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PolitikEuropa

Aktuell: Scholz reist laut Medienbericht bald nach Kiew

11. Juni 2022

Kanzler Olaf Scholz plant einem Medienbericht zufolge noch vor dem G7-Gipfel Ende Juni eine Reise nach Kiew. Mit dabei: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Italiens Regierungschef Mario Draghi. Ein Überblick.

Kanzler Scholz reist auf den Balkan
Bundeskanzler Olaf Scholz auf einem Flugfeld (Archivbild)Bild: Michael Kappeler/picture alliance/dpa

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Scholz reist laut Medienbericht bald nach Kiew
  • Von der Leyen erörtert EU-Beitrittschancen der Ukraine
  • Ukraine beklagt hohe Verluste an Soldaten
  • Selenskyj warnt vor Hungerrevolten durch Getreide-Krise
  • Russland verteilt Pässe in den besetzten Gebieten

 

Über das mutmaßliche Reisevorhaben des Bundeskanzlers berichtet die Zeitung "Bild am Sonntag" mit Verweis auf ukrainische und französische Regierungskreise. Demnach sollen die Regierungen in Paris und Berlin schon länger über einen gemeinsamen Kiew-Besuch verhandelt haben. Nach Informationen der Zeitung wollte Macron aber erst nach der französischen Parlamentswahl fahren. Die erste Runde der Wahl findet an diesem Sonntag statt, die zweite in einer Woche. Als Dritten im Bunde den italienischen Regierungschef mitzunehmen, soll eine Idee aus Frankreich gewesen sein. Scholz, Macron und Draghi wollen dem Bericht zufolge mit ihrer Reise ein Zeichen der europäischen Einigkeit setzen. Ein deutscher Regierungssprecher sagte zu dem angeblichen Reiseplan der Nachrichtenagentur Reuters: "Wir sind nicht in der Lage, das zu bestätigen."

Seit Kriegsbeginn sind bereits zahlreiche Staats- und Regierungschefs nach Kiew gereist, um ihre Solidarität mit dem von Russland angegriffenen Land zu demonstrieren. Als Vertreter der deutschen Regierung waren bereits unter anderem Außenministerin Annalena Baerbock, Entwicklungsministerin Svenja Schulze, Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir in der Ukraine. 

Das mutmaßliche Ziel der Reisepläne: das Präsidialamt in Kiew (Archivbild)Bild: Hendrik Schmidt/dpa/picture alliance

Seit Wochen wird darüber spekuliert, ob und wann Kanzler Scholz Kiew besucht. Mitte April hatte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier geplant, das Land zu besuchen, erhielt jedoch eine Absage aus Kiew. Viele deutsche Politiker, vor allem aus der SPD, zeigten sich darüber irritiert. Scholz sagte daraufhin, die Absage stehe einer eigenen Reise im Wege. Dieser Konflikt wurde inzwischen aber ausgeräumt. Jüngst sagte Scholz, er würde nur nach Kiew reisen, wenn konkrete Dinge zu besprechen wären.

Von der Leyen erörtert in Kiew die EU-Beitrittschancen der Ukraine

Die EU-Kommission will bis Ende nächster Woche die Analyse des EU-Beitrittsantrags der Ukraine abschließen. Das kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Rande von Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew an. Ob ihre Behörde den 27 Mitgliedstaaten auf Grundlage der Analyse empfehlen wird, der Ukraine uneingeschränkt den Status eines EU-Beitrittskandidaten zu geben, ließ die deutsche Politikerin offen. Von der Leyen lobte in Kiew die parlamentarisch-präsidentielle Demokratie des Landes, zugleich mahnte sie Reformen für den Kampf gegen Korruption und die Modernisierung der Verwaltung an. Auf Grundlage der Empfehlung der EU-Kommission werden die EU-Staaten entscheiden, wie es weitergeht.

Die Ansichten der Länder gehen bislang weit auseinander, obwohl die Entscheidung über den Kandidatenstatus die Aufnahmeentscheidung nicht vorwegnimmt und auch nicht mit einem Zeitrahmen verbunden ist. So ist beispielsweise die Türkei bereits seit 1999 EU-Beitrittskandidat. Mehrere EU-Staaten, insbesondere in Osteuropa, unterstützen das ukrainische Beitrittsersuchen. Einige Länder wie die Niederlande, Dänemark und Frankreich stehen dem Vorhaben jedoch skeptisch gegenüber. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich bislang zurückhaltend. Die Ukraine hatte im März, kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar, einen Antrag auf Annahme in die EU gestellt. Die EU-Staaten beauftragten die EU-Kommission dann, sich damit zu befassen und eine Empfehlung abzugeben. 

Für die Ukraine ist der Weg in die EU von entscheidender Bedeutung, wie Präsident Selenskyj am Samstag bekräftigte. "Das ukrainische Volk hat bereits einen riesigen Beitrag bei der Verteidigung der gemeinsamen Freiheit und der gemeinsamen Werte geleistet", sagte er. "Eine positive Antwort der Europäischen Union auf den ukrainischen Antrag zur EU-Mitgliedschaft kann eine positive Antwort auf die Frage sein, ob es überhaupt eine Zukunft des europäischen Projekts gibt." Selenskyj betonte, dass sich die Ukrainer darüber im Klaren sind, dass der Kandidatenstatus nur der Anfang des europäischen Wegs wäre.

Ukraine räumt hohe Verluste ein

Etwa 10.000 ukrainische Soldaten sind nach Angaben aus Kiew seit der russischen Invasion im Februar getötet worden. Die Zahl fiel in einem der regelmäßigen Youtube-Videointerviews des Präsidenten-Vertrauen Olexij Arestowytsch mit dem russischen Oppositionellen Mark Feygin. Arestowytsch sagte darüber hinaus, dass auf ukrainischer Seite auch zu Beginn des Krieges rund 100 Militärangehörige pro Tag gestorben seien. Auf Feygins Frage, ob man also von rund 10.000 getöteten Soldaten insgesamt ausgehen könne, antwortete er: "Ja, so in etwa".

Blick durch Panzersperren auf das Unabhängigkeitsdenkmal in KiewBild: Ivan Alvarado/REUTERS

Auch Verteidigungsminister Olexij Resnikow hatte diese Woche bestätigt, dass aktuell täglich bis zu 100 ukrainische Soldaten getötet würden. Und Mychajlo Podoljak, ein Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, hatte in einem BBC-Interview gesagt, die täglichen Verluste von 100 bis 200 ukrainischen Soldaten seien das Ergebnis eines "völligen Mangels an Parität" zwischen der Ukraine und Russland.

Weder von der Ukraine noch von Russland gab es bisher belastbare Angaben zu den Verlusten in dem am 24. Februar begonnenen Krieg. Laut Arestowytsch werden dauerhaft mehr russische als ukrainische Soldaten getötet. Am Freitag seien die Angriffe der ukrainische Artillerie mit westlicher Munition besonders effizient gewesen, sagte er und nannte die Schätzung von rund 600 getöteten russischen Soldaten.

Heftige Straßenkämpfe in Sjewjerodonezk

Nach Angaben der britischen Regierung liefern sich Ukrainer und Russen heftige Straßenkämpfe um die ostukrainische Großstadt Sjewjerodonezk. Beide Seiten dürften wahrscheinlich eine hohe Zahl an Opfern erleiden, schrieb das britische Verteidigungsministerium in seinem regelmäßigen Geheimdienst-Update zur Lage im Ukraine-Krieg.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland vorgeworfen, "jede Stadt" in der ostukrainischen Donbass-Region zerstören zu wollen. "Russland will jede Stadt im Donbass verwüsten, jede einzelne, ohne Übertreibung. Wie Wolnowacha, wie Mariupol", sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Das ukrainische Militär tue aber alles, "um die Angriffe der Besatzer zu stoppen".

Freiwillige aus Belarus kämpfen auf ukrainischer Seite

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Mit Blick darauf appellierte Selenskyj-Berater Arestowytsch an den Westen, viel schneller Waffen und Munition zu liefern. Die ukrainische Regierung sei zwar für die bisherige Hilfe sehr dankbar, ohne die man vermutlich bereits hinter den Dnepr-Fluss zurückgedrängt worden wäre. Er verstehe aber die Langsamkeit bei den Lieferungen nicht, sagte Arestowytsch. Um die russische Aggression zurückzuschlagen, brauche die Ukraine unter anderem schnell mehr Artillerie-Feuerkraft. Wie von Militärexperten erwartet, spielt die Artillerie in der umkämpften Ostukraine eine größere Rolle als beim zurückgeschlagenen russischen Vormarsch auf die Hauptstadt Kiew.

Selenskyj warnt vor Hungerrevolten durch Getreide-Krise

Präsident Selenskyj befürchtet, dass der russische Angriffskrieg gegen sein Land zu weltweiten Hungerrevolten führen könnte. "Wenn wir unsere Lebensmittel nicht exportieren können, dann wird die Welt mit einer schweren Lebensmittelkrise und Hunger in vielen Ländern Asiens und Afrikas konfrontiert werden", sagte der 44-Jährige vor Besuchern des Sicherheitsforums "Shangri La Dialogue" in Singapur, dem er per Video zugeschaltet war. Der Lebensmittelmangel könne zu politischem Chaos und dem Sturz von Regierungen vieler Länder führen.

Getreidespeicher im Handelshafen von Mariupol (Archivbild)Bild: Vladimir Gerdo/ITAR-TASS/IMAGO

Faktisch blockiert die russische Marine seit Beginn des Angriffskriegs vor mehr als drei Monaten die ukrainischen Schwarzmeer-Häfen. Zudem haben russische Soldaten die Häfen in Mariupol oder Cherson besetzt. Die Ukraine, weltweit der viertgrößte Getreideexporteur, sitzt deshalb auf den eigenen Vorräten fest. Außerdem wirft die Ukraine Russland den Diebstahl von großen Mengen Getreide vor. Moskau wiederum macht für die Krise die Ukraine verantwortlich, weil die sich weigere, Seeminen zu räumen. Die Ukraine setzt nach eigenen Angaben die Minen zur Verteidigung und zum Schutz vor russischen Kriegsschiffen ein.

In den besetzten Gebieten werden russische Pässe verteilt

In den von russischen Truppen kontrollierten Teilen der Region Saporischschja sollen ab sofort russische Pässe ausgehändigt werden. Die Empfänger würden danach als vollwertige Bürger Russlands betrachtet, sagte Wladimir Rogow, ein Mitglied der Besatzungsbehörden, dem Fernsehsender Rossija-24. Rogow zufolge haben in dem Gebiet mehr als 70.000 Menschen Anträge gestellt. Präsident Wladimir Putin hatte im Mai das Verfahren für den Erhalt russischer Pässe vereinfacht. Russland verteilt sie auch in anderen besetzen Gebieten und führt dort auch den Rubel als Zahlungsmittel ein.

In der südlichen Region Cherson hat die ukrainische Armee nach eigenen Angaben russische Militärstellungen angegriffen. Kiew befürchtet, dass Moskau dort demnächst ein Referendum nach dem Vorbild der 2014 annektierten Krim über einen Anschluss an Russland abhalten könnte. Deshalb werde eine Offensive zur Rückeroberung des Gebiets gestartet. Die militärische Lage dort bleibe "angespannt", erklärte das ukrainische Präsidialamt. Cherson wird seit den ersten Tagen der russischen Invasion nahezu vollständig von russischen Truppen kontrolliert.

Noch immer keine Fluchtwege aus Mariupol

Der Bürgermeister der von russischen Truppen kontrollierten südukrainischen Stadt Mariupol, Wadym Bojtschenko, fordert die Vereinten Nationen und das Internationale Rote Kreuz auf, sich für die Einrichtung eines humanitären Korridors einzusetzen, damit die verbliebenen Einwohner die Stadt verlassen könnten. In der Stadt sei die Cholera ausgebrochen.

Das zerstörte Mariupol in einer Aufnahme vom 22. MaiBild: Pavel Klimov/REUTERS

"Der Krieg, der mehr als 20.000 Menschen das Leben gekostet hat, wird mit diesen Infektionsausbrüchen leider die Leben weiterer Tausender von Menschen in Mariupol fordern", sagte Bojtschenko im ukrainischen Fernsehen. Die sanitären Anlagen seien zerstört worden. Leichen verwesten in den Straßen.

220 ukrainische Patienten in deutschen Kliniken

Kliniken in Deutschland haben bislang mehr als 200 Kranke und Verletzte aus der Ukraine aufgenommen. Von insgesamt 620 Hilfeleistungsersuchen auf europäischer Ebene habe Deutschland bereits 220 Patienten zur Behandlung übernommen, sagte ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland". Mehr als 50 weitere Patientenübernahmen werden bald abgeschlossen sein.

Weltorganisationen wenden sich von Russland ab

Russland ist vorerst kein Mitglied des Wirtschafts- und Sozialrats (ECOSOC) der Vereinten Nationen geworden. In fünf Wahlgängen verfehlte Russland in New York die sicher geglaubte Zweidrittel-Mehrheit - anders als 17 weitere Länder. Zugleich trat Nordmazedonien in der Entscheidung um den letzten noch freien Platz überraschend zu Kampfabstimmungen gegen Russland an.

Der ECOSOC-Rat besteht aus 54 Staaten, die jeweils für drei Jahre gewählt werden - im Unterschied beispielsweise zum UN-Sicherheitsrat, wo Russland einen ständigen Sitz hat. Jedes Jahr werden 18 der Mitglieder ausgetauscht. Dieses Jahr war eigentlich nicht mit Gegenkandidaturen gerechnet worden. Die UN-Regularien sehen nun vor, so lange Abstimmungen durchzuführen, bis ein Land eine Zweidrittel-Mehrheit bekommt.

Zudem hat sich Russland aus der Welttourismusorganisation (UNWTO) verabschiedet. Die Mitgliedschaft in der Sonderorganisation der Vereinten Nationen war bereits Ende April von der UN-Generalversammlung suspendiert worden. Kurz zuvor hatte Moskau schon den Rückzug aus der UNWTO angekündigt. Der UNWTO mit Sitz in Madrid gehören mehr als 150 Staaten an. Erklärtes Ziel ist die Entwicklung eines verantwortlichen, nachhaltigen und allgemein zugänglichen Tourismus.

rb/ack/kle/jj (afp, ap, dpa, epd, kna, rtr, bild.de)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.