Ukraine aktuell: Deutschland sagt Kiew neues Waffenpaket zu
13. Mai 2023
Das Wichtigste in Kürze:
- Bundesregierung sagt der Ukraine milliardenschweres Waffenpaket zu
- Selenskyj von Italiens Staatspräsident Mattarella empfangen
- Regierungskreise in Berlin: Ukrainischer Präsident am Sonntag in Deutschland
- Blinken und Kuleba tauschen sich über Offensive aus
- Ungarn droht mit Blockade neuer Russland-Sanktionen
Die Bundesregierung hat ein neues milliardenschweres Waffenpaket für die Ukraine geschnürt. Das Land werde Militärhilfe im Wert von rund 2,7 Milliarden Euro erhalten, teilte das Bundesverteidigungsministerium mit. "Mit diesem wertvollen Beitrag an dringend benötigtem militärischen Material zeigen wir einmal mehr, dass es Deutschland mit seiner Unterstützung ernst ist", sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius.
Geliefert würden unter anderem 30 Leopard-1-Panzer, 20 Marder-Schützenpanzer, über 200 Aufklärungsdrohnen, vier IRIS-T-Flugabwehrsysteme sowie Munition und mehr als 100 gepanzerte Fahrzeuge. Es ist demnach das bisher größte Waffenpaket, das Deutschland zur Stärkung der ukrainischen Streitkräfte seit Kriegsbeginn im Februar 2022 bereitstellt.
EU lobt deutsche Position
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat die EU-Staaten eindringlich zu einer Beschleunigung der Munitionslieferungen an die Ukraine aufgerufen. Deren Streitkräfte benötigten allein für den Kampf im Gebiet um die Stadt Bachmut täglich rund 1000 Artilleriegeschosse, sagte Borrell am Rande eines EU-Treffens mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba in Schweden. Dies demonstriere die Intensität der Kämpfe, aber auch die Feuerkraft der russischen Angreifer.
Die Ankündigung neuer deutscher Waffenlieferungen an die Ukraine begrüßte Borrell. "Das ist eine sehr gute Nachricht", sagte der Spanier. Er lade alle Mitgliedstaaten ein, diesem Beispiel zu folgen. Wichtig ist nach den Worten Borrells vor allem, dass die Ukraine Waffen und Munition mit größerer Reichweite bekommt. "Die Russen bombardieren aus großer Entfernung heraus. Deshalb müssen die Ukrainer die Fähigkeit haben, die gleiche Entfernung zu erreichen", sagte er.
Selenskyj zu Besuch in Rom
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist zu einem Besuch in Rom eingetroffen. Er wurde zunächst vom Staatsoberhaupt im Quirinalspalast empfangen. Sergio Mattarella drückte dem Gast die Solidarität seines Landes aus. Italien stehe "voll an der Seite" der Ukraine. Im Anschluss ging es weiter zum Amtssitz der Ministerpräsidentin. Giorgia Meloni begrüßte Selenskyj im Hof des Palazzo Chigi herzlich. Es ist seine erste offizielle Reise nach Italien seit dem russischen Angriff auf sein Land im Februar 2022.
Audienz bei Papst Franziskus
Im Vatikan wurde Selenskyj von Papst Franziskus empfangen. Das Treffen sei eine "große Ehre", sagte er dem Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche. Franziskus bedankte sich anschließend bei ihm für seinen Besuch, bevor sich beide für ein privates Gespräch zurückzogen.
Das Treffen wurde mit Spannung erwartet: Der Papst betont immer wieder, jede Gelegenheit ergreifen zu wollen, um für Frieden in der Ukraine zu werben. er 86-jährige Pontifex erinnert zwar regelmäßig an das Leid der Menschen in der Ukraine. Den Angreifer Russland nennt er bei solchen Gelegenheiten zumeist allerdings nicht.
Bemühungen des Vatikans um einen Friedensdialog mit Russland hält Selenskyj für wenig erfolgversprechend. Statt dessen sei ein Aktionsplan "für einen gerechten Frieden in der Ukraine" nötig, sagte Selenskyj in einem Interview des italienischen Fernsehens. Er war konkret nach einer möglicher Vermittlerrolle des Papstes gefragt worden, bezog in seine Antwort aber auch andere Akteure als mögliche Mediatoren ein.
Die Vergangenheit habe, so Selenskyj, gezeigt, dass man mit Russlands Präsident Wladimir Putin nicht vermitteln könne. Dabei erinnerte er an das sogenannte Minsker Abkommen von 2014 zum Ende der Gewalt in der Ostukraine. Dieses habe jahrelang nichts gebracht, sagte Selenskyj - und am Ende stand dann der Angriff von Moskau auf die Ukraine. Auf die Frage, ob er derzeit überhaupt mit Putin reden würde, antwortete er: "Nein, worüber sollten wir denn reden?" Putin könnte zwar theoretisch diplomatische Zugeständnisse machen. "Aber nach einem Jahr würde er mit dem Töten neu anfangen", sagte Selenskyj.
Selenskyj erklärte, er habe Papst Franziskus gebeten, seinen Zehn-Punkte-Friedensplan zu unterstützen. Darin werden die Wiederherstellung der territorialen Integrität, der Abzug der russischen Truppen und die Einstellung der Feindseligkeiten sowie die Wiederherstellung der ukrainischen Staatsgrenzen gefordert.
Der Besuch Selenskyjs in der italienischen Hauptstadt findet unter außerordentlich strengen Schutzmaßnahmen statt. Rund 1500 Polizisten und Sicherheitskräfte sind für einen reibungslosen Ablauf im Einsatz. Flughäfen, Bahnhöfe und die U-Bahn werden besonders kontrolliert. Über der italienischen Hauptstadt wurde eine Flugverbotszone auch für Drohnen eingerichtet.
Selenskyj war von einem italienischen Regierungsflugzeug vom südostpolnischen Flughafen in Rzeszow nahe der ukrainischen Grenze nach Rom gebracht worden. Bei der Landung in Ciampino waren italienische Kampfjets in der Luft.
Regierungskreise: Selenskyj am Sonntag in Deutschland
Wie mehrere Nachrichtenagenturen unter Berufung auf Regierungskreise in Berlin melden, wird der ukrainische Präsident an diesem Wochenende in Deutschland erwartet. Es wäre sein erster offizieller Besuch in der Bundesrepublik seit Kriegsbeginn.
Selenskyj und mit ihm das ukrainische Volk werden am Sonntag mit dem Aachener Karlspreis ausgezeichnet. Unter seiner Führung verteidigten die Ukrainer nicht nur die Souveränität ihres Landes, sondern auch Europa und die europäischen Werte, hieß es bei der Bekanntgabe im Dezember.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter sagte der Deutschen Welle, er sei "zuversichtlich, dass Präsident Selenskyj bei einem Besuch in Deutschland verdeutlichen wird, dass es in unserem eigenen Interesse ist, dass die Ukraine den Krieg in den Grenzen von 1991 gewinnt".
Eine erfolgreiche Befreiung von Staatsterritorium sei "nur durch eine kontinuierliche militärische, finanzielle und zivile Unterstützung und vor allem eine Erhöhung von Qualität und Quantität bei Munition- und Waffenlieferungen möglich". Je früher die Ukraine Gebiete befreien könne, umso schneller könne der Krieg beendet werden und umso mehr ukrainische Bürger würden "vor den russischen Gräueltaten, Kriegsverbrechen und der Unterjochung bewahrt", fügte der Außen- und Sicherheitspolitiker hinzu.
Bewegung in Front um Bachmut
In die Front um die seit Monaten umkämpfte Stadt Bachmut im Osten der Ukraine ist Bewegung gekommen. Nach übereinstimmenden russischen und ukrainischen Angaben von diesem Samstag erreichten ukrainische Truppen in der Region Geländegewinne. Die Truppen würden in zwei Richtungen in den Randbereichen Bachmuts vorrücken, sagte die stellvertretende ukrainische Verteidigungsministerin Hanna Malyar. Die Lage im Stadtzentrum sei aber "kompliziert".
Russland hatte am Freitag eingeräumt, die eigenen Truppen hätten sich aus einem Gebiet nahe Bachmut zurückgezogen und neu formiert. Der Chef der russischen Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, sprach von einer Niederlage der regulären Truppen. Die Ukraine habe eine Anhöhe vor der Stadt besetzt und die zuvor von Wagner-Söldnern gehaltene wichtigste Straße nach Bachmut unter ihrer Kontrolle.
Das britische Verteidigungsministerium erklärte, russische Truppen hätten sich in den vergangenen vier Tagen ungeordnet von Positionen bei Bachmut zurückgezogen.
Russische Besatzer sprechen von Explosion in Luhansk
In der ostukrainischen Stadt Luhansk haben sich nach Angaben der russischen Besatzer zwei größere Explosionen ereignet, bei denen sechs Kinder und ein Erwachsener verletzt worden sein sollen. Vertreter der vom Kreml eingesetzten Regionalregierung warfen der Ukraine vor, am Freitagabend einen rund 100 Kilometer von der Frontlinie entfernten industriellen Komplex mit zwei Raketen angegriffen zu haben. Auf im Internet verbreiteten Videos sind schwarze Rauchwolken über Teilen von Luhansk zu sehen.
Kiew äußerte sich offiziell nicht zu den Vorwürfen. Nachdem die Ukraine vom Westen zunächst nur mit Raketen mit kurzer Reichweite beliefert worden war, spekulieren Beobachter nun, die ukrainische Armee könnte zum ersten Mal von Großbritannien gelieferte Marschflugkörper eingesetzt haben. Diese haben eine Reichweite von 300 Kilometern.
Mehrere Tote bei Abstürzen
Beim Absturz eines russischen Militärhubschraubers auf der von Moskau annektierten Halbinsel Krim sind beide Piloten ums Leben gekommen. Der Hubschrauber vom Typ Mi-28 sei während eines Trainingsflugs abgestürzt, teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Ersten Untersuchungen zufolge sei technisches Versagen der Grund für das Unglück gewesen. Den Angaben zufolge war der Hubschrauber ohne Munition unterwegs.
Der Mi-28 ist ein vielfach einsetzbarer Kampfhubschrauber, mit dem verheerende Angriffe geflogen werden können. Russland hatte die Krim 2014 annektiert und nutzte die Halbinsel im Februar 2022 als einen der Startplätze für die Militäroperation in der Ukraine. Zuletzt wehrte Russland eigenen Angaben zufolge mehrere Drohnenangriffe auf der Krim ab.
Weitere Abstürze werden aus der westrussischen Region Brjansk gemeldet. Dort seien ein Kampfjet und zwei Hubschrauber vom Typ Mi-8 am Boden aufgeprallt, berichten russische Medien. Die Hintergründe sind noch unklar. Der Brjansker Gouverneur Alexander Bogomas bestätigte zunächst nur den Absturz eines Hubschraubers bei Klinzy. Eine Frau sei verletzt und ins Krankenhaus gebracht worden, sagte er. Berichten zufolge kamen mindestens zwei Menschen an Bord dieses Helikopters und zwei Insassen des Kampfjets ums Leben.
Vom russischen Verteidigungsministerium, das aus dem Gebiet auch Angriffe gegen die Ukraine führt, gab es zunächst keine Stellungnahme. Russland beklagt immer wieder den Beschuss seiner an die Ukraine grenzenden Regionen. Die Regierung in Kiew betont dagegen, in dem Konflikt kein russisches Staatsgebiet anzugreifen.
Selenskyj: Russland hat seine Niederlage bereits akzeptiert
Russlands Führung hat sich Aussagen des ukrainischen Präsidenten Selenskyj zufolge insgeheim bereits auf eine Niederlage im Krieg gegen die Ukraine eingestellt. "In ihren Köpfen haben sie den Krieg bereits verloren", mutmaßte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache am Freitag. "Wir müssen täglich Druck auf sie ausüben, damit sich das Gefühl der Niederlage bei ihnen in Flucht, Fehler und Verluste verwandelt."
Aus Russland gab es 14 Monate nach Kriegsbeginn zuletzt tatsächlich teils düstere Einschätzungen über die eigene Lage an der Front. So sprach beispielsweise der Chef der russischen Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, von einer "Flucht" der russischen Armee nordwestlich der umkämpften Stadt Bachmut im Osten der Ukraine. Das Verteidigungsministerium in Moskau hingegen betonte, es habe lediglich strategische Umgruppierungen gegeben.
Blinken und Kuleba tauschen sich über ukrainische Offensive aus
US-Außenminister Antony Blinken hat mit seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba über die laufenden Vorbereitungen für eine ukrainische Gegenoffensive im russischen Angriffskrieg gesprochen. In einem Telefonat hätten die beiden erörtert, wie die internationalen Partner am besten zum Erfolg der Offensive beitragen könnten, teilte das US-Außenministerium mit.
Die USA gelten als wichtigster Verbündeter im ukrainischen Abwehrkampf. Washington hat das Land seit Beginn des Angriffskriegs mit Militärhilfe im Wert von umgerechnet mehr als 33 Milliarden Euro unterstützt. Präsident Selenskyj hat bereits eine vollständige Rückeroberung aller Territorien noch in diesem Jahr in Aussicht gestellt. Derzeit besetzen russische Truppen allerdings noch rund 20 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets.
Ungarn wehrt sich gegen neue Russland-Sanktionen der EU
Die ungarische Regierung droht mit einer Blockade weiterer europäischer Sanktionen gegen Russland. Solange Ungarns größte Bank OTP auf einer ukrainischen Liste mit Unterstützern des russischen Angriffskriegs stehe, werde die ungarische Regierung kaum neue Sanktionen verhandeln können, ließ der ungarische Außenminister Peter Szijjarto am Freitag am Rande eines EU-Außenministertreffens in Schweden mitteilen. Dass die Ukraine die Bank auf die Liste gesetzt habe, sei skandalös. Diese habe gegen keinerlei Gesetze verstoßen.
Die Nationale Agentur für Korruptionsprävention (NACP) der Ukraine hatte die Bank OTP mit Sitz in Budapest Anfang Mai auf ihre Liste mit Kriegssponsoren gesetzt. Sie begründete dies damit, dass das Geldinstitut auch nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine zu den führenden Banken auf dem russischen Finanzdienstleistungsmarkt gehöre. Die OTP Gruppe ist seit ihrer Privatisierung in den 1990er-Jahren auch in vielen anderen osteuropäischen Ländern vertreten.
djo/cw/haz/bru/sti/jj/uh (dpa, afp, rtr)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.