1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KonflikteEuropa

Ukraine aktuell: Debatte über Kampfjet-Lieferungen

27. Januar 2023

Die Diskussion nimmt Fahrt auf - die USA, Frankreich und Polen schließen eine Lieferung von Kampfjets an Kiew nicht mehr aus. Der Europarat will Russland vor ein Tribunal stellen. Unser Überblick.

US Navy F-35C Lightning II Kampfjet
US-Kampfjets vom Typ F-35C Lightning II (Archivbild)Bild: Lockheed Martin/ZUMA Wire/IMAGO

Das Wichtigste in Kürze:

  • USA, Frankreich und Polen schließen Lieferung von Kampfjets nicht aus
  • Europarat fordert Kriegsverbrechertribunal für Russland und Belarus
  • IAEA meldet Explosionen nahe dem AKW Saporischschja
  • Russland verbietet regimekritisches Portal "Meduza"
  • Wirbel um Baerbock-Zitat

 

Die USA schließen die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine nicht aus. Das sagte der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jon Finer, im US-Fernsehsender MSNBC.

Auf die Frage, ob die USA die Lieferung von Kampfjets in Erwägung zögen, antwortete Finer, man habe kein bestimmtes Waffensystem ausgeschlossen. Man werde die Unterstützung danach ausrichten, was die Ukraine brauche. "Wir werden das sehr sorgfältig diskutieren", sagte Finer im Hinblick auf Anfragen der Ukraine.

"Anfragen von Fall zu Fall untersuchen"

Medienberichten zufolge schließt auch Frankreich eine Lieferung von Kampfjets an die Ukraine nicht aus. "Wir müssen Anfragen von Fall zu Fall untersuchen und alle Türen offen lassen", sagte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses der französischen Nationalversammlung, Thomas Gassilloud, britischen Medienberichten zufolge in London. Gassilloud nannte als Bedingung, eine Lieferung von Kampfjets dürfe die französische und europäische Sicherheit nicht gefährden und den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht eskalieren lassen. 

Der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki fordert mehr Mut von der NATO (Archivbild)Bild: Nicolas Landemard/Le Pictorium/MAXPPP/picture alliance

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki erklärte, er würde es unterstützen, wenn die NATO eine Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine beschließen sollte. Die NATO müsse mutiger sein, sagte er dem französischen Sender LCI. Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Lieferung von Kampfjets bislang ausgeschlossen.

Sondertribunal gegen Russland gefordert

Der Europarat hat angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine einstimmig die Einrichtung eines internationalen Sondertribunals gefordert. Mit 100 Ja-Stimmen und einer Enthaltung verabschiedeten die Vertreter der 46 Mitgliedstaaten eine Resolution auf der Grundlage eines Berichts des Schweizer Parlamentariers Damien Cottier. Ein solches Tribunal sollte "von so vielen Staaten und internationalen Organisationen wie möglich und insbesondere von der Generalversammlung der Vereinten Nationen gebilligt und unterstützt werden", so die Parlamentarische Versammlung.

Damien Cottier, hier mit der Genfer Konvention in der Hand, hat im Europarat eine Resolution für ein Tribunal gegen Russland und Belarus eingebrachtBild: Jean-Francois Badia/AP/dpa/picture alliance

Die Resolution fordert, die Regierungs- und Militärspitzen in Russland und in Belarus, die die Aggression gegen die Ukraine "geplant, vorbereitet, eingeleitet oder ausgeführt" hätten, zur Verantwortung zu ziehen. Zudem wird darin betont, dass einige der von Russland in der Ukraine gegen Zivilisten begangene Handlungen, darunter Morde und Zwangsumsiedlungen von Kindern zum Zwecke ihrer Russifizierung, unter die Definition von "Völkermord" im Sinne des internationalen Übereinkommens von 1948 "fallen könnten".

Ein Sondertribunal könnte wegen des Verbrechens der "Aggression" gegen Russland vorgehen - anders als der Internationale Strafgerichtshof (IStGH). Da Russland den IStGH nicht anerkennt, kann der Gerichtshof nur mutmaßliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine untersuchen.

Zum Europarat zählen seit dem Ausschluss Russlands 46 Länder. Die Länderorganisation mit Sitz in Straßburg setzt sich für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit ein.

Explosionen beim AKW Saporischschja

Die Atomaufsichtsbehörde der Vereinten Nationen (IAEA) meldete am Donnerstag mehrere starke Explosionen in der Nähe des von Russland besetzten ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja und forderte erneut eine Sicherheitszone um die Anlage.

AKW Saporischschja (Bild bereitgestellt von der staatlichen russischen Nachrichtenagentur TASS)Bild: RIA Novisti/IMAGO

"Gestern waren gegen 10 Uhr Ortszeit acht starke Detonationen zu hören und heute gab es wieder welche", sagte IAEA-Chef Rafael Grossi in einer Erklärung.

Rosenergoatom, der Betreiber der russischen Kernkraftwerke, bezeichnete Grossis Äußerungen der russischen Nachrichtenagentur TASS zufolge als unbegründet und als "Provokation".

Erste ukrainische Soldaten für Panzer-Ausbildung in Deutschland

In Deutschland sind die ersten ukrainischen Soldaten für eine Ausbildung am Schützenpanzer Marder eingetroffen. Die Gruppe landete bereits am Donnerstag in Köln und sollte zeitnah mit dem Training an dem Waffensystem beginnen, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen erfuhr. Die Ausbildung ist Teil der Militärhilfe für die Ukraine, der auch 40 Marder überlassen werden sollen. In Deutschland soll auch bald eine Ausbildung am Kampfpanzer Leopard beginnen.

Ukrainische Soldaten werden nun für den Panzer Marder geschult (Archivbild)Bild: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa/picture alliance

Bundesregierung: "Sind nicht Kriegspartei"

Nach einer Äußerung von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock zum Ukraine-Konflikt hat eine Sprecherin der Bundesregierung erklärt: "Die NATO und Deutschland sind in diesem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine nicht Kriegspartei." In einer Diskussion habe Baerbock unterstreichen wollen, dass die EU, die G7-Staaten und die NATO geeint gegen den russischen Angriffskrieg stünden, ergänzte ein Sprecher des Auswärtigen Amts.

Wirbel um ein Zitat: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am Dienstag beim Europarat in StraßburgBild: Jean-Francois Badias/AP/dpa/picture alliance

Baerbock hatte am Dienstag beim Europarat in Straßburg zum Zusammenhalt der westlichen Verbündeten aufgerufen: "Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander." Russische Staatsmedien griffen das Zitat auf - als vermeintlichen Beleg dafür, dass Deutschland und die anderen EU-Länder direkte Konfliktpartei seien.

EU verlängert Wirtschaftssanktionen gegen Moskau

Die EU hat die bestehenden Wirtschaftssanktionen gegen Russland um ein halbes Jahr verlängert. Nach einem Beschluss der EU-Staaten laufen die Maßnahmen nun bis zum 31. Juli, wie der Rat der EU mitteilte. Erste EU-Strafmaßnahmen gegen Russland wurden bereits nach dem Absturz eines malaysischen Flugzeugs mit 298 Menschen über der Ostukraine im Juli 2014 eingeführt. Laut westlichen Ermittlern schossen prorussische Separatisten die Maschine ab.

Nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine vor knapp einem Jahr weitete die EU ihre Sanktionen massiv aus. Derzeit umfassen die Maßnahmen unter anderem Beschränkungen in den Bereichen Handel, Finanzen, Technik und Verkehr. Auch wurden mehrere russische Banken vom Banken-Kommunikationsnetzwerk SWIFT ausgeschlossen, und es gibt einen weitgehenden Importstopp für Rohöl aus Russland.

Auch Japan verschärft Sanktionen

Nach der jüngsten Welle von Raketenangriffen auf die Ukraine, bei denen mindestens elf Menschen getötet wurden, hatte Japan ebenfalls seine Sanktionen gegen Moskau verschärft. Wie das Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie mitteilte, wurden Exportverbote auf Güter verhängt, mit denen Russland seine Verteidigungsfähigkeit verbessern könnte. Des Weiteren sollen die Vermögen von drei Unternehmen und 22 Einzelpersonen eingefroren werden.

Kreml geht gegen Nachrichtenportal "Meduza" vor

Das populäre und regierungskritische Nachrichtenportal "Meduza" gilt ab sofort aus Sicht des Kremls als "unerwünschte Organisation". Das teilte die russische Generalstaatsanwaltschaft mit. Dieser Schritt kommt faktisch einem Verbot der Seite gleich.

Das Nachrichtenportal "Meduza" ist von der russischen Führung quasi verboten wordenBild: AFP

Das unabhängige Medium, das detailliert über Russlands Krieg gegen die Ukraine berichtet, war bereits im Jahr 2021 von den Behörden als "ausländischer Agent" gebrandmarkt worden. Kurz nach dem von Präsident Wladimir Putin angeordneten Einmarsch ins Nachbarland vor elf Monaten wurde dann auch die Internetseite blockiert, die seither für russische Leser nur noch über den Umweg eines sogenannten VPN-Tunnels erreichbar ist.

Die Einstufung als "unerwünschte Organisation" kann für Leser gravierende Folgen haben, wie die ins EU-Land Lettland geflohene Redaktion mitteilte. Konkret drohe etwa eine strafrechtliche Verfolgung für das Teilen von "Meduza"-Artikeln in sozialen Netzwerken, für Spenden und für Leserkommentare unter Texten. Auch in Russland verbliebene "Meduza"-Journalisten seien in Gefahr. Trotz der enormen Repressionen solle die Arbeit fortgesetzt werden, betonten die Journalisten.

"Meduza" zählt für viele Russen zu den wichtigsten Quellen für unabhängige Ukraine-Berichterstattung. 

Getreideernte wird schlechter ausfallen

Vertreter der ukrainischen Landwirtschaft rechnen für dieses Jahr mit einem weiteren Rückgang der Ernte von Getreide und Ölsaaten infolge des russischen Angriffskrieges. Die Anbaufläche werde erneut schrumpfen, für 2023 werde eine Gesamternte in Höhe von 53 Millionen Tonnen prognostiziert - nach 65 Millionen Tonnen im vergangenen Jahr, sagte der Präsident des ukrainischen Getreideverbandes, Nikolaj Gorbatschow, bei einer Konferenz in Paris.

Die Getreideernte in der Ukraine wird in diesem Jahr schlechter ausfallen - es gibt immer weniger AnbauflächenBild: Alexey Furman/Getty Images

Die ukrainischen Landwirte hatten im Jahr 2021 vor der russischen Invasion eine Rekordernte von 106 Millionen Tonnen eingefahren. Damit war die Ukraine der viertgrößte Mais-Exporteur der Welt und auf dem besten Weg, der drittgrößte Weizen-Exporteur zu werden.

Der Krieg führte Gorbatschows Angaben zufolge zu Treibstoffengpässen, zur Zerstörung landwirtschaftlicher Gerätschaften und Lagergebäude sowie zu einem Rückgang der Anbaufläche um ein Viertel.

Die weltweite Ernährungskrise hatte sich durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine massiv zugespitzt. Weltweit explodierten die Lebensmittelpreise, weil insbesondere Getreide aus der Ukraine lange Zeit nicht mehr exportiert werden konnte.

Unter Vermittlung der UN und der Türkei war im Juli ein Abkommen unterzeichnet worden, um die sichere Ausfuhr von ukrainischem Getreide durch einen Schutzkorridor im Schwarzen Meer zu ermöglichen. Dieses Abkommen wurde dann im November um vier Monate verlängert. Es sieht gemeinsame Inspektionen der Ladung der Getreidefrachter durch Vertreter der UN, der Türkei, Russlands und der Ukraine vor.

as/nob/jj/uh/mak/wa (afp, dpa, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.