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Politik

Aktuell: Getreide-Frachter darf weiterfahren

3. August 2022

Das Schiff mit ukrainischem Mais nimmt nach Inspektion am Bosporus Kurs auf Libanon. Scholz macht Russland für Gas-Turbinen-Streit verantwortlich. Auch im Westen der Ukraine schlugen wieder Raketen ein. Ein Überblick.

Die "Razoni" mit mehr als 26.000 Tonnen Mais aus der Ukraine nahe dem Bosporus
Die "Razoni" mit mehr als 26.000 Tonnen Mais aus der Ukraine nahe dem BosporusBild: Lokman Akkaya/AA/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Experten von UN, Ukraine, Russland und Türkei kontrollierten "Razoni" 
  • IAEA nennt Situation am AKW Saporischschja "sehr angespannt" 
  • Moskau bestätigt Raketenattacke im ukrainischen Grenzgebiet zu Polen
  • USA belegen weitere russische Oligarchen mit Sanktionen
  • Putin strebt laut Schröder Verhandlungslösung an  

 

Der erste mit ukrainischem Getreide beladene Frachter seit Beginn des russischen Angriffskriegs hat nach einer Inspektion in Istanbul die Freigabe zur Weiterfahrt in den Libanon erhalten. Internationale Kontrolleure hätten ihre Inspektion beendet, teilte das türkische Verteidigungsministerium mit. Das Schiff werde in Kürze die durch Istanbul verlaufende Meerenge Bosporus passieren.

Am Morgen waren Experten der Ukraine, Russlands, der Türkei und der Vereinten Nationen an Bord des vor Istanbul ankernden Getreide-Frachters "Razoni" gegangen und hatten das Schiff inspiziert. Die "Razoni" hatte am Montag als erstes Schiff im Rahmen des Ende Juli von der Ukraine und Russland unterzeichneten Abkommens den ukrainischen Schwarzmeer-Hafen Odessa verlassen.

Einer Mitteilung des ukrainischen Infrastrukturministeriums zufolge warten aktuell 17 bereits beladene Schiffe auf die Erlaubnis, ablegen zu können. Sie sollen über einen sicheren Korridor durch vermintes Gewässer im Schwarzen Meer gelotst werden. Damit soll der Export von Millionen Tonnen Getreide gesichert werden, die in der Ukraine wegen des russischen Angriffskriegs festhängen.

Ukraine weist Schröders Darstellung zu "Verhandlungslösung" zurück

Der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak hat die Darstellung Gerhard Schröders zurückgewiesen, wonach Russland eine "Verhandlungslösung" für den Krieg anstrebe. Wenn Moskau einen Dialog wolle, läge es an ihnen, erklärte Podoljak auf Twitter: "Erst Waffenstillstand und Truppenabzug, dann konstruktiv."

Der Gas-Lobbyist und frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte in einem Interview mit RTL/ntv und dem Magazin "Stern" von einem erneuten Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau berichtet und behauptet: "Die gute Nachricht heißt: Der Kreml will eine Verhandlungslösung". Podoljak bezeichnete Putin als "Stimme des russischen Zarenhofs". Schröder steht auch in seiner Sozialdemokratischen Partei, der auch Bundeskanzler Scholz angehört, für seine Nähe zu Putin massiv in der Kritik.

IAEA besorgt über Lage am AKW Saporischschja

Die Situation am von russischen Truppen besetzten Atomkraftwerk Saporischschja im Südosten der Ukraine ist nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) "sehr angespannt". "Alle Sicherheitsprinzipien wurden auf die eine oder andere Art verletzt", sagte IAEA-Chef Rafael Grossi am UN-Sitz in New York. "Wir können nicht erlauben, dass es so weiter geht."

"Sich vor Ort zu begeben, ist sehr komplex, weil dafür das Einverständnis und die Kooperation bestimmter Akteure nötig sind", sagte IAEA-Chef Grossi Bild: Askin Kiyagan/AA/picture alliance

Das Kraftwerk in Saporischschja ist das größte Atomkraftwerk in Europa. Es ist seit Anfang März von russischen Truppen besetzt, die es wenige Tage nach Beginn ihres kriegerischen Angriffs auf die Ukraine unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Die IAEA bemüht sich seitdem, Experten nach Saporischschja zu entsenden - bisher ohne Erfolg.

 

US-Außenminister Antony Blinken hatte zuvor mitgeteilt, es gebe es glaubhafte Berichte, dass Russland die Kernkraftanlage Saporischschja als eine Art Schutzschild benutze - also aus der Nähe der Anlage auf ukrainische Kräfte schieße. Die Ukrainer könnten nicht zurückschießen, weil es dadurch zu einem schrecklichen atomaren Unfall kommen könnte.

Das Atomkraftwerk Saporischschja (Archivbild)Bild: Konstantin Mihalchevskiy/SNA/IMAGO

Die Ukraine wehrt sich gegen eine IAEA-Mission, weil diese nach Meinung Kiews die Anerkennung der russischen Besatzung bedeuten würde.

Scholz: Turbine kann "ganz schnell" wieder in Russland sein

Bundeskanzler Olaf Scholz macht Russland für Verzögerungen beim Rücktransport einer in Kanada gewarteten Turbine für die Ostseepipeline Nord Stream 1 verantwortlich. Die Turbine könne jederzeit wieder nach Russland transportiert werden, sagte Scholz bei einem Werksbesuch bei Siemens Energy in Mülheim an der Ruhr, wo die Turbine lagert. "Es muss nur jemand sagen, ich möchte sie haben, dann ist sie ganz schnell da", sagt Scholz. Dem Eigentümer, dem russischen Energieriesen Gazprom, wirft der SPD-Politiker vor, alle für eine Verringerung der Gaslieferungen durch Nord Stream 1 vorgebrachten technischen Gründe seien auf einer Faktenbasis nicht nachvollziehbar.

Kanzler Olaf Scholz und Christian Bruch, der Chef von Siemens Energy, an der Turbine für die Pipeline Nord Stream 1 Bild: Bernd Thissen/dpa/picture alliance

Russland liefert seit längerer Zeit deutlich weniger Gas durch die Pipeline, als von der Kapazität her möglich wäre. Zur Begründung wird auf die fehlende Turbine verwiesen. Gazprom, deren Tochter Nord Stream AG die Turbine gehört, nennt indes fehlende Unterlagen als Grund für die Verzögerung.

Schlachtfelder im Donbass sind "die Hölle" 

Die ukrainische Armee braucht nach Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj noch mehr Waffen, um die russische Übermacht im Donbass zu besiegen. Trotz Lieferungen von Raketenartillerie durch die USA sei Russland bei schweren Waffen und Personal im Vorteil. "Das ist im Kampf sehr deutlich zu spüren, vor allem im Donbass", sagte Selenskyj: "Es ist einfach die Hölle dort. Worte können es nicht beschreiben."

Auch die Region Charkiv wurde wieder von russischen Raketen getroffenBild: Evgeniy Maloletka/AP Photo/picture alliance

Raketeneinschlag im ukrainischen Grenzgebiet zu Polen

Von der Nähe der ukrainischen Westgrenze zum NATO-Mitglied Polen werden zwei Explosionen gemeldet. Eine russische Rakete sei in eine ukrainische Militäreinrichtung im Kreis Tscherwonohrad eingeschlagen, teilte die Verwaltung des Gebietes Lwiw (Lemberg) mit. Laut dem Oberkommando der ukrainischen Luftwaffe feuerte die russische Armee am Dienstagabend von Langstreckenbombern über dem Kaspischen Meer aus acht Raketen auf die Ukraine ab. Sieben von ihnen seien abgefangen worden. Im Gebiet Lwiw sei eine Flugabwehrstellung getroffen worden.

Das russische Militär bestätigte einen Raketenangriff auf Lwiw - und legitimierte ihn mit der Zerstörung westlicher Waffen. Es sei ein Lager mit Waffen und Munition zerstört worden, die Polen an die Ukraine geliefert habe, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow.

Die Feuerwehr hat Öltanks gelöscht, die bei einem russischen Angriff auf Mykolajiw in Brand geraten warenBild: Kostiantyn Liberov/AP Photo/picture alliance

Bahnlinie zwischen Cherson und Krim unterbrochen 

Die Bahnstrecke zwischen dem russisch besetzten Cherson in der Südukraine und der annektierten Halbinsel Krim ist britischen Angaben zufolge nach einem ukrainischen Angriff auf einen russischen Munitionszug wohl unterbrochen. Die russischen Streitkräfte bräuchten wahrscheinlich einige Tage, um die Verbindung zu reparieren, teilte die britische Regierung auf Basis eines Geheimdienstberichts mit. Die Strecke werde aber eine Schwachstelle für das russische Militär und seine logistische Nachschubroute von der Krim nach Cherson bleiben. Zudem werde angesichts der anhaltenden Kämpfe und des Mangels an Lebensmitteln die Zahl der Zivilisten, die versuchten, aus Cherson und den umliegenden Gebieten zu fliehen, wohl zunehmen.

USA sanktionieren weitere Kreml-nahe Oligarchen

Die US-Regierung hat neue Sanktionen gegen russische Oligarchen verhängt. Die Strafmaßnahmen verursachten hohe Kosten für Personen, die den Krieg von Präsident Wladimir Putin unterstützten, teilte Finanzministerin Janet Yellen mit. Während unschuldige Menschen unter dem illegalen Angriffskrieg Russlands litten, hätten sich Putins Verbündete bereichert und einen opulenten Lebensstil finanziert.

Alina Kabajewa (2. von links) - die angebliche Lebensgefährtin Putins (Archivbild)Bild: Sergei Chirikov/dpa/picture alliance

Betroffen von den Sanktionen sind unter anderem der Putin-Vertraute Andrej Gurjew und dessen Sohn. Auch gegen die angebliche Lebensgefährtin Putins, die frühere Olympia-Sportgymnastin Alina Kabajewa, wurden Strafen verhängt. Auf die US-Sanktionsliste wurden auch drei Ukrainer gesetzt, die für die russischen Besatzer in der Südukraine arbeiten. Neben Einzelpersonen wurden eine multinationale Firma und ein russisches Unternehmen mit Strafmaßnahmen belegt.

Schröder: Putin will Verhandlungslösung

Altkanzler Gerhard Schröder hat ein weiteres Zusammentreffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin bestätigt. "Die gute Nachricht heißt: Der Kreml will eine Verhandlungslösung", sagte Schröder als Fazit des Treffens dem Magazin "Stern" und dem Sender RTL/ntv. Ein erster Erfolg sei das Getreideabkommen. "Vielleicht kann man das langsam zu einem Waffenstillstand ausbauen", so der SPD-Politiker. 

Schröder bezeichnete den Krieg erneut als "Fehler der russischen Regierung". Er fügte zugleich hinzu: "Wenn Sie sich mal die Probleme anschauen, die wirklich relevant sind, so sind sie lösbar." So sei es zum Beispiel "abwegig", dass die Ukraine die Krim militärisch wieder zurückerobere. Beim Thema NATO-Mitgliedschaft habe selbst der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gesagt, "dass es eine Alternative gebe, etwa eine bewaffnete Neutralität für die Ukraine, ohne NATO- Mitgliedschaft, wie Österreich".

Kremlchef Wladimir Putin und Altkanzler Gerhard Schröder bei einem Treffen in Moskau (Archivbild)Bild: Alexei Nikolsky/Sputnik Kremlin/AP/dpa/picture alliance

"Komplizierter" sei es mit Blick auf den Donbass im umkämpften Osten der Ukraine. "Dazu wird man eine Lösung nach dem Schweizer Kantonsmodell finden müssen", sagte Schröder weiter. Er lehnte zugleich einen Bruch mit seinem Freund Putin ab. Er habe "mehrfach den Krieg verurteilt" und frage zugleich, ob eine "persönliche Distanzierung von Wladimir Putin wirklich irgendjemandem etwas bringen" würde. 

sti/as/qu/bru (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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