostafrika ergießen. Was in der Bibel als Plage beschrieben wurde, ist für viele Bauern wie Seru ein wirtschaftlicher Segen. Denn knusprig gebraten werden diese proteinreichen Insekten um diese Jahreszeit in Uganda als Snack vernascht. Gerade Weihnachten, wenn die Großfamilien zusammenkommen, dürfen die Heuschrecken auf keinem Teller fehlen.

Die Anlage von Bauer Hudson: Die Wellbleche reflektieren das Licht, so werden Heuschrecken angelocktBild: Simone Schlindwein/DW

Wenn die große Regenzeit zu Ende geht, bauen landesweit Farmer wie Seru in den Sumpfgebieten entlang des Victoriasees gigantische Anlagen auf, um die Heuschrecken einzufangen. Der drahtige Mann in T-Shirt, schmutzigen Jeans und Gummistiefeln zeigt stolz auf seine Fangstation. Über 100 Wellbleche ragen auf diesem Acker am Stadtrand von Kampala in den Himmel.

Wieder zerrt er an der Schnur, endlich knattert der Generator los und grelle Lichtkegel von zahlreichen Scheinwerfern erhellen die Umgebung. Ihr gleißendes Licht wird von den Wellblechen mehrfach reflektiert, es schmerzt schier in den Augen. Bauer Seru seufzt, er hat dieses Jahr viel in seine Anlage investiert: "Die Stromgebühren sind so teuer, deswegen habe ich dieses Jahr einen Kredit aufgenommen, um mir einen Generator zu kaufen", sagt er. 

Umweltzerstörung und Klimawandel - warum bleiben die Schwärme aus? 

Er schaut nach oben und sucht den Himmel ab. Im Schein der Strahler sieht man nun vereinzelt Heuschrecken fliegen. Einige werden von den Lichtkegeln angelockt, verirren sich dann zwischen den Wellblechen und fliegen mit dem Kopf so lange dagegen, bis sie erschöpft daran hinabgleiten. Am Boden hat Seru Behälter aufgestellt, in welche die Insekten hineinfallen und darin mit Rauch von einem Feuer betäubt werden. "Dieses Jahr ist keine gute Saison für die Nsenene", sagt Seru. "Es fliegen nur wenige, vielleicht kommen sie auch nur verspätet. Wir hoffen, es werden vielleicht bis Januar noch mehr", so der Bauer. 

Der 37-jährige Vater von drei Kindern fängt schon seit über 20 Jahren Heuschrecken, erzählt er. Bereits sein Vater und sein ältester Bruder betrieben hier Fangstationen, seit zehn Jahren betreibt er sie alleine. Vor allem im November und Dezember sei dies ein profitables Geschäft, wenn die große Regenzeit zu Ende geht und die Heuschrecken in Massen schlüpfen. Meist könne er davon nicht nur Weihnachten seine Familie versorgen, sondern mit den Einnahmen im Januar auch noch die Schulgebühren seiner Kinder sowie die Miete für das ganze Jahr bezahlen. "Das einzige Problem ist: Wenn ich Geld für gewisse Anschaffungen wie einen Generator investiere, weiß ich nicht, ob die Saison so gut wird, dass ich am Ende auch noch Profit mache." 

In anderen Jahren sirrt die Luft vor lauter Heuschrecken wie hier 2020Bild: Sumy Sadurni/AFP/Getty Images

In diesem Jahr ist die Saison landesweit besonders schlecht. Dies hat Wissenschaftler veranlasst, nachzuforschen, warum die großen Schwärme bislang ausblieben. Sie schlagen nun Alarm. "Die Heuschrecken brüten hauptsächlich in den Feuchtgebieten rund um den Viktoriasee, vor allem in der Vegetation in der Nähe der Gewässer", erklärt Moses Chemurot, einer der führenden Insektenforscher von der staatlichen Makerere-Universität. Doch immer mehr Menschen betreiben in den zahlreichen Sümpfen Ugandas illegal Landwirtschaft oder bauen sogar Häuser. "Da die Degradierung solcher Gebiete zunimmt, kommt es unweigerlich zu einer Zerstörung ihrer Brutstätten", sagt er. 

Andere Wissenschaftler Ugandas betrachten den zunehmenden Klimawandel als weitere Ursache. In diesem Jahr kommt das El-Nino-Wetterphänomen hinzu, die Regenzeit war besonders lang und heftig. Doch bei zu viel Nässe schlüpfen die Larven nicht. 

Weihnachtsleckerei für Ugandas Kinder 

In diesem Jahr sind die Heuschrecken besonders teuer, klagt Gloria Mukashemie. Die junge Mutter öffnet vorsichtig die Plastiktüte, die sie eben vom Großmarkt geliefert bekommen hat, kippt die Tiere in eine Wanne. Einige sind noch lebendig. Eilig ruft sie ihre Kinder herbei. Eine Handvoll Jungs kommt angelaufen, sie setzen sich auf den Boden vor dem kleinen Haus in einem Armenviertel am Stadtrand. Mit flinken Fingern reißen sie den Heuschrecken die Flügel und Beine aus. Die Kinder kichern voller Vorfreude. "Wenn sie tot sind, ist es schwieriger, ihnen die Flügel und Beine auszureißen. Es ist besser, wenn sie noch leben", so Mukashemie. 

Die Kinder lieben die Leckerei - für ärmere Familien sind die Heuschrecken eine wichtige ProteinquelleBild: Simone Schlindwein/DW

Sobald die erste Schüssel voll ist, wäscht Mukashemie die Insekten mit Wasser und stellt dann einen Topf auf den Holzkohleofen. "Ich brate sie jetzt und dann füge ich Zwiebeln und Salz hinzu", erklärt sie. Währenddessen rupfen die Kinder weiter eifrig Flügel. Aus allen Ecken kommen Hühner, Katzen und Hunde angelaufen. Auch sie lieben den Geruch der proteinreichen Nahrung. Und auch immer mehr Kinder aus der Nachbarschaft tummeln sich um die Kochstelle. 

Familien mit niedrigem Einkommen können sich kaum Fleisch und andere tierische Lebensmittel leisten. Die Heuschrecken, die zu Weihnachten quasi vom Himmel fallen, sind eine willkommene, nahrhafte Abwechslung.

Sobald sie gar sind, kippt Mukashemie die goldbraun gerösteten Insekten auf einen roten Plastikteller. Sofort machen sich die Kinder darüber her: "So lecker!", japst ein Junge zwischen zwei Bissen. "Das ist meine absolute Lieblingsspeise", wirft ein anderer schmatzend ein.

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