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KonflikteUkraine

Aktuell: EU verzichtet auf Sanktionen gegen Patriarch Kirill

2. Juni 2022

Wegen des ungarischen Widerstands verzichtet die EU vorerst auf Sanktionen gegen das russisch-orthodoxe Kirchenoberhaupt Patriarch Kirill. Präsident Selenskyj erinnert an Kinder-Schicksale. Ein Überblick.

Russland | Präsident Putin und Patriarch Kirill
Patriarch Kirill (r.) pflegt engen Kontakt zu Präsident Wladimir Putin und zeigte sich bislang sehr kremltreu (Archiv)Bild: Mikhail Metzel/Sputnik/Kremlin Pool Photo/AP/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • EU sieht von Strafmaßnahmen gegen Patriarch Kirill ab und 
  • Selenskyj: Ukraine ist de facto schon EU-Mitglied
  • Weitere US-Sanktionen gegen russische Elite
  • Ukraine räumt Gebietsverluste in Sjewjerodonezk ein
  • Merkel: Angriffskrieg gegen Ukraine ist eine "tiefgreifende Zäsur"

 

Der Weg für das sechste große EU-Sanktionspaket gegen Russland ist endgültig frei. Die EU verzichtet wegen des Widerstands von Ungarn vorerst auf Sanktionen gegen das russisch-orthodoxe Kirchenoberhaupt Patriarch Kirill. Das sechste EU-Sanktionspaket, in dem auch ein weitgehendes Öl-Embargo enthalten ist, wurde von Vertretern der EU-Staaten ohne die eigentlich geplante Strafmaßnahme gegen Kirill gebilligt, wie mehrere Diplomaten bestätigten.

Kirill sollte nach dem Willen der anderen EU-Staaten wegen seiner Unterstützung für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auf die Sanktionsliste der EU kommen. Er pflegt engen Kontakt zu Präsident Wladimir Putin und zeigte sich bislang sehr kremltreu. Der 75-Jährige stellte sich in seinen Predigten immer wieder hinter den Kriegskurs und behauptete zuletzt sogar, dass Russland noch nie ein anderes Land angegriffen habe. Ungarn wollte die Sanktionierung allerdings nicht akzeptieren.

Der wirtschaftlich besonders relevante Boykott gegen Öllieferungen aus Russland sieht vor, im kommenden Jahr auf dem Seeweg kein Öl mehr in die EU zu lassen. Lediglich Ungarn, die Slowakei und Tschechien sollen wegen ihrer großen Abhängigkeit noch bis auf Weiteres russisches Öl über die Druschbba-Pipeline importieren dürfen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zufolge wird die EU trotz der Ausnahme für Pipeline-Lieferungen bis Ende des Jahres rund 90 Prozent weniger Öl aus Russland beziehen.

US-Sanktionen gegen russische Elite

Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine verhängen die USA weitere Sanktionen gegen russische Oligarchen und Regierungsbeamte. Das Finanzministerium und das Außenministerium in Washington verkündeten eine Reihe von Strafmaßnahmen gegen Personen mit engen Verbindungen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Auf der US-Sanktionsliste: Maria Sacharowa, Sprecherin des Moskauer Außenministeriums Bild: Russian Foreign Ministry/REUTERS

Darunter sind etwa der Milliardär Alexej Mordaschow und die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa. Die US-Regierung nahm auch erneut mehrere Luxus-Jachten ins Visier, die in Verbindung zu Putin stehen sollen. Die Vereinigten Staaten haben in Abstimmung mit internationalen Partnern bereits im großen Stil Sanktionen gegen Moskau und diverse Putin-Verbündete verhängt.

Selenskyj: Ukraine ist de facto schon EU-Mitglied

Die Ukraine betrachtet sich nach den Worten ihres Präsidenten Wolodymyr Selenskyj schon jetzt als Teil der Europäischen Union. "Die Ukraine ist bereits de facto Mitglied der EU geworden", sagte Selenskyj in einer Videoansprache vor dem luxemburgischen Parlament. "Ich glaube, dass die Ukraine bereits durch ihr Handeln zeigt, dass sie die europäischen Kriterien erfüllt." Er zeigte sich überzeugt, dass sich Luxemburg dafür einsetzen werde, dass die Ukraine im Juni den offiziellen Status eines EU-Beitrittskandidaten erhalte und in einem beschleunigten Verfahren EU-Mitglied werde.

Meldet sich täglich zu Wort: der ukrainische Staatschef SelenskyjBild: Florian Gaertner//photothek/IMAGO

Weiter heftige Kämpfe um Sjewjerodonezk

Bei Gefechten in der ostukrainischen Großstadt Sjewjerodonezk im Gebiet Luhansk haben die russischen Truppen nach Angaben des Generalstabs in Kiew "teilweise Erfolg". Der Feind habe die Kontrolle über den östlichen Teil der Stadt, teilte die ukrainische Militärführung mit. Der Sturm auf Sjewjerodonezk dauere an, hieß es. Regionalgouverneur Serhij Gajdaj erklärte, russische Truppen kontrollierten mittlerweile 80 Prozent der Stadt.

Sollten die russischen Truppen Sjewjerodonezk einnehmen, hätten sie die komplette Kontrolle über die Region Luhansk. Die Einnahme der Gebiete Luhansk und Donezk ist eines der von Kremlchef Wladimir Putin ausgegebenen Ziele im Ukraine-Krieg.

Ukrainisches Militär meldet Erfolge im Süden 

Die ukrainische Armee hat nach Militärangaben im Süden des Landes 20 besetzte Ortschaften von russischen Truppen zurückerobert. Aus diesen Dörfern im Verwaltungsgebiet Cherson sei etwa die Hälfte der Bevölkerung geflüchtet, teilte der Leiter der regionalen ukrainischen Militärverwaltung, Hennadij Lahuta, mit. Der Angriff werde von Norden aus dem ukrainischen Gebiet Dnipropetrowsk geführt, die ukrainischen Truppen rückten weiter nach Süden vor. Unabhängig überprüfbar sind die Angaben nicht.

Gedenken an im Krieg getötete Kinder

In fast 100 Tagen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind nach den Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj mindestens 689 Kinder zu Schaden gekommen. 243 Kinder seien getötet worden, erklärte Selenskyj in einer neuen Videoansprache. Mindestens 446 Kinder seien verletzt worden, weitere 139 Kinder würden vermisst. "Und das sind nur die, von denen wir wissen." Es gebe keine Informationen aus den von russischen Truppen besetzten Gebieten. "Ewiges Gedenken denjenigen, deren Leben der russische Krieg gegen die Ukraine genommen hat", sagte Selenskyj. Er erinnerte mit Namen auch an mehrere Einzelschicksale von Kindern.

Blinken: Krieg könnte "morgen schon vorbei sein"

Die Ukraine hat nach den Worten von US-Außenminister Antony Blinken zugesagt, die von Washington versprochenen modernen Raketensysteme nicht für Angriffe auf Ziele in Russland zu nutzen. Man rechne damit, dass sich Russlands Krieg in der Ukraine über Monate hinziehen werde, sagte Blinken auf einer Pressekonferenz mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Washington. Mit den neuen Waffen wolle Washington sicherstellen, dass das Land "alles hat, was es für seine Verteidigung braucht". Die USA hatten am Dienstag angekündigt, die ukrainischen Streitkräfte mit Mehrfachraketenwerfern auszustatten, die über eine Reichweite von 80 Kilometern verfügen.

Moskaus Vorwurf, Washington werde damit den Konflikt weiter anheizen, wies Blinken zurück. "Es ist Russland, das die Ukraine angreift, nicht umgekehrt", sagte der US-Außenminister. "Um es klar zu sagen, der beste Weg, eine Eskalation zu verhindern, ist, dass Russland die Angriffe und den Krieg, den es begonnen hat, beendet." Würde Russland seine Angriffe einstellen, könnte der Krieg "morgen schon vorbei sein". Dafür gebe es aber derzeit keine Anzeichen.

Trafen sich in Washington: Jens Stoltenberg (l.) und Antony BlinkenBild: Jacquelyn Martin/AP/picture alliance

Stoltenberg rechnet mit rascher NATO-Erweiterung

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg gibt sich weiter optimistisch, dass Schweden und Finnland trotz Bedenken der Türkei bald in das Militärbündnis aufgenommen werden können. "Ich bin zuversichtlich, dass wir einen Weg nach vorne finden werden", sagte Stoltenberg in Washington. Es sei nicht das erste Mal, dass es in der NATO Differenzen und Meinungsverschiedenheiten gebe. "Aber wir können auf eine lange Erfolgsgeschichte zurückblicken und sind auch in der Lage, diese Differenzen zu überwinden und uns darauf zu einigen, wie wir vorankommen können."

Melnyk zufrieden mit Scholz-Ankündigung 

Der ukrainische Botschafter in Deutschland hat die Ankündigung von Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßt, Kiew ein modernes Flugabwehrsystem zu liefern. "Wir sind glücklich darüber, dass nun endlich Bewegung in die Sache gekommen und das Eis gebrochen ist", sagte Andrij Melnyk der "Stuttgarter Zeitung". "Gerade um das System IRIS haben wir uns hinter den Kulissen seit fast drei Monaten bemüht, nun hoffen wir, dass es im Sommer fertig produziert ist, im August die Ausbildung starten und im Oktober der Einsatz beginnen kann." Außerdem will Deutschland der Ukraine vier Mehrfachraketenwerfer aus Bundeswehr-Beständen und ein modernes Ortungsradar zur Verfügung stellen, das Artilleriestellungen ausfindig machen soll.

Eine "IRIS-T"-Rakete des Rüstungskonzerns DiehlBild: Daniel Karmann/picture alliance/dpa

Merkel bekundet Solidarität mit der Ukraine

In ihrer ersten öffentlichen Rede seit rund einem halben Jahr hat die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel den russischen Angriff auf die Ukraine als "tiefgreifende Zäsur" bezeichnet. Sie wolle als Bundeskanzlerin außer Dienst keine Einschätzungen von der Seitenlinie abgeben, sagte Merkel am Mittwochabend in Berlin. Doch zu sehr markiere Russlands Einmarsch in sein Nachbarland einen eklatanten Bruch des Völkerrechts in der Geschichte Europas nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

"Meine Solidarität gilt der von Russland angegriffenen, überfallenen Ukraine und der Unterstützung ihres Rechts auf Selbstverteidigung", betonte die Altkanzlerin. Sie unterstütze alle entsprechenden Anstrengungen der Bundesregierung, der EU, der USA, der NATO, der G7 und der UN, "dass diesem barbarischen Angriffskrieg Russlands Einhalt geboten wird".

Macky Sall, Präsident der Republik Senegal und der Afrikanischen UnionBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Präsident der Afrikanischen Union trifft Putin   

Der Präsident der Afrikanischen Union (AU), Senegals Staatsoberhaupt Macky Sall, trifft am Freitag den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Sotschi. Das Präsidialamt in Dakar teilte mit, Ziel des Besuchs sei "die Freigabe von Getreide und Dünger, deren Blockade besonders die afrikanischen Länder betrifft". Das Treffen erfolge auf Einladung von Putin, hieß es weiter. Die Afrikanische Union habe auch die Bitte des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj akzeptiert, sich in einer Videokonferenz an die Mitglieder des afrikanischen Staatenbundes zu wenden. Das Datum stehe noch nicht fest.

uh/pg/bri/qu/wa/mak (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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