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KonflikteUkraine

Ukraine aktuell: China startet neue Friedensinitiative

12. Mai 2023

Die Volksrepublik will sich darum bemühen, zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln. Staatschef Selenskyj wird am Wochenende nach Italien reisen - und vielleicht auch nach Deutschland. Nachrichten im Überblick.

Russland China Li Hui
Der Sondergesandte Li Hui (Archivfoto) war längere Zeit Chinas Botschafter in MoskauBild: Artyom Geodakyan/dpa/TASS/picture alliance

Das Wichtigste in Kürze:

  • China schickt Sondergesandten Li Hui in die Ukraine
  • Selenskyj wird zu Besuch in Rom am Samstag erwartet
  • Moskau meldet Abwehr ukrainischer Angriffe bei Soledar
  • Medien: Rheinmetall gründet Joint Venture zum Panzerbau in der Ukraine
  • Sportminister sind gegen Rückkehr russischer Athleten unter neutraler Flagge

Erstmals seit Kriegsbeginn schickt China einen Sondergesandten in die Ukraine, der auf seiner diplomatischen Mission ab Montag auch Russland, Deutschland, Polen und Frankreich einen Besuch abstatten soll. Ziel der Reise des im April ernannten Diplomaten Li Hui sei es, "mit allen Parteien über eine politische Lösung" zu sprechen, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking. China zeige damit seinen "Einsatz für die Förderung von Frieden und Verhandlungen". Man sei "bereit, weiterhin eine konstruktive Rolle einzunehmen bei der Schaffung eines internationalen Konsenses für einen Waffenstillstand, die Beendigung des Krieges, die Aufnahme von Friedensgesprächen und die Vermeidung einer Eskalation der Situation".

Die Volksrepublik bemüht sich nach eigenen Angaben in dem Konflikt um eine neutrale Position, die vom Westen allerdings in Zweifel gezogen wird. Die Regierung in Peking hat den russischen Angriff auf die Ukraine nie offiziell verurteilt. Auch die persönliche Rolle des Sondergesandten Li wird im Westen mit Skepsis betrachtet. Er war von 2009 bis 2019 Chinas Botschafter in Russland, 2019 hatte ihn der russische Präsident Wladimir Putin mit dem Freundschaftsorden seines Landes ausgezeichnet.

Selenskyj wird zu Besuch in Rom erwartet

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird am Samstag nach Italien reisen. Dort empfängt ihn Staatschef Sergio Mattarella, wie der Präsidentenpalast in Rom bestätigte. Es ist Selenskyjs erster Besuch dort seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine im Februar 2022. Beobachter erwarten, dass Selenskyj in Rom auch Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Papst Franziskustreffen wird. Meloni hat sich seit ihrer Regierungsübernahme im Herbst 2022 stets vehement für eine Unterstützung der Ukraine ausgesprochen. Der Papst fordert die Gläubigen seit mehr als einem Jahr praktisch täglich zu Gebeten für die "gefolterte Ukraine" auf und appelliert regelmäßig an Kiew und Moskau, einen Waffenstillstand zu vereinbaren.

Papst Franziskus betonte mehrfach seine Bereitschaft, sich an Friedensbemühungen zu beteiligen (Archivbild)Bild: Andrew Medichini/AP/dpa/picture alliance

Möglicherweise reist der ukrainische Präsident noch am Wochenende weiter nach Deutschland. Bestätigt ist das bisher aber nicht. Am Sonntag wird Selenskyj stellvertretend für das ukrainische Volk in Aachen mit dem renommierten Karlspreis ausgezeichnet. Ob er persönlich kommt, bleibt zunächst ebenso abzuwarten wie ein vorgeschalteter Besuch bei Kanzler Olaf Scholz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Berlin.

Moskau meldet Abwehr ukrainischer Angriffe bei Soledar

Das russische Militär hat nach eigenen Angaben Angriffe der Ukrainer bei der Stadt Soledar nördlich von Bachmut abgewehrt. "Alle Attacken des ukrainischen Militärs wurden zurückgeschlagen. Die russischen Streitkräfte haben keinen Frontdurchbruch zugelassen", sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau. Mehr als 1000 ukrainische Soldaten hatten mit rund 40 Panzern entlang der gesamten Frontlinie von 95 Kilometern Länge angegriffen. In einigen Orten hätten sich die russischen Soldaten auf "bessere Positionen" zurückgezogen.

Ob es sich bei den ukrainischen Vorstößen um den Beginn der angekündigten Frühjahrsoffensive handelte, blieb zunächst unklar. Die Stadt Soledar im Gebiet Donezk hatten russische Truppen im Januar nach schweren Kämpfen eingenommen. Es ist der einzige nennenswerte Erfolg der diesjährigen Winterkampagne Moskaus. Soledar liegt rund zehn Kilometer nordöstlich von Bachmut.

Widersprüchliche Angaben zur Lage bei Bachmut

Bei den in Bachmut kämpfenden russischen Truppen schrillen nach Darstellung eines Kriegskorrespondenten des russischen Staatsfernsehens die Alarmglocken. Angesichts der ukrainischen Angriffserfolge an den Flanken der in der Stadt kämpfenden russischen Söldnertruppe Wagner drohe eine umfassende Einkesselung, schrieb der Blogger Jewgeni Poddubny auf Telegram.

Auch andere prorussische Blogger, die die Lage vor Ort verfolgen, äußerten sich besorgt über ukrainische Truppenbewegungen und von russischen Soldaten aufgegebene Stellungen. Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin hatte zuvor mehrfach vor einer drohenden Umzingelung aufgrund ungesicherter Flanken gewarnt.

Bachmut, eine Trümmerlandschaft, nach neun Monaten Kampf um die Stadt (Aufnahme aus der letzten Aprilwoche)Bild: Libkos/AP Photo/picture alliance

Das russische Verteidigungsministerium widerspricht den Berichten. "Die einzelnen Erklärungen auf Telegram über einen 'Durchbruch' an mehreren Stellen der Frontlinie entsprechen nicht der Realität", teilte das Ministerium mit. Die Gesamtlage im Gebiet des "speziellen militärischen Einsatzes" sei unter Kontrolle.

Die ukrainische Armee erklärte dagegen, sie habe in der seit Monaten umkämpften Stadt Bachmut ein zwei Kilometer breites Gebiet von Russland zurückerobert. Der Feind habe "erhebliche Verluste" erlitten, schrieb die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Malijar in Online-Netzwerken. Die Ukraine habe dort seit Wochenbeginn "keine einzige Stellung aufgegeben".

Die Schlacht um Bachmut ist die am längsten andauernde des Krieges, der im Februar 2022 begann. Die zuvor 70.000 Einwohner zählende ostukrainische Stadt ist nach monatelangen Kämpfen weitgehend zerstört. Sie hat für beide Seiten hohe symbolische Bedeutung erlangt. In den vergangenen Tagen gab es von ukrainischer Seite schon mehrfach Meldungen über Geländegewinne. Die Angaben beider Kriegsparteien aus dem umkämpften Gebiet können nicht unabhängig geprüft werden.

Ukrainische Soldaten Ende April nahe Bachmut im SchlammBild: DIMITAR DILKOFF/AFP/Getty Images

Am Donnerstag hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem BBC-Interview gesagt, die ukrainische Armee zögere den Start ihrer angekündigten Offensive gegen die russischen Besatzungstruppen noch etwas hinaus, weil noch nicht alle versprochenen Militärfahrzeuge eingetroffen seien. Mit dem Material, das schon da sei, könne die Ukraine zwar angreifen und auch Erfolg haben. "Aber wir würden viele Menschen verlieren. Ich finde, das ist inakzeptabel", so Selenskyj.

Medien: Rheinmetall gründet Joint Venture zum Panzerbau in der Ukraine

Der Rheinmetall-Konzern setzt seine Pläne zur Gründung von Gemeinschaftsunternehmen zur Unterstützung der Ukraine um. Rheinmetall habe eine Gemeinschaftsfirma zur Reparatur und dem Bau von Panzern mit dem ukrainischen Staatskonzern Ukroboronprom gegründet, berichtete das "Handelsblatt". "Die Verträge sind unterzeichnet", sagte Vorstandschef Armin Papperger. Die Zusammenarbeit umfasse die Wartung und Reparatur von gepanzerten Fahrzeugen in der Ukraine, parallel dazu werde der Bau von Panzern vorbereitet.

"Die Ukraine profitiert von einem umfassenden Technologietransfer sowie einer kurzfristigen Zulieferung von militärischer Ausrüstung aus Deutschland", erklärte Papperger. An der neuen Firma werde Rheinmetall mit 51 Prozent die Mehrheit halten. Weitere Gemeinschaftsfirmen für die Bereiche Munition und Luftverteidigung würden bald folgen. Der Rheinmetall-Chef hatte erst bei der Hauptversammlung Anfang der Woche unterstrichen, der Konzern sei bereit für die Bildung von Gemeinschaftsunternehmen in der Ukraine.

Sportminister sind gegen Rückkehr russischer Athleten 

Die deutschen Sportministerinnen und Sportminister lehnen eine Teilnahme russischer Athleten an internationalen Sportereignissen unter neutraler Flagge ab. Auf der 47. Sportministerkonferenz in Frankfurt am Main stellten sich 16 Bundesländer gegen die Empfehlung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Russen und Belarussen als Neutrale wieder zu internationalen Wettkämpfen zuzulassen. "Die Achtung der Menschenrechte und friedlichen Beziehungen zwischen den Nationen sind die Grundlagen des internationalen Sports", betonte der bayrische Sportminister Joachim Herrmann, der der Sportministerkonferenz vorsitzt. Russland missachte und ignoriere diese Grundlagen und verstoße massiv gegen die olympischen Werte.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser sprach sich dafür aus, eine Teilnahme von Sportlerinnen und Sportlern aus Russland und Belarus an internationalen Wettkämpfen in Deutschland mit einem Visa-Verbot zu verhindern. "Wenn mir das Auswärtige Amt in dieser Haltung zustimmt, werden wir den russischen und belarussischen Athletinnen und Athleten bei der Einreise nach Deutschland das Visum verweigern", sagte die SPD-Politikerin in Frankfurt. 

Bundesinnenministerin Nancy FaeserBild: Nadja Wohlleben/Reuters

Faeser, die im Bund für den Sport zuständig ist, betonte zugleich: "Der Sport muss den brutalen russischen Angriffskrieg weiterhin in aller Klarheit verurteilen. Das geht nur mit einem kompletten Ausschluss russischer und belarussischer Athleten. Es gibt keinerlei Grund für eine Rückkehr Russlands in den Weltsport", so die Ministerin. "Der Ukraine - und dem ukrainischen Sport - gilt weiter unsere volle Unterstützung und unsere Solidarität."

Ukraine möchte Strafrecht für EU-Beitritt reformieren

Staatschef Wolodymyr Selenskyj kündigt eine Reform des Strafrechts sowie der Strafverfolgungsbehörden an, um auf dem von der Ukraine gewünschten Weg in die EU voranzukommen. "Wir müssen für ein System sorgen, das Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit in unserem Land garantiert", sagte Selenskyj in seiner allabendlichen Videoansprache.

Selenskyj möchte erreichen, dass Verhandlungen über eine EU-Mitgliedschaft noch in diesem Jahr beginnenBild: IMAGO/photothek

Die Ukraine ist seit vergangenem Sommer bereits offiziell EU-Beitrittskandidat. Über Verhandlungen über die Mitgliedschaft müssen die 27 EU-Staaten allerdings noch einstimmig entscheiden. Ein positives Votum soll es dann geben, wenn die Ukraine die Voraussetzungen erfüllt hat. Dabei geht es etwa um das Auswahlverfahren ukrainischer Verfassungsrichter und eine stärkere Korruptionsbekämpfung - insbesondere auf hoher Ebene. Die EU fordert zudem, dass Standards im Kampf gegen Geldwäsche eingehalten werden und ein Gesetz gegen den übermäßigen Einfluss von Oligarchen umgesetzt wird.

ESC-Organisatoren untersagen Selenskyj-Grußwort

Der ukrainische Präsident darf beim Finale des Eurovision Song Contest nicht mit einer Videobotschaft auftreten. Wolodymyr Selenskyjs Bitte könne "bedauerlicherweise nicht akzeptiert werden", weil sie gegen die Regeln der Veranstaltung verstoße, teilte die Europäische Rundfunkunion mit. Einer der Grundpfeiler des ESC sei der unpolitische Charakter des Wettbewerbs, betonten die Organisatoren. 2022 hatte die ukrainische Gruppe Kalush Orchestra den ESC gewonnen. Wegen des anhaltenden Kriegs findet das Finale jedoch nicht wie üblich im Land des Vorjahressiegers statt, ersatzweise wird es in Liverpool in Großbritannien ausgetragen.

Schweden will Söldnertruppe Wagner auf EU-Terrorliste bringen

Schweden will die russische Söldnertruppe Wagner auf EU-Ebene als terroristische Organisation einstufen lassen. Sein Land sei bereit, im Kreis der Mitgliedsstaaten einen Konsens zu erarbeiten, sobald die rechtlichen Bedingungen erfüllt seien, sagte Schwedens Außenminister Tobias Billström der Zeitung "Dagens Nyheter". "Die Wagner-Gruppe hat grauenvolle Verbrechen begangen, vor allem im Sudan, in Mali, in Syrien und der Ukraine", sagte Billström. Schweden hat derzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne. Am heutigen Freitag kommen die Außenminister der 27 EU-Länder in Stockholm zusammen.

Schwedens Außenminister Tobias Billström will die Wagner-Söldner als Terrorgruppe einstufen lassen (Archivbild)Bild: Fredrik Sandberg/AP Photo/picture alliance

Am Mittwoch hatte die französische Nationalversammlung einstimmig eine Resolution verabschiedet, in der sie die französische Regierung aufforderte, sich "diplomatisch dafür einzusetzen", die Söldnergruppe auf die EU-Liste terroristischer Organisationen setzen zu lassen. Das litauische Parlament hatte bereits im März eine ähnliche Resolution verabschiedet.

Schweizer Parlament will Kriegsmaterial-Gesetz überarbeiten

Nach massiver Kritik aus dem Ausland will das Schweizer Parlament das bisherige Verbot der Weiterleitung von Schweizer Kriegsmaterial an Drittstaaten erleichtern. Dafür sprach sich die zuständige Kommission im Ständerat, der zweiten Parlamentskammer, mit acht zu fünf Stimmen aus. Die Kommission des Nationalrats hatte bereits vorher dafür gestimmt.

Damit kann eine Änderung des Kriegsmaterialgesetzes nun in Angriff genommen werden. Stand heute verbietet die Schweiz die Weitergabe von Kriegsmaterial, das sie ins Ausland verkauft hat, an Länder in kriegerischen Auseinandersetzungen. Das behindert zurzeit die Belieferung der Ukraine. So verweigerte die Schweiz Deutschland die Genehmigung, vor Jahren eingekaufte Schweizer Munition für den deutschen Gepard-Panzer an die Ukraine weiterzuleiten. Auch andere Länder haben in Bern vergeblich Ausnahmen beantragt. Die Schweiz begründet dies mit ihrer Neutralität, obwohl sie den russischen Angriff auf die Ukraine verurteilt hat. Neben der Kritik aus dem Ausland hatte auch die Schweizer Rüstungsindustrie Änderungen gefordert. Sie befürchtet, lukrative Geschäfte zu verlieren.

kle/uh/wa/jj/qu/ww (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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