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KonflikteUkraine

Ukraine aktuell: Offensive verzögert sich

11. Mai 2023

Für eine Gegenoffensive fehle noch Material, erklärt Präsident Selenskyj. London bestätigt Lieferung von Marschflugkörpern. Bundespräsident Steinmeier beklagt zerstörte Sicherheitsordnung in Europa. Ein Überblick.

Soldaten mit ukrainischer Fahne fahren auf einem gepanzerten Fahrzeug über eine Dorfstraße
Gepanzerte Fahrzeuge fehlen der ukrainischen Armee für die Großoffensive (Archivbild)Bild: Oleksii Chumachenko/dpa/SOPA Images via ZUMA Press Wire/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

 

  • Selenskyj: Ukraine braucht für Offensive noch etwas Zeit
  • Großbritannien: Marschflugkörper mit Reichweite von rund 250 Kilometern
  • Bundespräsident sieht europäische Sicherheitsordnung zerstört
  • Ukrainischer General meldet Rückzug russischer Truppen aus Teilen Bachmuts
  • Russen plündern laut Kiews Generalstab Industriezonen bei Saporischschja

 

Die ukrainische Armee zögert den Start ihrer angekündigten Gegenoffensive gegen die russischen Besatzungstruppen noch etwas hinaus, weil noch nicht alle versprochenen Militärfahrzeuge eingetroffen sind. Mit dem Material, das schon da sei, könne die Ukraine zwar angreifen und auch Erfolg haben, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem BBC-Interview. "Aber wir würden viele Menschen verlieren. Ich finde, das ist inakzeptabel", sagte Selenskyj. "Deshalb müssen wir warten. Wir brauchen noch etwas Zeit." Konkret nannte der Staatschef gepanzerte Fahrzeuge, die noch nicht eingetroffen seien.

In seiner nächtlichen Videoansprache machte der Präsident seinen Landsleuten Mut. Mit ausländischer Unterstützung würden die russischen Besatzer aus dem Land vertrieben. "Wir werden dem Feind nicht ein einziges Stück unseres Landes überlassen - die Tyrannei wird nirgendwo herrschen." Schon jetzt werde in der Ukraine der Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes vorbereitet, sagte Selenskyj. "Wir müssen Freiheit, Sicherheit und Europa in das gesamte ukrainische Land zurückbringen."

Britischer Verteidigungsminister bestätigt Lieferung von Marschflugkörpern

Großbritannien liefert der Ukraine wie bereits angekündigt Marschflugkörper mit größerer Reichweite vom Typ Storm Shadow. "Diese Waffensysteme bieten der Ukraine die beste Möglichkeit, sich zu verteidigen", sagte der britische Verteidigungsminister Ben Wallace im Parlament in London. Die russischen Kräfte auf ukrainischem Territorium könnten nun zurückgedrängt werden. Wallace machte keine Angaben, ob die Ukraine die Waffen bereits erhalten hat.

Die Storm-Shadow-Lenkflugkörper werden von Jets aus abgeschossen und haben eine Reichweite von rund 250 KilometernBild: Photoshot/picture alliance

Der US-Sender CNN hatte zuvor berichtet, Großbritannien habe bereits mehrere dieser Lenkflugkörper geliefert. Ein Downing-Street-Sprecher sagte, Premierminister Rishi Sunak habe beim Besuch von Präsident Selenskyj im Februar angekündigt, Großbritannien werde das erste Land sein, das Langstreckenwaffen liefere, und daran habe sich nichts geändert. Die luftgestützten Marschflugkörper, die von Großbritannien und Frankreich gemeinsam entwickelt wurden, haben laut Hersteller eine Reichweite von mehr als 250 Kilometern. Damit können sie Ziele auf der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim erreichen. Die von der Ukraine mit Erfolg eingesetzten Mehrfachraketenwerfer vom US-Typ Himars können Ziele in 80 Kilometern Entfernung treffen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sieht die europäische Sicherheitsordnung durch Russland zerstört Bild: Patrick Pleul/dpa/picture alliance

Steinmeier: "Europäische Sicherheitsordnung ist zerstört"

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sieht die europäische Sicherheitsordnung auf Dauer zerstört. Es gebe sie nicht mehr, sagte Steinmeier in einem Interview der deutschen Landesrundfunkanstalt rbb. Grund sei allein der russische Überfall auf die Ukraine. "Und die Prognose, die ich für die nähere Zukunft habe, die hören nicht alle gerne." Auch ein Ende des Ukraine-Kriegs bedeute keine Rückkehr in die alte Sicherheitsphilosophie. Es werde eine neue Situation geben, in der sich "Europa auf der einen Seite, Russland auf der anderen Seite zunächst einmal voreinander schützen", sagte das deutsche Staatsoberhaupt. Die Philosophie einer gemeinsamen Sicherheit werde auf lange Sicht nicht mehr das gemeinsame Konzept sein. "Das ist bedauerlich, und ich bedaure das mit vielen, aber das ist Folge dieses Überfalls auf die Ukraine."

Einsatz von Raketenwerfern durch die ukrainischen Streitkräfte bei BachmutBild: Ukraine Armed Forces via REUTERS

Ukrainischer General meldet Rückzug russischer Truppen aus Teilen Bachmuts

Russische Truppen haben sich nach Angaben des Befehlshabers der ukrainischen Bodentruppen, Oleksandr Syrskyj, aus einigen Gegenden der seit Monaten heftig umkämpften Stadt Bachmut zurückgezogen. Demnach sind die russischen Truppen in der östlichen Region Donezk an einigen Stellen der Front um bis zu zwei Kilometer zurückgefallen. "Unsere Verteidigungskräfte halten die Front und hindern den Feind am Vormarsch", erklärte Generalobert Syrskyj. Er fügte hinzu, dass seine Truppen rund um Bachmut Gegenangriffe starteten.

Nach Syrskyjs Darstellung sind die bei Bachmut eingesetzten Kampfverbände der Söldnertruppe Wagner an einigen Abschnitten durch reguläre russische Armee-Einheiten ersetzt worden. Diese weniger gut ausgebildeten Einheiten seien nun geschlagen worden, sagte Syrskyj. Allerdings gehe die Schlacht um Bachmut weiter. 

Generaloberst Oleksandr Syrskyj, Chef der ukrainischen LandstreitkräfteBild: Wikipedia/mil.gov.ua

Die ukrainische Vizeverteidigungsministerin Hanna Malijar versicherte ihrerseits auf Telegram, dass Kiews Truppen "im Laufe des vergangenen Tages keine einzige Stellung in Bachmut verloren" hätten. Von unabhängiger Seite ließen sich die Angaben nicht überprüfen.

Russen plündern laut Kiews Generalstab Industriezonen bei Saporischschja

Parallel zur Evakuierung der Zivilbevölkerung in der russisch kontrollierten Region Saporischschja im Süden der Ukraine haben die Besatzer nach Angaben aus Kiew auch mit der Plünderung und Demontage in den dortigen Industriezonen begonnen. Zudem seien etwa in Enerhodar alle medizinischen Einrichtungen der Stadt vollständig geplündert worden, teilte der ukrainische Generalstab in seinem Lagebericht mit. Die gesamte medizinische Ausrüstung sei nach Simferopol auf die ebenfalls russisch besetzte Halbinsel Krim gebracht worden. Auch diese Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.

Zerstörung in der russische besetzten Region Saporischschja im Süden der UkraineBild: Andriy Andriyenko/AP Photo/picture alliance

In Erwartung einer ukrainischen Offensive zur Rückeroberung besetzter Gebiete haben die russischen Besatzungsbehörden vor einiger Zeit begonnen, die Umgebung des Kernkraftwerks Saporischschja zu evakuieren und die Zivilbevölkerung in Richtung Süden zu bringen.

Fünfeinhalb Jahre Straflager für Ex-Lehrer wegen Kritik an Putin 

In Russland ist ein ehemaliger Lehrer wegen Kritik an Präsident Wladimir Putin und am Krieg in der Ukraine zu fünfeinhalb Jahren Straflager verurteilt worden. Ein Militärgericht habe die Strafe gegen Nikita Tuschkanow nach einer nicht einmal zehnminütigen Verhandlung verhängt, sagte seine Verlobte der Nachrichtenagentur Reuters. Tuschkanow hatte vergangenen Oktober Putin in Anspielung auf Hitler als "Putler" bezeichnet. Zudem hatte er Angriffe auf ukrainische Städte als "Rache des Putinschen Faschismus" bezeichnet. Die Nachrichtenagentur Mediazona berichtete, Tuschkanow sei 2021 aus dem Schuldienst wegen einer Mahnwache zur Unterstützung des inhaftierten Oppositionsführers Alexej Nawalny entlassen worden.

Nikita Tuschkanow auf einem undatierten Foto Bild: privat

In einem anderen Fall wurde die Russin Irina Tsybanewa zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Sie hatte nach Gerichtsangaben am Grab von Putins Eltern in Sankt Petersburg einen beleidigenden Zettel hinterlassen. "Tod für Putin, ihr habt einen Wahnsinnigen und einen Mörder großgezogen", hieß es auf dem Schriftstück, in dem die verstorbenen Eltern aufgefordert werden, "ihn mitzunehmen".

Kanada und Lettland bilden gemeinsam ukrainische Soldaten aus

Kanadische und lettische Streitkräfte beginnen am Montag mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten in Lettland. "Die Ausbildung erfolge im Rahmen kanadischer Militäreinsätze und -ausbildungen in Europa, die der Stärkung der NATO und der Unterstützung der Ukraine dienen, sagte Kanadas Verteidigungsministerin Anita Anand vor Journalisten in Ottawa bei einem Besuch ihrer lettischen Kollegin Inara Murniece. "Wir müssen die Ukraine weiterhin gemeinsam unterstützen, denn die Kosten der Untätigkeit sind viel höher als die Kosten unserer Militärhilfe", fügte Anand hinzu.

Ukrainischer Panzereinsatz an der Frontlinie bei BachmutBild: Sergey Shestak/AFP/Getty Images

Kanada hat sich verpflichtet, die Ukraine mit mehr als acht Milliarden kanadischen Dollar (5,4 Milliarden Euro) zu unterstützen, insbesondere in Form von finanzieller, militärischer und humanitärer Hilfe. In Osteuropa hat das nordamerikanische Land mehr als 1100 Soldaten stationiert, 800 davon in Lettland.

sti/pg/qu/ww (dpa, rtr, afp, rbb)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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