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KonflikteUkraine

Aktuell: 140.000 Menschen in Charkiw brauchen Hilfe

7. Oktober 2022

Das UN-Nothilfebüro warnt: In den zurückeroberten Gebieten rund um Charkiw hätten die meisten Menschen kaum Zugang zu Nahrungsmitteln, Wasser, Gas, Strom und medizinischer Versorgung. Die Nachrichten im Überblick.

Ukraine Krieg | Schule in der Region Charkiw
Zerbombte Schule in der Region Charkiw: Den Menschen hier fehlt es an vielemBild: Sofiia Bobok/AA/picture alliance / AA

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • UN: Akute Notlage in den zurückeroberten Gebieten
  • Selenskyj fordert Rückgabe von AKW Saporischschja
  • Kreml: Ukrainischer Präsident will Dritten Weltkrieg
  • Biden warnt vor nuklearer Katastrophe
  • Anklage gegen bekannten Kremlkritiker Kara-Mursa

 

Nach UN-Schätzungen sind in den jüngst zurückeroberten Gebieten um Charkiw etwa 140.000 Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die meisten hätten kaum Zugang zu Nahrungsmitteln,
Wasser, Gas, Strom und medizinischer Versorgung, sagte ein Sprecher des UN-Nothilfebüros (OCHA) in Genf. In der Stadt Isjum seien von den einst 46.000 Einwohnern noch etwa 8000 bis 9000 Menschen vor Ort. Sie seien zum Überleben auf dringende Hilfe angewiesen. 

UN-Konvois versorgten die Menschen dort seit Mitte September, kurz nach der Befreiung von russischer Besatzung. Märkte oder Geschäfte seien vielerorts zerstört oder geschlossen, sagte der UN-Sprecher weiter.

Selenskyj fordert Rückgabe von AKW Saporischschja

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Westen dazu aufgefordert, den Druck auf Moskau hochzuhalten - auch um die Rückgabe des von Russland in Besitz genommenen Atomkraftwerks Saporischschja zu erzwingen. "Ich danke allen für ihre Unterstützung, die für die Rückgabe der vollen ukrainischen Kontrolle über das Kraftwerk und dessen vollständige Entmilitarisierung kämpfen", sagte Selenskyj in einer weiteren Videoansprache. Die rund 500 russischen Soldaten, die sich in der Nuklearanlage befinden sollen, bezeichnete er als "Katastrophenrisiko".

Satellitenbild des AKW Saporischschja (Archiv)Bild: Maxar Technologies/AP/picture alliance

Zugleich bedankte sich Selenskyj beim Chef der Internationalen Atomenergie-Behörde (IAEA) , Rafael Grossi. Dieser habe ihm versichert, dass die IAEA allein die Ukraine als Besitzer des AKW betrachte.

Grossi betonte: "Wir sagen immer wieder, was getan werden muss, nämlich, einen Atomunfall verhindern, der immer noch eine sehr, sehr klare Möglichkeit ist." Das Atomkraftwerk Saporischschja ist derzeit wegen der Kämpfe in der Region abgeschaltet. Zur Sicherung der Anlage soll eine nukleare Schutzzone um das Kraftwerk errichtet werden. Darüber will Grossi auch in Moskau verhandeln. Gespräche dort fänden auf "sehr hoher Führungsebene" statt, wie er in Kiew ankündigte.

Trafen sich in der ukrainischen Hauptstadt Kiew: IAEA-Chef Grossi (r.) und Staatschef SelenskyjBild: Ukrainian Presidency/AP/picture alliance

Elf tote Zivilisten bei Raketenangriff auf Saporischschja

Beim Beschuss von Wohngebäuden in Saporischschja sind ukrainischen Angaben zufolge mindestens elf Menschen getötet worden. Weitere 21 Personen seien nach russischen Angriffen verletzt unter Trümmern geborgen worden. Das teilte der ukrainische Zivilschutz mit. Auf Fotos ist zu sehen, wie sich Rettungskräfte durch den Schutt wühlen. Von den Raketen getroffen wurden laut den Angaben zwei mehrstöckige Häuser.

Das Gebiet Saporischschja ist eines von vier Gebieten, das neben Cherson, Donezk und Luhansk vor rund einer Woche offiziell von Russland annektiert wurde. Bislang halten russische Truppen rund 70 Prozent der Region besetzt, allerdings nicht die Gebietshauptstadt selbst.

Großbritannien: Ukraine profitiert von zurückgelassenem Kriegsgerät

Die ukrainische Armee nutzt nach Ansicht britischer Militärexperten inzwischen in großen Teilen von der russischen Invasionsarmee erbeutete Fahrzeuge. Mehr als die Hälfte der im Einsatz befindlichen ukrainischen Panzer stammen aus den Beständen Moskaus, heißt es im Geheimdienst-Update, das täglich vom britischen Verteidigungsministerium veröffentlicht wird. 

Das Versäumnis der russischen Armee, funktionsfähiges Material vor einem Rückzug oder einer Aufgabe zu zerstören, zeige, wie schlecht die russischen Soldaten ausgebildet seien und wie niedrig die Kampfmoral sei. Es sei wahrscheinlich, dass die Russen auch weiterhin schwere Waffen verlieren, heißt es weiter.

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlich seit Beginn des russischen Angriffskriegs täglich Informationen zum Kriegsverlauf und beruft sich dabei auf Erkenntnisse des Geheimdienstes. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor. 

Russland: Selenskyj will den Dritten Weltkrieg

Der Kreml hat Äußerungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Richtung NATO zu möglichen Präventivschlägen gegen Russland scharf verurteilt. "Die Erklärungen Selenskyjs sind nichts anderes als ein Aufruf zum Beginn des Dritten Weltkriegs mit unvorhersehbaren schrecklichen Folgen", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.

Selenskyj hatte zuvor bei einem Videoauftritt vor der australischen Denkfabrik Lowy Institute gefordert, die NATO müsse "die Möglichkeit eines Atomwaffeneinsatzes durch Russland ausschließen. Wichtig ist aber - ich wende mich wie vor dem 24. Februar deshalb an die Weltgemeinschaft - dass es Präventivschläge sind, damit sie wissen, was ihnen blüht, wenn sie sie anwenden", so der Staatschef wörtlich.

Ein Sprecher Selenskyjs betonte umgehend, dessen Forderung sei falsch verstanden worden. Der ukrainische Präsident habe lediglich gesagt, vor dem 24. Februar - dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine - wären Präventivmaßnahmen nötig gewesen, um den Krieg zu verhindern.

Biden warnt vor nuklearer Katastrophe

US-Präsident Joe Biden hat die derzeitige Situation in der Welt nach den atomaren Drohungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Ukraine-Krieg mit der Kuba-Krise von 1962 verglichen. Das Risiko einer nuklearen "Apokalypse" sei so hoch wie zuletzt zu Zeiten des damaligen US-Präsidenten John F. Kennedy und der Kubakrise 1962, sagte Biden bei einer Spendenveranstaltung der Demokraten in New York. 

Putin hatte in einer Fernsehansprache am 21. September mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht. Fachleuten zufolge würde es sich dabei höchstwahrscheinlich um Angriffe mit taktischen Atomwaffen handeln. Deren Sprengkraft ist kleiner als die von strategischen Atomwaffen. Biden wies darauf hin, ein taktischer Atomangriff berge dennoch das Risiko großflächiger Auswirkungen.

Altkanzlerin mahnt: "Worte ernst nehmen"

Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel hat davor gewarnt, Drohungen im Ukraine-Krieg "von vornherein als Bluff einzustufen". Der russische Angriff auf die Ukraine sei eine "tiefgreifende Zäsur" gewesen. Und zwar eine, "bei der wir alle gut beraten sind, Worte ernst zu nehmen und sich ernsthaft mit ihnen auseinander zu setzen", sagte Merkel bei einer Veranstaltung in München.

Sprach bei einem Festakt zum 77-jährigen Bestehen der "Süddeutschen Zeitung": Angela MerkelBild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

Die Altkanzlerin betonte erneut, dass ein dauerhafter Friede in Europa "nur unter Einbeziehung Russlands" erfolgen könne. "So lange wir das nicht wirklich geschafft haben, ist auch der Kalte Krieg nicht wirklich zu Ende", meinte Merkel.

Medwedew nennt EU-Sanktionen zwecklos

Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew hat die neuen EU-Sanktionen gegen sein Land als zweckloses und teures Unterfangen bezeichnet. "Unsere dummen Opponenten können eine einfache Sache nicht verstehen: Russland lebt schon lange unter den Beschränkungen und hat gut gelernt, sich an die schnell verändernden Umstände anzupassen", schrieb Medwedew auf seinem Telegram-Kanal. Zugleich schädigten die Sanktionen aber den Westen selbst und die Weltwirtschaft. "Ein typischer Schuss in den eigenen Hintern."

Er wolle nicht mehr an die Vernunft des Westens appellieren, so Medwedew weiter. Den Feind müsse man "dazu zwingen, um Gnade zu flehen in einer verlorenen Wirtschaftsschlacht. Und sie mit der völligen und bedingungslosen Kapitulation (des Westens) beenden."

Russisches Öl: zuletzt beschloss die EU einen Preisdeckel dafürBild: Yegor Aleyev/TASS/dpa/picture alliance

Als "Beweis" für Russlands Unempfänglichkeit gegen Sanktionen führte Medwedew den Rückgang der offiziellen Inflation von 17,8 auf 13,7 Prozent an. Auch das Bruttoinlandsprodukt werde zum Jahresende weniger stark fallen als zunächst befürchtet.

Militärkommando Süd vermeldet Erfolge

Die Ukraine hat nach eigenen Angaben seit Anfang Oktober mehr als 400 Quadratkilometer Gebiet in der Region Cherson zurückerobert. Die Streitkräfte hätten seither ein Gebiet diesen Umfangs in der südlichen Region "befreit", teilte das ukrainische Militärkommando Süd mit.

Die russische Armee berichtete hingegen, es sei ihr in der Region gelungen, den "Feind zurückzuschlagen". Cherson ist eine der vier Regionen in der Ukraine, die Russland ungeachtet internationaler Proteste für annektiert erklärt hatte. 

Anklage gegen bekannten Kremlkritiker

Wladimir Kara-Mursa ist in Moskau wegen "Hochverrats" angeklagt worden. Nach Angaben seines Anwalts wird dem Kremlkritiker vorgeworfen, er habe "auf öffentlichen Veranstaltungen in Lissabon, Helsinki und Washington Kritik an der russischen Obrigkeit geübt". Auf "Hochverrat" stehen in Russland 20 Jahre Haft.

Gilt als prominenter Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin: Wladimir Kara-MursaBild: Juri Rescheto/DW

Kara-Mursa sitzt bereits wegen angeblicher Diskreditierung der russischen Streitkräfte in Untersuchungshaft. Der Journalist war ein Vertrauter des im Jahr 2015 in Moskau ermordeten Oppositionspolitikers Boris Nemzow. Kara-Mursa gibt an, wegen seines politischen Engagements bereits zweimal Opfer von Giftanschlägen geworden zu sein. Recherchen der Investigativgruppe Bellingcat zufolge wurde er von russischen Agenten verfolgt, die auch in den Giftanschlag auf den Oppositionellen Alexej Nawalny verwickelt sein sollen.

"Deutschlandtrend" zum Ukraine-Krieg

Eine knappe Mehrheit der Bürger in Deutschland ist dafür, aus Russland fliehende Kriegsdienstverweigerer hierzulande aufzunehmen. Im ARD-"Deutschlandtrend" befürworteten dies 54 Prozent der Befragten, 35 Prozent waren dagegen. Die meiste Zustimmung kam von Anhängern der Grünen, bei denen der AfD überwog die Ablehnung.

wa/cw/djo/se (dpa, afp, rtr, epd)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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