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KonflikteUkraine

Ukraine aktuell: Drohungen und Vorwürfe des Wagner-Chefs

5. Mai 2023

Der Chef der Wagner-Söldnertruppe teilt aus: mit Kritik an der russische Armeespitze. Die ukrainische Luftwaffe bestätigt den Abschuss eines "fehlgeleiteten" Flugkörpers. Unser Überblick.

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin im Kreise seiner Söldner
Wagner-Chef Prigoschin im Kreise seiner Söldner: Ton verschärftBild: CONCORD via REUTERS

Das Wichtigste in Kürze:

  • Drohungen und Vorwürfe von Wagner-Chef Prigoschi
  • Dörfer in der Region Saporischschja werden evakuiert
  • Pistorius besucht Ausbildung ukrainischer Soldaten
  • Ukraine schießt eigene Drohne ab
  • Russland meldet ebenfalls Drohnenangriffe

 

Seine Forderungen nach mehr Munition sind nicht neu, aber nun verschärft Jewgeni Prigoschin den Ton im Streit mit Russland: Der Chef der russischen Wagner-Söldner droht mit dem Rückzug seiner Einheiten aus der seit Monaten umkämpften Stadt Bachmut im Osten der Ukraine - und das ausgerechnet zeitnah zum Gedenktag anlässlich des Endes des Zweiten Weltkriegs. Ein Datum, das für den Kreml aus Propagandagründen sehr wichtig ist.

Der Grund dafür, seine Söldner aus Bachmut zurückzuziehen, seien hohe Verluste und ein Mangel an Munition, woran das Moskauer Verteidigungsministerium Schuld sei, teilte Prigoschin mit. Seine Söldner würden sich deswegen am 10. Mai in Nachschublager zurückziehen und ihre Stellungen an die russische Armee übergeben müssen.

Damit verschärfte Prigoschin den seit Monaten schwelenden Konflikt mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu und der Militärspitze. Die Wagner-Truppe führt die für beide Kriegsseiten verlustreichen Angriffe auf Bachmut an, das für Russland nach mehreren Rückschlägen ein strategisch wichtiges Ziel ist.

Die Ukraine geht allerdings davon aus, dass Russland Bachmut bis zum 9. Mai einnehmen will - also dem Tag der alljährlichen Militärparade anlässlich des Sieges über Nazi-Deutschland. Zu diesem Zweck würden Wagner-Söldner aus anderen Frontabschnitten in die Stadt geschickt, sagte die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar im ukrainischen Fernsehen.

Wagner-Chef Prigoschin in Video-Botschaft: "Sie werden vor ihren Müttern und Kindern die Verantwortung tragen"Bild: CONCORD via REUTERS

"Ich ziehe die Wagner-Einheiten aus Bachmut ab, denn ohne Munition sind sie dem sinnlosen Tod geweiht", teilte dagegen Prigoschin in einer Erklärung mit, die an den Generalstabschef, das Verteidigungsministerium und Präsident Wladimir Putin als Oberbefehlshaber gerichtet war. "Meine Jungs werden ohne Munition keine nutzlosen und ungerechtfertigten Verluste in Bachmut erleiden", sagte Prigoschin zudem in einem beigefügten Video, das ihn in voller Kampfausrüstung mit einem Schnellfeuergewehr um seine Schulter hängend vor Dutzenden seiner Kämpfer zeigt.

Und Prigoschin wurde persönlich: Er machte die russischen Armeechefs für "Zehntausende" getötete und verwundete russische Kämpfer in der Ukraine verantwortlich und schwor, die Militärs zur Rechenschaft zu ziehen. Die massiven Verluste hätten "diejenigen auf dem Gewissen, die uns keine Munition gegeben haben". Und das seien Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow. "Für die Zehntausenden von Toten und Verwundeten werden sie vor ihren Müttern und Kindern die Verantwortung tragen." Dafür werde er sorgen, so Prigoschin.

Teil-Evakuierung der Region Saporischschja

Die von Russland eingesetzten Behörden lassen in der Region Saporischschja Dörfer entlang der Front evakuieren. Der Beschuss durch das ukrainische Militär habe sich in den vergangenen Tagen verstärkt, teilte der von Moskau eingesetzte Verwaltungschef der Region Saporischschja, Jewgeni Balizki, mit. Familien mit Kindern und ältere Menschen sollten "vorübergehend" aus den von Russland gehaltenen Frontgebieten herausgebracht werden.

Das Atomkraftwerk Saporischschja befindet sich in der Nähe der Front im Süden der UkraineBild: Andrey Borodulin/AFP/Getty Images

18 Dörfer und Städte sind von der Maßnahme betroffen. Die Anordnung gilt auch für die Stadt Enerhodar, in der sich das Atomkraftwerk Saporischschja befindet. Das größte AKW in Europa wird seit dem ersten Tag des Konflikts von Russland gehalten und befindet sich in der Nähe der Front.

Die Region Saporischschja ist zu rund 80 Prozent unter der Kontrolle russischer Truppen. Es wird damit gerechnet, dass die seit langem erwartete Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte auch in diesem Gebiet stattfindet.

Pistorius bekräftigt dauerhafte Unterstützung

Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius hat gemeinsam mit seinem dänischen Kollegen Troels Lund Poulsen die Ausbildung ukrainischer Soldaten besucht und dauerhafte Unterstützung zugesagt. "Ich bleibe dabei und sage es immer wieder aus tiefster Überzeugung: Wir werden die Ukraine unterstützen, mit allem was möglich ist", sagte Pistorius beim Besuch des Bundeswehrstandorts Klietz im Norden von Sachsen-Anhalt.

Dänen und Deutsche bilden dort ukrainische Soldaten an Leopard 1 A5 Kampfpanzern aus. Die Ukrainer lernen, das Waffensystem zu benutzen und im Feld instand zu setzen. 

Die Ausbildung sei ein Beispiel für Unterstützung im multinationalen Rahmen und auch für die Zusammenarbeit von Streitkräften und der Industrie, so Pistorius. Denn zusammen mit Dänemark und den Niederlanden finanziert Deutschland die Instandsetzung von rund 100 Leopard 1 A5 aus Beständen der Industrie. Später soll die Ausbildung am Schützenpanzer Marder folgen. Geplant ist sind auch Lehrgänge für den Häuserkampf und die Pionierausbildung.

Ukrainische Soldaten lernen, wie man das Waffensystem des Kampfpanzers Leopard 1 A5 nutzt und instand setztBild: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa/picture alliance

Der Standort in Klietz ist die zentrale Drehscheibe der von Brüssel geführten europäischen Mission zur Ausbildung ukrainischer Soldaten (EUMAM UA) in Deutschland. Hier konzentriert sich ein Großteil des Trainings. Bislang wurden mehr als 3000 ukrainische Soldatinnen und Soldaten ausgebildet. Bis Ende des Jahres soll die Zahl der Ausgebildeten auf bis zu 9000 anwachsen.

Bundeswehr-Generalinspekteur Breuer in der Ukraine

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, besprach bei einem Besuch in der Ukraine die weitere militärische Zusammenarbeit. "Ich möchte versichern, dass Deutschland die Ukraine solange unterstützen wird, wie es notwendig ist", sagte der General gemäß einer Mitteilung des ukrainischen Verteidigungsministeriums. Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow rief Deutschland dazu auf, der Ukraine Kriegsschiffe zu liefern.

"Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, ein starkes System der internationalen Sicherheitsarchitektur zu errichten und die Sicherheit der Schifffahrt im Schwarzen und Asowschen Meer ist ein wichtiges Element in diesem System", betonte der Ukrainer. Die Regierung in Kiew hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach Schiffe aus Deutschland angefragt.

Russland hat nach seinem Einmarsch vor mehr als 14 Monaten den ukrainischen Teil der Küste des Asowschen Meeres komplett erobert. Das bisherige Flaggschiff der ukrainischen Flotte, die Fregatte Hetman Sahajdatschnyj, wurde von den Ukrainern selbst unmittelbar nach Kriegsbeginn versenkt.

Ukraine schießt eigene Drohne ab

Die ukrainische Flugabwehr hat über der Hauptstadt Kiew eine Drohne der eigenen Streitkräfte abgeschossen. Militärs hätten die Kontrolle über das unbemannte Flugobjekt verloren, teilte die Luftwaffe mit. Um mögliche "unerwünschte Folgen" zu vermeiden, sei beschlossen worden, die Drohne vom türkischen Typ Bayraktar abzuschießen.

"Es ist schade, aber so ist die Technik, und solche Fälle kommen vor", hieß es in der auf Telegram verbreiteten Erklärung. In Kiew und Umgebung war wegen der Drohne am Abend Luftalarm ausgelöst worden. Videoaufnahmen in sozialen Netzwerken zeigten, wie die Drohne über dem Zentrum von Kiew abgeschossen wurde. Der Luftalarm wurde nach kurzer Zeit aufgehoben.

Kiew und die südukrainische Hafenstadt Odessa waren erst in der Nacht zum Donnerstag von russischen Drohnen angegriffen worden.

Auch russische Drohnen abgeschossen

Zuvor hatten die Behörden mitgeteilt, dass die Region Kiew erneut von russischen Drohnen attackiert worden sei. Der Angriff auf die Hauptstadt habe rund 20 Minuten gedauert. Dabei seien mindestens zwei feindliche Drohnen von Luftabwehrsystemen abgeschossen worden, hieß es.

Ukrainische Soldaten inspizieren ein Wrackteil einer abgeschossenen russischen MilitärdrohneBild: Alex Babenko/AP/dpa/picture alliance

Bürgermeister Vitali Klitschko erklärte, es habe Einschläge von zwei der abgeschossenen Drohnen gegeben. Laut dem Chef der Militärverwaltung von Kiew, Serhij Popko, brach ein Feuer in einem Gebäude aus, wo ein Flugobjekt niedergegangen sei. Der Brand sei unter Kontrolle, es gebe keine Verletzten.

Russland meldet ebenfalls Drohnenangriffe

Russland hat nach Behördenangaben seinerseits in der Nähe eines Luftwaffenstützpunkts auf der annektierten ukrainischen Halbinsel Krim eine Drohne abgeschossen. Wie der von Russland eingesetzte Gouverneur von Sewastopol, Michail Raswoschajew, im Onlinedienst Telegram mitteilte, zerstörte die russische Luftabwehr bei einem "weiteren Angriff auf Sewastopol" am Donnerstagabend ein "unbemanntes Fluggerät im Bereich des Flughafens Belbek".

In den vergangenen Tagen hatten russische Behörden über zahlreiche Drohnenangriffe und von diesen verursachte Brände berichtet. Am Mittwoch gab Moskau den Abschuss zweier Drohnen bekannt, die angeblich den Kreml und Staatschef Wladimir Putin im Visier hatten. Der Kreml warf den USA vor, hinter diesem Drohnenangriff zu stecken, was Washington zurückwies.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell forderte Moskau auf, "diesen angeblichen Angriff nicht als Vorwand für eine fortgesetzte Eskalation des Krieges zu benutzen".

Auch Öl-Raffinerie mit Drohnen angegriffen

Laut russischer Darstellung wurde auch die Öl-Raffinerie Ilski nahe dem Schwarzmeerhafen Noworossijsk im Süden Russlands von ukrainischen Drohnen angegriffen. Nachdem es dort bereits in der Nacht zu Donnerstag gebrannt hatte, sei nun zum zweiten Mal ein Feuer durch einen Drohnenangriff ausgebrochen. Das berichtet die russische Nachrichtenagentur TASS* unter Berufung auf Rettungskräfte vor Ort.

Löscharbeiten nach dem ersten Brand in der Öl-Raffinerie von IlskiBild: Veniamin Kondratyev/Telegram/AP Photo/picture alliance

Die Ukraine bekennt sich nur selten zu den aus russischer Sicht häufigen Angriffen auf Infrastruktur-Objekte und militärische Ziele. Die Militärspitze in Kiew hat allerdings eingeräumt, dass Angriffe auf Nachschub-Wege und militärische Logistik Teil der Vorbereitungen für eine seit langem erwartete Gegenoffensive seien. 

Die von Russland eingesetzten Behörden lassen in der Region Saporischschja Dörfer entlang der Front evakuieren. Der Beschuss durch das ukrainische Militär habe sich in den vergangenen Tagen verstärkt, sagt Gouverneur Jewgeni Balizkij. Die Region Saporischschja ist zu rund 80 Prozent unter der Kontrolle russischer Truppen. Es wird damit gerechnet, dass eine seit langem erwartete Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte auch in diesem Gebiet stattfindet.

Selenskyj dankt den Niederlanden

Im Rahmen seines Besuchs in den Niederlanden hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sich bei König Willem-Alexander "für die Unterstützung bei der Verteidigung unserer Freiheit" bedankt, wie das Präsidialamt in Kiew mitteilte. "Seit den ersten Tagen des russischen Angriffs haben wir gespürt, dass die Niederlande und das gesamte niederländische Volk an der Seite der Ukraine stehen", wurde Selenskyj zitiert.

Präsident Wolodymyr Selenskyj (im Vordergrund links) besucht ukrainische Soldaten beim Training in den NiederlandenBild: Yves Herman/AP/picture alliance

Anschließend besuchte Selenskyj zusammen mit dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte einen Luftwaffenstützpunkt und traf dort ukrainische Soldaten, die sich zur Ausbildung und Spezialisierung in den Niederlanden aufhalten. Selenskyj ließ sich die Waffen und Systeme zeigen, an denen die ukrainischen Soldaten ausgebildet werden. "All dies bringt den Sieg näher, unseren gemeinsamen Sieg. Wir werden das russische Böse besiegen und unsere Freiheit, unsere gemeinsame europäische Lebensweise schützen", sagte er dem Präsidialamt zufolge.

China will vermitteln

Der chinesische Außenminister Qin Gang will sich weiter für Friedensgespräche in der "Ukraine-Krise" einsetzen. "China ist bereit, die Kommunikation und Koordination mit Russland aufrechtzuerhalten, um einen konkreten Beitrag zur politischen Lösung der Krise zu leisten", teilte das Außenministerium in Peking mit.

Die Erklärung bezieht sich auf Qins Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow am Rande des Außenministertreffens der "Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit" in der indischen Stadt Goa am Donnerstag. China hat sich bisher geweigert, die russische Invasion in der Ukraine klar zu verurteilen, und pflegt eine enge Partnerschaft mit der Führung in Moskau.

Erneut Millionenvermögen beschlagnahmt

Der ukrainische Sicherheitsdienst SBU hat nach eigenen Angaben umgerechnet mehr als 280 Millionen Dollar Vermögenswerte des im Exil lebenden Milliardärs Wadim Nowinski beschlagnahmt. Dazu gehöre auch der Schwarzmeerhafen Otschakiw, teilte der SBU mit.

Dem ukrainischen Milliardär Wadim Nowinski wird eine pro-russische Einstellung vorgeworfen (Archivbild)Bild: Sergii Kharchenko/NurPhoto/NurPhoto/picture alliance

Die Regierung in Kiew hatte im Dezember Sanktionen gegen Nowinski erlassen. Sie verdächtigt ihn, Russland zu unterstützen. Dies haben seine Vertreter zurückgewiesen. Für eine Stellungnahme zu der Konfiszierung waren sie zunächst nicht zu erreichen.

Nowinski ist ein prominenter Unterstützer der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche, die der Kollaboration mit Russland verdächtigt wird. Die Glaubensgemeinschaft hat dagegen erklärt, sie habe ihre Verbindungen zu Russland gekappt.

Im April waren schon einmal umgerechnet rund 96 Millionen Dollar Vermögenswerte des Milliardärs beschlagnahmt worden. Nowinskis Vertreter erklärten damals, die Güter seien nicht mehr im Besitz ihres Mandanten. Dieser sei ein ukrainischer Patriot.

mak/wa/djo/jj/AR/uh (afp, dpa, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.