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KonflikteUkraine

Ukraine Aktuell: Entsetzen über Enthauptungs-Video

12. April 2023

Moskau provoziert mit dem Test einer Langstreckenrakete. Die USA suchen nach der Ursache für das Datenleck und versprechen Kiew Unterstützung. Präsident Selenskyj ruft Landsleute zum Durchhalten auf. Der Überblick.

Ukraine Präsident Wolodymyr Selenskyj
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ruft seine Landsleute zum Durchhalten aufBild: Omar Marques/Getty Images

Das Wichtigste in Kürze:

  • Entsetzen über Enthauptungs-Video
  • Russland testet Interkontinentalrakete
  • USA suchen Ursache für Datenleck
  • Selenskyj fordert Landsleute zum Durchhalten auf
  • Weltbank-Chef zum Wiederaufbau der Ukraine

 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat ein in Onlinenetzwerken verbreitetes Video mit der mutmaßlichen Enthauptung eines ukrainischen Soldaten als Beleg für die Brutalität Russlands bezeichnet. Die Welt müsse sehen, "wie leichtfertig diese Bestien töten", sagte Selenskyj in einem am Mittwoch veröffentlichten Video. Die Bilder der Enthauptung zeigten "Russland, so wie es ist".

Moskau forderte eine "Prüfung" des Videos. "Wir leben in einer Welt der Fälschungen", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

Das eine Minute und 40 Sekunden lange Video wird seit Dienstag in Onlinenetzwerken verbreitet. Darin ist unter anderem ein Mann im Kampfanzug mit maskiertem Gesicht zu sehen, der auf Aufforderung eines russisch sprechenden Mannes hinter der Kamera einen am Boden liegenden Mann in Uniform mit einem Messer enthauptet. Die Kamera nimmt auch die Militäruniform des auf dem Boden liegenden Mannes mit dem Abzeichen der Ukraine auf. Die genaueren Umstände, in denen das Video entstand, sind nicht bekannt. Die Ukraine hat eine nähergehende Untersuchung angekündigt.

USA kritisieren Ungarns Beziehungen zu Russland

Die Vereinigten Staaten haben Bedenken gegenüber Budapests Beziehungen zu Moskau geäußert. Ungarns Regierung knüpfe mit "anhaltendem Eifer" Verbindungen nach Russland, kritisierte der US-Botschafter in Budapest, David Pressman. So habe die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban Bedenken der USA zur Präsenz der von Russland kontrollierten Internationalen Investmentbank (IIB) abgetan.

Zuvor hatte das Finanzministerium in Washington neue Sanktionen im Zusammenhang mit Russlands Invasion in der Ukraine veröffentlicht: Die IIB war ebenso darunter wie drei in Ungarn ansässige Männer; zwei Russen und ein Ungar. Insgesamt wurden die Sanktionslisten um mehr als 120 Personen und Institutionen erweitert, mit Betroffenen unter anderem in der Türkei, China und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Neu auf den Sanktionslisten der USA sowie Großbritanniens sind zudem die russischen Oligarchen Roman Abramowitsch und Alischer Usmanow.

Die Internationale Investmentbank in Budapest steht nun auf einer Sanktionsliste der USABild: Martin Fejer/EST&OST/IMAGO

Das NATO- und EU-Mitglied Ungarn hatte gestern umfangreiche Energie-Deals mit Russland vereinbart: Bei einem Besuch des ungarischen Außenministers Peter Szijjarto wurden russische Gaslieferungen an das mitteleuropäische Land verabredet. Außerdem soll ein russischer Staatskonzern bei der Erweiterung des ungarischen Atomkraftwerks Paks zum Zuge kommen.

Russischer Kampfjet eskortiert deutsches Marineflugzeug

Russland hat nach eigenen Angaben ein Kampfjet aufsteigen lassen, um ein deutsches Beobachtungsflugzeug zu begleiten, das sich der Landesgrenze von der Ostsee her näherte. "Die Besatzung des russischen Kampfjets identifizierte das Luftziel als ein P-3C Orion Patrouillenflugzeug der deutschen Marine", teilt das russische Verteidigungsministerium mit. Das deutsche Flugzeug habe die russische Grenze nicht überflogen.

Ukraine weist Wagner-Behauptungen zu Bachmut zurück

Der ukrainische Generalstab hat Angaben der russischen Söldnertruppe Wagner über die Machtverhältnisse in der umkämpften Donbass-Stadt Bachmut als falsch zurückgewiesen. Kiew kontrolliere "bedeutend mehr" als 20 Prozent des Stadtgebiets. Am Vortag hatte Wagner-Chef Sergej Prigoschin erklärt, seine Söldner hielten 80 Prozent Bachmuts und seien dabei, die gesamte Stadt einzunehmen.

Russland testet Interkontinentalrakete

Russland hat eigenen Angaben zufolge eine Interkontinentalrakete getestet. In der südlichen Region Astrachan am Kaspischen Meer sei die ballistische Langstreckenwaffe am Dienstag auf dem Übungsplatz Kapustin Jar erfolgreich von einem bodengestützten Raketensystem aus abgefeuert worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau in der Nacht zum Mittwoch mit.

Der Trainingssprengkopf sei später planmäßig auf einem Testgelände im verbündeten Nachbarland Kasachstan in Zentralasien eingeschlagen, hieß es in der Mitteilung - und weiter: "Das Ziel bestand darin, die perspektivische Kampfausrüstung von Interkontinentalraketen zu testen."

Russische Langstreckenrakete vom Typ RS-24 YarsinBild: picture alliance/TASS/dpa/Russian Defence Ministry Press Office

Insbesondere seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine vor mehr als einem Jahr werfen internationale Beobachter Russland immer wieder vor, militärische Drohkulissen aufzubauen. Zuletzt sorgte Moskau etwa mit der Ankündigung für Aufsehen, taktische Atomwaffen im Nachbarland Belarus zu stationieren. Dabei handelt es sich allerdings um Waffen mit geringerer Reichweite als Interkontinentalraketen.

Ursachenforschung und Solidaritätsbekundung

Nach der Veröffentlichung brisanter US-Informationen zum Krieg in der Ukraine bemüht sich die US-Regierung um Aufklärung und versucht, ihre Verbündeten zu beruhigen. "Wir werden jeden Stein umdrehen, bis wir den Ursprung und das Ausmaß des Vorfalls herausgefunden haben", sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin in Washington. Sowohl er als auch US-Außenminister Antony Blinken hätten mit ihren ukrainischen Kollegen gesprochen.

US-Außenminister Antony Blinken (l.) und US-Verteidigungsminister Lloyd AustinBild: ANDREW CABALLERO-REYNOLDS/AFP

Austin gab an, er habe am vergangenen Donnerstag von dem Datenleck erfahren. "Ich wurde erstmals am Morgen des 6. April über die Berichte über die unbefugte Weitergabe von sensiblem und geheimem Material unterrichtet." Seitdem habe er sich täglich mit leitenden Mitarbeitern seines Ministeriums beraten und Sofortmaßnahmen ergriffen. "Wir haben die Angelegenheit an das Justizministerium weitergeleitet, das eine strafrechtliche Untersuchung eingeleitet hat." Solange die Untersuchungen liefen, könne er sich nicht näher äußern. Er betonte aber: "Wir nehmen die Sache sehr, sehr ernst."

US-Außenminister Antony Blinken sagte, er habe mit seinem ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba gesprochen und "unsere anhaltende Unterstützung für die Ukraine und ihre Bemühungen, ihre territoriale Integrität, ihre Souveränität und ihre Unabhängigkeit zu verteidigen, bekräftigt".

Seit Wochen kursieren im Internet offensichtlich geheime Dokumente von US-Stellen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. US-Medien berichten seit Tagen über sensibles Material zu beiden Kriegsparteien, ohne die Dokumente selbst zu veröffentlichen. Unklar ist, wer die schon vor Wochen bei prorussischen Kanälen verbreiteten Dokumente publiziert hat. 

Hackerangriffe auf Überwachungskameras

Auf der Suche nach Informationen zapfen russische Hacker nach US-Informationen sogar die privaten Sicherheitskameras in ukrainischen Cafés an. Damit sollten Informationen über vor den Cafés vorbeifahrende Hilfskonvois gesammelt werden, sagte ein US-Geheimdienstvertreter. Dies sei nur ein Beispiel für die andauernden russischen Cyberangriffe auf die Ukraine.

Café in Lwiw - russische Hacker zapfen auch private Überwachungskameras anBild: Pavlo Palamarchuk/AA/picture alliance

Die Angriffe würden allen vorstellbaren Bereichen gelten, sagte der Chef für Cybersicherheit beim US-Geheimdienst NSA, Rob Joyce, bei einer Konferenz in Washington. Als Beispiele nannte er "finanzielle, staatliche, individuelle und Handelsbereiche". Ziel sei es, die Abläufe in der Ukraine auszuspionieren und zu stören.

Selenskyj: "Nicht auf Lorbeeren ausruhen"

Angesichts der schweren Lage an der Front hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seine Landsleute zum Durchhalten aufgerufen. "Wir befinden uns jetzt in einem Stadium des Krieges, in dem es für unsere Gesellschaft und unsere Partner wichtig ist, das Gefühl für den Weg, der vor uns liegt, nicht zu verlieren", sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft am Dienstag.

"Im Vergleich zum vorigen Jahr ist es jetzt an vielen Orten ruhiger", fügte der Staatschef hinzu. "Das heißt aber nicht, dass Sie den Krieg irgendwo ignorieren oder sich weniger darauf konzentrieren können, dem Staat zu helfen", richtete er sich an die ukrainische Bevölkerung. Selenskyj betonte, es sei nun keinesfalls an der Zeit, "sich auf den Lorbeeren auszuruhen": "Der Weg liegt noch vor uns."

Blick auf die umkämpfte Stadt Bachmut am 10. April 2023Bild: Oleksandr Klymenko/REUTERS

Mehr als ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs steht die ukrainische Armee derzeit insbesondere im Osten rund um die Stadt Bachmut unter Druck, wo seit Monaten verlustreiche Kämpfe toben. Eine erwartete Frühjahrsoffensive der Ukrainer zur Rückeroberung besetzter Gebiete steht zudem weiter aus.

Wiederaufbau der Ukraine nur gemeinsam

Die internationalen Finanzinstitutionen können nach den Worten des Weltbank-Präsidenten Daivd Malpass die Kosten des Wiederaufbaus der Ukraine nur mithilfe der westeuropäischen Länder schultern. "Die Beträge für den Wiederaufbau des Elektrizitätssektors, des Straßensektors und des Eisenbahnsektors sind im Verhältnis zur Größe der Bilanzen der internationalen Finanzinstitutionen viel größer", sagt er. "Das Ausmaß ist erschreckend."

Die Europäische Union verfüge über große Finanzierungssummen, die eingesetzt werden könnten, so Malpass. Die von der Weltbank, den Vereinten Nationen, der Europäischen Kommission und der Ukraine errechnete aktuelle Schätzung, wonach der Wiederaufbau der ukrainischen Wirtschaft 411 Milliarden Dollar kosten würde, liegt deutlich über den im September vergangenen Jahres berechneten 349 Milliarden Dollar.

mak/fw/se/ehl (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.