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KonflikteEuropa

Aktuell: Mehr deutsche Truppen für NATO-Ostflanke

7. Juni 2022

Kanzler Olaf Scholz verspricht Litauen zusätzliche militärische Unterstützung für die Verteidigung gegen einen möglichen russischen Angriff. Moskau kehrt Gerichtshof für Menschenrechte den Rücken. Ein Überblick.

Kanzler Scholz in Litauen
"Deutschland wird seinen Beitrag verstärken": Kanzler Olaf Scholz (M.) in LitauenBild: Ints Kalnins/REUTERS

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Deutschland will mehr Soldaten nach Litauen entsenden
  • Moskau verlässt Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
  • Russland verhängt Sanktionen gegen US-Finanzministerin Yellen
  • USA ordnen Beschlagnahmung zweier Flugzeuge von Abramowitsch an
  • Selenskyj warnt vor Dauerblockade der Getreide-Exporte

 

Deutschland wird den militärischen Schutz für Litauen mit Blick auf eine mögliche russische Bedrohung deutlich ausbauen. Das vereinbarten Bundeskanzler Olaf Scholz und der litauische Präsident Gitanas Nauseda bei einem Besuch des Kanzlers in Litauen. Nach Angaben aus Regierungskreisen soll die Präsenz der Bundeswehrsoldaten im Rahmen der sogenannten 'NATO Enhanced Forward Presence' in Litauen selbst von derzeit 1000 auf rund 1500 Soldaten aufgestockt werden. 

Insgesamt will Deutschland künftig eine "robuste und kampfbereite" Brigade in einer Stärke von rund 3000 Soldatinnen und Soldaten für den Schutz Litauens abstellen. Von dieser Brigade soll ein Großteil in Deutschland stationiert, aber fest für den Einsatz in dem baltischen Land abgestellt werden. Dies soll vor allem eine schnelle Einsatzbereitschaft gewährleisten. "Wir werden jeden Zentimeter des Bodens von NATO-Gebiet verteidigen", betonte Scholz.

Nauseda wies darauf hin, dass die baltischen Staaten "an der Frontlinie der NATO" liegen. "Maximale Abwehrbereitschaft und verstärkte Einsatzkräfte in unserer Region sind der Schlüssel zur Sicherheit des gesamten Bündnisses." Derzeit ist ein von Deutschland geführtes NATO-Bataillon mit 1600 Soldaten in Litauen stationiert - davon gehören mehr als 1000 der Bundeswehr an. Die baltischen Staaten dringen seit längerer Zeit auf die Stationierung jeweils einer NATO-Brigade in den drei Ländern. Die endgültige Entscheidung über die Verstärkung der NATO-Ostflanke soll auf dem NATO-Gipfel in Madrid vom 28. bis 30. Juni fallen.

 

Gebäude des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in StraßburgBild: Winfried Rothermel/picture alliance

Jurisdiktion von Menschenrechts-Gerichtshof aufgehoben

Das russische Parlament hat den Rückzug des Landes aus dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) beschlossen. Die Abgeordneten verabschiedeten ein Gesetz, wonach Russland nicht mehr der Gerichtsbarkeit des EGMR untersteht. "Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist zu einem Instrument des politischen Kampfes gegen unser Land in den Händen westlicher Politiker geworden", sagte der Vorsitzende des russischen Unterhauses, Wjatscheslaw Wolodin, nach der Abstimmung.

Der EGMR ist der juristische Arm des Europarats, aus dem Russland wegen des Kriegs gegen die Ukraine ausgeschlossen wurde. Moskau hatte seinen Austritt nach 26 Jahren Mitgliedschaft Mitte März bekanntgegeben und war so einem formellen Beschluss der übrigen Mitgliedstaaten zuvorgekommen. Als Folge des nun verabschiedeten Gesetzes wird Russland keine Urteile des EGMR umsetzen, die nach dem 15. März ergangen sind. Das Gesetz sieht auch vor, dass russische Gerichte die Befugnis haben, Entscheidungen des EGMR aufzuheben. 

Neue Zielscheibe russischer Sanktionen: US-Finanzministerin Janet YellenBild: CHIP SOMODEVILLA/AFP/Getty Images

Moskau erlässt neue Sanktionen

Russland hat Strafmaßnahmen gegen 61 Politiker und Manager aus den USA verkündet. Darunter seien Finanzministerin Janet Yellen und Energieministerin Jennifer Granholm, teilte das Außenministerium in Moskau mit. Die Sanktionen richteten sich auch gegen führende Manager aus der Rüstungsindustrie und der Medienbranche. Auf der Liste stehen zudem der Verwaltungsratschef der New Yorker Börse, Jeffrey Sprecher, der Chef der Ratingagentur Fitch, Paul Taylor, und der Chef der Fluggesellschaft Delta, Edward Bastian. Die Betroffenen dürfen nicht mehr in Russland einreisen.

Es handle sich um eine Vergeltung für die Ausweitung von US-Sanktionen gegen Vertreter Russlands, hieß es in Moskau. Die russische Führung hatte Ende Mai bereits eine Liste von 963 Personen veröffentlicht, denen die Einreise in Russland untersagt ist. Dazu gehören Präsident Joe Biden und der Facebook-Gründer Mark Zuckerberg.

US-Justiz will zwei Flugzeuge von Abramowitsch einziehen

Die US-Justiz hat die Beschlagnahmung von zwei Flugzeugen des russischen Milliardärs Roman Abramowitsch angeordnet. Das Justizministerium begründet die Maßnahme in Gerichtsdokumenten damit, dass die Maschinen für Verstöße gegen die Sanktionen gegen Russland verwendet worden seien. Die Boeing 787-8 Dreamliner und das Geschäftsreiseflugzeug Gulfstream G650ER seien unter Verstoß gegen die Sanktionsauflagen nach Russland geflogen. Der Wert der beiden Flugzeuge wird zusammen auf 400 Millionen Dollar (374 Millionen Euro) geschätzt. Allerdings befinden sich die Flugzeuge offenbar außerhalb der Reichweite der US-Behörden. Die Gulfstream G650ER soll sich laut Medienberichten in Russland befinden, die Boeing-Maschine in Dubai.

Keine guten Nachrichten für den russischen Milliardär Roman Abramowitsch Bild: Martin Meissner/AP/picture alliance

Das Justizministerium werde "aktive Schritte" zur Beschlagnahmung ergreifen, sagte der Ministeriumsmitarbeiter Andrew Adams in New York. Nach seinen Worten zielt die Maßnahme darauf ab, Menschen mit engen Verbindungen zum Kreml dazu zu bewegen, sich von der Moskauer Machtzentrale und vom russischen Staat zu "distanzieren". Abramowitsch werden enge Verbindungen zum russischen Staatschef Wladimir Putin nachgesagt. Die westlichen Sanktionen wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatten für den Oligarchen vor allem in Großbritannien massive Folgen. Dort wurden seine sämtlichen Vermögenswerte eingefroren. Der Londoner Fußballklub FC Chelsea, der ihm seit fast 20 Jahren gehört hatte, wird von einer Investorengruppe des US-Geschäftsmanns Todd Boehly übernommen.

Zahlreiche Angriffe im Donbass

Während ukrainische Truppen in der Industriestadt Sjewjerodonezk in Straßenkämpfe mit russischen Soldaten verwickelt sind, greift die russische Luftwaffe ukrainischen Angaben zufolge verstärkt Ziele in der Region Donezk an. Zusätzlich zur russischen Artillerie seien Kampfflugzeuge und Hubschrauber im Einsatz, teilte der Generalstab mit. Am Montag seien bei Angriffen auf die Regionen Donezk und Luhansk zwei Zivilisten getötet worden. Mehr als zwanzig Gemeinden seien attackiert worden. Russland bestreitet, die Zivilbevölkerung anzugreifen.

Den ukrainischen Streitkräften ist es nach eigenen Angaben gelungen, die russische Flotte auf mehr als 100 Kilometer Entfernung von der Schwarzmeerküste zurückzudrängen. Der feindlichen Marine sei die "totale Kontrolle über den Nordwesten des Schwarzen Meeres entzogen" worden, teilte das Verteidigungsministerium in Kiew auf Telegram mit. Russland versuche aber, die Kontrolle über das Meeresgebiet zurückzuerobern.

Ukrainische Soldaten feuern in der Region Donezk Granaten aus einer modernen Haubitze britischer Produktion abBild: REUTERS

Den Städten an der Küste drohten weiterhin russische Raketenangriffe, so das Ministerium. Zudem blockiere die russische Flotte weiterhin die zivile Schifffahrt. Als Reaktion auf die ukrainischen Erfolge im Schwarzen Meer hätten die russischen Streitkräfte Systeme zur Küstenverteidigung auf die Halbinsel Krim und in das von Russland besetzte Gebiet rund um die Stadt Cherson verlegen müssen.

Russland meldet Einnahme der Stadt Swjatohirsk

Das russische Militär und die von Moskau unterstützten Separatisten haben nach eigenen Angaben die ukrainische Stadt Swjatohirsk (Swjatogorsk) mit ihrem historischen Kloster erobert. "Swjatogorsk ist praktisch befreit. Und es läuft die Säuberung", sagte der Anführer der Separatistenregion Donezk, Denis Puschilin, im russischen Staatsfernsehen. Dort liegt das zuletzt auch beschossene Erzkloster Mariä-Entschlafung, das zu den wichtigsten Heiligtümern der russischen Orthodoxie gehört.

Der Moskauer Patriarch Kirill, der den Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützt, steht seit langem im Ruf, die alten religiösen Stätten in der Ukraine für die russisch-orthodoxe Kirche unter seinem Einfluss halten zu wollen. Der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, hatte zuvor erklärt, dass die Eroberung der Stadt in den letzten Zügen sei. Die letzten Soldaten der ukrainischen Streitkräfte hätten die Militärtechnik und Waffen zurückgelassen und seien geflüchtet. Eine Bestätigung von ukrainischer Seite für den Verlust von Swjatohirsk liegt nicht vor.

Selenskyj warnt vor andauernder Blockade der Getreide-Exporte

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat wegen des russischen Krieges gegen sein Land vor einer immer dramatischeren Blockade der Getreide-Exporte gewarnt. Die blockierte Menge des für den Export bestimmten Getreides aus der Ukraine könnte sich bis "zum Herbst" auf 75 Millionen Tonnen verdreifachen, sagte Selenskyj. Vor der russischen Invasion war die Ukraine der weltweit viertgrößte Exporteur von Weizen und Mais.

"Wir brauchen Seekorridore und diskutieren darüber mit der Türkei und dem Vereinigten Königreich" sowie den Vereinten Nationen, sagte der ukrainische Präsident. Über das Meer könnten nach seinen Angaben zehn Millionen Tonnen Getreide pro Monat exportiert werden. Die Ukraine diskutiere auch mit Polen und den baltischen Staaten über die Ausfuhr kleinerer Getreidemengen auf dem Schienenweg.

Im Hafen der ukrainischen Stadt Mykolajiw wird Gerste in einen Frachter verladen (Archivbild)Bild: Vincent Mundy/REUTERS

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte vergangene Woche versichert, es gebe "keine Probleme, Getreide aus der Ukraine zu exportieren" - entweder über ukrainische Häfen oder andere Orte unter russischer Kontrolle oder über Mittel- und Osteuropa. Die Ukraine hingegen beschuldigt Russland, ihre Häfen zu blockieren, und lehnt die Moskauer Vorschläge zu Exportwegen ab.

USA verdächtigen Russland des Getreidediebstahls 

US-Außenminister Antony Blinken hat den Verdacht geäußert, dass Russland ukrainisches Getreide für den eigenen Profit stiehlt. Berichte, wonach Russland ukrainisches Getreide beschlagnahmt, um dieses selbst zu verkaufen, nannte Blinken in Washington "glaubwürdig". Er erhob außerdem den Vorwurf, dass Moskau durch die Getreideblockade die Welt "erpressen" wolle.

Die russische Seeblockade des südukrainischen Hafens Odessa verhindere, dass Getreide von dort zu den "normalen Zielen" verschifft werde, sagte Blinken. Rund 20 Millionen Tonnen Weizen seien in Silos nahe Odessa "gefangen". Putin wolle erzwingen, dass die restliche Welt "ihm nachgibt" und ihre Sanktionen gegen Russland aufhebt. "In anderen Worten, ganz einfach ausgedrückt, es ist Erpressung."

Die "New York Times" hatte am Montag berichtet, dass mehrere Frachtschiffe von Russland kontrollierte Häfen mit "gestohlenem ukrainischen Weizen" verlassen hätten. Die US-Regierung habe 14 überwiegend in Afrika gelegene Länder, für welche der Weizen eigentlich bestimmt sei, auf diesen Vorgang hingewiesen. 

Roth sichert Odessa Unterstützung für UNESCO-Welterbe zu

Kulturstaatsministerin Claudia Roth ist als das erste deutsche Regierungsmitglied, das nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine die Hafenstadt Odessa besucht. Dort kündigte sie im Gespräch mit dem ukrainischen Kulturminister Olexandr Tkatschenko und Bürgermeister Hennadij Truchanow an, dass Deutschland der Stadt bei der Bewerbung zum UNESCO-Welterbe helfen werde.

Kulturstaatsministerin Roth steht neben einem Standbild in Odessa, das mit Sandsäcken geschützt istBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Die Stadt sei offensichtlich in einer Notsituation, überall sei zu sehen, wie Kunstwerke vor den Angriffen beschützt würden, sagte Roth im Namen der Bundesregierung. Sie wolle sich auch bei ihren Kolleginnen und Kollegen anderer Länder für die Bewerbung Odessas stark machen. Odessa gilt nicht nur als Kulturmetropole, sondern ist vor allem wegen ihres großen Hafens auch von strategischer Bedeutung. Zuletzt gab es erneut Meldungen über Raketenangriffe im Raum Odessa.

Lettland sperrt Fernsehkanäle mit russischer Registrierung

Lettland stellt nach der Sperre von mehreren russischen Staatssendern die Ausstrahlung von allen in Russland registrierten Fernsehkanälen ein. Dies sagte der Vorsitzende des Nationalen Rats für elektronische Massenmedien (NEPLP), Ivars Abolins, der lettischen Nachrichtenagentur Leta. Betroffen von der Sperre sind demnach 80 Fernsehsender. Sie tritt am Donnerstag in Kraft. Das Sendeverbot basiert nach Angaben von Abolins auf Änderungen am Gesetz zu elektronischen Massenmedien. Demnach dürfen TV-Kanäle, die in einem Land registriert sind, das die territoriale Unversehrtheit und Unabhängigkeit eines anderen Landes bedroht, in Lettland nicht ausgestrahlt werden. Die Sperre bleibe so lange in Kraft, bis Russland seinen Krieg gegen die Ukraine beendet und die annektierte Krim zurückgibt.

Lettland hatte nach dem russischen Angriff auf die Ukraine bereits mehrere russischsprachige Fernsehsender gesperrt. Damit sollen nach Angaben des NEPLP Gefahren für die nationale Sicherheit des baltischen EU- und NATO-Mitgliedslandes mit großer russischer Minderheit verhindert werden.

Vergangene Zeiten: Ein Blick in die Redaktion des Senders Doschd in Moskau im Jahr 2021Bild: Sergey Dik/DW

Abolins gab zugleich bekannt, dass der NEPLP beschlossen hat, dem unabhängigen russischen Kanal Doschd eine Sendelizenz zu erteilen. Der Online-Sender, der angesichts des harten Vorgehens der russischen Behörden im März vorerst seine Arbeit eingestellt hatte, werde künftig in Lettland registriert sein.

kle/wa/jj (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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