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Konflikte

Aktuell: Friedenspreis für Ukrainer Serhij Zhadan

23. Oktober 2022

Der ukrainische Musiker und Autor Zhadan bekommt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Präsident Selenskyj sieht die Truppen seines Landes in russisch besetzten Gebieten weiter auf dem Vormarsch. Ein Überblick.

Serhij Zhadan mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth bei der Zeremonie in der Frankfurter Paulskirche
Serhij Zhadan mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth bei der Zeremonie in der Frankfurter Paulskirche Bild: epd

Das Wichtigste in Kürze:

  • Serhij Zhadan erhält Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
  • Chef von ukrainischem Rüstungsbetrieb festgenommen
  • Russische Grenzregion meldet Todesopfer
  • Ukraine hat nach eigenen Angaben 90 Prozent der Windkraft verloren 
  • Berlin hat kaum noch Wohnraum für Geflüchtete

Zum Abschluss der Frankfurter Buchmesse ist der ukrainische Autor und Musiker Serhij Zhadan in der Paulskirche mit den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. Der 48-Jährige werde damit geehrt für "sein herausragendes künstlerisches Werk sowie für seine humanitäre Haltung, mit der er sich den Menschen im Krieg zuwendet und ihnen unter Einsatz seines Lebens hilft", teilte der Stiftungsrat des Friedenspreises mit. Zhadan erkunde in seinen Werken, wie die Menschen in der Ukraine trotz aller Gewalt versuchten, ein unabhängiges, von Frieden und Freiheit bestimmtes Leben zu führen.

Friedenspreis in Kriegszeiten

05:19

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Der im Gebiet Luhansk geborene Autor gehört zu den wichtigsten Stimmen der ukrainischen Gegenwartsliteratur. Seit den 1990er Jahren prägt er die Kulturszene Charkiws, organisiert Literatur- und Musikfestivals und veröffentlicht Romane, Gedichte, Erzählungen und Essays. Seit der Besetzung der Krim 2014 engagiert sich Zhadan zudem mit sozialen und kulturellen Projekten in der zum Teil von den prorussischen Separatisten besetzen Ostukraine. 

Der Friedenspreis wird seit 1950 vergeben und ist mit 25.000 Euro dotiert.

Selenskyj gibt sich zuversichtlich

Die Streitkräfte der Ukraine kämen jeden Tag an der Front voran, die Schläge gegen die Infrastruktur von russischer Seite könnten sie nicht aufhalten, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer neuen Videobotschaft: "Die Ukrainer sind vereint und wissen genau, dass Russland keine Chance hat, diesen Krieg zu gewinnen."

"Die russischen Propagandisten lügen, wenn sie sagen, dass dieser Terror gegen unsere Infrastruktur und Menschen die aktiven Handlungen unseres Militärs irgendwie bremsen könnte", hatte der Staatschef schon zuvor verkündet. Russland ziehe sich bereits zurück auf dem Schlachtfeld und merke, dass es verliere. Der Aggressor versuche deshalb, mit Angriffen auf Zivilisten und Infrastruktur militärische Siege vorzutäuschen, so Selenskyj. Die ukrainischen Streitkräfte erhielten jeden Tag alles Nötige zur Verteidigung des Landes.

Meldet sich täglich öffentlichkeitswirksam zu Wort: Wolodymyr SelenskyjBild: Ukrainian Presidential Press Office/AP/picture alliance

"Natürlich haben wir nicht die technischen Möglichkeiten, 100 Prozent der russischen Raketen und Kampfdrohnen auszuschalten", räumte Selenskyj ein. Er sei sich aber sicher, "dass wir dies mit Hilfe unserer Partner schrittweise erreichen werden", meinte der Präsident.

Medien: Leiter von Motor Sitsch festgenommen

Der Chef des ukrainischen Rüstungsbetriebs Motor Sitsch ist nach Medienangaben unter dem Verdacht auf Kollaboration mit Russland festgenommen worden. Wjatscheslaw Bohuslajew und einem weiteren Top-Manager wird vorgeworfen, in großem Stil ukrainische Flugzeugmotoren nach Russland geliefert und russische Hubschrauber repariert zu haben, wie das ukrainische Internetportal "Strana" berichtet. 

Motor Sitsch ist einer der wichtigsten Rüstungs- und Industriebetriebe der Ukraine. Das Unternehmen mit Sitz in der ostukrainischen Großstadt Saporischschja produziert vor allem Flugzeugturbinen und - motoren. Bis 2014 ging ein Großteil der Produktion nach Russland. 

An der Front im Einsatz: ein ukrainisches PanzerfahrzeugBild: Libkos/AP/picture alliance

Russische Grenzregion meldet Todesopfer

Der Gouverneur der russischen Grenzregion Belgorod hat der Ukraine erneut schweren Beschuss des Gebiets vorgeworfen. Dabei seien am Samstag in der Grenzstadt Schebekino zwei Menschen getötet und elf verletzt worden, teilte Wjatscheslaw Gladkow mit.

Nach seinen Angaben wurde bei dem Beschuss auch Energie-Infrastruktur getroffen. Rund 15.000 Menschen seien zeitweilig ohne Strom, Heizung und Wasser gewesen. Wer sehr nah an der Grenze zur Ukraine lebe, solle in der Nähe von Moskau untergebracht werden, sagte Gladkow.

Zeitgleich mit dem Hinweis auf ukrainische Angriffe meldet die russische Armee aber auch eigene Militäroperationen. So sei ein ukrainisches Treibstofflager in der Zentralukraine zerstört worden. Ein Depot, "das mehr als 100.000 Tonnen Flugzeugbenzin für die ukrainischen Luftstreitkräfte beherbergte, wurde nahe des Ortes Smila in der Region Tscherkassy zerstört", teilte das russische Verteidigungsministerium mit. Demnach wurden überdies mehrere Munitionslager sowie ein Benzin-Reservoir für ukrainische Militärfahrzeuge beschädigt.

Ukraine hat nach eigenen Angaben 90 Prozent der Windkraft verloren

Die Ukraine hat durch den russischen Angriffskrieg etwa 90 Prozent ihrer Windkraft-Kapazitäten verloren. Bei Solarenergie betrage der Verlust 40 bis 50 Prozent, sagte Energieminister Herman Haluschtschenko im ukrainischen Fernsehen. Er sagte nicht, wie groß die installierten Kapazitäten waren. Die Ukraine habe die erneuerbaren Energien aber in den vergangenen Jahren stark ausgebaut, betonte der Minister. Vor dem Krieg habe ihr Anteil zehn bis elf Prozent an der Energieproduktion betragen. Nach dem Krieg solle der Ausbau umso schneller fortgesetzt werden.

Das angegriffene Land ist damit noch stärker auf fossile Brennstoffe und Atomkraft angewiesen als bislang. Die russische Armee hat in den vergangenen Tagen mit Luftangriffen die ukrainische Strom- und Wärmeversorgung schwer beschädigt. Um Strom zu sparen, fahren derzeit in der Hauptstadt Kiew statt Oberleitungsbussen wieder Dieselbusse

Entwicklungsministerin Schulze mit eindringlichem Appell

Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) bezeichnete unterdessen im Vorfeld der Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine in Berlin diesen als Generationsaufgabe. So viele Länder wie möglich müssten dafür ihre Kräfte bündeln, sagt die SPD-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Wir brauchen im Grunde die gesamte zivilisierte Staatengemeinschaft."

Entwicklungsministerin Svenja SchulzeBild: Florian Gaertner/photothek/picture alliance

Die Ukraine brauche Geld und Solidarität, da die Wirtschaft im Krieg eingebrochen sei. Sie werde sich im Vorfeld der Wiederaufbaukonferenz am Dienstag mit der ukrainischen Regierung treffen, um die Verwendung der deutschen Entwicklungsgelder zu besprechen. Von den 400 Millionen Euro, die Deutschland zugesagt habe, sollen 200 Millionen an Menschen gehen, die ihr Zuhause verloren hätten. "Weitere Mittel sollen helfen, Lehrerinnen und Lehrer zu bezahlen, Wohnraum zu schaffen, traumatisierte Kinder zu betreuen oder Unternehmen dabei zu helfen, Kriegsschäden zu reparieren, damit sie weiterarbeiten können", so die Ministerin. 

Berlin hat kaum noch Wohnraum für Geflüchtete

Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey sieht die Hauptstadt am Rande ihrer Möglichkeiten bei der Aufnahme von Geflüchteten. Gerade Deutschlands Stadtstaaten und besonders Berlin als Hauptanziehungspunkt hätten ihre Kapazitäten "mittlerweile nahezu ausgeschöpft", sagte die Sozialdemokratin der "Bild am Sonntag". So seien 340.000 Ukrainer in Berlin erstversorgt worden, 100.000 hätten ihren Wohnsitz inzwischen in der Hauptstadt. Giffey forderte: "Wir brauchen dringend weitere Immobilien des Bundes, um Menschen gut unterzubringen, finanzielle Unterstützung für die immensen Kosten und eine gerechte Verteilung im Bundesgebiet."

Leben in Containern: Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete in Berlin-Spandau (Archiv)Bild: Frederic Kern/Geisler-Fotopress/picture alliance

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte der Zeitung, es brauche nicht nur Beschlüsse, sondern konkrete Maßnahmen. Die Möglichkeiten zur Unterbringung seien begrenzt. "Es werden bereits jetzt Hotelzimmer angemietet und Sammelunterkünfte, zum Beispiel in Turnhallen, vorbereitet", so Landsberg.

Kretschmer gegen Totalverzicht auf russisches Gas

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat sich für eine Wiederaufnahme russischer Gaslieferungen nach dem Krieg ausgesprochen. "Wir brauchen langfristige Verträge für Flüssiggaslieferungen aus den USA, Katar und anderen arabischen Ländern. Außerdem müssen wir endlich eigenes Erdgas in der Nordsee erschließen. Und wenn der Krieg vorbei ist, sollten wir auch wieder Gas aus Russland nutzen", sagte Kretschmer der "Bild am Sonntag".

Um den Krieg zu beenden, sollte Deutschland gemeinsam mit anderen Ländern auf eine Verhandlungslösung drängen, betonte der Christdemokrat. "Es braucht jetzt eine gemeinsame diplomatische Anstrengung von der EU, den USA, China, Indien und Japan. Dieser Krieg muss angehalten werden."

Vermisst diplomatische Initiativen: Michael Kretschmer (CDU)Bild: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa/picture alliance

Diese Verhandlungen würden nicht automatisch dazu führen, dass die Ukraine Teile ihres Staatsgebietes abtreten müsse, meinte Kretschmer. "Es gibt keinen einzigen Grund, warum die Ukraine auch nur auf einen Quadratmeter ihres Territoriums verzichten sollte. Kriegsschäden müssen von Russland ausgeglichen, Kriegsverbrecher zur Verantwortung gezogen werden. Mit dieser Haltung muss man in Friedensgespräche gehen."

Ski-Weltverband hält an Russen-Ausschluss fest

Sportlerinnen und Sportler aus Russland und Belarus bleiben von allen Wettbewerben des Ski- und Snowboard-Weltverbandes FIS ausgeschlossen. Der FIS-Rat habe mit Rücksicht auf die Integrität der FIS-Wettbewerbe und die Sicherheit aller Teilnehmer beschlossen, "seine Politik fortzusetzen, russischen und weißrussischen Teams und Athleten die Teilnahme an allen FIS-Wettbewerben zu verweigern", teilte der Weltverband mit. Die Entscheidung stehe im Einklang mit den Empfehlungen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC).

kle/haz/se/wa/AR (dpa, afp, rtr, kna, epd, sid)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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