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KonflikteUkraine

Ukraine aktuell: Helikopterabsturz - Innenminister tot

18. Januar 2023

Nahe der Hauptstadt Kiew ist ein Hubschrauber abgestürzt, Innenminister Denys Monastyrskyj und sein Vize kamen ums Leben. Nach den USA und Deutschland sagen auch die Niederlande ein Flugabwehrsystem zu. Ein Überblick.

Der ukrainische Innenminister Denys Monastyrskyj kam bei dem Hubschrauber-Absturz ums Leben (Archivbild vom Juni 2022) Bild: Sergei Supinsky/AFP/Getty Images

Das Wichtigste in Kürze:

  • Hubschrauberabsturz bei Kiew - 14 Tote 
  • Scholz spricht von "traurigem Tag" für die Ukraine
  • Niederlande erwägen Patriot-Lieferung an die Ukraine
  • Suche nach Vermissten in Dnipro beendet
  • Putin will Bruch mit Europarat gesetzlich festschreiben lassen

 

Bei einem Hubschrauberabsturz nahe der ukrainischen Hauptstadt Kiew ist Innenminister Denys Monastyrskyj ums Leben gekommen. Unter den Todesopfern sind auch Vize-Innenminister Jehwhenij Jenin und ein Staatssekretär.

Die staatlichen Rettungsdienste in der Ukraine korrigierten die Zahl der bei dem Absturz ums Leben gekommenen Menschen inzwischen auf 14 nach unten. Zunächst war von 18 Todesopfern die Rede gewesen. Die Absturzstelle liegt in einem Wohngebiet bei einem Kindergarten. Der Helikopter war auf dem Weg zu einem Frontabschnitt, wie das Büro von Präsident Wolodymyr Selenskyj mitteilte. Dieser sprach von einer "schrecklichen Tragödie".

Auf in Online-Netzwerken verbreiteten Videos von der Absturzstelle ist ein großflächiger Brand zu sehen.

Zur möglichen Ursache des Absturzes wurden zunächst keine Angaben gemacht. Laut dem Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Jurij Ihnat, handelte es sich um einen Hubschrauber des Typs Airbus H225. Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) hatte 2016 gegen den H225 wegen Sicherheitsbedenken ein vorläufiges Flugverbot verhängt. Schon das Vorgänger-Modell AS332 war in mehrere Flugunfälle verwickelt gewesen. Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat inzwischen die Unterstützung durch deutsche Experten bei der Suche nach der Unglücksursache angeboten. 

Helfer an der Unglücksstelle Bild: Daniel Cole/AP Photo/picture alliance

Der 42-jährige Monastyrskyj war von Selenskyj 2021 zum Innenminister ernannt worden. Er war in diesem Amt für die Polizei und die Innere Sicherheit zuständig und ist der ranghöchste ukrainische Staatsvertreter, der seit Beginn des Krieges Ende Februar vorigen Jahres ums Leben gekommen ist.

EU trauert mit der Ukraine

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach den Familien der Opfer, dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sowie der gesamten Ukraine am ihr tiefes Beileid aus. "Wir trauern mit Ihnen", schrieb sie auf Twitter. Ähnlich äußerte sich EU-Ratschef Charles Michel. Monastyrskyj sei ein guter Freund der Europäischen Union gewesen. EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola zeigte sich "untröstlich". Ihre Gedanken seien bei den Familien und Angehörigen Monastyrskyjs sowie der anderen Opfer.

Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich ähnlich. Nach dem Hubschrauberabsturz nahe Kiew mit mindestens 16 Toten sprach er von einem "traurigen Tag" für die Ukraine. Der Absturz zeige erneut "den immensen Tribut, den die Ukraine in diesem Krieg zahlt", erklärte Scholz.

Selenskyj wirft Moskau nochmals Terror vor

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland nochmals vorgeworfen, Terror zu exportieren. "Russland hat sich einen Platz unter den Terroristen verdient", sagte der Präsident vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos per Video-Schaltung.

Er forderte erneut, dass die territoriale Integrität seines Landes respektiert werden müsse, und er drang abermals auf rasche Unterstützung durch den Westen. Die Lieferung von Flugabwehrsystemen und Panzern an die Ukraine müsse rascher erfolgen als die russischen Angriffe auf sein Land - stellte Selenskyj klar.

Auch Niederlande wollen Flugabwehrbatterie liefern

Die Niederlande erwägen die Lieferung einer Flugabwehrbatterie vom Typ "Patriot" an die Ukraine. Zuvor hatten die USA und Deutschland jeweils Bereitschaft hierzu erklärt. "Wir haben die Absicht, uns dem anzuschließen, was Sie mit Deutschland bei dem Patriot-Projekt machen", sagte der niederländische Regierungschef Mark Rutte bei einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus. "Es ist wichtig, dass wir uns beteiligen."

Er habe sich zuvor mit Bundeskanzler Olaf Scholz darüber ausgetauscht, fügte Rutte hinzu. Scholz und Biden hatten nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Hebestreit ebenfalls telefoniert und sich "zur Lage in der Ukraine ausgetauscht".

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte zu Gast in Washington bei US-Präsident Joe BidenBild: Carolyn Kaster/AP/picture alliance

Vor Ruttes Ankündigung hatte die Ukraine eine Anfrage an die Niederlande gestellt. Präsident Wolodymyr Selenskyj dankte in seiner nächtlichen Videoansprache für den Vorstoß. "Jetzt sind drei Batterien zugesagt. Doch das ist nur der Beginn. Wir arbeiten an neuen Lösungen, um unsere Luftverteidigung zu stärken", sagte Selenskyj.

Jedes "Patriot"-System verfügt über ein Radargerät sowie eine Kommandozentrale, von der moderne Boden-Luft-Raketen auf feindliche Flugobjekte abgefeuert werden können. Mit geschätzten Stückkosten in der Größenordnung von über einer Milliarde US-Dollar handelt es sich um das teuerste einzelne Waffensystem, das der Ukraine zugesagt wurde. Die Ukraine hatte lange darum gebeten, um russische Raketenangriffe auf zivile Infrastruktur abwehren zu können. Derzeit werden ukrainische Soldaten im US-Bundesstaat Oklahoma an "Patriots" geschult. Nach Angaben des ukrainischen Verteidigungsministers Oleksii Resnikow dauert ihre Ausbildung zehn Wochen.

Ukraine erhöht Druck auf Deutschland in Kampfpanzer-Frage

Vertreter der Ukraine dringen auf eine rasche Entscheidung der Bundesregierung, als Herstellerland die Lieferung von "Leopard 2"-Kampfpanzern in die Ukraine zu erlauben und diese selbst aus eigenen Beständen aufzustocken.

Der ukrainische Parlamentsabgeordnete Oleksij Goncharenko sagte der DW am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos: "Ich hoffe dass Kanzler Scholz während seiner Rede auf dem Weltwirtschaftsforum endlich ankündigen wird, dass Deutschland die Panzerlieferung in die Ukraine mitträgt und dabei eine aktive Rolle spielt." Er hoffe, dass Deutschland ein wichtiger Teil der von Polens Präsident Andrzej Duda gebildeten Koalition werde, die Kampfpanzer bereitstelle.

Der "Leopard 2" gilt als leistungsstarker Kampfpanzer und ist in der NATO verbreitet - doch Deutschland muss Lieferungen zustimmenBild: Philipp Schulze/dpa/picture alliance

Andrij Melnyk, Vizeaußenminister und früherer Berlin-Botschafter der Ukraine, forderte vom designierten neuen Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius die Lieferung von "Kampfpanzern, Kampfjets und Kriegsschiffen". Pistorius müsse "viel entschlossener und schneller agieren" als seine Vorgängerin Christine Lambrecht, sagte Melnyk dem Nachrichtenportal t-online. Damit könne er beweisen, "dass Deutschland seine Verweigerungstaktik für immer ad acta gelegt hat."

Von dem für Freitag geplanten Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe auf der US-Airbase im südwestdeutschen Ramstein erhoffe er sich "neue mutige Schritte unserer Verbündeten", sagte Melnyk den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die westlichen Partner sollten "eine breite Panzerallianz" auf den Weg bringen, "deren Kern die Leoparden, Abrams und Challenger bringen sollten".

Deutsche Kampfpanzer vom Typ "Leopard 2" wurden bereits von Polen und Finnland in Aussicht gestellt; "Abrams" ist ein Modell der US-Rüstungsindustrie. 14 Kampfpanzer vom britischen Typ "Challenger 2" sind bereits sicher: Das bereitstellende Vereinigte Königreich ist gleichzeitig auch Herstellerland und muss daher keine Ausfuhrgenehmigung einholen.

Spanien nur zu gemeinsamer Aktion bereit

Spaniens Außenminister José Manuel Albares hat sich zurückhaltend zu einer möglichen Lieferung von Leopard-Kampfpanzern seines Landes an die Ukraine zum jetzigen Zeitpunkt geäußert. "Diese  Möglichkeit liegt derzeit nicht auf dem Tisch", sagte er beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos. Zugleich schloss er eine Lieferung zu einem späteren Zeitpunkt nicht aus und verwies auf das Treffen der "Kontaktgruppe zur Verteidigung der Ukraine" auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz am Freitag. Spanien ziehe es vor, solche Entscheidungen "gemeinsam und vereint" zu treffen, betonte Albares.

Kramatorsk stand schon mehrfach unter russischem Beschuss - diese Aufnahme entstand am 8. Januar 2023Bild: Clodagh KilcoyneREUTERS

Forscher rechnen mit weiterer Flüchtlingswelle 

Seit Beginn des Ukraine-Krieges sind 7,9 Millionen Ukrainer in andere europäische Länder geflüchtet. Wegen der massiven Zerstörung der kritischen Infrastruktur müssten sich die Aufnahmeländer auf einen "zunehmenden und möglicherweise plötzlichen Zustrom von ukrainischen Flüchtlingen im Jahr 2023" einstellen, erklärte das International Centre for Migration and Policy Development (ICMPD), das seinen jüngsten Bericht "Migration Outlook 2023" jetzt in Wien veröffentlicht hat.

Die verschiedenen Szenarien reichten von 500.000 bis vier Millionen weiteren Menschen, die das Kriegsgebiet verlassen könnten. Die Notfallpläne müssten auf solch hohe Zahlen ausgerichtet sein, betonen die Studienautoren der internationalen Organisation.    

Lage in Soledar weiter unklar

Der Generalstab der ukrainischen Streitkräfte berichtet über weitere Kämpfe im Osten des Landes. In den vergangenen 24 Stunden hätten die russischen Truppen dort knapp 30 Ortschaften beschossen. Russland hätte vier Raketen abgefeuert, darunter zwei auf zivile Ziele in der Stadt Kramatorsk. Auch die Kleinstadt Soledar sei wieder beschossen worden. Russland behauptet, die kleine Bergbaustadt in der Nähe von Bachmut erobert zu haben. Die Ukraine bestreitet dies. 

Nach Angaben des britischen Geheimdienstes haben sich die ukrainischen Kräfte seit dem Wochenende aus Soledar zurückgezogen. Der Ort sei jetzt unter der Kontrolle des russischen Militärs und der von Russland eingesetzten Wagner-Söldner. Laut Britischer Einschätzung führt die Einnahme Soledars inzwischen auch zu Problemen bei der Versorgung Bachmuts. Eine von zwei Hauptversorgungsrouten gerate zunehmend unter Druck, hieß es in den täglich veröffentlichten Informationen zum Kriegsverlauf.  

Vermissten-Suche in Dnipro aufgegeben

Nach dem verheerenden Einschlag einer russischen Rakete in ein Hochhaus in der zentralukrainischen Großstadt Dnipro am Wochenende ist die Suche nach Verschütteten eingestellt worden. Noch immer würden 20 Menschen vermisst, teilte der Zivilschutz mit, doch sie dürften nicht mehr leben.

"Die Chancen, jemanden zu finden, tendieren leider gegen null", erklärte auch Bürgermeister Borys Filatow. Möglich sei, dass einige Leichen durch Feuer und einstürzende Hausteile so entstellt seien, dass sie kaum noch aufzufinden seien. Bei dem Angriff auf das neunstöckige Gebäude wurden am Samstag mindestens 45 Menschen getötet, darunter sechs Kinder. Von den etwa 80 Verletzten lägen noch 28 in Krankenhäusern, hieß es. Bei vielen sei der Zustand kritisch. 

NATO-Vize äußert Sorge vor langem Krieg

Die NATO rechnet nicht mit einem baldigen Ende des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. "Putin bereitet sich auf einen langen Krieg vor", sagte der stellvertretende Generalsekretär Mircea Geoana am Mittwoch zum Auftakt einer zweitägigen Sitzung des NATO-Militärausschusses in Brüssel. Der Kremlchef habe bereits mehr als 200.000 zusätzliche Soldaten mobilisiert, steigere die Rüstungsproduktion und besorge sich auch weitere Waffen von autoritären Regimen wie dem Iran.

"Wir müssen auf einen langen Weg vorbereitet sein", erklärte Geoana. "2023 wird ein schwieriges Jahr und wir müssen die Ukraine unterstützen, solange es nötig ist."

Putin will Bruch mit Europarat gesetzlich festschreiben

Russlands Präsident Wladimir Putin will die Kündigung einer Reihe von Verträgen mit dem Europarat gesetzlich verankern lassen. Die Verabschiedung gilt als Formsache. Konkret geht es etwa um die Europäische Menschenrechtskonvention, das Europäische Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus sowie die Europäische Sozialcharta. In der vergangenen Woche waren ähnliche Gesetzespläne bekannt geworden, wonach sich Russland nicht mehr am Strafrechtsübereinkommen des Europarats beteiligen will.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ist nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Gerichtshof in LuxemburgBild: Winfried Rothermel/picture alliance

Infolge des Angriffskrieges gegen die Ukraine wurde Russland jedoch bereits vor Monaten aus dem Europarat ausgeschlossen. Dadurch ist Russland auch kein Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention mehr. Dennoch sind am damit befassten Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte noch mehrere Tausend Klagen gegen Moskau anhängig. Sie wurden noch vor dem formellen Ausschluss eingereicht und müssen daher vom Gericht geprüft werden. Russland ist der Konvention zufolge vertraglich an eine Umsetzung der Urteile gebunden. Moskau hat jedoch bereits angekündigt, dem nicht zu entsprechen. Der Europarat und der Gerichtshof haben als Institutionen nichts mit der Europäischen Union und ihren Institutionen zu tun.

se/djo/haz/qu/ehl/mak (dpa, rtr, afp, ap)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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