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KonflikteUkraine

Aktuell: Pistorius verspricht mehr als 100 Leopard-1-Panzer

7. Februar 2023

Die erste große Reise des neuen Bundesverteidigungsministers führt nach Kiew. Das ukrainische Parlament verlängert das Kriegsrecht. Präsident Selenskyj hat eine Einladung nach Brüssel. Ein Überblick.

Ukraine Boris Pistorius reist nach Kiew
Neben Präsident Selenskyj (links) traf Pistorius in der Ukraine auch deren Verteidigungsminister ResnikowBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Bundesverteidigungsminister Pistorius reist nach Kiew
  • Weiter Kriegsrecht in der Ukraine
  • Europäische Union lädt Selenskyj nach Brüssel ein
  • Größte Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg
  • Berichte über C-Waffen-Einsatz in der Ostukraine

 

Die Ukraine soll von einer Gruppe europäischer Länder mehr als 100 Kampfpanzer des älteren Typs Leopard 1A5 erhalten. Das gab Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius bei einem Besuch in Kiew bekannt. Bis zum ersten oder zweiten Quartal 2024 sollten mindestens drei Bataillone der Ukrainer mit solchen Panzern ausgestattet werden. Aus welchen europäischen Staaten außer Deutschland die Leopard 1 kommen sollen, sagte Pistorius nicht. Bis Ende des Monats erhält das von Russland angegriffene Land nach seinen Angaben zudem weitere Lenkflugkörper, fünf Gepard-Flugabwehrpanzer und fünf zusätzliche Dachs-Pionierpanzer. Fünf Brückenlegepanzer vom Typ Biber würden im März geliefert.

Das Bundeswirtschaftsministerium genehmigte unterdessen die Ausfuhr von bis zu 178 Exemplaren des Typs Leopard 1A5 in die Ukraine. Wie viele tatsächlich geliefert würden, hänge von den erforderlichen Instandsetzungsarbeiten ab, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des Wirtschafts- und des Verteidigungsministeriums.

Rheinmetall: 20-25 Leoparden bis Jahresende

Das Düsseldorfer Rüstungsunternehmen Rheinmetall kündigte an, noch in diesem Jahr die ersten 20 bis 25 Leopard-1-Panzer in die Ukraine zu schicken. Bis Ende 2024 könnten dann die restlichen der 88 Exemplare ausgeliefert werden, über die Rheinmetall verfüge, sagte Vorstandschef Armin Papperger in Berlin. Der Leopard 1 ist der erste Kampfpanzer, der für die Bundeswehr nach dem Zweiten Weltkrieg gebaut wurde; diese hat die letzten Exemplare schon vor 20 Jahren ausgemustert.

Die Bundesregierung hatte nach langer Debatte vor zwei Wochen entschieden, der Ukraine auch modernere Leopard-Kampfpanzer zu überlassen sowie Verbündeten solche Lieferungen des in Deutschland entwickelten Waffensystems zu erlauben.

Ukrainische Soldaten feuern auf russische Stellungen nahe der Stadt Bachmut in der Region Donezk (Archivbild)Bild: Oleksandr Ratushniak/REUTERS

Das russische Militär hat nach ukrainischen Angaben den tödlichsten Tag seit Beginn der Invasion zu verzeichnen. Bei Angriffen im Osten der Ukraine habe es in den vergangenen 24 Stunden starke russische Verluste gegeben, erklärten die Streitkräfte in Kiew. Insgesamt seien 1030 russische Soldaten gefallen; die Zahl der seit Kriegsausbruch getöteten russischen Kräfte sei damit auf 133.190 gestiegen. Beobachter gehen davon aus, dass beide Kriegsparteien Opfer in den Reihen eigener Kämpfer niedriger und aufseiten des Gegners höher angeben, als sie tatsächlich sind.

Seit Wochen konzentrieren sich die Kämpfe auf die östlichen Bezirke Luhansk und Donezk, vor allem auf die von Ukrainern gehaltene Stadt Bachmut. Russische Truppen geben an, die Stadt fast eingeschlossen zu haben. Außerdem hat Moskau weiter südlich einen Angriff auf Wuhledar gestartet, eine von der Ukraine gehaltene Bastion auf einer Anhöhe am strategischen Schnittpunkt zwischen der östlichen und der südlichen Frontlinie. Die Militärführung in Moskau sprach von einer "erfolgreichen" Entwicklung.

Zerstörte Häuser im umkämpften BachmutBild: LIBKOS/AP/dpa/picture alliance

Das britische Verteidigungsministerium erklärte dagegen unter Berufung auf Geheimdienstinformationen, es sei unwahrscheinlich, dass Russland in den kommenden Wochen die erforderlichen Kräfte aufstellen könne, um den Ausgang des Krieges maßgeblich zu beeinflussen. Moskau fehle es an Munition und Manövriereinheiten.

Selenskyj: "Wir stellen uns ihnen entgegen"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dankte den Verteidigern von Bachmut, die weiterhin Widerstand leisteten. Zudem berichtete er von personellen Neubesetzungen. "In einer Reihe von Regionen, insbesondere in den Grenz- und Frontgebieten, stellen wir Führungskräfte mit militärischer Erfahrung ein", sagte Selenskyj. Das seien Militärs, "die sich am wirksamsten gegen die aktuellen Bedrohungen zur Wehr setzen können".

Generell sollten militärische Erfahrung aus dem bisherigen Kriegsverlauf mit der Führungsarbeit in der lokalen und zentralen Verwaltung verbunden werden. Daneben gehe die Bildung neuer Brigaden der Nationalgarde, der Polizei und des Grenzschutzes voran.

Abstimmung in der Rada in Kiew (Archivbild)Bild: Sergii Kharchenko/NurPhoto/IMAGO

Das ukrainische Parlament verlängerte mit deutlicher Mehrheit das wegen der russischen Invasion verhängte Kriegsrecht ein weiteres Mal um 90 Tage verlängert. Für die bereits fünfte Verlängerung stimmten nach Medienberichten in der Rada in Kiew 348 Abgeordnete. 226 Stimmen wären notwendig gewesen.

Verlängert wurde auch die allgemeine Mobilmachung. Damit unterliegen Männer im wehrpflichtigen Alter von 18 bis 60 Jahren bis auf wenige Ausnahmen weiter einer Ausreisesperre. Die Regelung gilt vorläufig bis zum 20. Mai. Im Zusammenhang mit Berichten über massive Verluste tauchten zuletzt vermehrt Videos darüber auf, wie Passanten in ukrainischen Städten Musterungsbescheide ausgehändigt wurden.

Europäische Union lädt Selenskyj nach Brüssel ein

Der ukrainische Präsident könnte noch in dieser Woche nach Brüssel reisen. Es bestehe die Möglichkeit, dass am Donnerstag eine außerordentliche Tagung des Europa-Parlaments stattfinde, an der Selenskyj persönlich teilnehme, verlautete aus EU-Kreisen. Am selben Tag treffen sich in Brüssel die Staats- und Regierungschefs der EU-Länder. Wie es hieß, würde Selenskyj dann auch als Gast an dem Gipfel teilnehmen. Er sei dazu eingeladen worden, bestätigte ein Sprecher von EU-Ratspräsident Charles Michel. Weitere Angaben wollte er "aus Sicherheitsgründen" nicht machen.

Erst vergangene Woche hatte Selenskyj in Kiew EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu einem Gipfeltreffen empfangen. Dabei ging es auch um den Wunsch der Ukraine, möglichst rasch der Europäischen Union beizutreten.

Vertreter der EU und der Ukraine am 2. Februar in KiewBild: The Presidential Office Ukraine/picture alliance

Ein Besuch in Brüssel wäre Selenskyjs zweite Auslandsreise seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine vor knapp einem Jahr. Im Dezember war er nach Washington gereist und hatte dort eine Rede vor dem US-Kongress gehalten.

Guterres befürchtet weitere Eskalation des Kriegs

UN-Generalsekretär António Guterres hat vor einer Ausweitung des Krieges in der Ukraine gewarnt. "Ich befürchte, die Welt schlafwandelt nicht in einen größeren Krieg hinein - ich fürchte, sie tut dies mit weit geöffneten Augen", sagte Guterres in New York vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen.

Knapp ein Jahr nach der Invasion Russlands in sein Nachbarland werde die Aussicht auf Frieden immer geringer, die Gefahr einer weiteren Eskalation wachse. Das Risiko eines Atomkriegs sei so hoch wie seit Jahrzehnten nicht.

"Risiko eines Atomkriegs": UN-Generalsekretär António Guterres (Archivbild)Bild: Lokman Vural Elibol/AA/picture alliance

Guterres erinnerte daran, dass die sogenannte Weltuntergangsuhr, mit der Forscher auf die Gefahren für die Menschheit aufmerksam machen, im Januar wegen des Ukraine-Kriegs auf 90 Sekunden vor Mitternacht vorgerückt war - so weit wie nie zuvor. Er betrachte dies als ein Warnzeichen.

Größte Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg

UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths hat im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die bisherigen Folgen des russischen Angriffskriegs für die ukrainische Bevölkerung aufgezeigt. Fast acht Millionen Menschen seien vor den Angriffen und Kämpfen aus der Ukraine in Nachbarländer geflohen, sagte der Chef des UN-Nothilfebüros in New York. Weitere 5,3 Millionen seien Vertriebene im eigenen Land, so Griffiths. Viele hätten in Sammelunterkünften Schutz gesucht.

"Keine Anzeichen für Nachlassen der Gewalt": UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths (Archivbild)Bild: Lev Radin/Pacific Press/IMAGO

Er machte auch auf die unzähligen Menschen aufmerksam, die Tage oder gar Wochen in Kellern ausharrten, um vor Bomben in Sicherheit zu sein. Große Teile der Infrastruktur, darunter Schulen, Wohnhäuser oder Krankenhäuser bis hin zu ganzen Städten und Dörfern seien zerstört worden. “Es gibt keine Anzeichen dafür, dass diese Gewalt nachlässt“, sagte Griffiths in seiner Rede vor dem höchsten UN-Gremium. Mehr als 7000 Zivilisten seien offiziellen Zahlen der UN zufolge getötet worden, die tatsächliche Zahl liege aber mit Sicherheit höher, so Griffiths weiter.

Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR führte dieser Krieg zur größten Fluchtbewegung seit dem Zweiten Weltkrieg. 17,6 Millionen oder knapp 40 Prozent der Bevölkerung brauchten humanitäre Hilfe, so der UN-Nothilfekoordinator. Griffiths kündigte an, noch im Februar in Genf den diesjährigen Plan für die Ukraine-Hilfe vorzustellen. Mittel in Höhe von 3,9 Milliarden Dollar seien dafür erforderlich.

Berichte über C-Waffen-Einsatz in der Ostukraine

Russland prüft nach eigener Darstellung Berichte über einen Einsatz von Chemiewaffen durch die ukrainischen Streitkräfte. Das staatliche Investigativ-Komitee berief sich auf Angaben aus der international nicht anerkannten "Volksrepublik Donezk", die 2022 völkerrechtswidrig in die Russische Föderation eingegliedert wurde.

Angehörige der russischen Streitkräfte hätten Gesundheitsprobleme und charakteristische Vergiftungssymptome aufgewiesen, hieß es. Belege wurden nicht präsentiert, auch Einzelheiten zu den Symptomen oder dem mutmaßlichen Giftstoff wurden nicht genannt.

Stark-Watzinger sichert Ukraine Unterstützung zu

Bei einem Besuch in Kiew hat die deutsche Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger der Ukraine weitere Hilfen für Schulen und Universitäten zugesagt. "Wir sehen, dass der Wiederaufbau der Ukraine nicht morgen beginnt, er hat schon gestern begonnen", sagte die FDP-Politikerin. Nahe der Frontlinie sei Unterricht nach wie vor nur digital möglich. Dabei wolle Deutschland helfen. Zudem sollten Forschungskooperationen weitergeführt werden.

Pressebriefing in der ukrainischen Hauptstadt: Bettina Stark-WatzingerBild: Arseniy Bortnyk/DW

In Deutschland lernen nach Stark-Watzingers Angaben aktuell 203.000 ukrainische Kinder an Schulen. Dazu seien 7000 ukrainische Studenten an deutschen Hochschulen eingeschrieben. "Diese jungen Menschen sind die Zukunft nicht nur der Ukraine, sondern von ganz Europa", hob die Ministerin hervor.

jj/uh/wa/bru/AR/qu (dpa, afp, rtr, ap)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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