1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Aktuell: NATO warnt vor Atomunfall in Saporischschja

17. August 2022

Jens Stoltenberg fordert das Ende der russischen Besetzung im AKW. Finnland und Lettland wollen russische Touristenvisa und Aufenthaltstitel drastisch reduzieren. Russische Urlauber verlassen die Krim. Unser Überblick.

Jens Stoltenberg vor dem NATO-Symbol
Jens Stoltenberg fordert eine IAEA-Inspektion für das AKW SaporischschjaBild: Olivier Matthys/AP Photo/picture alliance

Das Wichtigste in Kürze:

  • NATO fürchtet AKW-Unfall in Saporischschja
  • Finnland will weniger Touristenvisa an Russen ausgeben
  • Lettland erschwert Zugang zu Aufenthaltsgenehmigungen für Russen
  • Selenskyj ruft Ukrainer in besetzten Gebieten zu Vorsicht auf
  • Immer mehr russische Urlauber verlassen die Krim

 

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat angesichts der russischen Besetzung des Atomkraftwerks Saporischschja vor einem Atomunfall gewarnt und Moskau dazu aufgefordert, einer Inspektion durch die Internationale Atomenergiebehörde zuzustimmen. Die Inbesitznahme des ukrainischen Kraftwerks durch die russischen Streitkräfte sei eine ernsthafte Bedrohung für die Sicherheit der
Anlage, sagte Stoltenberg in Brüssel. Sie erhöhe das Risiko eines nuklearen Unfalls oder Zwischenfalls und gefährde die Bevölkerung der Ukraine, der Nachbarländer sowie der internationalen Gemeinschaft. "Es ist dringend erforderlich, die Inspektion durch die Internationale Atomenergiebehörde zu gewähren und den Abzug aller russischen Streitkräfte sicherzustellen."

Finnland schränkt Touristenvisa für Russen ein

Ab 1. September soll in Finnland nur noch ein Zehntel der bislang gültigen Zahl der russischen Touristenvisa ausgestellt werden. Die Regierung in Helsinki nannte am als Grund eine wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Mit den Touristenvisa aus Finnland können Russen ungehindert in die EU weiterreisen.

Passagiere verlassen einen Bus auf dem Weg von Sankt Petersburg nach HelsinkiBild: Anni Ågren/Lehtikuva/dpa/picture alliance

Nach Angaben des finnischen Außenministers Pekka Haavisto ist ein reines Verbot von Visa aufgrund der Staatsangehörigkeit nicht möglich. Deshalb sollen die Öffnungszeiten, die für die Beantragung von Touristenvisa vorgesehen sind, verkürzt werden. Künftig sollten Anträge von russischen Bürgern, die aus familiären Gründen, für die Arbeit oder das Studium ein Visum brauchen, bevorzugt behandelt werden.

Derzeit bearbeitet Finnland täglich fast 1000 Visa-Anträge aus Russland, sagte Haavisto. Zuletzt war die Zahl der russischen Touristen in Finnland gestiegen. Der Minister sprach sich auch dafür aus, das EU-Abkommen über Visa-Erleichterungen mit Russland zu stoppen. Das würde den Preis für Touristenvisa von 35 auf 80 Euro erhöhen.

Der finnische Außenminister Pekka HaavistoBild: /AP Photo/picture alliance

Finnland will das Thema Touristenvisa auch beim nächsten Treffen der EU-Außenminister am 30. August in Tschechien ansprechen. Zuletzt waren in der Europäischen Union vermehrt Forderungen aufgekommen, die Einreise von Russen in die EU zu beschränken oder ganz zu stoppen. Tschechien, das derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, will den EU-Mitgliedstaaten einen Reisebann für alle Russinnen und Russen vorschlagen und vergibt bereits seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine keine Visa mehr an russische Bürger.

Aufenthaltstitel für Russen sollen verschärft werden

Das EU-Land Lettland will das Regelwerk für die Vergabe und Erneuerung von Aufenthaltserlaubnissen an Russen und Belarussen weiter verschärfen. Nach Angaben von Regierungschef Krisjanis Karins sollen befristete Aufenthaltsgenehmigungen für Staatsbürger der beiden Nachbarländer künftig generell nicht mehr verlängert werden. Dies werde nur noch in sehr seltenen Ausnahmefällen möglich sein, sagte er nach einem Treffen der vier Bündnisparteien seiner Mitte-Rechts-Regierung in Riga. 

Innenminister Kristaps Eklons schlug zudem vor, unbefristete Aufenthaltserlaubnisse etwa für Familienangehörige erst nach einem erfolgreich bestandenen Lettisch-Sprachtest zu erteilen. 

Lettland hatte als eine Reaktion auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine die Vergabe von Aufenthaltsgenehmigungen an Russen und Belarussen ausgesetzt - und zudem fast 1000 Aufenthaltsgenehmigungen widerrufen. Nach Angaben der Migrationsbehörde haben in Lettland gegenwärtig mehr als 9000 russische Bürger befristete Aufenthaltsgenehmigungen.

Dazu kommen noch gut 37.000 russische Staatsbürger mit einer dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung. Lettland mit seinen 1,9 Millionen Einwohnern grenzt an Russland und dessen Verbündeten Belarus. In dem Baltenstaat lebt eine starke russischstämmige Minderheit.

Selenskyj ruft Ukrainer in besetzten Gebieten zu Vorsicht auf

Nach schweren Explosionen in russischen Militäranlagen auf der Krim hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Ukrainer in den russisch besetzten Gebieten aufgefordert, besonders vorsichtig zu sein. "Bitte gehen Sie nicht in die Nähe der militärischen Einrichtungen der russischen Armee und all jener Orte, an denen sie Munition und Ausrüstung lagern, wo sie ihre Hauptquartiere unterhalten!", sagte Selenskyj in seiner Videoansprache.

Sein Appell bezieht sich auf Landsleute auf der Krim, in anderen Regionen im Süden der Ukraine, in den besetzten Gebieten des Donbass und in der Region Charkiw. Selenskyj reklamierte die jüngsten Explosionen nicht als erfolgreiche Angriffe für die Ukraine. Die Auslöser seien "sehr verschieden", die Russen könnten auch selbst schuld sein. Die Warteschlange an der Brücke von der Krim aufs russische Festland beweise, "dass die absolute Mehrheit der Bürger des Terrorstaates bereits versteht oder zumindest das Gefühl hat, dass die Krim kein Ort für sie ist", so Selenskyj.

Präsident Selenskyj bei seiner täglichen Videoansprache - hier am 15. August 2022Bild: Ukrainian Presidential Press Office/ZUMAPRESS/picture alliance

Russische Touristen kehren der Krim den Rücken zu

Videos in sozialen Netzwerken zeigen, dass seit Tagen viele russische Feriengäste die Halbinsel Krim verlassen und es Staus vor der Brücke von Kertsch gibt. Die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti meldete für Montag einen Rekord von 38.300 Fahrzeugen auf der Brücke - allerdings in beide Richtungen. Am Bahnhof der Krim-Hauptstadt Simferopol versuchten am Dienstag viele Touristen, eine Zugfahrkarte zu erwerben. Russland hatte die ukrainische Krim 2014 besetzt und annektiert.

Die Brücke von Kertsch verbindet die Krim mit dem russischen FestlandBild: Sergei Malgavko/TASS/picture alliance

Macron will russischen Truppenabzug von Atomkraftwerk Saporischschja

Der französische Präsident Emmanuel Macron hat die Forderung nach einem Abzug der russischen Truppen vom Atomkraftwerk Saporischschja in der Südukraine bekräftigt. Macron habe in einem Telefongespräch mit seinem ukrainischen Kollegen Wolodymyr Selenskyj seine "Besorgnis" über die Lage zum Ausdruck gebracht, erklärte der Élysée-Palast in Paris. Die Präsenz und die Einsätze der russischen Verbände am Kraftwerk sowie der allgemeine "Kriegskontext" seien eine "Bedrohung" für die Sicherheit der ukrainischen Atomanlagen.

Die russische Armee hält das Atomkraftwerk Saporischschja seit März besetzt, seit Ende Juli wurde es wiederholt beschossen. Kiew und Moskau machten sich gegenseitig für die Angriffe verantwortlich. Diese weckten Befürchtungen vor einer atomaren Katastrophe am größten Atomkraftwerk Europas. Die ukrainische Regierung und ihre westlichen Verbündeten fordern eine entmilitarisierte Zone rund um das Akw und einen Abzug der russischen Truppen. Der UN-Sicherheitsrat hatte am vergangenen Donnerstag eine Dringlichkeitssitzung zur Lage in Saporischschja abgehalten.

Cyberangriff auf ukrainischen Atomkonzern Energoatom

Das ukrainische Atomunternehmen Energoatom ist nach eigenen Angaben Opfer eines "beispiellosen" russischen Cyberangriffs geworden, der aber keine "größeren" Folgen für das Funktionieren der eigenen Website gehabt habe. Auf die Website von Energoatom sei die bislang größte Cyberattacke seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Februar verübt worden, teilte das Unternehmen mit.

Der Cyberangriff erfolgte inmitten der internationalen Sorge um das von Energoatom betriebene ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja. Die russische Armee hält die Anlage seit März besetzt, seit Ende Juli wurde sie wiederholt beschossen. Kiew und Moskau machten sich gegenseitig für die Angriffe verantwortlich. Diese weckten Befürchtungen vor einer atomaren Katastrophe am größten Atomkraftwerk Europas.

Human Rights Watch wirft Russland Völkerrechtsverstöße vor

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat Russland beschuldigt, das humanitäre Völkerrecht und das Kriegsvölkerrecht zu verletzen. Russische Streitkräfte hätten auf die zweitgrößte ukrainische Stadt Charkiw wiederholt rechtswidrige Angriffe verübt, bei denen Zivilisten getötet oder verletzt sowie Gesundheitseinrichtungen und Wohnungen beschädigt wurden, erklärte Human Rights Watch in Kiew. Alle dokumentierten Attacken fanden demnach in bewohnten Gebieten statt. Die Organisation dokumentierte in Charkiw und dessen Nachbarstadt Derhatschi acht rechtswidrige Angriffe, bei denen zwölf Zivilisten getötet, 26 weitere verwundet und mindestens fünf Krankenhausgebäude beschädigt worden seien.

Die Überreste einer bombardierten Getränkefabrik in der ukrainischen Region CharkiwBild: Evgeniy Maloletka/AP Photo/picture alliance

Human Rights Watch wirft Russland vor, dabei unter anderem explosive Waffen mit großflächiger Wirkung und weitgehend geächtete Streumunition verwendet zu haben. Als Streumunition werden Raketen und Bomben bezeichnet, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper freisetzen. Die Organisation wies darauf hin, dass vorsätzliche Angriffe auf Krankenhäuser oder medizinische Einrichtungen, die nicht ihrerseits zur Durchführung von Angriffen genutzt werden, Kriegsverbrechen darstellen.

Guterres will mit Selenskyj und Erdogan sprechen

UN-Generalsekretär Antonio Guterres will an diesem Donnerstag in der Ukraine Präsident Wolodymyr Selenskyj und den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan treffen. Wie UN-Sprecher Stéphane Dujarric ankündigte, wird das Gespräch im westukrainischen Lwiw stattfinden. Hauptthema ist die die Umsetzung eines Abkommens zu ukrainischen Getreide-Exporten. Wegen des russischen Angriffskrieges waren monatelang alle Getreide-Exporte der Ukraine aus ihren Schwarzmeer-Häfen blockiert, was zu einer globalen Lebensmittelkrise beitrug. Im Juli unterzeichneten Russland und die Ukraine ein von den Vereinten Nationen und der Türkei vermitteltes Abkommen, um die Blockade zu überwinden. Sie verpflichteten sich darin unter anderem, sichere Korridore für die Frachtschiffe auf dem Schwarzen Meer zu schaffen.

Das erste mit Getreide beladene Schiff seit Beginn des russischen Angriffskriegs Ende Februar war am 1. August in der Ukraine gestartet, seitdem brachen insgesamt 21 Schiffe auf. Für die Ausfuhren sollen drei ukrainischen Häfen genutzt werden.

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

kle/ehl (dpa, afp, rtr)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen