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Politik

Ukraine aktuell: Roth zu Besuch in Odessa

6. Juni 2022

Die deutsche Staatsministerin Claudia Roth reist in die Hafenstadt am Schwarzen Meer. Außenminister Sergej Lawrow kann wegen Luftraumsperrungen nicht nach Serbien fliegen. Ein Überblick.

Ukraine Krieg l Kulturstaatsministerin Roth besucht Odessa, Ankunft
Kulturstaatsministerin Roth will zwei Tage in Odessa bleibenBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Claudia Roth startet Besuch in Hafenstadt Odessa
  • Selenskyj in umkämpfter Region Saporischschja
  • Briten sagen Ukraine Lieferung von Raketenwerfern zu
  • Mehr Tuberkulose- und HIV-Fälle befürchtet
  • Russlands Außenminister muss Serbien-Reise absagen

 

Kulturstaatsministerin Claudia Roth ist zu einem zweitägigen Besuch in Odessa eingetroffen. Die Grünen-Politikerin ist das erste Mitglied der Bundesregierung, das nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine in der Hafenstadt am Schwarzen Meer zu Gast ist. Roth ist auf Einladung des ukrainischen Kulturministers Olexandr Tkatschenko in Odessa.

Sie wolle der ukrainischen Stadt bei der Bewerbung zum UNESCO-Welterbe helfen, versicherte die Grünen-Politikerin dem ukrainischen Kulturminister Olexandr Tkatschenko und Bürgermeister Hennadij Truchanow. "Deutschland unterstützt diese Bewerbung", sagte Roth im Namen der Bundesregierung. 

Zum Auftakt ihrer Reise hatte Roth erklärt, Odessa habe unheimlich viel Kultur. "Wir wollen zeigen, dass wir da sind", sagte sie, "wir wollen zeigen, wie die Kultur angegriffen wird". Roth ergänzte, sie wolle in Odessa erfahren, wie das Gesicht des Krieges jenseits der Frage von schweren Waffen aussehe. Humanitäre Hilfsangebote kämen in den Debatten noch zu selten vor.

Russische Dissidenten sollen dauerhaft bleiben können

Für rund 70 russische Journalisten, die nach Kriegsbeginn nach Deutschland geflüchtet waren und ein 90-Tage-Schengen-Visum erhielten, zeichnet sich unterdessen eine Lösung ab. Das Magazin "Der Spiegel" berichtet unter Berufung auf Regierungskreise, die Bundesregierung wolle den Dissidenten einen Daueraufenthalt in Deutschland ermöglichen.

Ihre Lebenshaltungskosten sollten vorerst durch Stipendien abgedeckt werden. Diese sollten zunächst für ein Jahr gelten.

Selenskyj reist an die Front nach Saporischschja

Bei einem Besuch in der umkämpften Region Saporischschja hat sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj über die militärische Lage informiert. Knapp 60 Prozent der Region im Südosten der Ukraine seien seit dem russischen Einmarsch am 24. Februar von Moskaus Truppen besetzt worden, berichtete der örtliche Militärgouverneur Olexander Staruch, der mit dem Staatschef zu einem Gespräch zusammenkam.

Lagebesprechung in Saporischschja: Staatschef Wolodymyr Selenskyj (M.)Bild: UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRESS SERVICE/AFP

Zum Ärger der ukrainischen Führung werden in der Region Saporischschja auch russische Pässe verteilt. Befürchtet wird in Kiew eine Annexion des Gebiets.

"Viele Menschen treffen aus Orten ein, die zeitweise vom Feind besetzt sind", sagte Selenskyj in der namensgebenden Großstadt Saporischschja. Die Flüchtlinge müssten mit Wohnungen versorgt werden, verlangte er. Nach Saporischschja waren auch besonders viele Menschen aus der Hafenstadt Mariupol geflüchtet, in der prorussische Separatisten mit Hilfe von Moskaus Truppen die Kontrolle übernommen haben.

Selenskyj, der auch die Städte Lyssytschansk und Soledar besuchte, hatte zuletzt immer wieder schwere Waffen vom Westen gefordert, um nicht nur den russischen Vormarsch aufzuhalten, sondern auch besetzte Gebiete zurückzuerobern. 20 Prozent des gesamten Territoriums der Ukraine seien inzwischen von russischen Truppen besetzt, wie der Präsident zuletzt erläuterte.

In einer am Sonntagabend veröffentlichten Video-Ansprache sagte der 44-Jährige: "Der Krieg Russlands gegen die Ukraine muss so schnell wie möglich beendet werden." Die Ukraine kämpft inzwischen seit mehr als 100 Tagen gegen die russische Invasion. Die Vereinten Nationen haben bisher mehr als 4100 getötete Zivilisten registriert, gehen aber von weitaus höheren zivilen Opferzahlen aus.

Lesen Sie dazu auch: Crowdfunding gegen Russlands Krieg in der Ukraine

Lage in Sjewjerodonezk dreht sich

In der umkämpften ostukrainischen Stadt Sjewjerodonezk hat sich die Lage für die ukrainische Seite nach Angaben des Gouverneurs von Luhansk etwas verschlechtert. Es gebe intensive Straßenkämpfe, sagt Serhij Gajdaj dem staatlichen Fernsehen. "Unseren Verteidigern ist es gelungen, eine gewisse
Zeit einen Gegenangriff zu führen, sie haben fast die Hälfte der Stadt befreit. Aber jetzt hat sich die Situation für uns wieder ein wenig verschlechtert."

Ukrainische Soldaten hielten jedoch Stellungen im Industriegebiet der Stadt. Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs greifen russische Truppen  Sjewjerodonezk massiv mit Artillerie und Mörsern an.

Heftig umkämpft: Sjewjerodonezk im Donbass (Foto vom 2. Juni)Bild: Aris Messinis/AFP/Getty Images

Sjewjerodonezk ist die letzte größere Stadt der Region Luhansk, die Russland noch nicht erobert hat. Erklärtes Ziel der russischen Streitkräfte ist es, die gesamte Donbass-Region, zu der noch die Region Donezk gehört, einzunehmen.

Russische Truppen rücken nach britischen Angaben auf die Stadt Slowiansk in der Region Donezk vor. Teile des Donbass werden bereits seit 2014 von pro-russischen Separatisten kontrolliert.

Ukraine bestätigt Tötung eines russischen Generals

Das ukrainische Militär hat nach eigenen Angaben einen weiteren hochrangigen russischen Offizier im Generalsrang getötet. Der Kommandeur des 1. Armeekorps der separatistischen Donezker Volksrepublik, Generalmajor Roman Kutusow, sei "offiziell entnazifiziert und entmilitarisiert" worden, erklärte die Verwaltung für strategische Kommunikation der ukrainischen Streitkräfte. Kutusow hatte offenbar einen russischen Angriff bei Popasna im Gebiet Luhansk geleitet.

Zuvor hatte ein Reporter des russischen Staatsfernsehens auf Telegram über den Tod des Generals berichtet, ohne weitere Angaben zu machen. Moskau hat seit Beginn seiner Invasion den Tod von vier russischen Generälen eingeräumt. 

"Schub" für das ukrainische Militär

Trotz Warnungen von Russlands Staatschef Wladimir Putin möchte auch Großbritannien die Ukraine mit der Lieferung von hochleistungsfähigen Raketenwerfern unterstützen. Die Mehrfachraketenwerfer vom Typ "M270" bedeuteten "einen deutlichen Schub für die Fähigkeiten der ukrainischen Armee", hob das Verteidigungsministerium in London hervor. Das System kann Ziele in bis zu 80 Kilometern Entfernung mit präzisionsgelenkten Raketen treffen. Großbritannien will ukrainische Soldaten auch im Einsatz der "M270"-Raketenwerfer schulen. Bereits vergangene Woche hatten die USA angekündigt, der Ukraine ihr mobiles Artillerie-Raketensystem Himars zu liefern, das die bisherigen ukrainischen Waffensysteme in Reichweite und Präzision übertrifft.

Ein Mehrfachraketenwerfer vom Typ M270 (Archiv)Bild: Sean Gallup/Getty Images

Am Sonntag hatte Putin westliche Staaten aufgefordert, der Ukraine keine Langstreckenraketen zur Verfügung zu stellen. Andernfalls "werden wir die entsprechenden Schlussfolgerungen ziehen und unsere Waffen einsetzen (...), um Objekte zu treffen, die wir bisher nicht getroffen haben", betonte Putin. 

Moskau für Getreideexport via Odessa

Die russische Führung hat laut der Kreml-nahen Tageszeitung "Iswestija" mit Kiew und Ankara ein Schema zur Freigabe von Getreidelieferungen aus dem bisher blockierten Schwarzmeerhafen Odessa abgestimmt. "In den Hoheitsgewässern des Nachbarlands übernehmen türkische Militärs die Minenräumung und sie werden auch die Schiffe bis in neutrale Gewässer begleiten", beschreibt "Iswestija" unter Berufung auf Regierungskreise den geplanten Ablauf. Später würden russische Kriegsschiffe die Getreidefrachter bis zum Bosporus eskortieren.

Die Ukraine ist einer der größten Getreideexporteure weltweit. Die russische Blockade ukrainischer Häfen sorgt deshalb insbesondere in vielen Ländern Afrikas für Befürchtungen vor einer Hungersnot. Kürzlich empfing Kremlchef Wladimir Putin deswegen den Präsidenten der Afrikanischen Union (AU) und Senegals, Macky Sall. 

AU-Präsident Macky Sall traf am Freitag in Sotschi den russischen Staatschef Wladimir Putin Bild: Mikhail Klimentyev/IMAGO

Der ukrainische Präsident Selenskyj warnte davor, dass die Blockade der Getreide-Exporte immer größere Ausmaße annehmen könne. Die zurückgehaltene Menge des für den Export bestimmten Getreides aus der Ukraine könnte sich bis "zum Herbst" verdreifachen, sagte Selenskyj. Derzeit seien zwischen 20 und 25 Millionen Tonnen Getreide blockiert, "bis zum Herbst könnte diese Zahl auf 70 bis 75 Millionen Tonnen ansteigen". Über das Meer könnten nach seinen Angaben zehn Millionen Tonnen Getreide pro Monat exportiert werden. Die Ukraine diskutiere auch mit Polen und den baltischen Staaten über die Ausfuhr kleinerer Getreidemengen auf dem Schienenweg. 

"Lebensbedrohliche Situation"

Der "Globale Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria" rechnet damit, dass der Krieg in der Ukraine zu einem starken Anstieg der Infektionszahlen bei HIV und Tuberkulose führen wird. Fonds-Direktor Peter Sands sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: "Große Fluchtbewegungen, die Unterbringung in beengten Unterkünften und die Unterbrechung der medizinischen Versorgung begünstigen die Verbreitung von Infektionskrankheiten." 

Nach Angaben des Globalen Fonds hatte die Ukraine bereits vor dem Krieg eine der höchsten Tuberkulose- und HIV-Raten in der Region Osteuropa/Zentralasien. Dabei ist die Ukraine eines der 30 Länder weltweit, das am stärksten von multiresistenter Tuberkulose betroffen ist. Das bedeutet, dass gängige Medikamente nicht mehr anschlagen.

Mangelware in der Ukraine: HIV-MedikamenteBild: Jens Kalaene/dpa/picture alliance

"Mehr als 150 Gesundheitseinrichtungen wurden beschädigt oder zerstört, medizinisches Personal und Patienten wurden vertrieben, verletzt oder getötet", berichtete Sands. Viele Menschen hätten keinen Zugang zu medizinischer Versorgung mehr, Präventions- und Behandlungsprogramme seien unterbrochen. 

Lawrow kann nicht nach Serbien

Der russische Außenminister Sergej Lawrow kann nach Angaben aus Moskau wegen einer fehlenden Fluggenehmigung an diesem Montag nicht zu einem zweitägigen Besuch nach Serbien reisen. Ein ranghoher Ministeriumsmitarbeiter bestätigte einen serbischen Medienbericht, wonach Bulgarien, Nord-Mazedonien und Montenegro keine Genehmigung für den Überflug der russischen Regierungsmaschine erteilt haben. Auf die Frage, ob der Besuch abgesagt sei, entgegnete der Ministeriumsmitarbeiter: "Die Diplomatie hat bisher nicht die Fähigkeit zum Beamen erlangt."

Kann sich nicht nach Serbien "beamen": Russlands Außenminister Sergej LawrowBild: Mikhail Tereshchenko/ITAR-TASS/IMAGO

Lawrow ist wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ebenso wie Putin mit westlichen Sanktionen belegt. Zudem ist der europäische Luftraum für russische Flugzeuge gesperrt.

Der Außenminister wollte sich mit der serbischen Führung treffen, um etwa über die Versorgung des Balkanlandes mit russischer Energie zu sprechen. Während die EU in Reaktion auf den Ukraine-Krieg auf eine deutliche Reduzierung der russischen Lieferungen zusteuert und kürzlich ein weitgehendes Ölembargo gegen Russland vereinbarte, setzt Serbien weiterhin auf enge Kooperation mit Russland in diesem Bereich. Serbien ist fast vollständig von russischen Energielieferungen abhängig. Moskau besitzt auch eine Mehrheitsbeteiligung an der serbischen Öl- und Gasgesellschaft NIS.

Neustart für Fußball-Meisterschaft geplant

Trotz des Krieges will der ukrainische Fußball-Verband die Meisterschaftsrunde im August neu starten. Die Entscheidung für den Wiederbeginn des am 24. Februar ausgesetzten Spielbetriebs der Premier Liga sei gemeinsam mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen worden, teilte Verbandspräsident Andrej Pawelko mit.

"Von Kindern bis zu alten Menschen ist jeder auf den Krieg fokussiert. Jeden Tag bekommen sie Informationen über Todesfälle, über die Auswirkungen des Krieges", sagte Pawelko. Der Fußball habe eine große Kraft, damit die Menschen in der Ukraine wieder an eine Zukunft glauben könnten.

Nicht am Ball: Oleksandr Karawajew (blaues Trikot) aus der UkraineBild: MATTHEW CHILDS/Action Images via Reuters

Die Nationalmannschaft der Ukraine hatte das letzte europäische Ticket für die WM-Endrunde in Katar am Sonntag auf dramatische Weise verpasst. Im Play-off-Endspiel in Cardiff unterlag die Mannschaft von Trainer Oleksandr Petrakow dem Gastgeber Wales durch ein Eigentor des früheren Dortmunders Andrij Jarmolenko 0:1.

haz/uh/wa/fab/se/ehl (dpa, afp, rtr, kna)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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