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Politik

Aktuell: IAEA plant Inspektionen in Ukraine

28. Oktober 2022

Nach Russlands Behauptung über den Bau einer "schmutzigen Bombe" reisen Atomenergie-Experten auf Wunsch Kiews in die Ukraine. Selenskyi spricht von mehr als 8000 russischen Luftangriffen seit Kriegsbeginn. Ein Überblick.

Ukraine Kürzlich zurückerobertes Dorf Archangelske im Oblast Cherson
Zerstörung in Archangelske im Oblast Cherson, das Dorf wurde von der ukrainischen Armee zurückerobertBild: Wolfgang Schwan/AA/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • IAEA-Experten reisen zu Inspektionen in die Ukraine
  • Ukrainischer Generalstab: Russland könnte bei Rückzug "verbrannte Erde" hinterlassen
  • Selenskyj: Russland hat mehr als 8000 Luftangriffe geflogen
  • Cyberangriffe auf Parlamente in Polen und der Slowakei
  • Russland: Menschen kaufen mehr Antidepressiva als zuvor

 

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) will nach den Vorwürfen Russlands, Kiew plane den Einsatz einer "schmutzigen Bombe" , - einem mit radioaktivem Material versetzten Sprengsatz - noch in dieser Woche einer Beobachtermission in die Ukraine entsenden. Das sagte IAEA-Chef Rafael Grossi laut einer Mitteilung. Experten der Organisation würden an zwei Standorten in der Ukraine Nachprüfungen durchführen, nachdem die ukrainische Regierung schriftlich um die Entsendung von Inspektorenteams gebeten habe.

Die Atomenergiebehörde in Wien kontrolliert regelmäßig zivile Nuklearanlagen in der Ukraine und auf der ganzen Welt, um sicherzustellen, dass kein spaltbares Material für militärische Zwecke missbraucht wird. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte Kiew vorgeworfen, die Spuren des Baus einer "schmutzigen Bombe" verwischen zu wollen. Er wisse auch in etwa, wo der Bau stattfinde, so Putin.

Experten der IAEA - hier bei der Inspektion am AKW Saporischschja am 02..09.2022 - sollen in der Ukraine nach Spuren einer "schmutzigen Bombe" suchenBild: D. Candano Laris/IAEA/dpa/picture alliance

Die ukrainische Regierung und mehrere westliche Staaten wiesen die russischen Anschuldigungen zurück. Moskaus Vorwurf eines geplanten Einsatzes einer radioaktiven Bombe durch die Ukraine wird als möglicher Vorwand für eine weitere Eskalation des Kriegs gedeutet. Kiew warnt, Russland könnte selbst den Einsatz einer derartigen Waffe planen.

Ukrainischer Generalstab warnt vor "verbrannter Erde"

Während ihres Rückzugs werden die russischen Truppen wahrscheinlich Wohnhäuser in die Luft jagen und eine von Menschen verursachte Katastrophe im Kernkraftwerk Saporischschja verursachen, sagte der stellvertretende Generalstabschef Oleksii Hromov. Dies wird die vorübergehend besetzten Gebiete in "verbrannte Erde" verwandeln und der Infrastruktur schweren Schaden zufügen", so Hromow. Ihm zufolge würde der mögliche Terroranschlag auf das Kraftwerk Saporischschja darauf abzielen, "das Kraftwerk endgültig außer Betrieb zu setzen und eine lokale, von Menschen verursachte Katastrophe zu verursachen".

Vize-Generalstabschef Oleksii Hromov beim täglichen Briefing über die Sicherheitslage in der UkraineBild: Volodymyr Tarasov/Photoshot/picture alliance

8000 Luftangriffe und 4500 Raketen aus Russland

Mit Blick auf den Zweiten Weltkrieg und den Kampf der Ukrainer gegen die deutsche Nationalsozialisten sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj, dass sich das "Böse nach 80 Jahren wieder aus der Asche" erhoben habe. Der Aggressor Russland habe seit Beginn des Krieges am 24. Februar 4500 Raketen auf die Ukraine abgeschossen und insgesamt 8000 Luftangriffe geflogen. Allein innerhalb der vergangenen zwei Tage habe es 30 russische Angriffe mit iranischen Drohnen gegeben, von den 23 abgeschossen worden seien. Russland vermine oder besetze Kraftwerke, stehle Getreide, um den Planeten mit Hunger zu bedrohen. Es verschleppe Menschen, darunter Kinder. "Russlands einzige Taktik ist der Terror", sagte Selenskyj. Das könne nur zu einer Niederlage führen.

Befreit, aber in Trümmern, Ortschaft in der Region ChersonBild: Wolfgang Schwan/AA/picture alliance

Angesichts der Stromabschaltungen im Zuge der zerstörten Energieinfrastruktur meinte er, dunkel sei nicht ein Leben ohne Licht, sondern ohne Freiheit. Auch den harten Winter würden die Ukrainer überstehen.

Kadyrow gibt hohe Verluste bei eigener Einheit zu 

Der Machthaber der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, hat nach einem Artilleriebeschuss durch ukrainische Truppen hohe Verluste in den eigenen Reihen zugegeben. "Es sind 23 Kämpfer gestorben und 58 verletzt worden", schrieb Kadyrow auf seinem Telegram-Kanal. Ukrainische Quellen hatten Anfang der Woche berichtet, dass eine tschetschenische Einheit im südukrainischen Gebiet Cherson über Fotos in sozialen Netzwerken ihren Standort verraten habe und so durch Artilleriebeschuss getroffen wurde.

Ramsan Kadyrow - Machthaber in der russischen Teilrepublik Tschetschenien und glühender KriegsbefürworterBild: Yelena Afonina/TASS/dpa/picture alliance

Normalerweise veröffentlichen russische Offizielle keine Zahlen zu eigenen Gefallenen. In diesem Fall ging es Kadyrow wohl darum, die von ukrainischer Seite genannten noch höheren Zahlen zu relativieren. Er hat sich seit Beginn des russischen Angriffskriegs vor mehr als acht Monaten als einer der schärfsten Befürworter der blutigen Auseinandersetzung profiliert und auch eigene Einheiten in die Ukraine geschickt.

US-Militärstrategie: China größte Gefahr, Russland "akute" Bedrohung

Das Pentagon sieht in Russland zwar weiterhin eine gegnerische Supermacht, aber auf lange Sicht keine so große Bedrohung wie durch China. Die Volksrepublik sei das einzige Land, dass "sowohl die internationale Ordnung umbauen will als auch zunehmend die Kraft dafür hat", sagte Verteidigungsminister Lloyd Austin bei der Vorstellung der neuen US-Militärstrategie. Russland wird dagegen als "akute" Bedrohung eingestuft. Das Wort sei sorgfältig gewählt worden, betonte Austin. Anders als China könne Russland die USA nicht auf lange Sicht systematisch herausfordern, begründete Austin die Einschätzung. "Aber die russische Aggression ist eine direkte und scharfe Bedrohung unserer Interessen und Werte."

Cyberangriffe auf Parlamente in Polen und der Slowakei

Die Parlamente in Polen und der Slowakei sind Ziel von Cyberangriffen geworden. Der Angriff sei aus mehreren Richtungen erfolgt, "auch aus der Russischen Föderation", erklärte ein Sprecher des polnischen Senats. Ihm zufolge stand er möglicherweise im Zusammenhang mit einer Abstimmung im Senat am Mittwoch, bei der die russische Regierung zu einem "terroristischen Regime" erklärt worden war.

In der Slowakei war nach Behördenangaben das Abstimmungssystem des Parlaments betroffen. "Das gesamte Computernetzwerk des Parlaments wurde lahmgelegt", sagte der stellvertretende Sprecher des slowakischen Parlaments, Gabor Grendel, der Nachrichtenagentur AFP. Nach Parlamentsangaben fielen alle Computer und Telefonleitungen aus, sodass die Abgeordneten über mehrere Gesetzesvorlagen nicht abstimmen konnten. "Wir haben die Ursache des Problems noch nicht gefunden", sagte der slowakische Parlamentspräsident Boris Kollar."

Russland: Menschen kaufen mehr Antidepressiva

Antidepressiva und Beruhigungstabletten werden in Russland seit dem Beginn der Ukraine-Invasion häufiger eingenommenBild: Maksim Konstantinov/Russian Look/picture alliance

Seit Beginn des Jahres werden in Russland deutlich mehr Antidepressiva verkauft als 2021. Die staatliche Nachrichtenagentur TASS berichtete, dass bis Ende September über 8,4 Millionen Packungen Antidepressiva im Wert von fünf Milliarden Rubel – das entspricht ungefähr 80 Millionen Euro – verkauft worden seien. Die Agentur berief sich hierbei auf eine Statistik des Zentrums für technologische Perspektiven. Der Verkauf habe sich somit fast verdoppelt, die Ausgaben hätten sich um 70 Prozent gesteigert.

Der Konsum von Beruhigungstabletten hat ebenfalls deutlich zugenommen. Die Käufer der Antidepressiva sind größtenteils in den Städten Moskau und St. Petersburg angesiedelt, wie die Statistik zeigte. Ob die gestiegenen Verkaufszahlen in Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine  stehen, wurde nicht thematisiert.

los/sti/qu/cw (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

 

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