1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Aktuell: Hoffnung auf viele Überlebende nach Theaterbeschuss

17. März 2022

In den Trümmern des Gebäudes in Mariupol, in dem Hunderte Zivilisten vor russischen Luftangriffen Zuflucht gesucht hatten, suchen Rettungskräfte nach Überlebenden. Die Stadt ist von russischen Truppen eingekesselt.

Russland Ukraine Krieg | Satellitenbild von Mariupol
Ein Satellitenbild vom Theater in Mariupol vom Montag - die russischen Schriftzüge "Kinder" sind zu erkennenBild: Maxar Technologies/AP Photo/picture alliance

Das Wichtigste in Kürze:

  • Offenbar Überlebende nach Angriff auf Theater in Mariupol
  • Viele Tote nach Angriff auf nordukrainische Stadt Tschernihiw
  • London: Russische Invasion ist ins Stocken geraten
  • Türkei bietet sich weiter als Vermittler an
  • ESA setzt Mars-Mission mit Russland aus

Russland habe in der belagerten Stadt Mariupol ein Theater angegriffen, in dem Zivilisten Zuflucht gefunden haben, meldete die Stadtverwaltung. Wie viele Menschen bei dem Angriff in Mariupol verletzt oder getötet wurden, ist bislang unklar. 

Der Luftschutzkeller des Gebäudes ist nach Angaben eines Parlamentsabgeordneten intakt geblieben. "Nach einer schrecklichen Nacht der Ungewissheit am Morgen des 22. Kriegstages endlich gute Nachrichten aus Mariupol! Der Luftschutzbunker hat standgehalten", schrieb Serhij Taruta auf Facebook. Mit dem Entfernen der Trümmer sei begonnen worden. "Die Menschen kommen lebend heraus!" 

Die Parlamentsabgeordnete Olga Stefanyschyna sprach von einem Wunder. "Circa 130 Menschen wurden bereits gerettet", schrieb sie auf Facebook. Diese Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Das Theater war offenbar als zivile Schutzeinrichtung markiert gewesen. Auf Satellitenbildern des privaten US-Unternehmens Maxar vom Montag war zu sehen, dass an Vorder- und Rückseite des Gebäudes in großen Buchstaben das Wort "Kinder" auf Russisch auf den Boden geschrieben worden war.

Die Organisation Human Rights Watch erklärte, es sei nicht auszuschließen, dass sich in der Nähe des Theaters eine ukrainisches Militärziel befunden habe. "Aber wir wissen, dass das Theater mindestens 500 Zivilisten beherbergte." 

Leben in Mariupol: retten, was noch zu retten istBild: Evgeniy Maloletka/AP Photo/picture alliance

Russland dementiert

Das russische Verteidigungsministerium dementierte den Angriff auf das Theater. Wie schon nach den Angriffen auf eine Geburtsklinik in Mariupol vergangene Woche erklärte Moskau, die Explosion gehe auf das Konto der nationalistischen ukrainischen Asow-Brigade.

Unabhängig überprüfen lassen sich weder die ukrainischen noch die russischen Angaben aus dem Kriegsgebiet.

Die strategisch wichtige Hafenstadt Mariupol am Asowschen Meer ist seit Tagen von russischen Truppen eingekesselt und wird von mehreren Seiten aus beschossen. Nach Angaben des Stadtrats sind rund 350.000 Menschen von der Versorgung mit Nahrungsmitteln, Wasser, Strom oder Gas abgeschnitten. Mehr als 30.000 Menschen konnten inzwischen aus der Stadt fliehen. Es sei ihnen gelungen, in privaten Autos aus der Stadt herauszukommen.

Angriffe auf nordukrainische Städte

Ausgebombtes Gebäude und ausgebrannte Fahrzeuge in CharkiwBild: Pavel Dorogoy/AP/dpa/picture alliance

In der nordukrainischen Stadt Tschernihiw sind nach Angriffen mehr als 50 Menschen an einem Tag ums Leben gekommen. "Allein in den letzten 24 Stunden sind 53 Leichen unserer Bürger, die vom russischen Aggressor ermordet wurden, in den Leichenhallen der Stadt eingetroffen", teilte der Chef der Militärverwaltung des Gebiets, Wjatscheslaw Tschaus, bei Telegram mit. Er machte Russland für Angriffe auf die zivile Infrastruktur verantwortlich. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig prüfen. Die nahe der Grenzen zu Russland und Belarus gelegene Stadt Tschernihiw ist seit Kriegsbeginn Ziel russischer Angriffe. Die humanitäre Lage gilt als katastrophal, viele Gebäude sind zerstört.

Ukraine: Ausländische Kämpfer

05:03

This browser does not support the video element.

Kiew und Charkiw wieder unter Beschuss

Derweil bombardierte die russische Armee in den frühen Morgenstunden erneut die ukrainische Hauptstadt. Ein 16-stöckiges Wohnhaus im östlichen Kiewer Stadtteil Darnizky sei von Trümmern einer im Anflug abgeschossenen russischen Rakete getroffen worden, erklärte der ukrainische Rettungsdienst. "Nach vorläufigen Informationen wurden 30 Menschen geborgen, drei davon wurden verletzt. Eine Person wurde getötet."

Auch die Millionenmetropole Charkiw im Nordosten lag nach ukrainischen Angaben wieder unter Artilleriebeschuss. In der Stadt Merefa etwa 30 Kilometer südwestlich von Charkiw wurden eine Schule und ein Kulturhaus getroffen. Wie die örtliche Staatsanwaltschaft auf Facebook mitteilte, wurden mindestens 21 Menschen getötet. Unabhängig überprüfen lassen sich auch diese Angaben nicht.

Zuneigung und Wärme geben: Frank-Walter Steinmeier im Aufnahmezentrum für ukrainische Flüchtlinge in BerlinBild: Hannibal Hanschke/Getty Images

Steinmeier dankt Helferinnen und Helfern von Flüchtlingen

Die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine ist inzwischen auf mehr als 3,1 Millionen gestiegen. Nach Angaben des UN-Flüchtlingskommissariats handelt es sich mehrheitlich um Frauen, Kinder und ältere Menschen. Die UN gehen davon aus, dass außerdem mehr als zwei Millionen Menschen in der Ukraine ihre Wohnungen aufgeben mussten und sich noch im Land befinden.

In Deutschland sind derweil mehr als 180.000 Geflüchtete angekommen. Die Ministerpräsidenten fordern vom Bund eine angemessene Beteiligung an den Kosten für die Versorgung und Unterbringung der Menschen. Außerdem soll die Verteilung besser koordiniert werden. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich am Berliner Hauptbahnhof selbst ein Bild von der Situation gemacht und mit Helfern und Geflüchteten gesprochen. Dabei dankte er allen Ehren- und Hauptamtlichen für die Hilfe bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Es sei wichtig, den Menschen jetzt das zu geben, was sie brauchten, "etwas Wärme, etwas Zuneigung", sagte Steinmeier.

Bundeswehr hilft Berlin bei der Registrierung

Die Bundeswehr hilft künftig in Berlin bei der Registrierung ukrainischer Flüchtlinge. Innensenatorin Iris Spranger teilte mit, 80 Soldatinnen und Soldaten würden im Ankunftszentrum Tegel rund um die Uhr im Einsatz sein. Sie werden bei der digitalen Erfassung und Verarbeitung von Personendaten der ankommenden Geflüchteten helfen. Außerdem sollen sie die Koordination für den Weitertransport ins Bundesgebiet unterstützen und bei der medizinischen Versorgung helfen. 

Im September hatte Präsident Wladimir Putin (r) seinen türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan in Sotschi empfangenBild: Vladimir Smirnov/AP/picture alliance

Putin und Erdogan stehen in Kontakt

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan und sein russischer Kollege Wladimir Putin haben erneut über den Krieg in der Ukraine gesprochen und weitere Kontakte vereinbart. Der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge lud Erdogan seinen Kollegen Putin zu einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in die Türkei ein. Nach Kremlangaben sprachen die beiden auch über die weitere Entwicklung ihrer Handels- und Wirtschaftsbeziehungen. Moskau hatte Ankara zuletzt wiederholt dafür gedankt, dass sich die Türkei nicht an den Sanktionen des Westens gegen Russland beteiligt. 

ESA setzt Mars-Mission mit Russland aus

Die europäische Raumfahrtagentur ESA setzt das europäisch-russische Weltraumprojekt "Exomars" angesichts des Ukraine-Kriegs aus. Der Esa-Rat sei einstimmig zu dem Schluss gekommen, dass es derzeit unmöglich ist, das Projekt gemeinsam mit Russland durchzuführen, teilte die ESA in Paris mit. Beim Projekt geht es um die Suche nach Spuren von Leben auf dem Mars. Russlands Raumfahrtbehörde Roskomos kritisierte die Entscheidung und kündigte eine eigene russische Forschungsmission zum Mars an. Als Reaktion auf EU-Sanktionen hatte die russische Raumfahrtbehörde bereits die Zusammenarbeit bei Weltraumstarts in Kourou in Französisch-Guayana ausgesetzt.

Selenskyj spricht im Bundestag

Die Menschen in der Ukraine wollten frei leben und sich nicht einem anderen Land unterwerfen, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer Videobotschaft an die Abgeordneten des Bundestags. In seinem Land seien nun Zivilisten und Soldaten wahllos Ziel russischer Angriffe. "Wieder versucht man in Europa, das ganze Volk zu vernichten", sagte er laut Übersetzung. Die Bundestagsabgeordneten waren vor der Rede aufgestanden und begrüßten den auf einer Videoleinwand zugeschalteten Selenskyj mit Applaus.

"Reißen Sie diese Mauer nieder"

Selenskyj warf Deutschland vor, nicht genug getan zu haben, um den Krieg zu verhindern. Deutschland habe daran mitgewirkt, eine Mauer zu errichten, um die Ukraine zu isolieren und Russland auszuliefern, sagt er. Als Beispiel nannte er das lange Festhalten an der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 und die Weigerung des Westens, der Ukraine eine Mitgliedschaft in der NATO zu ermöglichen. An Bundeskanzler Olaf Scholz richtete Selenskyj zum Abschluss seiner rund zehnminütigen Rede den Appell: "Reißen Sie diese Mauer nieder, unterstützen Sie uns."

Bundeskanzler Olaf Scholz würdigte Selenkyjs Videoansprache und stellte ihm weitere Unterstützung in Aussicht. Es seien "eindrucksvolle Worte" gewesen, sagte Scholz zu der Rede und versicherte: "Wir stehen an der Seite der Ukraine." Scholz verwies bei einem Treffen mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg auf die laufende Unterstützung für die Ukraine, zu der auch Waffenlieferungen gehören. "Deutschland leistet hier seinen Beitrag und wird das weiter tun." 

Applaus für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr SelenskyjBild: Tobias Schwarz/AFP

London: Russische Invasion stockt

Auch aus vielen anderen Orten in der Ukraine werden weiter heftige russische Angriffe gemeldet. Die ukrainische Regierung warnt vor einer drohenden humanitären Katastrophe im russisch besetzten Gebiet Cherson. Es fehle den Menschen an Medikamenten und teilweise an Nahrungsmitteln, schrieb die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Ljudmyla Denisowa, bei Telegram. Russland hat nach eigenen Angaben das südukrainische Gebiet Cherson rund um die gleichnamige Großstadt komplett besetzt.

Großbritannien geht davon aus, dass die russische Invasion an allen Fronten weitgehend ins Stocken geraten ist. In den vergangenen Tagen habe es zu Land, Wasser und Luft nur ein minimales Fortkommen des russischen Militärs gegeben, heißt es in britischen Militärgeheimdienst-Berichten zur aktuellen Lage. Die russischen Streitkräfte erlitten demnach schwere Verluste. "Der ukrainische Widerstand bleibt standhaft und gut koordiniert", erklärt das Londoner Verteidigungsministerium. Der überwiegende Teil des Landes einschließlich aller großen Städte sei weiterhin in ukrainischen Händen.

Biden nennt Putin einen "Kriegsverbrecher" - Russland reagiert empört

US-Präsident Joe Biden hat Kremlchef Wladimir Putin im Zusammenhang mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine erstmals als "Kriegsverbrecher" bezeichnet. Bei einem Gespräch mit Journalisten in Washington sagte Biden: "Ich denke, er ist ein Kriegsverbrecher." Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, sagte, Biden habe "aus dem Herzen gesprochen", nachdem er im Fernsehen Bilder von "barbarischen Taten eines brutalen Diktators durch seine Invasion eines fremden Landes" gesehen habe. Die formelle Prüfung, ob Putin Kriegsverbrechen begangen habe, laufe im US-Außenministerium.

Joe Biden warf Putin "Gräueltaten" bei dem von ihm befohlenen Angriffskrieg auf die Ukraine vorBild: Nicholas Kamm/AFP/Getty Images

Russland wies den Vorwurf vehement zurück. Bidens Bemerkung sei "inakzeptable und unverzeihliche Rhetorik", sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow laut einer Meldung der Nachrichtenagentur Tass. "Unser Präsident ist eine sehr weise, weitsichtige und kultivierte internationale Persönlichkeit", sagte er. 

USA sichern Ukraine weitere Waffenlieferungen zu 

Präsident Biden kündigte weitere Waffenlieferungen und Militärhilfen für die Ukraine in Höhe von 800 Millionen Dollar (730 Millionen Euro) an. Damit würden der Ukraine Tausende Panzerabwehrwaffen, rund 800 Luftabwehrraketen, 7000 Feuerwaffen wie Maschinenpistolen, zahlreiche Granatwerfer, 20 Millionen Schuss Munition und sogar Drohnen zur Verfügung gestellt, sagte Biden im Weißen Haus. "Amerika steht zu den Kräften der Freiheit." Die USA würden die Ukraine so lange wie nötig unterstützen, sagte der Präsident. Mit Hilfe der neuen Luftabwehrraketen könnten die Ukrainer auch weiterhin Russlands "Flugzeuge und Helikopter stoppen" und den ukrainischen Luftraum verteidigen, sagte Biden. Andere Länder, darunter auch Deutschland, haben der Ukraine ebenfalls Waffen geliefert oder zugesagt.

Selenskyj wirbt um mehr westliche Unterstützung

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich mit einer eindringlichen Videoansprache an den amerikanischen Kongress gewendet und seine Forderung nach mehr militärischer Unterstützung und insbesondere einer von der NATO kontrollierten Flugverbotszone bekräftigt. Diese würde es der russischen Luftwaffe erschweren, Ziele in der Ukraine anzugreifen. Der Westen lehnt die Flugverbotszone ab, weil er befürchtet, dass dies eine direkte Verwicklung der NATO in den Ukraine-Krieg zur Folge hätte. 


Norwegen will den europäischen Partnerstaaten mehr Erdgas liefern

Norwegen will Deutschland und anderen europäischen Staaten helfen, die Abhängigkeit von Öl- und Gaslieferungen aus Russland zu verringern. Es werde alles versucht, um die Gasproduktion zu erhöhen, sagte Norwegens Ministerpräsident Jonas Gahr Störe beim Besuch des deutschen Wirtschaftsministers Robert Habeck in Oslo. Der staatlich dominierte Lieferant Equinor werde im Sommer zusätzlich 1,4 Milliarden Kubikmeter Gas nach Europa bringen können. Zudem wolle Norwegen Deutschland mit Spezialschiffen für Flüssiggas helfen. Diese sollen den Brennstoff noch vor der Küste wieder in gasförmigen umwandeln können, damit er anschließend an Land gebracht werden kann.

Russlands Krieg erneut Thema im Sicherheitsrat

Der UN-Sicherheitsrat befasst sich abermals mit über Russlands Angriffskrieg. Die Dringlichkeitssitzung des mächtigsten UN-Gremiums wurde unter anderem von Irland, Großbritannien, den USA, Frankreich, Albanien und Norwegen beantragt. Angesichts zahlloser toter Unbeteiligter forderten die Vereinten Nationen eine Untersuchung. "Das Ausmaß der zivilen Opfer und die Zerstörung der zivilen Infrastruktur in der Ukraine können nicht geleugnet werden", sagte die UN-Beauftragte für politische Angelegenheiten, Rosemary DiCarlo. Dies erfordere eine gründliche Untersuchung und Rechenschaftspflicht.

uh/rb/nob/pg/qu/mak (dpa, rtr, afp, ap)

Dieser Artikel wird am Tag des Erscheinens fortlaufend aktualisiert.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen