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KonflikteUkraine

Ukraine: Kiew zielt auf Russlands Rüstungsindustrie

27. September 2023

Präsident Selenskyj will stärker gegen die russische Rüstungsindustrie vorgehen. Moskau wirft Großbritannien und USA die Unterstützung der Ukraine bei Krim-Angriff vor. Ein Überblick.

Ukraine | Ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj
Der Ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wendet sich allabendlich per Video an die Ukrainer und die WeltöffentlichkeitBild: https://www.president.gov.ua

Das Wichtigste in Kürze:

 

  • Ukraine will gegen russische Rüstungsindustrie vorgehen
  • Moskau wirft Westen Beteiligung an Attacke auf Sewastopol vor 
  • Pistorius im Baltikum: Deutschland übernimmt eine Führungsrolle
  • Bundesanwaltschaft prüft mögliches Kriegsverbrechen in Ukraine
  • Sieben Schiffe nutzten ukrainischen Korridor über das Schwarze Meer
  • Deutsche Gasspeicher sind nun zu mehr als 95 Prozent gefüllt

 

Die Ukraine will nach Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj stärker gegen die russische Rüstungsindustrie vorgehen. Bei einer Beratung mit seiner Militärführung habe es einen Bericht zur Lage in Russlands militärisch-industriellem Komplex gegeben, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. "Wir können deutlich erkennen, in welchen Bereichen der Druck auf Russland verstärkt werden muss, um zu verhindern, dass die terroristischen Fähigkeiten wachsen", sagte der Präsident.

Ausländische Sanktionen gegen die russische Rüstungsbranche seien nicht genug. "Es wird mehr eigene, ukrainische Maßnahmen gegen den terroristischen Staat geben", erläuterte Selenskyj. Einzelheiten nannte er nicht. "Solange Russlands Aggression anhält, muss Russland seine Verluste spüren."

Der engste Kreis der Kiewer Führung beschäftigte sich nach Angaben Selenskyjs auch mit dem Nachschub von Artilleriemunition. "Das ist ein Thema, mit dem wir täglich zu tun haben", sagte er. Die Lieferungen der bisherigen Partnerländer seien wichtig. Zugleich suche die Ukraine neue Quellen. "Und wir erhöhen schrittweise das Volumen unserer ukrainischen Produktion." 

Moskau: Großbritannien und USA haben bei Krim-Angriff geholfen

Russland hat Großbritannien und den USA vorgeworfen, der Ukraine bei ihrem Angriff auf das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte auf der annektierten Krim geholfen zu haben. "Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass der Angriff im Voraus unter Einsatz westlicher Geheimdienstmittel, NATO-Satellitenausrüstung und Aufklärungsflugzeugen geplant wurde", sagte die Sprecherin des russischen Außenministerium, Maria Sacharowa, in Moskau. "Das offensichtliche Ziel solcher terroristischen Akte ist es, die Aufmerksamkeit von den gescheiterten Versuchen der Gegenoffensive der ukrainischen Streitkräfte abzulenken", so Sacharowa. 

Maria Sacharowa, die Sprecherin des Außenministeriums in Moskau: "Der Angriff wurde unter Einsatz westlicher Geheimdienstmittel, NATO-Satellitenausrüstung und Aufklärungsflugzeugen geplant"Bild: Petrov Sergey/Russian Look/IMAGO

Am Freitag hatte die Ukraine das Hauptquartier der russischen Schwarzmeerflotte im Hafen von Sewastopol beschossen. Bei der Attacke mit Drohnen und Marschflugkörpern wurden laut ukrainischen Angaben insgesamt 34 russische Offiziere getötet. Unter den Toten ist demnach auch der Kommandant der Schwarzmeerflotte, Admiral Viktor Sokolow. Russland zeigte unterdessen Sokolow erneut im Fernsehen. In einem Interview sagte er, dass die Schwarzmeerflotte erfolgreich arbeite. Der Fernsehsender gehört zum Verteidigungsministerium. Aus Sokolows Kommentaren geht allerdings nicht hervor, ob die Aufnahmen nach dem ukrainischen Raketenangriff auf der Krim aufgezeichnet wurden.

Pistorius im Baltikum: Deutschland übernimmt eine Führungsrolle

Verteidigungsminister Boris Pistorius hat den NATO-Verbündeten im Baltikum die militärische Verlässlichkeit Deutschlands bei der Abschreckung Russlands zugesichert. "Deutschland übernimmt Verantwortung. Und Deutschland übernimmt eine Führungsrolle", sagte der SPD-Politiker auf einer Sicherheitskonferenz in der estnischen Hauptstadt Tallinn. Zugleich sicherte Pistorius der Ukraine die langfristige Unterstützung bei der Verteidigung gegen die russischen Angreifer zu. "Wir werden an ihrer Seite stehen, solange es nötig ist", sagte er. Er warnte vor schrecklichen Konsequenzen, sollte der russische Präsident Wladimir Putin mit seinem Vorgehen Erfolg haben. Dieser verachte die internationalen Regeln. "Putin benutzt abscheuliche, kriminelle und unmenschliche Methoden", betonte Pistorius.

Verteidigungsminister Boris Pistorius spricht auf der Sicherheitskonferenz in TallinnBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Der Verteidigungsminister bekräftigte die Pläne für die Stationierung einer Brigade der Bundeswehr in Litauen. Vorgesehen ist, 4000 Männer und Frauen der Bundeswehr permanent in dem Land zu stationieren, auch mit Familien oder Kindern. "Wir werden deutsche Soldaten und Soldatinnen in Litauen stationieren, sobald die nötige Infrastruktur vorhanden ist", sagte Pistorius. An der Konferenz in Tallinn nehmen Vertreter der baltischen Republiken sowie aus weiteren NATO-Staaten und aus der Ukraine teil. Mit der Rede des Ministers geht sein dreitägiger Besuch in Lettland und Estland zu Ende.

Bundeanwaltschaft prüft mögliches Kriegsverbrechen bei Kiew 

Es geht um den Vorwurf, dass Zivilisten - darunter eine Person mit deutscher Staatsangehörigkeit - im Kiewer Vorort Hostomel von russischen Streitkräften beschossen und verletzt wurden. Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe erklärte, es bestehe ein Anfangsverdacht der Begehung von Kriegsverbrechen, der geprüft werde. Zur Aufklärung stehe man in engem Kontakt mit den ukrainischen Strafverfolgungsbehörden. Einzelheiten wurden nicht genannt. 

Die Bundesanwaltschaft hatte schon im März 2022 zu Kriegsverbrechen im Ukraine-Krieg sogenannte Strukturermittlungen eingeleitet. Dabei geht es darum, zunächst ohne konkrete Beschuldigte möglichst breit Beweise zu sichern.

Wladimir Klitschko: Keine Chance für Friedensgespräche mit Russland

Der frühere ukrainische Box-Weltmeister Wladimir Klitschko sieht derzeit keinerlei Chancen, mit Russland über Frieden zu verhandeln. "Verhandlungen mit wem, mit Russland, mit (Wladimir) Putin, (Sergej) Lawrow, mit wem?", sagte der 47-Jährige in einer Talkshow im deutschen Fernsehen.

Wladimir Klitschko: "Im Sport so wie im Krieg, Ausdauer schlägt alles."Bild: Rolf Vennenbernd/dpa/picture alliance

Der Bruder von Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko fügte hinzu: "Das sind Lügner, die haben die Welt Jahrzehnte belogen mit ihrer Propaganda." Wenn man in Verhandlungen gehe, dann nicht aus einer Position der Schwäche. Auch wenn alles sehr langsam und mühsam vorangehe. Es sei klar geworden, dass Putins Russland sich an diesem Krieg "verschlucken" werde.

Sieben Schiffe nutzten ukrainischen Korridor über das Schwarze Meer

Aus ukrainischen Schwarzmeerhäfen sind seit Mitte August bislang sieben Schiffe trotz einer vermeintlichen russischen Seeblockade ausgelaufen. Fünf davon hätten dort seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 festgesteckt, teilte der Sprecher der ukrainischen Marine, Dmytro Pletentschuk, in Odessa mit. Zwei weitere Frachter seien in die Ukraine gekommen, hätten Getreide geladen und seien wieder ausgelaufen.

Russland war Mitte Juli aus dem internationalen Getreideabkommen ausgestiegen, das der Ukraine trotz des russischen Angriffskrieges den Transport von Getreide über das Schwarze Meer ermöglicht hatte. Kiew öffnete Anfang August dann von mehreren Schwarzmeerhäfen einen Seekorridor für Handelsschiffe, ungeachtet der russischen Drohung, nach dem Auslaufen des Abkommens jedes Schiff aus der Ukraine oder mit dem Ziel Ukraine im Schwarzen Meer als "feindlich" zu betrachten und ins Visier zu nehmen. 

Der Frachter "Aroyat" hatte am Sonntag Istanbul erreicht. Geladen hat das Schiff 17.600 Tonnen Weizen für ÄgyptenBild: Yoruk Isik/REUTERS

Es gebe für die Frachter noch ein Restrisiko durch russische Raketen und Flugzeuge, sagte Pletentschuk. Die Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte wagten sich aber aus Angst, abgeschossen zu werden, nicht in die Nähe des Schifffahrtsweges. Von den Dutzenden Schiffen, die seit Beginn des Krieges festsaßen, hatte Mitte August als erster der deutsch-chinesische Containerfrachter "Joseph Schulte" die Passage gewagt.

Deutsche Gasspeicher sind nun zu mehr als 95 Prozent gefüllt

Vor Beginn der Heizperiode sind die deutschen Gasspeicher fast voll. Die angestrebte Füllstandsmarke von 95 Prozent ist vorzeitig erreicht – etwa zwei Wochen früher als im vergangenen Jahr. Das ergibt sich aus vorläufigen Daten des europäischen Gasspeicherverbands GIE. Eine Verordnung aus dem Vorjahr sieht vor, dass die Speicher bis zum 1. November zu 95 Prozent gefüllt sein sollen. Die Speicher gleichen Schwankungen beim Gasverbrauch aus und bilden damit ein Puffersystem für den Markt. Zu 100 Prozent befüllt waren die Speicher zuletzt am Morgen des 14. November 2022.

Auch der größte deutsche Gasspeicher in Rehden in Niedersachsen ist wieder gut gefülltBild: Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Im Winter nehmen die Füllstände üblicherweise ab, nach dem Ende der Heizperiode wieder zu. Die Menge des in den Speichern gelagerten Erdgases entspricht bei 100 Prozent Füllstand nach früheren Angaben der Bundesregierung etwa dem Verbrauch von zwei bis drei durchschnittlich kalten Wintermonaten. "Die Ausgangslage für den Winter 2023/24 ist deutlich besser als vor einem Jahr, jedoch verbleiben Restrisiken", schrieb die Bundesnetzagentur in der vergangenen Woche in ihrem Gaslagebericht. Zugleich erklärte sie, ein sparsamer Gasverbrauch bleibe wichtig.

Estland sieht Notwendigkeit für höhere Verteidigungsausgaben der NATO-Staaten

Estlands Regierungschefin Kaja Kallas hat die anderen NATO-Staaten zu einer deutlichen Erhöhung ihrer Verteidigungsausgaben nach dem Vorbild der baltischen Republiken ermuntert. Sie verwies auf ihr eigenes Land, das diesen Etatposten im kommenden Jahr auf 3,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes erhöhen werde. "Und das ist etwas, für das ich auch auf Ebene der NATO werbe", sagte Kallas der Deutschen Presse-Agentur. 

Estlands Regierungschefin Kaja Kallas im Interview mit der Deutschen Presse-AgenturBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

"Schauen sie auf das Jahr 1988, als alle NATO-Verbündeten mehr als zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung ausgaben. Und warum? Weil sie die Gefahr als ernsthaft betrachteten. Nun aber ist die Gefahr größer als während des Kaltes Krieges, weil der Krieg nach Europa zurückgekehrt ist", sagte Kallas.

qu/mak/kle/se (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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