Aktuell: Massive Raketen- und Drohnenangriffe
10. Februar 2023
Das Wichtigste im Überblick:
- Russland startet wieder massive Luftangriffe auf die Ukraine
- Hohe Verluste bei Vormarsch auf Bachmut und Wuhledar
- Ukraine-Kriegsverbrechen sind Thema der Sicherheitskonferenz
- Ehemaliger US-General Hodges will Kampfjets für die Ukraine
- Deutschland liefert der Slowakei zwei MANTIS-Luftabwehrsysteme
Russland hat nach Angaben des ukrainischen Militärs am Morgen "massive" Raketen- und Drohnenangriffe auf die Regionen Charkiw und Saporischschja gestartet. Allein in Saporischschja seien innerhalb einer Stunde mindestens 17 Raketen eingeschlagen, wie die Behörden mitteilten. Es sei der schwerste Luftangriff seit Beginn der russischen Invasion vor knapp einem Jahr. Auch in der Hauptstadt Kiew und der umliegenden Region waren Explosionen zu hören. Die Behörden riefen die Bevölkerung auf, Schutzräume aufzusuchen und warnten vor der Gefahr neuer Angriffe.
Zwei russische Raketen sollen laut des ukrainischen Armeechefs Walerij Saluschnyj sowohl den Luftraum von Moldau als auch den des NATO-Landes Rumänien verletzt haben. Moldau hat den Überflug bestätigt. Die Regierung in Bukarest widerspricht den ukrainischen Angaben und machte dazu konkrete Angaben. "Die Zielflugbahn, die dem rumänischen Luftraum am nächsten kam, wurde vom Radar bei etwa 35 Kilometer nordöstlich der Grenze erfasst", teilte das rumänische Verteidigungsministerium mit.
Ukraine: Haben 61 der 71 Marschflugkörper abgefangen
Landesweit wurde eine Notabschaltung der Stromversorgung angeordnet. Der staatliche Energieversorger Ukrenerho teilte mit, dass es Einschläge "in einige Objekte der Hochspannungsinfrastruktur" im Osten, Westen und Süden des Landes gegeben habe. Laut Ukrenerho sei es die 14. derartige russische Angriffswelle auf das Energiesystem der Ukraine seit vergangenem Oktober.
Nach Kiewer Angaben haben russische Truppen bei dem massiven Raketenangriff 71 Marschflugkörper eingesetzt. 61 davon seien abgefangen worden, teilte der ukrainische Generalstab in seinem abendlichen Lagebericht mit. Die Marschflugkörper seien von russischen Schiffen und von Flugzeugen aus gestartet worden. Außerdem habe Russland nach vorläufiger Zählung 29 Raketen des eigentlich zur Luftabwehr bestimmten Systems S-300 auf Bodenziele in der Ukraine abgefeuert. Unabhängig überprüfbar waren die Angaben nicht.
Offenbar hohe Verluste bei Vormarsch auf Bachmut und Wuhledar
Wagner-Söldner und reguläre russische Truppen sind nach Einschätzung britischer Militärexperten in den vergangenen Tagen auf die ostukrainischen Städte Bachmut und Wuhledar vorgerückt - erlitten dabei aber teils hohe Verluste. Das ging aus dem täglichen Geheimdienst-Update des Verteidigungsministeriums in London hervor. "Russische Kräfte dominieren zunehmend die nördlichen Zufahrtswege nach Bachmut. Im Süden sind russische Einheiten auf den westlichen Rand des Ortes Wuhledar vorgerückt", heißt es darin.
Russische Truppen hätten wohl besonders hohe Verluste um Wuhledar erlitten, weil unerfahrene Einheiten zum Einsatz gekommen seien, hieß es. Bei einem einzigen Vorfall seien 30 weitgehend intakte gepanzerte Fahrzeuge nach einem missglückten Angriff zurückgelassen worden.
Ukraine-Kriegsverbrechen sind Thema der Sicherheitskonferenz
Die Strafverfolgung von möglichen Kriegsverbrechen in der Ukraine steht auf der Tagesordnung der Münchner Sicherheitskonferenz in der kommenden Woche. Konferenzchef Christoph Heusgen sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, deshalb werde unter anderem der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Karim Khan, an der Veranstaltung teilnehmen.
Heusgen verwies auf den Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 im Juli 2014 über der Ostukraine. Angesichts dessen seien Diskussion und Bemühungen umso wichtiger, um "die Verantwortlichen für die von Russland in der Ukraine begangenen Gräueltaten zur Rechenschaft zu ziehen". Bundesaußenministerin Annalena Baerbock hatte unlängst ein Ukraine-Sondertribunal vorgeschlagen, was in der Europäischen Union (EU) aber auf Skepsis stößt.
Zur Münchner Sicherheitskonferenz kommen jährlich Staats- und Regierungschefs aus aller Welt sowie weitere hochrangige Gäste in die bayerische Landeshauptstadt, um globale Sicherheitsprobleme zu besprechen.
Bericht: USA helfen der Ukraine bei Koordination von Angriffszielen
Die USA sollen die Ukraine zufolge bei der Koordination von Angriffszielen gegen das russische Militär unterstützen. Das berichtet die "Washington Post". Bei einer Mehrheit der Angriffe, bei denen die fortschrittlichen US-Raketensysteme zum Einsatz kommen, sollen die USA oder Verbündete die Koordinaten von Angriffszielen bereitstellen oder bestätigen. Die Zeitung nannte als Ziele etwa russische Munitionsdepots oder Kasernen auf ukrainischem Boden.
Die Unterstützung bei der Zielerfassung dient demnach dazu, Genauigkeit zu gewährleisten und mit begrenzten Munitionsvorräten maximale Wirksamkeit zu erreichen. Das Pentagon stellte klar, dass die USA weder Ziele genehmigten noch an der Auswahl oder dem Einsatz von Zielen beteiligt seien. "Die Ukrainer sind dafür verantwortlich, Ziele zu finden, Prioritäten zu setzen und schließlich zu entscheiden, welche sie angreifen wollen."
Ukrainischer Botschafter wirbt um Verständnis für Waffenwünsche
In der Diskussion um Waffenlieferungen an die Ukraine hat der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksij Makejew, um Verständnis für die Wünsche seines Landes geworben. "Wenn wir um Waffen bitten, dann geht es um Verteidigung. Ohne Waffen können wir nicht kämpfen", sagte Makejew im Mitteldeutschen Rundfunk (MDR).
Er könne Kritik an den aktuellen Forderungen der Ukraine nicht verstehen und empfehle Kritikern, mit denen zu sprechen, "die selber den Krieg erlebt haben, die Verwandte und Freunde verloren haben oder jeden Tag dreimal in den Schutzbunker gehen müssen."
Deutschland liefert der Slowakei zwei MANTIS-Luftabwehrsysteme
Die Slowakei erhält aus Deutschland zwei MANTIS-Luftabwehrsysteme. Bratislava erhalte sie kostenlos und dauerhaft, sagte eine Sprecherin des slowakischen Verteidigungsministeriums der Nachrichtenagentur AFP. Die Luftabwehrsysteme würden dem Schutz der Ostgrenze des Landes zur Ukraine dienen.
Der slowakische Verteidigungsminister Jaroslav Nad schrieb auf Facebook, die Ausbildung der slowakischen Soldaten im Umgang mit dem System werde "in den kommenden Monaten" beginnen. Die Systeme hätten einen Wert von rund 120 Millionen Euro. MANTIS kann gegen Raketen, Artilleriegeschosse, Mörser oder Drohnen eingesetzt werden.
Manifest-Unterzeichner fordern Verhandlungen statt Waffenlieferungen
Die Bundestagsabgeordnete der Linken, Sahra Wagenknecht, und Deutschlands bekannteste Frauenrechtlerin, Alice Schwarzer haben Bundeskanzler Olaf Scholz aufgefordert, im Ukraine-Krieg auf Verhandlungen statt Waffenlieferungen zu setzen. In einem gemeinsamen "Manifest für den Frieden" warnen die beiden Frauen vor einer "Rutschbahn Richtung Weltkrieg und Atomkrieg".
Spätestens wenn die ukrainischen Streitkräfte die Krim angreifen sollten, werde der russische Präsident Wladimir Putin "zu einem maximalen Gegenschlag" ausholen. Die Schwarzmeerhalbinsel Krim ist von Russland widerrechtlich annektiert worden. Das Manifest wird von 69 Erstunterzeichnern unterstützt.
Die Slowakei will der Ukraine MiG-29-Kampfflugzeuge liefern
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Slowakei um Kampfflugzeuge des sowjetischen Typs MiG-29 gebeten. Der slowakische Ministerpräsident Eduard Heger sagte ihm daraufhin zu, "an der Erfüllung dieses Wunsches zu arbeiten". Das geht aus einem kurzen Gespräch der beiden Politiker hervor, aus dem die Deutsche Presse-Agentur zitiert.
"Es ist im Interesse der slowakischen und der europäischen Sicherheit, Ihnen zu helfen", antwortete Heger dem ukrainischen Präsidenten am Rande des EU-Gipfels in Brüssel. Die Slowakei will die MiG-29 im Rahmen eines EU-Finanzierungsmechanismus an die Ukraine übergeben. Deshalb ist der Zeitpunkt der Übergabe noch offen.
Früherer US-General will Kampfjets für die Ukraine
Der ehemalige Oberbefehlshaber der US-Armee, Ben Hodges, forderte in einem Gespräch mit der Deutschen Welle Kampfjets für die Ukraine. Der General sagte, er glaube, dass Russland versuche, eine neue Offensive zu starten, aber nicht die Fähigkeit für eine "große" Militäraktion habe.
"Sie haben nicht die gepanzerten Kräfte, nicht die Fähigkeit, durchzubrechen", sagte Hodges und fügte hinzu, dass sich dadurch das "allgemeine operative Umfeld" in der Ukraine nicht ändern werde. Der US-General sagte voraus, dass ein ukrainischer Sieg angesichts der derzeitigen westlichen Unterstützung drei bis fünf Jahre dauern könnte. Mit zusätzlicher Unterstützung werde die Ukraine die russischen Streitkräfte bis Ende des Jahres aus ihrem Gebiet vertreiben können.
EU-Parlamentspräsidentin sieht Kampfjetlieferungen an Ukraine positiv
Auch EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola hat die Bedeutung von Kampfjetlieferungen an die Ukraine unterstrichen. "Nun müssen die Staaten als nächsten Schritt erwägen, rasch weitreichende Systeme und Flugzeuge bereitzustellen", sagte sie im Europaparlament in Brüssel. Diese würden benötigt, um die Freiheit zu schützen, die zu viele für selbstverständlich gehalten hätten.
Anlässlich des Besuchs des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beim EU-Parlament und später beim EU-Gipfel in Brüssel erklärte Metsola: "Unsere Reaktion muss der Bedrohung angemessen sein - und die Bedrohung ist existenziell." Zu Beginn ihrer Rede sagte Metsola, die Führung Selenskyjs habe Menschen in jeder Ecke der Welt inspiriert.
Im Streit über einen Ausschluss Russlands von den Olympischen Spielen 2024 haben 35 Staaten - darunter Deutschland - nach Darstellung Litauens den Druck auf das Internationale Olympische Komitee (IOC) erhöht. Die Länder hätten bei einem virtuellen Treffen einstimmig beschlossen, ein Teilnahme-Verbot für Athleten aus Russland und Weißrussland zu fordern, sagte die litauische Sport-Ministerin Jurgita Siugzdiniene. Ein von der Ukraine angedrohter Boykott würde sich damit erübrigen.
Russland fällt als Handelspartner ab
Die deutschen Exporte nach Russland sind mit den Sanktionen infolge des Ukraine-Kriegs eingebrochen, während die Importe zugelegt haben. Der Wert der Ausfuhren nach Russland fiel im vergangenen Jahr um gut 45 Prozent gemessen am Vorjahr auf 14,6 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.
In der Rangfolge der wichtigsten Abnehmerstaaten deutscher Exporte fiel Russland im Jahresvergleich von Rang 15 auf Platz 23. Wegen der mit dem Ukraine-Krieg stark gestiegenen Preise etwa für Öl und Gas wuchsen zugleich die deutschen Importe, was den Wert in Geld angeht. Demnach steigerten sich die Einfuhren aus Russland um 6,5 Prozent auf 35,3 Milliarden Euro. Die importierte Warenmenge ging hingegen um 41,5 Prozent zurück. Bis in die zweite Jahreshälfte war Russland noch ein wichtiger Energielieferant für Deutschland.
nob/bri/rb/qu/AR/bru (AFP, AP, dpa, KNA, epd, Reuters, DW)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.