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KonflikteUkraine

Aktuell: Baerbock verteidigt Waffenlieferungen

27. April 2022

Völkerrechtlich sei die Lieferung kein Kriegseintritt, betonte die deutsche Außenministerin bei einer Befragung im Bundestag. Russlands Präsident Putin warnt derweil vor Einmischung in der Ukraine. Ein Überblick.

Berlin | Bundestagssitzung: Annalena Baerbock
Außenministerin Annalena Baerbock: Wir stehen der Ukraine solidarisch zur SeiteBild: LISI NIESNER/REUTERS

Das Wichtigste in Kürze:

  • Baerbock nennt Details zu Waffenlieferungen an die Ukraine
  • Putin droht den Unterstützern der Ukraine
  • Steinmeier schickt Warnung an den Kreml
  • Cherson angeblich nicht mehr unter ukrainischer Kontrolle
  • Moskau verhängt Einreiseverbote gegen britische Parlamentarier

Außenministerin Annalena Baerbock hat die Entscheidung der Bundesregierung zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine auch angesichts von Warnungen vor einer drohenden atomaren Eskalation verteidigt. Welche Schritte Russland in dem Krieg noch gehe, liege allein im Ermessen von Präsident Wladimir Putin, sagte die Grünen-Politikerin im Bundestag in Berlin auf die Frage, welche Rolle die Gefahr eines Atomkrieges bei der Entscheidung gespielt habe.

Die Außenministerin betonte, dass die Entscheidung zur Genehmigung von Panzerlieferungen an die Ukraine "kein Schnellschuss" gewesen sei. Der Schritt sei eng mit den Bündnispartnern vorbereitet und abgestimmt worden. Zugleich wie sie darauf hin, dass Deutschland als großes und einflussreiches Land eine "besondere Verantwortung" habe, weil sein Handeln den kleineren Ländern in der EU als Orientierung diene.

Die Ministerin wies den Vorwurf zurück, dass sich Deutschland durch die Waffenlieferungen zur Kriegspartei machen könnte. "Das ist kein Kriegseintritt, weil wir das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung unterstützen", sagte sie. Dieses Recht sei in der UN-Charta verbrieft. Baerbock räumte allerdings ein, es sei nicht zu erwarten, dass Russland solche völkerrechtlichen Argumente respektiere.

Details zu deutschen Waffenlieferungen 

In der Regierungsbefragung im Bundestag verlas Baerbock eine Liste von Rüstungsmaterial, das bereits aus Deutschland kommend in der Ukraine eingetroffen sei. Demnach handelt es sich um mehrere tausend Panzerfäuste, Flugabwehrraketen vom Typ Stinger, Strela-Fliegerfäuste, Munition im zweistelligen Millionenbereich, Bunkerfäuste, Maschinengewehre, Panzerabwehrrichtminen, Handgranaten in sechsstelliger Zahl und Sprengladungen.

Darüber hinaus habe die Bundesregierung - weil die eigenen Bestände erschöpft gewesen seien - Waffenlieferungen durch die Rüstungsindustrie veranlasst. Geliefert worden seien hier Panzerminen und vor allem Artilleriemunition. Diese Liste gebe sie auch "im Namen der Bundesregierung" bekannt, betonte die Außenministerin.

Deutsche Soldaten üben den Einsatz der Fliegerfaust "Strela": Flugabwehrraketen dieses Typs wurden bereits an die Ukraine geliefertBild: Michael Mandt/Bundeswehr/dpa/picture alliance

Putin droht mit "blitzschnellen" Schlägen bei Einmischung

Der russische Präsident Wladimir Putin hat allen Ländern, die die Ukraine unterstützen, mit schnellen Gegenschlägen gedroht. Wer sich von außen einmischen wolle und eine für Russland unannehmbare strategische Bedrohung schaffe, müsse wissen, dass die Antwort "blitzschnell, rasch" sein werde, sagte Putin in St. Petersburg bei einer Versammlung von Spitzenfunktionären. "Wir werden sämtliche Instrumente anwenden, wenn es nötig ist. Und ich will, dass alle das wissen." Die notwendigen Entscheidungen seien bereits gefällt.

Zugleich erklärte Putin den westlichen Versuch für gescheitert, die russische Wirtschaft mit Sanktionen abzuwürgen. Die Militäroperation in der Ukraine und im Donbass werde alle ihre vorgegebenen Ziele erreichen, betonte er. Der Kremlchef hatte auch die Atomwaffen des Landes als Warnung an die NATO in erhöhte Alarmbereitschaft versetzen lassen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Zuzana Caputova, Präsidentin der Slowakei, im historischen Rathaus von Kosice.Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Steinmeier warnt Kreml davor, die NATO zu unterschätzen

"Unsere Demokratien sind stark und wehrhaft", sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nach einem Gespräch mit der slowakischen Präsidentin Zuzana Caputova in der Stadt Kosice. "Sie sind bereit und in der Lage, jeden Zentimeter des Bündnisgebietes zu verteidigen - und das gemeinsam." Dieses unmissverständliche Signal gehe auch von den in der Slowakei stationierten deutschen und niederländischen Staffeln des Flugabwehrraketensystems Patriot aus.

Caputova dankte Steinmeier ausdrücklich für die militärische Hilfe Deutschlands. Zugleich kündigte sie weitere Waffenlieferungen an die Ukraine an. "Was den Umfang betrifft, handelt es sich um die größte Hilfe in der Geschichte der Slowakischen Republik." Derzeit geht es laut Caputova um den Verkauf der slowakischen Radpanzer-Haubitze Zuzana. Man sei aber auch für weitere Waffenlieferungen offen. 

Die Slowakei hat eine knapp 100 Kilometer lange Grenze mit der Ukraine und fürchtet um die eigene Sicherheit. Kosice, die im Osten gelegene zweitgrößte Stadt des Landes, ist auch eine Drehscheibe für humanitäre Hilfe für die Ukraine sowie Ankunftsort vieler Flüchtlinge aus dem Land. Steinmeier setzte mit der Reise seine Besuche an der Nato-Ostflanke fort. So war er in den vergangenen Wochen bereits in Lettland, Litauen und in Polen. In der kommenden Woche plant er einen Besuch in Rumänien.

Russland will Gebiet Cherson erobert haben

Das russische Militär hat nach eigener Darstellung die Kontrolle über große Teile der Ost- und Südukraine erlangt. "Die russische Armee hat das gesamte Gebiet Cherson, Teile der Gebiete Charkiw, Saporischja, Mykolajiw sowie bedeutende Teile der Donezker und Luhansker Volksrepublik unter ihre Kontrolle genommen", erklärte Generaloberst Michail Misinzew. In den eroberten Gebieten kehre langsam wieder der friedliche Alltag ein, die soziale Infrastruktur werde instand gesetzt und die Aussaat habe begonnen, behauptete er. Von unabhängiger Seite konnten die Angaben nicht überprüft werden.

Yuriy Sak, ein Berater des ukrainischen Verteidigungsministers, sagte dazu im Interview der Deutschen Welle: "Wir sind zuversichtlich, dass es nur eine Frage der Zeit ist, diese Städte und diese Regionen zu befreien. Und natürlich brauchen wir dafür mehr schwere Waffen von unseren internationalen Partnern." Die deutsche Verteidigungsministerin habe zwar zugesagt, mehr Panzer zu liefern, aber das ist immer noch nicht ausreichend.

Durch einen Raketenangriff zerstörte die russische Armee nach eigenen Angaben eine "große Menge" westlicher Waffen im Südosten der Ukraine. Die Rüstungsgüter seien von den USA und europäischen Ländern geliefert worden, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau. Sie waren demnach in Lagerhallen auf dem Gelände eines Aluminiumwerks in Saporischschja gelagert.

Vorwürfe nach Beschuss in Transnistrien

In der prorussischen Separatistenregion Transnistrien in der Republik Moldau wurde nach Behördenangaben ein Dorf nahe der Grenze zur Ukraine attackiert, in dem sich ein großes russisches Munitionslager befindet. Das transnistrische Innenministerium teilte mit, in der Nacht zu Mittwoch seien mehrere Drohnen über Kolbasna - auf Rumänisch: Cobasna - geflogen. Am Morgen habe dann von der Ukraine aus Beschuss eingesetzt. Tote oder Verletzte gab es demnach nicht.

In dem Dorf lagern rund 20.000 Tonnen Munition aus Sowjetzeiten. Das Lager wird von russischen Truppen bewacht. Nach Angaben des Innenministeriums gilt es als das größte Munitionsdepot in Europa.

Am Montag und Dienstag hatten die Behörden in Transnistrien bereits eine Reihe von Explosionen gemeldet. Attackiert wurden demnach das Ministerium für Staatssicherheit in der Regionalhauptstadt Tiraspol, eine Armeeeinheit und ein russischer Funkturm.

Die transnistrischen Separatisten gaben der Ukraine auch an diesen Detonationen die Schuld. Kiew wies das zurück und erklärte seinerseits, der russische Geheimdienst FSB wolle die Region in den Krieg gegen die Ukraine hineinziehen.

Transnistrien hatte sich Anfang der 1990er Jahre im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion von Moldau abgespalten. International wird das Gebiet nicht als eigenständig anerkannt. Die russische Armee verfügt dort neben dem Munitionslager auch über einen Militärstützpunkt. Die Regierung in Chisinau fordert seit langem den Abzug der russischen Truppen aus der Region.

Britische Parlamentarier in Russland nicht erwünscht

Russland hat Einreiseverbote gegen 287 Abgeordnete des britischen Unterhauses verhängt. Das Außenministerium in Moskau erklärte, die Strafmaßnahmen seien eine Reaktion auf die Entscheidung der britischen Regierung, 386 russische Duma-Abgeordnete auf ihre Sanktionsliste zu setzen. Die sanktionierten Abgeordneten hätten aktiv an der Ausarbeitung der gegen Russland verhängten Sanktionen mitgewirkt und zur anti-russischen Stimmung in Großbritannien beigetragen, schrieb das Moskauer Ministerium. Im britischen Unterhaus sitzen insgesamt 650 Abgeordnete. Mitte April hatte Russland bereits die britische Regierungsspitze mit Einreiseverboten belegt. Betroffen sind unter anderem Premierminister Boris Johnson, sein Stellvertreter Dominic Raab, Verteidigungsminister Ben Wallace und Außenministerin Liz Truss.

Nach seinem Treffen mit Wladimir Putin (l.) im Kreml war Antonio Guterres über Polen in die Ukraine gereistBild: Vladimir Astapkovich/AFP

Guterres in Kiew angekommen

UN-Generalsekretär António Guterres ist nach Angaben der Vereinten Nationen in der ukrainischen Hauptstadt Kiew angekommen. Dort wird er am Donnerstag Präsident Wolodymyr Selenskyj und Außenminister Dmytro Kuleba teffen. Auch ein Besuch an einem noch unbekannten Ort außerhalb der Hauptstadt ist geplant. Eines der Hauptthemen dürfte wie auch schon beim vorherigen Besuch in Moskau die Lage in der südostukrainischen Hafenstadt Mariupol sein, wo ukrainische Truppen und Zivilisten von der russischen Armee eingekesselt sind.

Der UN-Generalsekretär hatte in Russland KremlchefWladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow besucht und war dann mit dem Zug aus Polen nach Kiew gereist. Putin erklärte bei der Begegnung mit Guterres: "Trotz der Tatsache, dass der Militäreinsatz (in der Ukraine) andauert, hoffen wir immer noch, dass wir in der Lage sein werden, auf diplomatischem Wege Abkommen zu erreichen." Russland lehne Verhandlungen nicht ab. Diese waren allerdings ins Stocken geraten, nachdem im Großraum Kiew nach dem Abzug russischer Truppen viele Leichen von Zivilisten gefunden wurden. Damit habe die russische Armee "nichts zu tun", betonte Putin erneut.

 

Ukraine-Flüchtlinge sollen Anspruch auf Grundsicherung haben

Ukrainische Geflüchtete sollen ab Juni in Deutschland einen Rechtsanspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch erhalten. Das geht aus einem Gesetzentwurf hervor, den das Bundeskabinett auf den Weg gebracht hat. Er sieht vor, dass Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ab 1. Juni Grundsicherung erhalten können - wie etwa Hartz-IV-Empfänger. Bisher erhalten sie nur geringere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Nach dem neuen Gesetz erhielten sie mehr Geld und besseren Zugang zu medizinischen Leistungen. Für die Geflüchteten gelten zudem Erleichterungen bei Wohnsitzauflagen, etwa wenn sie eine Arbeit aufnehmen, Integrationskurse besuchen oder eine Weiterbildungsmaßnahme absolvieren. Bundestag und Bundesrat müssen den Entwurf noch billigen. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sind in Deutschland derzeit knapp 384.000 Geflüchtete aus der Ukraine registriert. 

Ukraine-Geflüchtete ohne Impfschutz

02:37

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Selenskyj: Ukraine-Krieg "nur der Anfang"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in seiner täglichen Videobotschaft erklärt, man sei auf einen möglichen Angriff russischer Truppen aus Transnistrien vorbereitet. Nach seiner Ansicht verfolgt Russland Pläne, die weit über die Ukraine hinausreichen."Das ultimative Ziel der russischen Führung ist nicht nur die Eroberung der Ukraine, sondern die Zerschlagung des gesamten Zentrums und des Ostens Europas", sagte Selenskyj in seiner Ansprache, die in der Nacht zum Mittwoch auf Telegram veröffentlicht wurde. Auch ein "globaler Schlag gegen die Demokratie" gehöre zu dem Ziel. In der "freien Welt" gebe es praktisch niemanden mehr, der nicht verstanden habe, dass der Krieg Russlands gegen die Ukraine nur der Anfang sei, meinte der Staatschef.

Wolodymyr SelenskyjBild: Efrem Lukatsky/AP/dpa/picture alliance

Russland aus UN-Tourismusorganisation ausgeschlossen

Russland ist wegen des Angriffskriegs in der Ukraine aus der Weltorganisation für Tourismus (UNWTO) ausgeschlossen worden. Die Mitgliedschaft des Landes werde mit sofortiger Wirkung ausgesetzt, teilte die UN-Sonderorganisation mit. "Frieden ist ein fundamentales Menschenrecht. Es ist allen garantiert. Ohne Ausnahme", twittert UNWTO-Generalsekretär Surab Pololikaschwili. Mehr als zwei Drittel der 160 Mitgliedsländer hatten für die Suspendierung gestimmt. Kurz zuvor hatte Russland selbst erklärt, sich aus der UNWTO zurückziehen zu wollen. Die UNTWO setzt sich für einen verantwortlichen Tourismus und internationale Verständigung ein.

wa/cw/jj/djo/uh/rb (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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