1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Konflikte

Aktuell: Israel bemüht sich um Vermittlung

5. März 2022

Israels Regierungschef Bennett hat in Moskau mit Präsident Putin gesprochen und ist jetzt auf dem Weg nach Berlin zu einem Treffen mit Kanzler Scholz. In Deutschland kommen immer mehr Flüchtlinge an. Ein Überblick.

Israel Naftali Bennett Premierminister
Israels Regierungschef Naftali Bennett steht bei seinen Bemühungen in engem Austausch mit Berlin (Archivbild)Bild: Gil Cohen-Magen/AP/picture alliance

Die wichtigsten Informationen in Kürze:

  • Israels Regierungschef Bennett überraschend in Moskau
  • Evakuierung in Mariupol ausgesetzt
  • Putin kritisiert den Westen
  • Immer mehr Flüchtlinge in Deutschland
  • Russischer Botschafter beklagt Diskriminierung

Nach einem Überraschungsbesuch in Moskau will Israels Ministerpräsident Naftali Bennett noch an diesem Samstagabend in Berlin mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) über den Ukraine-Konflikt beraten, wie die Deutsche Welle erfuhr. Bennett sprach in Moskau mit Präsident Wladimir Putin. Der Kreml teilte laut der Agentur Interfax mit, es sei die Lage in der Ukraine besprochen worden. Es werde aber keine Kreml-Mitteilung dazu geben. Das Büro Bennetts bestätigte den Besuch ebenfalls. Aus Regierungskreisen in Jerusalem hieß es, das Gespräch habe drei Stunden lang gedauert.

Bennett habe sich mit den USA, Deutschland und Frankreich abgestimmt und sei "in ständiger Kommunikation mit der Ukraine". Nach Medienberichten soll der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj Bennett vor einer Woche gebeten haben, in Israel Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine auszurichten. 

Rauch steigt auf in Mariupol nach dem Beschuss durch russische StreitkräfteBild: Evgeniy Maloletka/AP Photo/dpa/picture alliance

Feuerpause in Ostukraine gescheitert

Eine von beiden Seiten vereinbarte Feuerpause, um Zivilisten aus zwei ukrainischen Städten in Sicherheit zu bringen, ist fehlgeschlagen. Die Stadtverwaltung von Mariupol teilte im Messengerdienst Telegram mit, die Evakuierung sei "aus Sicherheitsgründen verschoben" worden, weil die russischen Truppen weiterhin die Stadt und deren Umgebung bombardierten. Russland selbst teilte mit, die Kampfhandlungen seien um 16.00 Uhr (MEZ) nach einer mehrstündigen Feuerpause fortgesetzt worden. Nach ukrainischen Angaben sollten eigentlich 200.000 Menschen Mariupol und etwa 15.000 Wolnowacha verlassen.

Gestrandet in einem Sammellager außerhalb von MariupolBild: Sergei Bobylev/ITAR-TASS/Imago Images

Die Bürgerinnen und Bürger wurden aufgerufen, wieder in Schutzräume zurückzukehren und auf weitere Informationen zu warten. Eigentlich war ein humanitärer Korridor für mehrere Stunden geplant gewesen. Wie die russische Agentur RIA und Berufung auf das Verteidigungsministerium in Moskau meldet, hätten keine Ukrainer die humanitären Korridore bei Mariupol und Wolnowacha genutzt. Der russische Außenminister Sergej Lawrow bekräftigte, die russischen Streitkräfte griffen nur die militärische Infrastruktur der Ukraine an. 

Stadtverwaltung: "Furchtbare humanitäre Situation"

Der strategisch wichtige Hafen von Mariupol steht nach Angaben von Bürgermeister Wadym Boitschenko nach tagelangen "rücksichtslosen" Angriffen unter russischer "Blockade". Sein Stellvertreter Sergej Orlow sprach von einer "furchtbaren" humanitären Situation in Mariupol, nachdem die 450.000-Einwohner-Stadt über 40 Stunden lang beschossen worden sei. Orlow warf den russischen Streitkräften auch Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser vor.

Mariupol liegt am Asowschen Meer und hat knapp eine halbe Million Einwohner. Die angekündigte Evakuierung galt als Vorbote für die Einnahme der Hafenstadt. Dies würde einen Zusammenschluss der russischen Truppen mit Einheiten aus der Krim und dem östlichen Donbass ermöglichen.

Putin kritisiert Sanktionen

Der russische Präsident Wladimir Putin übte scharfe Kritik an westlichen Sanktionen gegen sein Land. Diese glichen einer Kriegserklärung, sagte er. In einer im staatlichen Fernsehen übertragenen Rede vor Flugbegleiterinnen, die der Präsident vor dem Internationalen Frauentag am Dienstag traf, begründete Putin die russische Invasion in der Ukraine abermals damit, dass dort die russischsprachige Bevölkerung sowie Russlands eigene Interessen verteidigt werden müssten. Zudem wiederholte er frühere Forderungen, die Ukraine müsse "entmilitarisiert" und "entnazifiziert" werden sowie einen neutralen Status haben.

Immer mehr Flüchtlinge in Deutschland

Wegen der russischen Angriffe suchen immer mehr Ukrainer Schutz in anderen Ländern. Auch in Deutschland steigt die Zahl der Kriegsflüchtlinge. Wie das Bundesinnenministerium mitteilte, wurden knapp 27.500 Ukrainer registriert. Die Behörden gehen aber von einer weit höheren Zahl aus, weil es keine Grenzkontrollen gibt. Nach Schätzung der Vereinten Nationen haben mehr als 1,25 Millionen Menschen aus der Ukraine das Land verlassen, die meisten davon Richtung Polen.

Die Deutsche Polizeigewerkschaft forderte angesichts der vielen Schutzsuchenden reguläre Kontrollen an den deutschen Grenzen zu Polen und Tschechien und warnte vor den Risiken, die unkontrollierte Einreisen mit sich brächten. "Niemand denkt daran, Menschen abzuweisen, die über die Grenze jetzt nach Polen und dann weiter nach Deutschland einreisen. Nur nimmt die Hilfsbereitschaft Schaden, wenn wir nicht wissen, wer zu uns kommt", heißt es in einer Erklärung der Polizeigewerkschaft.

Russlands Botschafter in Berlin, Sergej Netschajew, beschwerte sich in einer diplomatischen Note an das Auswärtige AmtBild: Christophe Gateau/dpa/picture alliance

Klagen über Diskriminierung von Russen in Deutschland

Die russische Botschaft in Berlin hat nach eigenen Angaben allein in den vergangenen drei Tagen Hunderte Beschwerden von Landsleuten in Deutschland erhalten, die sich über Drohungen und Hassbriefe beklagt hätten. Es gehe dabei unter anderem um Beschädigung von Autos mit russischen Kennzeichen, teilte die Botschaft mit. Auch seien Beschimpfungen, Hassbriefe, körperliche Übergriffe und Mobbing unter Schülern gemeldet worden.

Botschafter Sergej Netschajew schickte laut Agentur Interfax eine Note an das Auswärtige Amt, in der er die angebliche Diskriminierung russischer Landsleute in Deutschland kritisierte. Er forderte "starke Signale der deutschen Regierung" an die Behörden in Ländern, Städten und Kommunen, "um diese Diskriminierung zu beenden". 

Mehrmals Luftalarm in Kiew

Der Vormarsch auf die Hauptstadt der Ukraine dauert unterdessen an. "Die Hauptanstrengungen der Besatzer konzentrieren sich auf die Einkreisung Kiews", hieß es. Die Millionenmetropole erlebte mehrmals Luftalarm. Alle Bewohner sollten sich in Luftschutzbunkern in Sicherheit bringen. Auch die Millionenstadt Charkiw versuchen die russischen Truppen zu umzingeln. Im Osten hätten russische Soldaten vor, von den Separatistengebieten Luhansk und Donezk einen Landkorridor zur von Russland annektierten Halbinsel Krim zu schaffen, teilte der ukrainische staatliche Informationsdienst mit. Doch schlügen ukrainische Kräfte zurück und brächten Angreifern Niederlagen bei. Die Darstellung kann derzeit nicht unabhängig verifiziert werden, ebenso wenig wie russische Angaben.

Die NATO wirft den russischen Streitkräften in der Ukraine den Einsatz von Streubomben und anderen Waffenarten vor, die gegen das Völkerrecht verstoßen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen prangerte an, auch zivile Ziele würden zunehmend mit Bomben und Raketen attackiert. Russland streitet den Beschuss ziviler Ziele kategorisch ab. Nach UN-Angaben ist bisher der Tod von 331 Zivilisten dokumentiert, darunter 19 Kinder. Die Ukraine nennt weit höhere Zahlen. Auch die Angaben der Kriegsparteien zu Opfern unter der Zivilbevölkerung und zu gefallenen Soldaten lassen sich nur schwer überprüfen.

WFP: Versorgungslage in Ukraine schwierig

Das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen äußerte sich besorgt über die Versorgungslage der Zivilbevölkerung in der Ukraine. "Die Lage für die Menschen in der Ukraine hat sich durch die erbitterten Kämpfe dramatisch zugespitzt", sagte der Direktor des WFP in Deutschland, Martin Frick, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Menschen harrten in Kellern aus und könnten nur unter größter Gefahr Besorgungen machen.

"Gerade aus Kiew und Charkiw erreichen uns Berichte, dass Nahrungsmittel ausgehen und Trinkwasser knapp wird", sagte Frick. Die Priorität der UN-Organisation sei es jetzt, Versorgungswege nach Kiew und zu den Epizentren des Konflikts zu etablieren, bevor die Kämpfe weiter eskalieren. Das WFP baue seine Präsenz in der ganzen Region aus, "aber es ist ein Wettlauf gegen die Zeit".

Aeroflot stoppt internationale Flüge

Die russische Fluggesellschaft Aeroflot stellt wegen der westlichen Sanktionen alle internationalen Flüge ein. Einzige Ausnahme sind Verbindungen nach Belarus, wie das Unternehmen mitteilte. Demnach werden Flüge ins Ausland am Samstagabend gestoppt. Flüge nach Russland soll es ab Dienstag vorerst nicht mehr geben. Inlandsflüge sind nicht betroffen.

Die russische Flugaufsicht empfiehlt zudem russischen Fluggesellschaften mit im Ausland geleasten Maschinen, Passagier- und Transportflüge einzustellen. Damit solle eine Beschlagnahmung der Maschinen aufgrund der westlichen Sanktionen verhindert werden. Die meisten europäischen Lufträume sind wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine mittlerweile für russische Fluglinien gesperrt. 

ARD und ZDF stoppen Berichterstattung

Die russischen Behörden ordneten die Sperrung des Online-Netzwerks Facebook und des Kurznachrichtendienstes Twitter an. Die Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor erklärte zur Begründung, Facebook habe russische Medien "diskriminiert", indem es seit Oktober 2020 in 26 Fällen die Accounts von Kreml-treuen Medien beschnitten habe. Zudem schränkten die Behörden den Zugang zu den Websites der Deutschen Welle (DW) und weiterer unabhängiger Medien ein. Die ARD und das ZDF teilten ebenfalls mit, sie setzten ihre Berichterstattung aus dem Studio Moskau zunächst aus.

 

US-Außenminister Antony Blinken (vorne, 2. v. r.) bei einem Außenministertreffen in Brüssel Bild: Olivier Matthys/AP/dpa/picture alliance

Blinken lehnt Flugverbotszone über Ukraine ab

US-Außenminister Antony Blinken bekräftigte das Nein der NATO zur Durchsetzung einer Flugverbotszone über der Ukraine. Wie NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg gesagt habe, trage man Verantwortung dafür, dass sich der Krieg nicht über die Ukraine hinaus ausbreite, sagte Blinken nach Gesprächen mit Alliierten in Brüssel. Eine Flugverbotszone könne nur umgesetzt werden, wenn man NATO-Flugzeuge in den ukrainischen Luftraum schicke und russische Flugzeuge abschieße. Dies könnte zu einem großen Krieg in Europa führen.

Präsident Joe Biden habe deutlich gemacht, dass man keinen Krieg mit Russland führen werde, ergänzte Blinken. Aber man werde große Anstrengungen mit Verbündeten und Partnern unternehmen, um den Ukrainern die Mittel zu geben, sich wirksam zu verteidigen.

Botschafter fordert deutsche Patriot-Raketen

Der ukrainische Botschafter in Berlin hat von Deutschland gefordert, "schwere Waffen" und Patriot-Flugabwehrsystemen zu liefern. Im Gespräch mit dem Fernsehsender "Welt" sagte Andrij Melnyk: "Diese Waffensysteme stehen auf der Liste, die wir gestern an die Bundesregierung geschickt haben." Man sei nun an einem Punkt, wo auch schwere Waffen geliefert werden müssten. "Jetzt ist auch ein Panzer für uns eine Defensivwaffe", so der Diplomat. Deutschland und andere NATO-Staaten unterstützen die ukrainischen Streitkräfte mit Waffen. Die Bundesregierung hat bereits 1000 Panzerfäuste und 500 Luftabwehrwaffen zur Verfügung gestellt, eine weitere Lieferung ist geplant.

Lauterbach will Kriegsverletzte in Deutschland versorgen

Die Bundesregierung bereitet sich darauf vor, Kriegsverletzte und kranke Flüchtlinge aus der Ukraine aufzunehmen und auf Krankenhäuser im gesamten Bundesgebiet zu verteilen. "Zu den Verwundeten des Krieges kommen noch diejenigen, die ihre medizinische Versorgung verlieren", sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Dazu zählten Krebspatienten oder Dialyse-Patienten. "Weil wir mit sehr vielen Fällen rechnen, werden wir die Menschen auf die Bundesländer verteilen."

Direkte Telefonleitung

Die Streitkräfte der USA und Russlands haben inmitten des Ukraine-Kriegs eine direkte Telefonleitung aktiviert, um mögliche Missverständnisse und damit Zusammenstöße von Soldaten beider Länder zu verhindern. Die Leitung zwischen dem Europa-Hauptquartier der US-Streitkräfte in Stuttgart und dem russischen Verteidigungsministerium sei diese Woche eingerichtet worden, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby. Das sei wichtig, um "das Risiko von Fehlkalkulationen zu senken und in der Lage zu sein, in Echtzeit miteinander zu sprechen, sollte dies notwendig sein". Von Bedeutung sei dies auch, weil der Luftraum über der Ukraine direkt an NATO-Mitgliedstaaten angrenze.

uh/haz/jj/fab/kle/bru (dpa, afp, rtr, ape)

Dieser Artikel wird fortlaufend aktualisiert

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen