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PolitikUkraine

Ukraine: Baerbock zu Lawrow: "Stoppen Sie diesen Krieg"

2. März 2023

Die deutsche Außenministerin nutzt das G20-Treffen in Neu Delhi zu einem leidenschaftlichen Appell an ihren russischen Kollegen. Präsident Selenskyj lobt den Durchhaltewillen der Ukrainer. Ein Überblick.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock beim G20-Treffen in der indischen Hauptstadt Neu Delhi
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock beim G20-Treffen in der indischen Hauptstadt Neu DelhiBild: Florian Gaertner/photothek/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Baerbock richtet ihre Worte direkt an den im Saal anwesenden Lawrow
  • Auch Treffen mit Chinas Außenminister Qin Gang 
  • Ermittler: Russland betrieb Folter-Einrichtungen in Cherson 
  • Ukraine weist Berichte über Angriff auf russischem Territorium zurück
  • US-Justizminister nennt Wagner-Chef "Kriegsverbrecher"

 

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hat Russland beim G20-Treffen aufgerufen, den Angriffskrieg gegen die Ukraine zu beenden. "Stoppen Sie diesen Krieg. Stoppen Sie die Verletzung unserer internationalen Ordnung. Stoppen Sie die Bombardierung ukrainischer Städte und Zivilisten", forderte die Grünen-Politikerin bei Beratungen der G20-Außenminister in Indiens Hauptstadt Neu Delhi nach Angaben aus Delegationskreisen. Sie wandte sich dabei direkt an Russlands Außenminister Sergej Lawrow.

"Es ist gut, dass Sie hier im Saal sind, um zuzuhören", sagte Baerbock zu dem russischen Minister. "Stoppen Sie den Krieg. Nicht in einem Monat oder einem Jahr, sondern heute." Sie fügte hinzu: "Denn jede Familie, die einen Vater, einen Bruder, eine Mutter, ein Kind verliert, verliert eine ganze Welt." Es gebe kein Recht des Stärkeren, seinen kleinen Nachbarn zu überfallen. Beim G20-Treffen im vergangenen Jahr hatte Lawrow die Runde der Außenminister verlassen, damit er sich keine Kritik anhören musste.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow bei dem G20-Treffen in Indiens Hauptstadt Neu DelhiBild: Olivier Douliery/REUTERS

Baerbock äußerte sich zudem besorgt, dass Russland den "New Start"-Vertrag zur Reduzierung von Nuklearwaffen aussetzen wolle. Sie forderte Lawrow auf, den Dialog mit den USA wieder aufzunehmen und zur vollständigen Umsetzung des Vertrages zurückzukehren.

Lawrow kritisierte seinerseits bei der G20-Ministerrunde die westlichen Sanktionen gegen sein Land als Willkür. "Es ist notwendig, den unrechtmäßigen Sanktionen, jeglicher Verletzung der internationalen Handelsfreiheit, der Marktmanipulation, der willkürlichen Einführung von Preisobergrenzen und anderen Versuchen, sich fremde Bodenschätze anzueignen, einen Riegel vorzuschieben", sagte Lawrow in Neu Delhi. Die EU hat unter anderem eine Preisobergrenze für russisches Öl in Kraft gesetzt, um Moskau die Finanzierung des Kriegs zu erschweren. Auch andere G20-Länder wie die USA und Großbritannien haben eine ganze Serie von Sanktionen verhängt. 

Wegen des Ukraine-Kriegs gab es zum Abschluss des G20-Treffens keine gemeinsame Erklärung. Der indische Außenminister Subrahmanyam Jaishankar sagte: "Es gab Differenzen, die wir zwischen verschiedenen Teilnehmern nicht schlichten konnten." Russland und China hatten sich dem Vernehmen nach geweigert, eine gemeinsame Erklärung mitzutragen. 

Baerbock prangert mögliche Waffenlieferungen Chinas an

Baerbock traf in Neu Delhi auch ihren chinesischen Kollegen Qin Gang. Dabei pochte sie angesichts von Spekulationen über chinesische Waffenlieferungen an Russland auf die Einhaltung der UN-Charta. Sie habe deutlich gemacht, dass die Lieferung von Waffen oder von Gütern, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden könnten, "Unterstützung eines völkerrechtswidrigen Angriffskriegs wäre", betonte die Ministerin nach dem Gespräch mit Qin. Als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat habe China die Aufgabe, "für den Weltfrieden einzutreten und nicht einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu unterstützen". 

Auch Gespräche unter vier Augen: Außenministerin Baerbock und Chinas Ressortchef Qin am Rande der G20-Beratungen Bild: Florian Gaertner/photothek/picture alliance

Kürzlich hatte es Meldungen gegeben, wonach China Russland Drohnen für Angriffe auf zivile Ziele in der Ukraine überlassen könnte. Die Volksrepublik hat den russischen Einmarsch bis heute nicht verurteilt. 

Den G20 gehören große Industrie- und Schwellenländer an, darunter Russland und China. Indien will den Vorsitz nutzen, um den Fokus auf Themen wie den Kampf gegen die Armut sowie die Klimafinanzierung zu richten. Indiens Premierminister Narendra Modi rief die G20-Gruppe führender Wirtschaftsmächte vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine zu Geschlossenheit auf. Man solle sich nicht auf Angelegenheiten konzentrieren, die man nicht zusammen lösen könne - sondern auf solche, die man lösen könne, sagte Modi zu Beginn des Ministertreffens in einer Videoansprache.

Ermittler: Russland betrieb Folter-Einrichtungen in Region Cherson

Neue Beweise aus dem zuletzt befreiten ukrainischen Cherson zeigten, dass Folterkammern vom russischen Staat geplant und errichtet worden seien, teilte das von der EU, Großbritannien und den USA finanzierte Mobile Justice Team mit. Die Gruppe, die von der Stiftung Global Rights Compliance um den britischen Rechtsanwalt Wayne Jordash gegründet wurde, unterstützt ukrainische Staatsanwälte bei der Ermittlung von Kriegsverbrechen.

Die Folter-Einrichtungen in dem Gebiet, aus dem sich russische Truppen im November zurückgezogen hatten, seien unter anderem vom russischen Inlandsgeheimdienst FSB und von der russischen Gefängnisbehörde betrieben worden, erklärte die Ermittlergruppe. Mehr als 1000 Folter-Opfer hätten als Zeugen ausgesagt. Sie hätten von Elektroschocks und simuliertem Ertränken (Waterboarding) berichtet. Die Ermittler fügten hinzu, im Zusammenhang mit der Folter würden mehr als 400 Personen vermisst. 

Ukraine weist Berichte über Angriff auf russischem Territorium zurück 

Als "absichtliche Provokation" aus Moskau hat die Regierung in Kiew den russischen Vorwurf des Eindringens ukrainischer "Saboteure" zurückgewiesen. Der ukrainische Präsidentenberater Michailo Podoljak schrieb im Onlinedienst Twitter, Russland wolle Angst verbreiten, um seinen Angriff auf ein anderes Land und die wachsende Armut nach einem Jahr Krieg zu rechtfertigen. 

Russische Behörden und Nachrichtenagenturen des Landes, die sich auf den Geheimdienst FSB,  Augenzeugen und Rettungskräfte beriefen, hatten zuvor berichtet, eine Gruppe von ukrainischen "Saboteuren" sei in die Region Briansk an der Grenze zur Ukraine eingedrungen. Der russische Gouverneur der Region, Alexander Bogomas, erklärte via Telegram, "Saboteure" hätten das Feuer auf ein fahrendes Auto eröffnet. Nach jüngsten Angaben seien zwei Menschen getötet und ein Kind verletzt ins Krankenhaus gebracht worden.

Der russische Staatschef Wladimir Putin sprach in einer im Fernsehen übertragenen Rede von einem "Terroranschlag" im Süden des Landes. Ukrainische "Terroristen" und "Neonazis" hätten das Feuer auf Zivilisten in der Region Briansk eröffnet. Von unabhängiger Seite lassen sich die Angaben nicht überprüfen.

Selenskyj lobt Durchhaltewillen seiner Landsleute

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seinen Landsleuten angesichts systematischer russischer Angriffe auf Energieeinrichtungen mit anschließender Kälte und Dunkelheit seine Anerkennung dafür gezollt, einen "sehr schwierigen Winter" überlebt zu haben. "Es war eine sehr schwierige Zeit, und jeder Ukrainer hat diese Schwierigkeit erlebt, aber wir waren dennoch in der Lage, die Ukraine mit Energie und Wärme zu versorgen", sagte Selenskyj in seiner allabendlichen Videoansprache. Der Staatschef fügte hinzu, dass es immer noch "eine Bedrohung des Energiesystems" gebe.

Zuvor hatte bereits der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba erklärt, die Ukraine habe den schwierigsten Winter ihrer Geschichte durchlebt. Mit dem Frühlingsbeginn am 1. März habe das Land den "Winterterror" des russischen Präsidenten Wladimir Putin überstanden.

Die ukrainische Armee versucht die Frontline im Osten zu haltenBild: Oleksandr Ratushniak/REUTERS

Die russischen Streitkräfte hatten im Oktober damit begonnen, verstärkt die Energieinfrastruktur in der Ukraine mit Raketen und Drohnen anzugreifen. Für Millionen Menschen bedeutete das, Ausfälle bei Wasser, Strom und Heizung bei eisigen Wintertemperaturen zu ertragen.

Lage an den Fronten laut Kiew unter Kontrolle

Die Streitkräfte der Ukraine haben die Lage an den Fronten des Landes nach Einschätzung von Präsident Wolodymyr Selenskyj im Griff. Allerdings müssten die Menschen im Hinterland der Fronten weiterhin unter den russischen Angriffen leiden. Die russischen Artillerieangriffe auf Städte und Dörfer hinter den Fronten im Süden und Osten der Ukraine nannte er "bewussten Terror". Dort seien die Menschen zwar nicht an der Front, aber dennoch direkt im Krieg. Besonders schwer umkämpft ist noch immer die ostukrainische Stadt Bachmut.

US-Justizminister Garland nennt Wagner-Chef "Kriegsverbrecher"

US-Justizminister Merrick Garland hat den russischen Söldner-Chef Jewgeni Prigoschin als "Kriegsverbrecher" bezeichnet. Vielleicht sei es unangemessen, dies zu sagen, bevor die Beweisaufnahme abgeschlossen sei. "Aber ich denke, wir haben zu diesem Zeitpunkt mehr als genug Beweise, um mein Gefühl zu rechtfertigen." Was die Gruppe Wagner in der Ukraine anrichte, sei "unfassbar". Das US-Justizministerium helfe Kiew dabei, seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine mutmaßlich begangene Kriegsverbrechen zu untersuchen, sagte Garland in einer Anhörung des US-Senats - darunter auch Verbrechen, die der Gruppe Wagner zugeschrieben werden.

US-Justizminister Merrick Garland hat eine klare Einschätzung von Söldner-Chef Prigoschin Bild: Sarah Silbiger/REUTERS

Wagner-Söldner sind seit Monaten auch im Kampf um das als strategisch wichtig geltende Bachmut im Einsatz und agieren weitgehend unabhängig vom russischen Militärkommando. Die USA stuften die Gruppe Wagner im Januar offiziell als "transnationale kriminelle Organisation" ein und stellten sie damit auf eine Stufe mit italienischen Mafia-Banden und anderer organisierter Kriminalität.

EU könnte Anreize für Munitionslieferungen an Ukraine erhöhen

Länder wie Deutschland könnten künftig deutlich mehr EU-Geld bekommen, wenn sie schnell dringend benötige Munition in die Ukraine liefern. In einem zuletzt bekannt gewordenen Diskussionspapier schlägt die EU-Kommission vor, den Mitgliedstaaten im Fall von zügigen Lieferungen bis zu 90 Prozent der Kosten aus EU-Mitteln zu erstatten. Bislang lag die Rückerstattungsquote bei entsprechenden Anträgen in der Regel bei deutlich niedrigeren Werten. Die Staaten seien angehalten, insbesondere rasch Artilleriemunition des Kalibers 155 Millimeter zur Verfügung zu stellen, heißt es in dem Papier, aus dem die Deutschen Presse-Agentur berichtet. Der Transfer müsse aus bestehenden Beständen oder für die Lieferung anstehenden Aufträgen erfolgen. Für Munitionslieferungen will der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell laut dem Dokument die Freigabe einer weiteren Milliarde Euro vorschlagen.

Wieder US-Amerikaner und Russen auf dem Weg zur ISS

Zwei US-Amerikaner, ein Russe und ein Emirati sind gemeinsam zur Internationalen Raumstation ISS aufgebrochen. Die vier Raumfahrer starteten an Bord eines "Crew Dragon"-Raumkapsel der privaten Raumfahrtfirma SpaceX von Elon Musk vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida. Damit flogen zum wiederholten Mal seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine vor rund einem Jahr und den daraus resultierenden immensen Spannungen zwischen den USA und Russland Raumfahrer beider Länder gemeinsam ins All.

Der russische Kosmonaut Andrej Fedjajew (vorne links) und Emirati Sultan al-Nijadi (r.) sowie die US-Astronauten Warren Hoburg (hinten links) und Stephen Bowen auf dem Weg in die "Crew Dragon"-RaumkapselBild: Jim Watson/AFP/Getty Images

Eigentlich war der Start bereits für Montag geplant gewesen, hatte aber wegen Problemen an der Zündanlage kurzfristig abgebrochen und verschoben werden müssen. Stephen Bowen, Warren Hoburg, Andrej Fedjajew und Sultan al-Nijadi sollen voraussichtlich rund sechs Monate lang an Bord der ISS bleiben. Dort werden die Raumfahrer auf insgesamt sieben weitere Kolleginnen und Kollegen treffen. Von diesen werden vier in wenigen Tagen zur Erde zurückfliegen.

Meerjungfrau in Kopenhagen mit Russland-Farben beschmiert

In der dänischen Hauptstadt ist die berühmte Statue der kleinen Meerjungfrau mit den Farben der russischen Flagge beschmiert worden. Der Stein, auf dem die Meerjungfrau an einer Uferpromenade in Kopenhagen sitzt, wurde in der Nacht zum Donnerstag in den Farben Weiß, Blau und Rot bemalt. Die dänische Polizei hat nach eigenen Angaben Ermittlungen zu dem "Fall von Vandalismus" an dem Wahrzeichen eingeleitet.

"Den Lille Havfrue" wie die Kleine Meerjungfrau in Dänemark heißt, wurde mal wieder Opfer von VandalismusBild: Ida Marie Odgaard/AP/picture alliance

Die Bronzestatue der kleinen Meerjungfrau stellt die Figur aus dem gleichnamigen Märchen des dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen dar. Seit ihrer Errichtung im Jahr 1913 ist sie immer wieder Opfer von Vandalismus geworden - 1964 und 1998 wurde die kleine Meerjungfrau etwa enthauptet, 2003 gar in die Luft gesprengt. Besprüht und bemalt wurde die Statue auch schon mehrfach.

sti/pg/se/jj/qu/rb (dpa, afp, rtr)   

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen. 

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