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KonflikteUkraine

Ukraine: NATO-Generalsekretär besucht Kiew

Veröffentlicht 28. September 2023Zuletzt aktualisiert 28. September 2023

Jens Stoltenberg war der prominenteste, doch nicht der einzige politische Besucher an diesem Donnerstag. Russland erhöht seinen Wehretat um fast 70 Prozent. Ein Überblick.

Stoltenberg in Kiew
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg (links) mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in KiewBild: Ukrainian Presidential Press Office/AP Photo/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • NATO-Generalsekretär Stoltenberg besucht Ukraine
  • Auch Verteidigungsminister aus Paris und London zu Gast in Kiew
  • Russland kündigt massive Erhöhung des Wehretats an
  • Bulgarien liefert Ukraine Raketen und Munition
  • Kiew meldet Rückkehr von Wagner-Söldnern in Ostukraine

 

Zum zweiten Mal seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 hat NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Ukraine besucht. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew sagte er, die Verteidiger machten bei ihrer Gegenoffensive "sukzessive Boden gut". Selenkskyj erklärte, ein NATO-Beitritt seines Landes sei "nur eine Frage der Zeit", und die Ukraine tue alles, "um diesem Zeitpunkt näher zu kommen". Zugleich verlangte er mehr Unterstützung bei der Luftabwehr, um die Energie-Infrastruktur seines Landes im nahenden Winter schützen zu können.

Das Treffen war aus Sicherheitsgründen zunächst geheim gehalten worden. Zum ersten Mal nach Kriegsbeginn hatte Stoltenberg die Ukraine am 20. April dieses Jahres besucht.

Großbritannien verspricht weitere Hilfe

Der neue britische Verteidigungsminister Grant Shapps hatte der Ukraine zuvor bei seinem Antrittsbesuch weitere Unterstützung zugesichert. "Wir werden unermüdlich daran arbeiten, unsere Partner zusammenzubringen, um der Ukraine dabei zu helfen, Putins illegale Invasion niederzuschlagen", schrieb Shapps im Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter). Nach Angaben des Präsidialamts in Kiew betonte Selenskyj auch bei seiner Unterredung mit Shapps, wie wichtig eine Stärkung der Luftabwehr sei.

Auch der neue britische Verteidigungsminister Grant Shapps (rechts) war beim ukrainischen Staatschef zu GastBild: Ukrainian Presidential Press Office/PA Media/dpa/picture alliance

Frankreichs Verteidigungsminister Sébastien Lecornu reiste ebenfalls an. Er wurde von Managern der Waffenindustrie seines Landes begleitet. In Kiew ist ein Treffen von Vertretern der Rüstungsbranche geplant. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hatte am Montag auf X von mindestens 165 Rüstungsfirmen aus 26 Ländern geschrieben, die an der Veranstaltung teilnehmen sollen. Die Ukraine will nach eigenen Angaben einer der führenden Waffenproduzenten der Welt werden.

Scholz: Kasachstan ist wichtiger Partner für Unabhängigkeit von russischer Energie

Kasachstan ist nach den Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz ein wichtiger Partner Deutschlands für die Lieferung von Rohöl und anderen Rohstoffen. Das zentralasiatische Land helfe dabei, "unsere Lieferwege zu verbreitern, beispielsweise beim Import von Rohöl, und (...) uns unabhängig zu machen von russischen Energielieferungen", sagte Scholz bei einer Pressekonferenz mit dem kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart Tokajew in Berlin. "Auch wenn es um kritische Rohstoffe geht, um die Energiewende zu gestalten, blicken wir auf Kasachstan als Partner."

Bundeskanzler Olaf Scholz (rechts) mit dem kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart TokajewBild: dts Nachrichtenagentur/IMAGO

Tokajew und er hätten vereinbart, die Bedingungen für Handel und Investitionen zu verbessern. "Der Staatspräsident hat mir seine Pläne für den Ausbau des Rechtsstaats, für die Einhaltung von Menschenrechten, für demokratische Prinzipien in dem Land geschildert." Nach Tokajews Worten waren am Mittwoch "wichtige Handelsvereinbarungen" unter anderem mit dem Siemens-Konzern, der Deutschen Bahn und Linde unterzeichnet worden. Kasachstan ist ein wirtschaftliches Schwergewicht in Zentralasien und ein enger Verbündeter Russlands, mit dem es verschiedene militärische und wirtschaftliche Allianzen bildet. Scholz würdigte auch die Bemühungen Kasachstans, die Umgehung westlicher Sanktionen gegen das benachbarte Russland zu unterbinden.

Für diesen Freitag hat Scholz zu einem Zentralasien-Gipfel geladen, an dem außer Tokajew auch die Staatschefs von Usbekistan, Turkmenistan, Kirgistan und Tadschikistan teilnehmen wollen.

EU verlängert Schutzstatus für ukrainische Flüchtlinge

Ukrainische Kriegsflüchtlinge sollen noch bis mindestens März 2025 einen besonderen Schutz in der Europäischen Union genießen. Beim Treffen der EU-Innenminister in Brüssel nahmen die Mitgliedsstaaten einen entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission an, den temporären Schutzstatus um ein Jahr zu verlängern. Die Verlängerung soll den mehr als vier Millionen Ukrainerinnen und Ukrainern in der EU Sicherheit geben. In Deutschland haben rund eine Million von ihnen Zuflucht gefunden.

Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hatten die EU-Staaten die Richtlinie zum vorübergehenden Schutz erstmals aktiviert. Damit können die Kriegsflüchtlinge ohne Asylverfahren schnell und unbürokratisch einen Aufenthaltstitel erhalten. Sie können einer Arbeit nachgehen, ihre Kinder zur Schule schicken und sind krankenversichert.

Moskau kündigt massive Erhöhung des Wehretats an

Russland will seine Rüstungsausgaben im kommenden Jahr um fast 70 Prozent erhöhen. Die Mittel für das Militär sollen im Jahresvergleich um mehr als 68 Prozent auf fast 10,8 Billionen Rubel (rund 106 Milliarden Euro) steigen, wie das Finanzministerium in Moskau mitteilte. Sie würden damit rund sechs Prozent des russischen Bruttoinlandsprodukts ausmachen.

Nach Berechnungen der Nachrichtenagentur AFP wird der russische Wehretat im Jahr 2024 etwa dreimal so hoch sein wie die Ausgaben für Bildung, Umweltschutz und Gesundheit zusammen. Die russische Zentralbank warnte unlängst vor einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in der zweiten Jahreshälfte. Der Rubel hat seit Jahresbeginn rund 30 Prozent seines Wertes im Vergleich zum Dollar eingebüßt. Grund dafür sind maßgeblich die hohen Militärausgaben und die ausbleibenden Einnahmen aus Öl- und Gasverkäufen an europäische Staaten infolge westlicher Sanktionen.

Deutsche Waffenzusagen summieren sich auf 18 Milliarden Euro

Die Bundesregierung hat der Ukraine seit Kriegsbeginn im Februar 2022 Waffen im Wert von rund 18 Milliarden Euro geliefert oder zugesagt - und verlangt dafür keine Bezahlung. Die militärischen Unterstützungsleistungen seien "nicht rückerstattungspflichtig", heißt es in einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen. 

Der Flugabwehrpanzer Gepard gehört zu den von Deutschland an die Ukraine gelieferten Rüstungsgütern (Archivbild)Bild: Peter Steffen/dpa/picture alliance

Im vergangenen Jahr habe sich der Wert der gelieferten Waffen auf zwei Milliarden Euro summiert, und im laufenden Jahr würden es voraussichtlich 5,4 Milliarden Euro sein, schrieb das  Bundesfinanzministerium. Hinzu kämen Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 10,5 Milliarden Euro für die Folgejahre.

Die Linken-Abgeordnete Dagdelen warf der Koalition falsche Prioritäten bei den Ausgaben vor. "Faktisch finanziert die 'Ampel' ihre milliardenschweren Waffengeschenke an die Ukraine durch die sozialen Kürzungen", sagte sie der Nachrichtenagentur AFP.

Kartellamt genehmigt deutsch-ukrainisches Joint Venture

Das Bundeskartellamt bewilligte unterdessen die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall und des ukrainischen Staatskonzerns Ukrainian Defense Industry (UDI). Das neue Unternehmen soll in der Ukraine Militärfahrzeuge bauen und warten, wie Bundeskartellamtschef Andreas Mundt mitteilte. Es werde seinen Sitz in Kiew haben und "zunächst ausschließlich auf dem Staatsgebiet der Ukraine tätig sein". Während Rheinmetall im Rüstungsbereich vor allem für die Herstellung von Panzerfahrzeugen steht, ist das ukrainische Staatsunternehmen UDI für die Herstellung von Waffen und Ausrüstung bekannt.

Bulgarien liefert Ukraine Raketen und Munition

Bulgarien will die Ukraine auch mit Flugabwehrraketen und Munition unterstützen. Das neue Hilfspaket wurde vom Parlament in Sofia gebilligt. Dabei handelt es sich laut Vorlage der pro-westlichen Regierungsmehrheit um fehlerhafte Raketen für Flugabwehrkomplexe S-300 sowjetischer Bauart. Diese könnten, wie es hieß, in dem einstigen Ostblockland und heutigen NATO-Mitgliedstaat nicht mehr repariert werden, wohl aber in der Ukraine.

Für die Militärhilfe stimmte eine Mehrheit von 141 Parlamentariern des Regierungslagers, wie die Pressestelle des Parlaments mitteilte. Mit Nein stimmten 40 Abgeordnete vor allem der pro-russischen nationalistischen Partei Wasraschdane (Wiedergeburt). Die ebenso oppositionellen Sozialisten hätten sich nicht an der Abstimmung beteiligt, hieß es.

Auch unter russischem Beschuss: Kostjantyniwka, etwa 20 Kilometer von Bachmut entferntBild: Alex Babenko/AP/dpa/picture alliance

Cherson wieder unter russischem Beschuss 

Die Behörden der südukrainischen Region Cherson haben am Mittwochabend neue russische Angriffe gemeldet. In der gleichnamigen Gebietshauptstadt Cherson sei ein 41-Jähriger getötet worden, teilte Militärgouverneur Olexander Prokudin auf Telegram mit. Eine weitere Person sei verletzt worden. Auch unweit der Stadt Beryslaw habe es Luftangriffe der russischen Armee gegeben, hieß es. Bereits in den vergangenen Tagen waren in der Region, die teilweise noch immer von russischen Truppen besetzt ist, immer wieder Zivilisten durch Beschuss getötet oder verletzt worden.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei seiner täglichen VideoanspracheBild: Presidential Office of Ukraine | CC BY-NC-ND 4.0

"In diesen Tagen bombardiert Russland Cherson, Beryslaw und Dörfer im Chersoner Gebiet mit besonderer Brutalität", sagte der ukrainische Präsident Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. "Das ist bewusster Terror der Besatzer. Mein Beileid gilt allen, die ihre Liebsten verloren haben!"

Ukraine bringt Kinder nahe der Südfront in Sicherheit

Die Ukraine hat eigenen Angaben zufolge alle Kinder aus mehreren Kleinstädten und Dörfern nahe der Südfront in der Region Saporischschja evakuiert. "Wir haben die von der ukrainischen Regierung gestellte Aufgabe erfüllt", erklärte der stellvertretende Gouverneur des Gebiets. Demnach wurden die Kinder aus fünf Siedlungen zusammen mit ihren Familien in Sicherheit gebracht.

Die Kinder in der Ukraine leiden unter den Folgen des Krieges (Archivbild)Bild: Anatolii Stepanov/AFP

Örtlichen Medienberichten zufolge betraf dies insgesamt 59 Kinder aus Huljajpole, Stepnohirsk, Preobraschenka, Jehoriwka und Nowopawliwka. Die Maßnahme war bereits im August mit Blick auf die "schwierige" Sicherheitssituation angekündigt worden.

Kiew meldet Rückkehr von Wagner-Söldnern in Ostukraine

Drei Monate nach dem Wagner-Aufstand und gut einen Monat nach dem Tod ihres früheren Chefs Jewgeni Prigoschin sind russische Söldner der Wagner-Truppe nach Angaben Kiews erneut in der Ukraine im Einsatz. Kämpfer der russischen Privatarmee seien wieder im Osten  aktiv. Es handele sich um Wagner-Söldner, die zuvor auf dem Gebiet von Belarus stationiert gewesen seien, sagte der Sprecher der Heeresgruppe Ost des ukrainischen Militärs, Ilja Jewlasch, Medien in Kiew.

Während ein Teil der Söldner nach Afrika gegangen sei, hätten andere neue Verträge mit Russlands Verteidigungsministerium geschlossen und nähmen an Kampfhandlungen teil. Zuvor hatten Medien berichtet, Wagner-Kämpfer seien erneut an Gefechten um Bachmut in der Ostukraine beteiligt. Die Privatarmee Wagner gilt seit dem Tod Prigoschins und weiterer Kommandeure im August als führungslos. Die Söldner-Truppe hatte lange neben regulären russischen Einheiten in Moskaus Angriffskrieg gegen die Ukraine gekämpft.

Wagner-Söldner im Frühjahr in der Ukraine auf einem von russischen Staatsmedien verbreiteten BildBild: RIA Novosti/SNA/IMAGO

Laut ukrainischem Grenzschutz sind von den etwa 6000 nach dem abgebrochenen Aufstand gegen die russische Militärführung nach Belarus gegangenen Söldnern nur noch etwa 500 in der autoritär geführten Ex-Sowjetrepublik. Die nun auf das Schlachtfeld in der Ukraine zurückgekehrten Männer stellten aber keine größere Bedrohung dar, heißt es aus Kiew.

EU und USA planen Gipfeltreffen in Washington

US-Präsident Joe Biden wird EU-Kommissionchefin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel am 20. Oktober zu einem Gipfeltreffen empfangen, wie mehrere Nachrichtenagenturen unter Berufung auf einen hochrangigen EU-Vertreter berichten. Dabei dürfte es unter anderem um die transatlantische Abstimmung über die Unterstützung der Ukraine und Sanktionen gegen Russland gehen. Auf der Tagesordnung dürfte zudem eine ganze Liste von strittigen Handelsfragen stehen, aber auch die Klimakrise und die Lage der Weltwirtschaft.

Der letzte EU-USA-Gipfel im Juni 2021 unter Corona-BedingungenBild: Patrick Semansky/AP Photo/picture alliance

Biden hatte zuletzt im März 2022 die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder in Brüssel getroffen. Der letzte Dreiergipfel mit Biden, von der Leyen und Michel liegt bereits länger zurück: Er hatte im Juni 2021 in Brüssel stattgefunden.

qu/wa/se/kle/ehl/jj (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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