1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Aktuell: Explosionen am AKW Saporischschja

20. November 2022

Offenbar hat es wieder Angriffe auf das ukrainische Atomkraftwerk gegeben und der Kreml stockt nach ukrainischen Angaben seine Truppen in Luhansk und Donezk auf. Ein Überblick.

Ukraine-Krieg I  Zaporizhzhia Atomkraftwerk
Die Atomanlage Saporischschja steht seit Oktober unter russischer VerwaltungBild: Stringer/AA/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

 

  • Explosionen am Atomkraftwerk Saporischschja - Sicherheit intakt
  • Moskau verstärkt Truppenpräsenz im Osten - schwere Kämpfe
  • Erster Zug aus Kiew erreicht das befreite Cherson
  • Generalstaatsanwalt: 90 Prozent der Toten in befreiten Gebieten sind Zivilisten
  • US-Verteidigungsminister: Auch China strebt Welt an, in der "Macht Recht schafft"

 

Am ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja hat es nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) wieder mehrere starke Explosionen gegeben. IAEA-Experten vor Ort hätten von Dutzenden Einschlägen in der Nähe und auf dem Gelände der größten europäischen Atomanlage berichtet, teilte die Behörde mit. IAEA Generaldirektor Rafael Grossi bezeichnete die Vorgänge als "extrem beunruhigend". Die Explosionen am Samstagabend und Sonntagmorgen seien "vollkommen inakzeptabel". Die zunächst festgestellten Schäden an Gebäuden, Systemen und Ausrüstung seien jedoch nicht "kritisch". Sie beeinträchtigten auch nicht die nukleare Sicherheit. Es habe keine Verletzten gegeben.

Moskau dementiert

Das russische Verteidigungsministerium warf den ukrainischen Streitkräften vor, das Kernkraftwerk seit Samstag massiv mit Artillerie zu beschießen. Allein am Sonntagmorgen sei mit zwölf großkalibrigen Geschossen auf die Anlage gezielt worden, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen. Acht Geschosse seien zwischen den Reaktorblöcken eingeschlagen, eines habe das Dach einer Sonderstation getroffen. Die Strahlung in der Umgebung des Kernkraftwerks sei aber "normal".

Die ukrainische Atombehörde Energoatom erklärte hingegen ihrerseits, Russland habe das Kraftwerk Saporischschja beschossen. Nach russischen Angriffen am Sonntagmorgen seien mindestens zwölf Angriffe auf das Kraftwerksgelände registriert worden, erklärte Energoatom. Moskau und Kiew beschuldigen sich seit Monaten gegenseitig, für Angriffe um und auf das Atomkraftwerk Saporischschja verantwortlich zu sein. Die Anlage liegt in der von Russland für annektiert erklärten Region Saporischschja nicht weit von der Front entfernt. Im Oktober hatte der russische Präsident Wladimir Putin das Atomkraftwerk per Dekret unter russische Verwaltung gestellt.

Russische Truppenverlegung Richtung Donbass

Die russischen Streitkräfte verlegen nach Erkenntnissen des ukrainischen Generalstabs aus dem Gebiet Cherson abgezogene Einheiten in die Gebiete Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine. In Luhansk richteten die russischen Besatzer zusätzliche Kontrollpunkte ein, um Deserteure zu identifizieren und festzunehmen, teilte der ukrainische Generalstab mit. 

Um die vielen russischen Soldaten unterzubringen, werde ein Teil der Zivilbevölkerung zwangsumgesiedelt, erklärte der Generalstab in Kiew. Die Menschen würden in anderen Orten untergebracht, hieß es.

Eine Ukrainerin steht vor ihrem zerstörten Haus in Kramatorsk in der Region Donezk Bild: Andriy Andriyenko/AP Photo/picture alliance

Kiew: Schwere Kämpfe im Donbass

Die russische Armee greife zwar massiv mit Raketen an, es sei aber noch zu früh, von einer neuen Großoffensive zu sprechen, sagte der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Jurij Ihnat, dem Internetportal "Ukrajinska Prawda" zufolge im ukrainischen Fernsehen. Es komme aber im Donbass in der Ostukraine zu schweren Kampfhandlungen. Dabei seien Panzer, Rohr- und Raketenartillerie sowie Granatwerfer eingesetzt worden, hieß es.

Die Stadt Cherson ist unter Kontrolle der Ukraine, in der Region gibt es trotzdem weiter russische AngriffeBild: AP Photo/Roman Hrytsyna

Auch an anderen Brennpunkten in der Ukraine wird gekämpft. Nach Darstellung des ukrainischen Militärs seien bei der Siedlung Mychajlowka in der Region Saporischschja bis zu 60 russische Soldaten getötet oder verwundet worden. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.

Bericht: Moskau baut jetzt "Kamikaze-Drohnen"

Russland hat sich einem Medienbericht zufolge mit dem Iran auf den Bau von Hunderten mit Waffen bestückten Drohnen im eigenen Land geeinigt. Das berichtet die "Washington Post" unter Berufung auf Geheimdienstinformationen der USA und anderer westlicher Staaten.

Demnach sollen Vertreter beider Seiten eine entsprechende Vereinbarung bei einem Treffen im Iran Anfang November abgeschlossen haben. Russland und der Iran seien dabei, Entwürfe und Schlüsselkomponenten zu übertragen. Damit könne die Produktion innerhalb weniger Monate beginnen, sagten drei mit der Angelegenheit vertraute Insider der Zeitung.

Erster Zug seit acht Monaten

Zum ersten Mal nach gut acht Monaten ist ein Zug aus Kiew in der erst vor Kurzem von russischen Besatzern befreiten südukrainischen Stadt Cherson eingefahren. Insgesamt 200 Passagiere hatten Fahrkarten erworben, berichten ukrainische Medien. Die sieben Waggons waren von Künstlern im Rahmen des Projekts "Zug zum Sieg" bemalt worden. Am Bahnhof begrüßten die Ankunft des Sonderzugs hunderte Schaulustige mit ukrainischen Landesfahnen und lautem Jubel.

Von Künstlern mit symbolträchtigen ukrainischen Motiven bemalt: der Sonderzug nach ChersonBild: Murad Sezer/REUTERS

Die Bahnverbindung zwischen der Hauptstadt Kiew und Cherson war unmittelbar nach Kriegsbeginn am 24. Februar infolge des Einmarsches russischer Soldaten unterbrochen worden. Die Region am Dnipro war erst vor kurzem befreit worden, nachdem die ukrainischen Militärs die russischen Besatzer zum Rückzug über den Fluss gezwungen hatten. Die Züge in der Ukraine fahren langsam, aber trotz des Krieges weitgehend pünktlich und zuverlässig und halten so die Landesteile zusammen.

Generalstaatsanwalt: 90 Prozent der Toten in befreiten Gebieten sind Zivilisten

Die ukrainischen Behörden stoßen in befreiten Gebieten rund um Cherson, Charkiw und Donezk nach offizieller Darstellung auf immer mehr Beweise für Gräueltaten der einstigen russischen Besatzer. In den vergangenen zwei Monaten seien in diesen Gebieten bereits über 700 Leichen entdeckt worden, sagte Generalstaatsanwalt Andrij Kostin im Staatsfernsehen. In rund 90 Prozent der Fälle habe es sich um Zivilpersonen gehandelt. Daneben seien etwa 20 Orte entdeckt worden, an denen Zivilisten verhört und in Gefangenschaft gehalten worden seien, sagte er weiter.

Austin: Auch China strebt Welt an, in der "Macht Recht schafft"

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin zieht Parallelen zwischen Russland und China. Die Regierung in Peking strebe ebenso wie die in Moskau eine Welt an, in der "Macht Recht schafft", sagt Austin in Kanada in einer Rede vor einem Sicherheitsforum. Chinesische Flugzeuge würden fast täglich in rekordhoher Anzahl in der Nähe Taiwans fliegen und die Zahl "gefährlicher Abfangmanöver" Chinas gegen US-amerikanische oder verbündete Streitkräfte auf See oder in der Luft nehme zu.

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin bei seiner Rede im kanadischen HalifaxBild: Andrew Vaughan/Zuma/picture alliance

Die USA würden aus der Ukraine-Entwicklung ihre Lehren ziehen, um die Fähigkeiten ihrer indopazifischen Partner zur Selbstverteidigung zu stärken. Austin sagte zudem, würde die Hilfe scheitern, der Ukraine eine eigene Zukunft zu sichern, könne das in eine "Welt der Tyrannei und des Aufruhrs" führen.

Ukrainischer General spekuliert: Krieg ist zum Frühlingsende vorbei

Der ukrainische Vizeverteidigungsminister hat sich optimistisch gezeigt, dass die eigenen Truppen bis Ende Dezember schon auf der Krim sein und bis Mitte nächsten Jahres den Krieg im eigenen Land beenden könnten. "Mein Gefühl ist, dass dieser Krieg zum Frühlingsende vorbei ist", sagte General Wolodymyr Hawrylow in einem Interview des britischen Fernsehsenders Sky News. Er halte es nicht für ausgeschlossen, dass das ukrainische Militär schon bis Ende des Jahres auf die Krim vorrücke. Russland hatte die Halbinsel bereits im Jahr 2014 annektiert.

Siegesgewiss, ukrainische Soldaten im Süden des LandesBild: Metin Aktas/AA/picture alliance

Aus militärischer Sicht könne sich der Krieg noch eine Weile hinziehen, räumte Hawrylow ein. Die ukrainische Armee brauche noch eine gewisse Zeit, um ihre volle Leistungsstärke zu erreichen. Außerdem bringe Moskau seinerseits neue Truppen an die Front. Aber die Rückeroberung weiterer Gebiete sei nur eine Frage der Zeit und ein "Black Swan" (Schwarzer Schwan) in Russland könne den Prozess deutlich beschleunigen. Als "Black Swan" wird ein unerwartetes Ereignis mit massiven Auswirkungen bezeichnet. Hawrylow spekulierte über ein mögliches Ende der Herrschaft Wladimir Putins angesichts der Enttäuschung in Russland über den Verlauf des Kriegs.

Zuletzt hatten sich verschiedene hochrangige US-Militärs deutlich weniger optimistisch zum weiteren Verlauf des Krieges geäußert.

uh/fab/nob/haz/qu/ack (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen