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KonflikteUkraine

Ukraine: NATO-Partner setzen Rüstungskontrolle aus

8. November 2023

Mit dem Ausstieg Russlands aus dem KSE-Vertrag legen die NATO-Staaten das Abkommen auf Eis. Die EU-Kommission empfiehlt Beitrittsgespräche mit der Ukraine. Ein Überblick.

Beim Luftwaffen-Manöver Air Defender 2023 fliegen vier Kampfflugzeuge mit einem Tankflugzeug über Wunstorf in Niedersachsen
Luftwaffen-Manöver über NiedersachsenBild: Jöran Steinsiek/IMAGO

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • NATO: KSE-Vertrag ist ohne Russland sinnlos
  • EU-Kommission empfiehlt Beitrittsgespräche mit der Ukraine
  • Ukrainischer Präsident sichert der EU weitere Reformen zu
  • Deutschland beendet Einsatz von Flugabwehrsystemen in Polen
  • Ukrainisches Erstligaspiel dauert fünf Stunden

 

Deutschland und andere NATO-Partner haben als Reaktion auf Russlands Rückzug aus dem Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa ein vorläufiges Ende des Abkommens vereinbart. Der KSE-Vertrag verliere durch den russischen Rücktritt den größten Teil seines sicherheitspolitischen und rüstungskontrollpolitischen Nutzens, heißt es aus dem Auswärtigen Amt in Berlin. Ziel sei es gewesen, ein ausgeglichenes konventionelles militärisches Kräftepotenzial in Europa sicherzustellen. Dieses lasse sich ohne die Mitwirkung Russlands nicht realisieren. Im Falle einer grundlegenden Verhaltensänderung Russlands bleibe eine erneute Anwendung des KSE-Vertrags möglich.

In einer gemeinsamen Erklärung aller 31 NATO-Staaten heißt es, wenn sich die Allianz an die Übereinkunft halte, ohne dass Russland dies tue, sei dies nicht nachhaltig. Alle alliierten Vertragsstaaten wollten nun die Anwendung des KSE-Abkommens im Einklang mit ihren völkerrechtlichen Rechten so lange wie erforderlich aussetzen.

Der KSE-Vertrag war 1992 in Kraft getreten. Ziel war ein sicheres und stabiles Gleichgewicht der konventionellen Streitkräfte auf niedrigerem Niveau sowie die Verhinderung militärischer Überraschungsangriffe in Europa. Russland hatte die Umsetzung des Vertrags bereits 2007 ausgesetzt. Der vollständige russische Austritt wurde am Dienstag rechtswirksam. Das Aus für den KSE-Vertrag gilt als weiterer Rückschlag für die internationalen Bemühungen um mehr Rüstungskontrolle.

EU-Kommission empfiehlt Beitrittsgespräche 

Die EU-Kommission hat den Mitgliedsländern die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Ukraine und dem Nachbarland Moldau empfohlen. Das teilte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel mit. Sie schlug zudem vor, Georgien zum Beitrittskandidaten zu machen, knüpfte dies aber an eine Reihe von Kriterien. Die EU-Staats- und Regierungschefs werden bei ihrem Gipfeltreffen Mitte Dezember darüber entscheiden. 

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Wolodymyr Selenskyj vor wenigen Tagen in Kiew Bild: Efrem Lukatsky/AP Photo/picture alliance

Selenskyj sichert der EU weitere Reformen zu

Die Ukraine hat der Europäischen Union weitere Reformen zugesichert. Man arbeite an neuen Gesetzen und an einer Stärkung der staatlichen Institutionen, um die EU-Standards in dem Land einzuführen, sagte Präsident Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft. Die Mitgliedschaft in der EU bedeute für die Ukraine "wirtschaftliche Sicherheit und soziale Stabilität".

Deutschland zieht Patriot-Systeme aus Polen ab

Deutschland zieht drei Patriot-Flugabwehrsysteme aus Polen wieder ab, wie das Verteidigungsministerium in Berlin mitteilt. An diesem Freitag werde der Einsatz beendet, der Luftverteidigungsauftrag im Rahmen der NATO zur Sicherung der Ostflanke werde dann wieder von Polen übernommen. Deutschland hatte als Reaktion auf einen Raketeneinschlag in Polen am 15. November vergangenen Jahres dem Nachbarland und NATO-Mitglied Unterstützung bei der Luftverteidigung angeboten. Seit Mitte Januar waren die drei Patriot-Systeme in der Nähe der Stadt Zamość nahe der Grenze zur Ukraine stationiert.
 

Patriots zum Schutz der NATO-OstflankeBild: Sebastian Kahnert/dpa/picture alliance

Ukraine stärkt vor dem Winter ihre Luftabwehr

Angesichts des bevorstehenden Winters will die Ukraine rechtzeitig gegen mögliche russische Angriffe auf die Energieinfrastruktur gewappnet sein. Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte an, die ukrainische Luftabwehr mit von westlichen Verbündeten gelieferten Systemen zu stärken. Er habe in den vergangenen Tagen "Berichte über den Erhalt von Munition, Hardware und Ausrüstung erhalten", schrieb Selenskyj in Onlinediensten. "Zusätzliche Nasams-Systeme von Partnern wurden in den Kampfeinsatz gebracht. Eine rechtzeitige Verstärkung unserer Luftverteidigung vor dem Winter."

Eine Luftabwehrkanone bei KiewBild: Anatolii Stepanov/AFP/Getty Images

Kiew hatte von seinen westlichen Verbündeten zur Unterstützung seiner Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg zahlreiche Waffen erhalten, darunter neben dem Flugabwehrsystem vom Typ Patriot auch hochmoderne Abwehrsysteme vom Typ Nasams aus den USA und Iris-T aus Deutschland. Die Ukraine befürchtet, dass Russland das ukrainische Energienetz bald wieder verstärkt ins Visier nimmt. Deshalb hatte der ukrainische Staatschef mehr Unterstützung von der NATO zum Schutz dieser Infrastruktur gefordert.

Niederlande schickt erste F-16 für Ukraine nach Rumänien

Die ersten fünf Kampflugzeuge vom Typ F-16 für die Ukraine sind nach Angaben der Niederlande auf dem Weg nach Rumänien. Dort sollen ukrainische Piloten ausgebildet werden. Die Niederlande wollen der Ukraine 12 bis 18 Kampfjets zur Verfügung stellen. Demnächst werde das Trainingszentrum eröffnet, in dem die Piloten ausgebildet werden.

Präsident Selenskyj (2.v.r.), hier gemeinsam mit dem niederländischen Premier Mark Rutte (3.v.r.), hatte im August F-16 Kampfjets in den Niederlanden inspiziertBild: Piroschka van de Wouw/REUTERS

Wann die Ukraine tatsächlich die Kampflugzeuge auch im Kriegsgebiet einsetzen kann, ist unklar. Geschätzt wird, dass das Training der Piloten mindestens sechs Monate dauern wird. Die Niederlande koordinieren gemeinsam mit Dänemark die Bereitstellung der F-16 für die Ukraine. Unterstützt wird dies auch von den USA. Der US-amerikanische Flugzeughersteller Lockheed Martin übernimmt die Ausbildung und Wartung der Maschinen.

Rheinmetall liefert 100.000 Mörsergranaten

Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall ist von der Bundesregierung mit der Produktion von rund 100.000 Mörsergranaten für die Ukraine beauftragt worden. Wie das Unternehmen in Düsseldorf mitteilte, soll die Auslieferung der Geschosse mit dem Kaliber 120 Millimeter "kurzfristig beginnen" und "innerhalb der kommenden zwei Jahre erfolgen". Der Wert des Auftrags liege "in einem niedrigen dreistelligen" Millionen-Euro-Bereich, erklärte Rheinmetall weiter.

G7-Außenminister beraten über die Ukraine

Die Außenministerinnen und Außenminister der G7-Staaten haben ihr Treffen in Japan an diesem Mittwoch mit Beratungen über die Lage in der Ukraine fortgesetzt. Zu den G7-Ländern der wirtschaftsstarken Demokratien gehören neben Deutschland auch Frankreich, Italien, Japan, Kanada, die USA und Großbritannien. Außenministerin Annalena Baerbock hatte angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine gesagt: "Wenn wir jetzt bei unserer Unterstützung für die Ukraine außer Atem kommen, wird (der russische Präsident Wladimir) Putin das gnadenlos ausnutzen - mit furchtbaren Folgen für die Menschen in der Ukraine und Europa." Deshalb sei es so wichtig, dass die G7 ihre Unterstützung für die Ukraine umfassend fortsetze. Man werde etwa "gemeinsam weiter am Luftabwehrschild für die Ukraine schmieden".

Außenministerin Annalena Baerbock bei ihrer Ankunft in TokioBild: Sina Schuldt/picture alliance/dpa

Mit Blick auf die Lage im Indopazifik sagte Baerbock, man habe seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine "schmerzvoll gelernt, wie aus aggressiver Rhetorik oder Fantasielandkarten gefährliche Realität werden kann". Die Drohungen Chinas gegen den Inselstaat Taiwan erwähnte sie nicht ausdrücklich, betonte aber: "Wir müssen heute gemeinsam dafür arbeiten, dass keine neuen Kriegsschauplätze entstehen, deren Schockwellen uns alle erschüttern würden."

Drei ukrainische Soldaten in Russland zu 26 Jahren Haft verurteilt

Die russischen Besatzungsbehörden in der Ostukraine haben drei gefangen genommene ukrainische Soldaten zu jeweils 26 Jahren Haft verurteilt. Die Anklage lautete auf "versuchten Mord" und "grausame Behandlung von Zivilisten". Die drei Männer wurden für schuldig befunden, während der russischen Belagerung der südukrainischen Stadt Mariupol im Frühjahr 2022 "das Feuer auf ein Verwaltungsgebäude" und "mehrmals aus ihrem Panzer heraus auf Wohngebäude" eröffnet zu haben.

Die russische Justiz geht zunehmend schärfer gegen ukrainische Militärangehörige vor. Am Dienstag wurde in der Region Donezk ein Angehöriger der ukrainischen Armee zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, weil er vier Zivilisten in Mariupol erschossen haben soll. In der vergangenen Woche wurden mehrere Militärangehörige wegen ähnlicher Vorwürfe zu Haftstrafen zwischen 26 Jahren und lebenslänglich verurteilt.

Mariupol: belagert und zerstörtBild: Alexander Ermochenko/REUTERS

Bei ihrer Belagerung Mariupols war die russische Armee auf erbitterten Widerstand der ukrainischen Kräfte gestoßen und hatte die Hafenstadt weitgehend zerstört. Eine vermutlich sehr große Anzahl an Zivilisten wurde bei den Kämpfen getötet. Moskau schiebt die Verantwortung dafür auf die Ukraine ab.

NGO arbeitet an unabhängiger Nachrichten-Plattform für Russland

Reporter ohne Grenzen (RSF) will demnächst eine digitale Plattform starten, die Menschen in Russland den Zugang zu unabhängigen Nachrichten ermöglichen soll. Die Nichtregierungsorganisation hat einen Vertrag mit dem Satellitenbetreiber Eutelsat unterzeichnet, um per Satellitennetzwerk eine russischsprachige Onlineplattform namens Swoboda (Freiheit) zu starten. Laut RSF erhalten russischsprachige Zuschauer damit "Zugang zu einem breiten Angebot an Nachrichten von unabhängigen russischen Exil- und internationalen Medien".

Der Kommunikationssatellit "Eutelsat Quantum" ist seit zwei Jahren im AllBild: D. Ducros/ESA/dpa/picture alliance

Ziel sei es, "eine vielfältigere Medienlandschaft zu fördern" und der staatlichen Propaganda etwas entgegenzusetzen, erklärte die Organisation mit Sitz in Paris. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der Verabschiedung von Gesetzen, die kritische Berichterstattung verbieten, haben viele Medien in Russland ihre Arbeit eingestellt oder das Land verlassen.

Wegen Luftalarm: Ukrainisches Erstligaspiel dauert fünf Stunden

In der Premjer-Liha haben sich zwei ukrainische Fußballmannschaften ein rund fünfstündiges Match geliefert, weil ihr Spiel ständig durch Luftalarme unterbrochen wurde. Anpfiff der Erstliga-Begegnung zwischen Dnipro-1 und Oleksandria war gegen 17.00 Uhr, doch erst um kurz vor 22.00 Uhr konnten beide Mannschaften in ihre Kabinen zurückkehren. Es sei "das längste Fußballspiel in der Geschichte der ukrainischen Meisterschaft", heißt es auf der Website sport.ua. Die Partie fand in Dnipro statt, das seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine immer wieder Ziel von Luftangriffen ist. Dnipro ging schließlich mit 1:0 als Sieger vom Platz.

Dieses Archivbild zeigt eine frühere Begegnung zwischen Dnipro-1 (in den dunklen Trikots) und OleksandriaBild: Mykola Miakshykov/Photoshot/picture alliance

Der Erstliga-Betrieb in der Ukraine war nach Kriegsbeginn im Februar vergangenen Jahres zunächst eingestellt worden. Inzwischen wird wieder gespielt, aus Sicherheitsgründen jedoch vor leeren Rängen. Bei Luftalarm müssen die Spieler vom Platz.

rb/cw/se (AFP, AP, dpa, epd, KNA, Reuters, SID)

Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.