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Politik

Aktuell: AKW-Gelände in Saporischschja beschossen

5. August 2022

Die Ukraine und Russland machen sich gegenseitig für den Beschuss des AKW-Geländes in Saporischschja verantwortlich. Der Getreideexport über das Schwarze Meer hat weiter Fahrt aufgenommen. Ein Überblick.

Kernkraftwerk Saporischschja in der Ukraine
Kernkraftwerk Saporischschja in der UkraineBild: Konstantin Mihalchevskiy/SNA/IMAGO

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Das Gelände des AKW Saporischschja ist wohl beschossen worden
  • Weitere Getreide-Frachter haben ukrainische Häfen verlassen
  • Bericht von Amnesty International verärgert Präsident Selenskyi
  • Kampf gegen Kollaborateure: Ausgangssperre in Mykolajiw
  • Neue EU-Sanktionen gegen Ex-Präsident Janukowitsch

 

Moskau und Kiew haben sich gegenseitig den Beschuss des von Russland besetzten ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja vorgeworfen. Am Freitagnachmittag habe die ukrainische Armee das Werksgelände beschossen, meldeten mehrere russische Agenturen unter Berufung auf die zuständige Besatzungsverwaltung. Zwei Stromleitungen seien unterbrochen worden und ein Feuer ausgebrochen. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden. Von ukrainischer Seite hieß es hingegen, die Russen hätten das Gelände selbst beschossen. Infolge der Angriffe sei eine Hochspannungsleitung zum benachbarten Wärmekraftwerk beschädigt worden, teilte der staatliche ukrainische Atomkonzern Enerhoatom mit. Ein Block des Atomkraftwerks sei heruntergefahren worden.

Erst vor wenigen Tagen hatte sich die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) besorgt gezeigt angesichts der Lage um das Kraftwerk, das mit sechs Blöcken und einer Leistung von 6000 Megawatt das größte AKW Europas ist. Eine Inspektion zur Prüfung der technischen Sicherheit sei dringend erforderlich, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi. Aber es sei momentan sehr schwierig für die IAEA, überhaupt ins Kriegsgebiet nach Saporischschja zu kommen. Auch der britische Geheimdienst kam kürzlich zu der Einschätzung, dass Aktionen der russischen Streitkräfte mit hoher Wahrscheinlichkeit die Sicherheit des Kraftwerks gefährden

Drei weitere Schiffe mit ukrainischem Getreide ausgelaufen

Zwei Wochen nach Abschluss des Abkommens für Agrarexporte aus der Ukraine haben drei weitere mit Getreide und Lebensmitteln beladene Schiffe aus ukrainischen Schwarzmeerhäfen abgelegt. Zwei Schiffe hätten in Tschornomorsk und eines in Odessa abgelegt, teilte das türkische Verteidigungsministerium mit. Die Frachter "Navistar", "Rojen" und "Polarnet" hätten zusammen rund 58.000 Tonnen Mais an Bord, teilte der ukrainische Infrastrukturminister Olexander Kubrakow mit. Die drei Frachter würden Irland, Großbritannien und die Türkei anlaufen, erklärte das Ministerium. Zudem soll sich ein unbeladenes Schiff nach einer Kontrolle in Istanbul auf den Weg in einen ukrainischen Hafen machen, wie das türkische Verteidigungsministerium mitteilte.

Getreide aus der UkraineBild: TURKISH DEFENCE MINISTRY/ REUTERS

Die Ukraine fordert unterdessen auch eine Ausweitung des Abkommens für Getreide-Exporte über das Schwarze Meer auch auf andere Güter. Bei dem Abkommen gehe es um Logistik, um eine Bewegung von Schiffen im Schwarzen Meer, sagt der stellvertretende Wirtschaftsminister Taras Katschka der "Financial Times". Dabei gebe es keinen Unterschied zwischen Getreide und beispielsweise Eisenerz.

Agrarexporte über die ukrainischen Schwarzmeerhäfen waren wegen des russischen Angriffskrieges zuletzt monatelang blockiert gewesen. Ein erster mit Mais beladener Frachter, der den ukrainischen Hafen Odessa am Montag verlassen hatte, soll am Sonntag im Libanon ankommen.

Der Getreide-Frachter "Razoni" hat Istanbul bereits passiertBild: Dilara Senkaya/REUTERS

Möglich wurde das durch ein Abkommen der Kriegsgegner Ukraine und Russland unter Vermittlung von UN und Türkei. Die Vereinbarung erlaubt Getreideausfuhren aus drei ukrainischen Häfen. Inspektionen am Bosporus sollen unter anderem sicherstellen, dass Schiffe keine Waffen geladen haben.

Die ausbleibenden Ausfuhren haben die Hungerkrise in Teilen der Welt verschärft. Vor allem ost- und nordafrikanische Staaten wie Somalia, Ägypten oder Libyen sind von Getreidelieferungen aus der Ukraine und Russland abhängig.

Kiew kritisiert Amnesty International-Bericht

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Amnesty International nach Kritik an der Taktik der ukrainischen Armee scharf kritisiert. Die Menschenrechtsorganisation wolle "eine Amnestie für den terroristischen Staat (Russland) erlassen und die Verantwortung vom Aggressor dem Opfer zuschieben", sagte Selenskyj in einer Videoansprache.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sei "ungerechtfertigt, invasiv und terroristisch", sagte der Präsident weiter. "Wenn jemand einen Bericht anfertigt, in dem Opfer und Angreifer gewissermaßen auf eine Stufe gestellt werden, wenn gewisse Dinge über das Opfer analysiert und die Taten des Angreifers ignoriert werden, dann kann das nicht toleriert werden."

Präsident Wolodomyr Selenskyi bezichtigt Amnesty, die Kriegs-Realität verkannt zu habenBild: Igor Golovniov/SOPA/ZUMA/picture alliance

Die Menschenrechtsorganisation hatte der Ukraine in einem Bericht vorgeworfen, durch die Stationierung von Truppen in Wohngebieten teils Zivilisten zu gefährden. Bei der Abwehr der bereits seit mehr als fünf Monaten andauernden russischen Invasion errichteten die Ukrainer Militärbasen etwa in besiedelten Wohngebieten - darunter auch in Schulen und Krankenhäusern - oder bedienten dort Waffensysteme, heißt es in einem Amnesty-Bericht. Das Kriegsrecht verlange jedoch von Konfliktparteien, militärische Objekte so weit wie möglich von zivilen Einrichtungen entfernt zu platzieren, mahnte die Organisation.

AI: Selenskyjs Reaktion ist "bedauerlich"

Die leitende Krisenberaterin von Amnesty International Donatella Rovera nannte die Reaktion Selenskyj auf den Amnesty-Bericht in einem Interview mit der Deutschen Welle "bedauerlich". Auf der Website der Menschenrechtsorganisation seien mehrere Berichte, "in denen "ausführlich und sehr detailliert Kriegsverbrechen und andere schwerwiegende Verstöße gegen das Völkerrecht durch die russischen Streitkräfte" festgehalten würden.

Zugleich verteidigte Rovera die Kritik von Amnesty International an der Ukraine. Es gebe Beweise dafür, dass die Kiewer Streitkräfte gegen internationales Recht verstießen, "basierend auf einer Dokumentation, die über mehrere Monate hinweg durchgeführt wurde".

Kampf gegen Kollaborateure - Ausgangssperre in Mykolajiw

In der südukrainischen Hafenstadt Mykolajiw wird für die Suche nach Helfern der russischen Armee eine mehr als zweitägige Ausgangssperre verhängt. "Am Wochenende wird die Stadt geschlossen, kaufen Sie rechtzeitig Wasser und Lebensmittel", sagte Gouverneur Witalij Kim in einer Videobotschaft. Der Gouverneur hatte die Sperre bereits im Juli angekündigt.

Für Hinweise auf Kollaborateure, die das russische Feuer auf Objekte in der Stadt lenken, hatte Kim zudem eine Prämie von umgerechnet knapp 100 Euro ausgelobt. Auch wenn die Stadt beinahe täglich aus rund 25 Kilometern Entfernung von der russischen Armee mit Raketen beschossen wird, beschwichtigt der Gouverneur: Es gebe keine Anzeichen dafür, dass Mykolajiw von russischen Truppen eingekreist werde.

Nach einem russischen Angriff am 26. Juli auf Mykolajiw löschen Feuerwehrleute den BrandBild: STR/NurPhoto/picture alliance

Lettland schränkt Visavergabe an Russen ein

Lettland hat die Ausstellung von Visa für Russen auf unbestimmte Zeit weiter eingeschränkt. Die lettische Botschaft in Moskau werde von nun an nur noch Visa-Anträge von russischen Staatsbürgern entgegennehmen, die an der Beerdigung eines nahen Verwandten in Lettland teilnehmen müssten, teilte die Auslandsvertretung des baltischen EU- und NATO-Landes mit.

Auch bisher war die Vergabe schon eingeschränkt, Visa für Russen wurden zuletzt nur noch in humanitären Fällen ausgestellt. So erteilte Riga vielen Journalisten Aufenthaltsgenehmigungen, die aufgrund von Beschränkungen nicht mehr in Russland arbeiten konnten. Unlängst warnten die lettischen Sicherheitsbehörden jedoch vor Risiken durch die verstärkte Tätigkeit russischer Medien im Land.

Russische Truppen greifen vor Donezk mehrere Frontabschnitte an

Die russischen Truppen haben nach ukrainischen Angaben im Gebiet Donezk eine größere Offensive gestartet. "Im Raum Donezk führt der Feind eine Angriffsoperation Richtung Bachmut und Awdijiwka durch", teilte der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht mit. Mit den Gefechten versuchen die russischen Truppen demnach, sich in eine gute Ausgangsposition für die Eroberung der Städte Soledar und Bachmut zu bringen und ihre Kontrolle auf das Gebiet westlich von Donezk zu erweitern. 

Russland nimmt Osten der Ukraine weiter unter Beschuss

Die Großstadt Charkiw ist nach Behördenangaben am Donnerstagabend von russischer Artillerie beschossen worden. Drei Stadtteile seien Ziel der Angriffe gewesen, schrieb Bürgermeister Ihor Terechow bei Telegram. Nach ersten Erkenntnissen seien drei Menschen verletzt worden. "Ich bitte alle, in Schutzräumen zu bleiben und maximal vorsichtig zu sein", schrieb er. Die ukrainische Armee hat russische Truppen zwar von der zweitgrößten Stadt des Landes abgedrängt, sie ist aber nicht ganz außer Reichweite der russischen Artillerie.

Weiter Verstimmungen auf dem diplomatischen Parkett

Russland weist 14 bulgarische Diplomaten aus. Sie seien zu unerwünschten Personen erklärt worden, teilte das Außenministerium in Moskau mit. Ende Juni hatte Bulgarien 70 russische Diplomaten ausgewiesen und dies mit Spionagevorwürfen begründet. Zudem will das bulgarische Außenministerium erreichen, dass genauso viele bulgarische Diplomaten in Moskau wie russische in Sofia tätig sind.

Neue Sanktionen gegen ukrainischen Ex-Präsidenten

Die EU hat erneut Sanktionen gegen den früheren ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch und dessen Sohn verhängt. Die beiden seien verantwortlich für die Unterstützung und Umsetzung von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine bedrohten, heißt es in dem veröffentlichten Beschluss. So sei Viktor Janukowitsch laut verschiedenen Quellen zuletzt Teil einer russischen Sonderoperation gewesen, die das Ziel gehabt habe, ihn während der ersten Phase des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine wieder als Präsidenten einzusetzen. Der 72-Jährige halte sich für den rechtmäßigen Präsidenten der Ukraine und habe in seinen öffentlichen Auftritten stets eine prorussische Haltung vertreten, erklärt die EU.

Ex-Präsident Viktor Janukowitsch, seit 2014 im russischen Exil, in der Ukraine eine Persona non grata (Archivbild)Bild: Reuters/T. Makeyeva

Sein 49 Jahre alter Sohn führe unter anderem weiterhin Geschäftstätigkeiten in dem von Separatistengruppen kontrollierten Donbass, insbesondere im Energie-, Kohle-, Bau-, Bank- und Immobiliensektor.

Die EU hatte bereits in der Vergangenheit mehrfach Sanktionen gegen Janukowitsch und dessen Sohn verhängt. Diese wurden zum Teil allerdings wegen Verfahrensfehlern vom EU-Gericht für nichtig erklärt. Die Sanktionen sehen vor, dass in der EU vorhandene Vermögenswerte der beiden Männer eingefroren werden. Zudem gelten EU-Einreiseverbote.

nob/gri/as/qu/bru (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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