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Politik

Aktuell: Gazprom dreht Lettland Gashahn zu

30. Juli 2022

Die Begründung, die der Energieriese liefert, ist eher nichtssagend. Mit harschen Worten hat der ukrainische Präsident auf den Angriff auf ein Gefängnis in der Region Donezk reagiert. Ein Überblick.

Untergrund Gas Tanks Litauen
Gasspeicher im lettischen Inculkans, rund 40 Kilometer von der Hauptstadt Riga entfernt (Archivbild)Bild: Victor Lisitsyn/Russian Look/picture alliance

Das Wichtigste in Kürze:

  • Russland stoppt Gaslieferungen nach Lettland

  • Gazprom: Probleme mit Turbinen dauern an

  • Beschuss im Süden und Osten der Ukraine

  • Präsident Selenskyj droht mit Vergeltung

  • Warnung vor Verstößen gegen AKW-Sicherheitsmaßnahmen

 

Der russische Energiekonzern Gazprom hat die Gaslieferungen nach Lettland eingestellt. Das Unternehmen begründete dies auf Telegram mit "Verstößen gegen die Bedingungen für die Gasentnahme", ohne diese jedoch näher zu benennen. Die lettische Regierung wollte nach früheren Angaben bis 2023 von russischem Gas unabhängig werden.

Gazprom hatte seit Beginn des russischen Einmarschs in der Ukraine mehreren EU-Staaten kein Erdgas mehr zur Verfügung gestellt, darunter Polen und Bulgarien. Die Länder waren nicht bereit, in Rubel zu zahlen, wie es Kremlchef Wladimir Putin als Reaktion auf die Sanktionen des Westens verlangt. Bestehende Verträge lauteten meist auf Euro oder Dollar. Zuletzt hatte Gazprom auch die Lieferungen nach Deutschland stark gedrosselt.

Gazprom: Probleme mit Turbinen dauern an

Der russische Staatskonzern beklagte, mit einer aus Kanada nach Europa zurückgekehrten Gasturbine gebe es weiter Probleme. Ohne Absprache und entgegen dem Vertrag mit Gazprom sei das Bauteil nach Deutschland und nicht direkt nach Russland gebracht worden, erklärte der Vize-Chef des Staatskonzerns, Witali Markelow. Nur wenn es Garantien der EU und Großbritanniens für die Nichtanwendung westlicher Sanktionen gebe, könne Russland die Turbine annehmen.

Transport einer Siemens-Gasturbine (Symbolbild)Bild: Yelena Afonina/Tass/dpa/picture alliance

Zudem habe man dem Vertragspartner Siemens Energy Schwierigkeiten bei drei weiteren Turbinen gemeldet, die von dessen Experten an Ort und Stelle behoben werden sollten. "Wir erwarten mit Ungeduld die Ankunft ihrer Spezialisten in der Kompressorstation", sagte Markelow. In der für die Pipeline Nord Stream 1 wichtigen Gasverdichterstation sei momentan nur eine von sechs Turbinen im Einsatz.

Siemens Energy hatte hingegen am Mittwoch erklärt, man habe derzeit keinen Zugang zu den Turbinen und dem Unternehmen lägen bisher auch keine Schadensmeldungen vor. Nach einer geplanten Wartungsunterbrechung hatte Gazprom die Lieferungen durch Nord Stream 1 am Mittwoch erneut auf 20 Prozent der maximalen Auslastung gesenkt. Als Grund wurden Sicherheitsvorschriften genannt. Die Bundesregierung wirft Russland in der Angelegenheit Machtspiele vor. 

Beschuss im Süden und Osten

Ukrainische Stellen melden mehrere Angriffe der russischen Streitkräfte. Durch den Beschuss eines Wohnviertels im südlichen Mykolajiw seien ein Zivilist getötet und sechs weitere verletzt worden, erklärte Regionalgouverneur Vitali Kim auf Telegram. Nach Angaben des Bürgermeisters der nordöstlichen Großstadt Charkiw, Ihor Terechow, gingen dort am frühen Morgen drei S-300-Raketen auf einer Schule nieder. Insgesamt seien in der Stadt mindestens fünf Flugkörper eingeschlagen.

In der heftig umkämpften Region Donezk im Osten des Landes hätten die russischen Truppen eine Busstation in Slowjansk beschossen. Am Freitag waren in der Region nach ukrainischen Angaben sechs Zivilisten getötet und 15 verletzt worden.

Videobotschaft des ukrainischen Präsidenten Selenskyj: "Absichtliches Kriegsverbrechen"Bild: Ukrainisches Präsidialamt

Selenskyj droht mit Vergeltung

Nach dem folgenschweren Angriff auf ein Gefängnis im Osten des Landes hat Präsident Wolodymyr Selenskyj Russland vorgeworfen, einen Massenmord an ukrainischen Kriegsgefangenen begangen zu haben. "Ich habe heute die Informationen über den Angriff der Besatzer auf Oleniwka in der Region Donezk erhalten", sagte Selenskyj am Freitagabend in seiner täglichen Ansprache. Es handele sich um ein "absichtliches Kriegsverbrechen", für das es "Vergeltung" geben werde.

Der ukrainische Präsident nannte die Zahl von "mehr als 50 Toten". Die Haftanstalt in Oleniwka, in der ukrainische Kriegsgefangene festgehalten wurden, war am Freitag bombardiert worden. Danach beschuldigten sich Russland und die Ukraine gegenseitig, für den Angriff verantwortlich zu sein. Das russische Verteidigungsministerium erklärte, es sei ein von den USA gelieferter HIMARS-Raketenwerfer dabei eingesetzt worden. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba sagte hingegen, die russische Armee habe die Haftanstalt bombardiert.

Ausgebrannter Schlafsaal des Gefängnisses in Oleniwka: Gegenseitige SchuldzuweisungenBild: RIA Novosti/SNA/IMAGO

Nach russischen Angaben waren in Oleniwka in der von pro-russischen Separatisten kontrollierten Region ukrainische Kriegsgefangene inhaftiert, unter ihnen Mitglieder des Asow-Regiments. 

Am Samstag veröffentlichte das russische Verteidigungsministerium eine Liste mit Namen von 50 Toten und 73 Verletzten. Bei dem Raketenangriff sei der Großteil der 193 Kriegsgefangenen in Oleniwka getötet oder verletzt worden, erklärte das Ministerium. Mit Stand Samstagmorgen seien 48 ukrainische Gefangene tot geborgen worden, zwei weitere seien auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben, hieß es. Den Verletzten werde medizinische Hilfe zuteil.

Rotes Kreuz bietet Hilfe an

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) bemüht sich um Zugang zur angegriffenen Haftanstalt Oleniwka. Die Organisation will dabei helfen, die Verwundeten in Sicherheit zu bringen. Das IKRK habe zudem die Bereitstellung von medizinischem Material, Schutzausrüstung und forensischem Material angeboten. Die Versorgung der lebensgefährlich Verletzen habe jetzt Priorität. Zudem sollte mit den Toten würdevoll umgegangen werden, heißt es in einem Statement.

"Wir haben um Zugang gebeten, um den Gesundheitszustand aller Personen, die sich zum Zeitpunkt des Angriffs vor Ort befanden, zu ermitteln. Wir stehen auch in Kontakt mit den Familien und nehmen ihre Wünsche und Anfragen entgegen", so das IKRK. Angehörige wurden aufgefordert, sich beim Roten Kreuz in Genf zu melden.

Spendenbereitschaft für Ukraine sinkt

Fünf Monate nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine lässt die Spendenbereitschaft in Deutschland allmählich nach. Wie das "Redaktionsnetzwerk Deutschland" unter Berufung auf eine eigene Umfrage bei deutschen und ukrainischen Hilfsorganisationen berichtet, verzeichneten das evangelische Hilfswerk "Brot für die Welt", das Deutsche Rote Kreuz (DRK), die katholische Caritas und der von jungen Ukrainerinnen und Ukrainern getragene Verein "Vitsche" ("Zusammen") einen rückläufigen Trend bei den eingehenden Spenden. "Diese Tendenz ist mit voranschreitender Zeit in Krisen- und Katastrophensituationen leider üblich", erklärte das DRK.

Warnung vor Verstößen gegen AKW-Sicherheitsmaßnahmen

Der Chef der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEA, Rafael Grossi, hat sich besorgt über die Lage am ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja gezeigt. "Die Situation ist nicht tragbar", sagte er der DW. Das mit sechs Blöcken und einer Leistung von 6000 Megawatt größte Atomkraftwerk Europas wurde von der russischen Armee Anfang März erobert.

Mitte Juli wurden von ukrainischer Seite Vorwürfe erhoben, russische Truppen würden das Areal des AKW Saporischschja für Raketenangriffe auf die benachbarte Region Dnipro nutzen. Die ukrainische Armee setzte nach eigenen Angaben Kampfdrohnen am besetzten Atomkraftwerk ein, wobei russische Luftabwehr und ein Mehrfachraketenwerfer zerstört worden seien.

Grossi plant, mit einem Expertenteam das Kraftwerksareal zu inspizieren. Dabei solle überprüft werden, ob in der Nähe der Reaktoren Sprengstoff und anderes Material gelagert werde und wie es dem Personal gehe. Es gebe dort eine Kombination aus Verstößen gegen alle möglichen nuklearen Sicherheitsmaßnahmen. "Wir müssen dort eine unverzichtbare Inspektionstätigkeit durchführen, an der wir seit Beginn des Krieges gehindert werden", so der IAEA-Chef.

qu/kle/jj/se/AR/fw (afp, dpa, dw, rtr, epd, icrc.org)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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