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Politik

Aktuell: Kiew sieht Russlands Armee für Jahre geschwächt

31. Dezember 2022

Die russische Armee hat durch ihre Verluste in der Ukraine nach Ansicht Kiews ihre Schlagkraft verloren. Es werde Jahre brauchen, bis dies wieder wettgemacht sei, sagte Verteidigungsminister Resnikow. Ein Überblick.

Ukraine Oleksij Resnikow
Oleksij Resnikow, Verteidigungsminister der Ukraine, hält Russland für massiv geschwächtBild: Sergei Supinsky/AFP

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Regierung in Kiew spricht von gewaltigen Verlusten Russlands
  • Wieder Luftalarm in gesamter Ukraine
  • Selenskyj bedankt sich auf Deutsch bei Scholz
  • Putin: Russland kämpft zur Verteidigung des Vaterlandes
  • Gefangenenaustausch kurz vor dem Jahreswechsel

 

Der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow sagte, Russlands Armee habe ihre Schlagkraft auf Jahre hinaus verloren. Nach seiner Einschätzung werden die russischen Streitkräfte mindestens fünf Jahre für den Wiederaufbau brauchen. "Nach Erkenntnissen der NATO-Aufklärung haben die Russen gewaltige Verluste an Panzern, Artillerie, Schützenpanzern und Soldaten", sagte Resnikow der  Zeitung "Ukrajinska Prawda".

"Die regulären Streitkräfte der Russischen Föderation könnten frühestens in fünf Jahren wiederhergestellt werden, vielleicht auch erst in zehn Jahren", fügte der Minister hinzu. Das gleiche gelte für das Raketen-Potenzial Russlands. Schließlich sei dies ein Krieg der Ressourcen. "Und sie (die NATO) kann diese Ressourcen berechnen." Über die eigenen Streitkräfte machte Resnikow keine Angaben. Seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine im Februar haben beide Seiten schwere Verluste erlitten. Nach ukrainischer Darstellung hat die russische Armee bereits über 100.000 Gefallene zu beklagen. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Luftalarm in gesamter Ukraine - mehrere Explosionen in Kiew

Im gesamten Gebiet der Ukraine ist am Silvestertag Luftschutzalarm ausgelöst worden. Vertreter örtlicher Behörden warnten vor russischen Raketenangriffen und fordern die Bürger auf, Schutz zu suchen. Die Luftverteidigung habe anfliegende Ziele ausgemacht. In Kiew waren wenig später Explosionen zu hören. Bürgermeister Witali Klitschko bestätigte die Einschläge.

DW-Reporterin Emmanuelle Chaze ist in Kiew und berichtet von einem Raketeneinschlag in ein Hotel:

Von Explosionen wurde ebenfalls aus den westukrainischen Gebieten Winnyzja und Schytomyr sowie aus dem südukrainischen Gebiet Mykolajiw berichtet. Dem Vizechef des Präsidentenbüros, Kyrylo Tymoschenko, zufolge ist das westukrainische Gebiet Chmelnyzkyj mit Drohnen angegriffen worden. Bei neuen russischen Angriffen auf die Ukraine hat es nach Behördenangaben Tote und Verletzte gegeben.

Bereits in der Nacht hat die ukrainische Armee nach eigenen Angaben eine Serie nächtlicher russischer Drohnenangriffe abgewehrt. Viele Städte waren nach Raketenangriffen vom Vortag weiterhin ohne Strom. Durch russischen Beschuss habe es am Freitag drei Todesopfer gegeben, sagte der Vize-Chef des Präsidialamtes, Kyrylo Tymoschenko. Staatschef Wolodymyr Selenskyj erklärte, der Krieg sei "hart", er sei jedoch "überzeugt (...), dass die russische Aggression scheitern wird". 

Nicht jeder will Wehrdienst leisten

Die Regierung in Kiew hat eingeräumt, dass seit Ausbruch des russischen Angriffskriegs und seit Ausrufung des Kriegszustands in der Ukraine mehrere Tausend junge Ukrainer versucht hätten, sich dem Wehrdienst zu entziehen. Wie die ukrainischen Grenztruppen mitteilten, wurden knapp 12.000 Männer bei dem Versuch gefasst, die Grenze illegal in Richtung westliches Ausland zu überqueren. Bei der illegalen Grenzüberquerung seien auch 15 Männer ums Leben gekommen.

Unter anderem erfroren den Angaben zufolge zwei Männer in den Karpaten auf dem Weg nach Rumänien. Auch in Russland versuchten Tausende junge Männer, sich dem Wehrdienst zu entziehen. Unmittelbar nach der Mobilmachung im September flohen Tausende ins Ausland, in einigen ehemaligen Sowjetrepubliken entstanden kleinere russische Kolonien.

Selenskyj bedankt sich auf Deutsch bei Scholz

Zum Jahresende hat sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj  bei Bundeskanzler Olaf Scholz für dessen Unterstützung und den neuen sicherheitspolitischen Kurs Deutschlands bedankt - mit einem Tweet auf Deutsch. "Waffenlieferungen, Schutz für mehr als eine Million Ukrainer:innen, G7-Präsidentschaft mit Ukraine-Fokus, finanzielle & technische Hilfe, EU-Kandidatenstatus. Danke für die Zeitenwende, Herr Bundeskanzler!", schrieb er auf Twitter.

"Mögen wir sie im Jahr 2023 mit unserem gemeinsamen Sieg komplett machen", betonte der Präsident mit Blick auf die von Scholz ausgerufene Zeitenwende, mit der die Bundesregierung auch eine militärische Unterstützung der Ukraine für die Verteidigung gegen Russlands Angriffskrieg eingeleitet hatte. Die Ukraine hofft angesichts massiver russischer Drohnen- und Raketenangriffe auf deutlich mehr Militärhilfe etwa bei der Flugabwehr. Auch Experten sind der Ansicht, dass das Land für einen Sieg gegen Russland noch viel mehr Waffen und Munition braucht.

Putin: Russland kämpft zur Verteidigung des Vaterlandes

Kreml-Chef Wladimir Putin sagte unterdessen in seiner Neujahrsansprache, Russland stehe in dem Konflikt "moralisch" und "historisch" auf der richtigen Seite. Russland kämpfe in der Ukraine, um das Vaterland zu verteidigen. Dem Westen warf er in seiner Ansprache vor, Russland mittels der Ukraine zerstören zu wollen. Russlands Soldaten hätten im zu Ende gehenden Jahr mit "schweren Prüfungen" zu kämpfen gehabt, räumte Verteidigungsminister Sergej Schoigu in einer Neujahrsbotschaft an Soldaten ein. Der russische Sieg über die Ukraine sei aber unumgänglich.

Kreml belohnt Beamte in der Ukraine

In der Ukraine stationierte russische Soldaten und Beamte sind nach Kreml-Angaben künftig von der Einkommenssteuer befreit. Die Regelung betreffe "diejenigen, die in den (vier) Gebieten arbeiten", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow mit Blick auf die vier von Russland als annektiert beanspruchten ukrainischen Gebiete Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja. Er berief sich dabei auf eine Ausnahmeregelung in einem Anti-Korruptionsgesetz, die die Regierung veröffentlichte.

Keine Einkommenssteuer für russische Soldaten und Beamte in der UkraineBild: Konstantin Mihalchevskiy/SNA/IMAGO

Soldaten, Polizisten, Angehörige der Sicherheitsdienste und andere Staatsbedienstete, die in den vier Regionen Dienst leisten, müssen dem Erlass von Präsident Wladimir Putin zufolge keine Angaben mehr zu "ihrem Einkommen, ihren Ausgaben und ihrem Vermögen" machen. Das Dekret räumt ihnen zudem das Recht ein, "Belohnungen und Geschenke" zu erhalten, wenn diese "humanitären Charakter" haben und im Rahmen des Militäreinsatzes in der Ukraine empfangen werden. Die Maßnahme gilt auch für "Ehepartner und minderjährige Kinder", und zwar rückwirkend ab dem 24. Februar - dem Beginn der Offensive in der Ukraine.

Gefangenenaustausch kurz vor dem Jahreswechsel

Russland und die Ukraine haben mehr als 200 Kriegsgefangene ausgetauscht. Russland habe 140 Personen an die Ukraine übergeben, teilt der ukrainische Stabschef Andrij Jermak mit. Es handele sich um 132 Männer und acht Frauen. Einige von ihnen seien in Mariupol oder auf der Schlangeninsel im Einsatz gewesen. Das russische Verteidigungsministerium hatte bereits zuvor mitgeteilt, die Ukraine habe 82 russische Soldaten freigelassen.

Deutsche Gymnasien fordern wegen vieler ukrainischer Schüler mehr Lehrer

Nach Angaben der Kultusministerkonferenz waren an den Schulen in Deutschland zu Weihnachten 202.343 Schülerinnen und Schüler aus der Ukraine angemeldet - nach außen hin erfolgte das relativ geräuschlos. Doch die zusätzlichen Aufgaben belasten die Lehrkräfte, die ohnehin mit Personalknappheit zu kämpfen haben. Deswegen verlangen Vertreter der Gymnasien zusätzliche Unterstützung. "Wir können nicht anderthalb Jahre warten, bis die neuen Schülerzahlen in der Statistik auftauchen und wir mehr Lehrkräfte einstellen können", sagte der Vorsitzende der Bundesdirektorenkonferenz Gymnasien, Arnd Niedermöller, der Deutschen Presse-Agentur. Ressourcen müssten dringend schneller bereitgestellt werden. Ähnlich äußerte sich Susanne Lin-Klitzing, die Vorsitzende des Deutschen Philologenverbands, der die Gymnasiallehrkräfte vertritt. "Die Integrationsleistung der Schulen für die Gesellschaft ist enorm, Lehrkräfte stellen sich ihren Aufgaben mit voller Hingabe - und sind am Limit."

Diese Schule in Dresden hat Klassen für ukrainische Grundschüler eingerichtetBild: Robert Michael/dpa/picture alliance

Beide Verbände haben im November und Dezember 2022 gemeinsam Schulleitungen von mehr als 350 Gymnasien in acht Bundesländern befragt. Die Umfrage ergab, dass viele Schulen angesichts der Lage mit knappen Ressourcen zu kämpfen haben. Zwar gab die Hälfte der Befragten, die ukrainische Schüler aufgenommen hatten, an, dass zusätzliche Kräfte für den Unterricht eingestellt worden seien. Bei der anderen Hälfte war das aber nicht der Fall.

qu/jj/kle/nob/haz/ack (dpa, afp, rtr) 

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.