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KonflikteUkraine

Ukraine aktuell: EU sucht entführte Kinder

24. März 2023

Die EU will mutmaßlich von Russland verschleppte Kinder aufspüren. Ex-Kremlchef Medwedew nimmt sich Stalin zum Vorbild und zitiert aus einem Text des Sowjetdiktators aus dem Jahr 1941. Nachrichten im Überblick.

Ein Frau mit einem Säugling und weiteren Kindern auf einem Sofa
Die russische Kinderrechtsbeauftragte Maria Alexejewna Lwowa-Belowa in der ostukrainischen Donezk-Region (Archiv) Bild: Pavel Lisitsyn/SNA/IMAGO

Das Wichtigste in Kürze: 

  • Die EU will verschwundene ukrainische Kinder suchen lassen
  • UN in Sorge wegen Hinrichtungen durch Russen wie Ukrainer
  • Ex-Kremlchef Medwedew liest Rüstungsvertretern Stalin-Telegramm vor
  • Blinken schließt langfristig Grenzverhandlungen nicht aus
  • Estland verweist weiteren russischen Diplomaten des Landes

 

Die EU will sich für die Rückkehr der mutmaßlich von Russland entführten ukrainischen Kinder einsetzen. Dazu solle es demnächst eine internationale Konferenz geben, kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel an. "Es ist eine schreckliche Erinnerung an die dunkelsten Zeiten unserer Geschichte, was dort geschieht, die Deportation von Kindern", sagte von der Leyen. Nach ihren Worten wurden bislang vermutlich 16.200 ukrainische Kinder entführt, lediglich 300 von ihnen seien zurückgekehrt.

"Wir wollen internationalen Druck ausüben, um alle möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um den Verbleib dieser Kinder zu ermitteln", sagte von der Leyen. Sie habe gemeinsam mit dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki und der Ukraine dazu eine Initiative gestartet.

UN besorgt über Exekutionen von Gefangenen auf beiden Seiten

Die Vereinten Nationen haben sich "zutiefst besorgt" gezeigt über bekanntgewordene Hinrichtungen Dutzender Kriegsgefangener in der Ukraine. "Das wurde oft unmittelbar nach der Gefangennahme auf dem Schlachtfeld verübt", sagte die Leiterin der UN-Menschenrechtskommission in der Ukraine, Matilda Bogner, in Kiew. Auf russischer Seite würden die Verbrechen oft von der berüchtigten Söldnergruppe Wagner verübt, hieß es. Von 15 bekanntgewordenen Tötungen von ukrainischen Soldaten würden 11 den Wagner-Kämpfern zugeordnet. Zugleich liefen auch ukrainische Untersuchungen zu getöteten Russen: Hier seien fünf Ermittlungen mit insgesamt 22 Opfern bekannt, so Bogner weiter.

Die Vereinten Nationen befragten für ihren Bericht eigenen Angaben zufolge mehr als 400 Menschen auf beiden Seiten, die in Kriegsgefangenschaft sind oder waren. Von etwas mehr als 200 bereits wieder befreiten Ukrainern habe die Mehrzahl von Misshandlungen vor ihrer Internierung berichtet, hieß es. Bei Verhören seien die Gefangenen vom russischen Militär und Geheimdienst geschlagen, an Strom angeschlossen, angeschossen, mit Messern verletzt und mit Scheinhinrichtungen bedroht worden. Mindestens fünf Kriegsgefangene seien aufgrund unzureichender medizinischer Behandlung gestorben, teilten die UN mit.

Zugleich habe von 200 interviewten russischen Kriegsgefangenen gut die Hälfte" von Misshandlungen und Folter durch die ukrainischen Streitkräfte oder den Geheimdienst SBU berichtet, hieß es weiter. Kriegsgefangene seien geschlagen, in die Beine geschossen, in Gliedmaßen gestochen, an Strom angeschlossen und ebenfalls mit Scheinhinrichtungen sowie mit sexueller Gewalt oder dem Tod bedroht worden, berichtete Bogner.

Ex-Kremlchef Medwedew liest Rüstungsvertretern Stalin-Telegramm vor

Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew hat zur Steigerung der heimischen Waffenproduktion zu einer ungewöhnlichen Methode gegriffen: Vor Vertretern einer nationalen Rüstungskommission zitierte der 57-Jährige den Sowjetdiktator Josef Stalin, wie aus einem von mehreren Videos hervorgeht, die Medwedew selbst in sozialen Netzwerken veröffentlichte.

In dem Video ist zu hören, wie Medwedew, mittlerweile Vize-Chef des russischen Sicherheitsrats, aus einem Telegramm Stalins aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs vorliest, in dem dieser eine Fabrik in der Stadt Tscheljabinsk zur pünktlichen Produktion von Panzerteilen aufruft: "Sollte sich in ein paar Tagen herausstellen, dass Sie Ihre Pflicht gegenüber dem Vaterland verletzen, so werde ich damit beginnen, sie wie Verbrecher zu zerschlagen", heißt es in dem Schreiben Stalins aus dem Jahr 1941 weiter. Medwedew gilt als glühender Verfechter des brutalen russischen Angriffskriegs auf das Nachbarland.

Ungarn würde Putin nicht festnehmen lassen

Ungarn würde den mit einem Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) belegten russischen Präsidenten Wladimir Putin auf seinem Staatsgebiet nicht festnehmen. Der Stabschef von Ministerpräsident Viktor Orban, Gergely Gulyas, erklärte, der Haftbefehl sei in Ungarn rechtlich nicht bindend. Das Römische Statut des IStGH sei nicht formell in das ungarische Recht aufgenommen worden, da es "gegen die Verfassung verstoßen würde".

Am vergangenen Freitag hatte der IStGH wegen der mutmaßlichen Verschleppung tausender ukrainischer Kinder nach Russland im Angriffskrieg gegen die Ukraine Haftbefehl gegen Putin und dessen Kinderrechtsbeauftragte, Maria Alexejewna Lwowa-Belowa, erlassen. Einige Länder, darunter Russland, China und die USA, erkennen den IStGH nicht an.

Blinken hält langfristig Grenzverhandlungen für möglich

US-Außenminister Antony Blinken schließt langfristig Verhandlungen über die künftigen Grenzen der Ukraine nicht aus. Die Entscheidung darüber liege aber bei den Ukrainern, betonte er vor einem Parlamentsausschuss in Washington. Jeder eventuelle Friedensschluss müsse "gerecht und dauerhaft" sein. Die Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Ukraine müsse gewahrt bleiben, so Blinken. "Aber wie diese konkret im Territorium definiert wird, da warten wir, dass die Ukrainer uns das sagen."

Zugleich fügte der US-Außenminister hinzu: "Ich glaube, dass es Gebiete in der Ukraine gibt, bei denen die Ukrainer entschlossen sind, am Boden darum zu kämpfen. Und eventuell gibt es Gebiete, bei denen sie beschließen, dass sie versuchen wollen, sie auf anderen Wegen wiederzuerlangen." Beobachtern zufolge ließ Blinken damit durchblicken, dass Washington eine Rückeroberung aller von Russland besetzten ukrainischen Gebiete - vor allem der Krim - durch Kiews Truppen für nicht wahrscheinlich hält.

Estland verweist weiteren russischen Diplomaten des Landes

Estland hat erneut einen Mitarbeiter der russischen Botschaft in Tallinn zur unerwünschten Person erklärt und des Landes verwiesen. Auf Aufforderung des Außenministeriums muss der Diplomat den baltischen EU- und NATO-Staat bis zum 29. März verlassen. Darüber sei der einbestellte Geschäftsträger der russischen Vertretung informiert worden, hieß es in einer Mitteilung. Begründet wurde die Ausweisung mit Handlungen, die gegen das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen verstoßen hätten.

Estland hatte zuvor bereits wiederholt russische Diplomaten zur Ausreise aufgefordert und im Januar eine Verringerung der Anzahl an Botschafts- und Konsularangehörigen in Tallinn gefordert. Daraufhin kam es zu einem diplomatischen Streit: Russland wies den estnischen Botschafter zum 7. Februar aus. Estland reagierte umgehend: Im Gegenzug musste auch Russlands Botschafter den Baltenstaat verlassen. Estland zählt international zu den entschiedensten Unterstützern Kiews.

US-Außenminister Antony Blinken Bild: Olivier Douliery/AP Photo/picture alliance

EU will Ukraine mehr Munition liefern

Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union haben weitere Militärhilfen für die Ukraine gebilligt. Sie stimmten am Donnerstag auf dem EU-Gipfel in Brüssel abschließend einem umfangreichen Munitions-Paket zu. Ziel sei es, "innerhalb der nächsten zwölf Monate in einer gemeinsamen Anstrengung eine Million Schuss Artilleriemunition bereitzustellen", heißt es in einer Gipfel-Erklärung.

Selenskyj fordert moderne Kampfjets

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten nochmals zur Lieferung moderner Kampfjets an sein Land aufgefordert. Er sei Polen und der Slowakei dankbar für die Entscheidung, Kampfjets des sowjetischen Typs MiG-29 bereitzustellen, sagte Selenskyj bei dem EU-Gipfel, zu dem er per Video zugeschaltet war. "Dies wird die Verteidigung unseres Luftraums erheblich stärken. Aber wir brauchen moderne Flugzeuge."

Die Slowakei hatte zuvor bekanntgegeben, der Ukraine die ersten vier ihrer insgesamt 13 versprochenen Flugzeuge des sowjetischen Typs MiG-29 übergeben zu haben. Zuvor hatte Polen die Lieferung von Kampfflugzeugen desselben Typs angekündigt.

Freiwillige Helfer reparieren das zerstörte Dach eines Hauses im Dorf Oleksandriwka in der Region Cherson Bild: Igor Burdyga/DW

Selenskyj: In Cherson kehrt wieder Leben ein

Nach einem Besuch in der von ukrainischen Truppen im Herbst weitgehend zurückeroberten Region Cherson im Süden der Ukraine hat Präsident Wolodymyr Selenskyj ein positives Fazit gezogen. In einigen Orten seien mehr als 90 Prozent der Gebäude zerstört worden, sagte Selenskyj in seiner allabendlichen Videoansprache. "Aber selbst in solche Dörfer kehren die Menschen zurück, und das ist ein Beweis dafür, dass das Leben immer noch gewinnt." Die Ukraine werde ihr Möglichstes tun, "um unsere Territorien wieder aufzubauen". Selbst auf den von russischen Granaten und Minen geräumten  Feldern um Cherson kehre das Leben zurück.

Bei russischen Angriffen auf die ostukrainische Stadt Kostjantyniwka sind in der Nacht zu Freitag ukrainischen Angaben zufolge drei Menschen ums Leben gekommen. Bei dem Raketenbeschuss seien zudem zwei Menschen verletzt worden, erklärten die Rettungsdienste im Onlinedienst Telegram und korrigierten damit frühere Angaben, wonach fünf Menschen bei den Angriffen getötet worden seien.

qu/sti/se/bru (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.