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KonflikteUkraine

Aktuell: Selenskyj dankt in London für britische Hilfe

8. Februar 2023

Aus Sicherheitsgründen war die Reise Selenskyjs nach London erst kurzfristig bekanntgegeben worden. Kanzler Scholz warnt vor Uneinigkeit unter Verbündeten und aus den USA kommt Lob für Deutschland. Ein Überblick.

Großbritannien | Präsident Wolodymr Selenskyj und Premierminister Rishi Sunak
Präsident Wolodymr Selenskyj (r.) und Premierminister Rishi Sunak vor dem Eingang Downing StreetBild: Victoria Jones/PA via AP/picture alliance

Das Wichtigste in Kürze

  • Präsident Selenskyj reist nach London, Paris und Brüssel
  • Kanzler Scholz warnt vor Dissonanzen unter den Verbündeten
  • USA loben Berlin als "mächtigen Verbündeten" der Ukraine
  • London: Russen und Ukrainer wollen Dnipro-Delta nicht aufgeben
  • Polen erhält Milliarden-Rüstungspaket von den USA

 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist zu einem Auslandsbesuch in London angekommen. Der Sender Sky News übertrug die Landung des Präsidenten auf dem Flughafen Stansted live. Dort wurde er von Premier Rishi Sunak empfangen. Selenskyj will sich demnach in Großbritannien ein Bild von der Ausbildung ukrainischer Soldaten verschaffen. 

In einer Rede vor beiden Parlamentskammern in London rief Selenskyj die Verbündeten einmal mehr zur Lieferung von Kampfflugzeugen auf. "Ich richte an Sie und die Welt den Appell ... für Kampfflugzeuge für die Ukraine, Flügel für die Freiheit", sagte Selenskyj. Zudem bedankte er sich für die britische Unterstützung im Kampf gegen den russischen Angriffskrieg. "London stand an der Seite Kiews vom ersten Tag an", sagte Selenskyj. Explizit bedankte sich der Präsident dabei auch bei Ex-Premier Boris Johnson, der mehrfach in die Ukraine gereist und zu einem engen Partner Selenskyjs geworden war.

Ausbildung für Kampfjet-Piloten

Die britische Regierung hatte kurz zuvor angekündigt, dass sie der Ukraine eine Ausbildung unter anderem für fortgeschrittene ukrainische Kampfjet-Piloten anbieten werde. Bei der Lieferung von Kampfjets war Sunak bislang zurückhaltend gewesen. Offen ist, ob das angekündigte Training nun die Türen für eine Kampfjet-Lieferung öffnen wird. Zudem gab London ein weiteres zusätzliches Sanktionspaket bekannt. Die neuen Strafmaßnahmen würden "den wirtschaftlichen Druck auf Putin beschleunigen - seine Kriegsmaschinerie untergraben, um der Ukraine zum Sieg zu verhelfen", erklärte der Außenminister James Cleverly. Die neuen Sanktionen zielen demnach auf sechs Organisationen, die Russland militärische Ausrüstung wie etwa Drohnen liefern.

Später wurde er im Buckingham-Palast von König Charles III. empfangen. Die erste und bislang einzige öffentlich bekannte Auslandsreise Selenskyjs nach Beginn des russischen Angriffskriegs hatte den Präsidenten kurz vor Weihnachten nach Washington geführt.

Sunak nannte den Besuch in einer Erklärung "ein Zeugnis für die unzerstörbare Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern". Großbritannien gehört neben den USA und Deutschland zu den größten Lieferanten von militärischem Gerät an die ukrainischen Streitkräfte.

Noch an diesem Mittwoch wird Selenskyj in Paris erwartet. Dort wird er mit Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz zusammentreffen, der eigens nach Paris reist. Das teilte der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit. Von dort gehe es für Selenskyj weiter nach Brüssel, wo ab Donnerstag ein Sondergipfel der EU stattfindet.

Russische Botschaft warnt

Die russische Botschaft in Großbritannien warnt die Regierung in London davor, der Ukraine Kampfjets zu liefern. In einer von staatlichen russischen Nachrichtenagenturen zitierten Erklärung heißt es, die britische Regierung trage die Verantwortung für "Blutvergießen, die nächste Runde der Eskalation und die daraus resultierenden militärischen und politischen Konsequenzen für den europäischen Kontinent und die ganze Welt", die durch die Entsendung moderner Kampfjets an die Ukraine ausgelöst würden. Russland werde einen Weg finden, um auf alle unfreundlichen Schritte der britischen Seite zu reagieren.

Kanzler Olaf Scholz: Unstimmigkeit unter den Verbündeten spielt allein der russischen Propaganda in die HandBild: John MacDougall/AFP/Getty Images

Scholz warnt vor  "Überbietungswettbewerb" bei Waffen 

Bundeskanzler Olaf Scholz hat seine umstrittene Linie bei Waffenlieferungen an die Ukraine verteidigt. Der "Zusammenhalt innerhalb unserer Bündnisse und Allianzen" sei vom ersten Kriegstag an "unser höchstes Gut" gewesen, sagte Scholz im Bundestag. "Was unserer Geschlossenheit hingegen schadet, ist ein öffentlicher Überbietungswettbewerb nach dem Motto: Kampfpanzer, U-Boote, Flugzeuge - wer fordert mehr?", warnte er. "Was schadet, sind markige innenpolitische Statements und Kritik an Partnern und Verbündeten auf offener Bühne." "Denn jede Dissonanz, jede Spekulation über mögliche Interessensunterschiede nutzt einzig und allein Putin und seiner Propaganda", hob Scholz hervor. 

Den "Zusammenhalt wahren und stärken wir, indem wir Entscheidungen zunächst vertraulich vorbereiten - und dann erst kommunizieren", erläuterte er. So hätten es er und US-Präsident Joe Biden bei der jüngsten Entscheidung zu Kampfpanzern getan. Der Kanzler betonte, bei Lieferungen würden Logistik, Nachschub und die Ausbildung ukrainischer Soldaten mitgedacht und organisiert. "Bei alledem behalten wir die Umsicht und die Nervenstärke, die es braucht, um abgewogen zu entscheiden über eine solche Situation", beteuerte der Kanzler.

Pistorius drängt auf weitere Zusagen bei Leopard-Panzern

Verteidigungsminister Boris Pistorius hat weitere europäische Partner aufgerufen, sich dem deutsch-polnischen Projekt zur Lieferung von Kampfpanzern des Typs Leopard 2 an die Ukraine anzuschließen. Dazu werde er mit seinem polnischen Amtskollegen Mariusz Blaszczak und dem ukrainischen Verteidigungsminister Olexij Resnikow in der kommenden Woche zu einem Treffen einladen, sagte Pistorius in Warschau. "Es ist jetzt wichtiger denn je, dass wir wirklich alle Hebel in Bewegung setzen und alle Mittel, die noch nicht aktiviert sind, bemühen, damit die Ukraine in ihrer Verteidigung gegen Russland unterstützt werden kann", sagte Pistorius. Bei einigen westlichen Verbündeten gebe es da "noch Luft nach oben".

Der deutsche Verteidigungsminister Boris PistoriusBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Deutschland und Polen wollen der Ukraine je 14 Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 überlassen. Pistorius hatte zuvor in Warschau den Chef des Büros für Nationale Sicherheit, Jacek Siewiera, sowie Verteidigungsminister Blaszczak getroffen. Ein gemeinsames Pressestatement der beiden Minister gab es jedoch nicht - das Verteidigungsministerium in Warschau nannte auf Nachfrage keine Begründung dafür.

USA loben Berlin als "mächtigen Verbündeten" der Ukraine

Deutschland ist nach Auffassung der US-Regierung bei der Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine ein "mächtiger Verbündeter" und "ein verlässlicher Freund und Partner". Berlins Engagement "wird sehr geschätzt und sollte auch zur Kenntnis genommen werden", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats der US-Regierung, John Kirby, der Deutschen Welle in Washington.

Für Berlin sei die Entscheidung für die Lieferung von Kampfpanzern nicht leicht gewesen - auch wegen der deutschen Geschichte, betonte Kirby. "Ich denke, jeder respektiert das und versteht es."

Ende Januar hatte die US-Regierung nach langem Hin und Her und parallel zur deutschen Zusage von Leopard-Panzern für Kiew auch angekündigt, der Ukraine Kampfpanzer vom Typ M1 Abrams zu liefern.

In dem Interview wies Kirby Berichte zurück, wonach Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) US-Präsident Joe Biden bedrängt haben soll, die Abrams-Panzer zu liefern. "Ich würde nicht mit der Behauptung übereinstimmen, dass der Bundeskanzler durch seine Äußerungen Druck auf den Präsidenten ausgeübt hat", sagte Kirby auf eine entsprechende Frage. Es habe sich um eine "koordinierte Ankündigung" gehandelt und Washington habe sich mit Berlin im Gleichschritt bewegt.

Selenskyj bedankt sich

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich nach seinem Treffen mit dem deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius für den Beistand aus Berlin bedankt. "Ich danke Deutschland und allen unseren Partnern für ihre Unterstützung", sagte Selenskyj am Dienstagabend in seiner täglichen Videoansprache.

Pistorius war nach seiner Unterredung mit Selenskyj mit seinem ukrainischen Kollegen Olexij Resnikow zusammengetroffen und hatte die Lieferung von über 100 Kampfpanzern des Typs Leopard 1 angekündigt - zusätzlich zu den bereits zugesagten 14 moderneren Modellen vom Typ Leopard 2.

Selenskyj hatte mit Pistorius über die aktuelle Lage in der Ukraine gesprochen. "Wir tun alles, um den Luftraum frei zu halten, um sicherzustellen, dass unsere Soldaten über starke Panzer verfügen und dass unsere Artillerie genauso gut ist wie die der Besatzer", sagte der Präsident.

Umfang der Leopard-1-Lieferung unklar

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hofft, dass die von Deutschland zugesagten weiteren Panzer-Lieferungen der Ukraine bei der Abwehr einer erwarteten neuen russischen Angriffswelle helfen werden. "Es sind hohe Stückzahlen, die dort bereitgestellt werden, um die russische Frühjahrsoffensive dann abzuwehren", sagte der Vizekanzler bei seinem Besuch in der US-Hauptstadt Washington.

Sein Ministerium hatte zuvor die Ausfuhr von bis zu 178 Kampfpanzern des Typs Leopard 1A5 in die Ukraine genehmigt. "Wie viele Leopard 1A5 Kampfpanzer tatsächlich an die Ukraine geliefert werden, hängt von den erforderlichen Instandsetzungsarbeiten ab", hieß es. Die Bundesregierung hatte vergangene Woche bereits ihre grundsätzliche Zustimmung zu dem Export gegeben.

Leopard-1-Panzer der Bundeswehr (Archiv)Bild: Thomas Imo/photothek/picture alliance

Die Panzer müssten jetzt einsatzbereit gemacht werden, sagte Habeck. "Man weiß am Ende nicht ganz genau, wie viele Panzer es werden, weil einige Reparaturarbeiten notwendig sind." Die Panzer würden Schritt für Schritt geliefert, so bald sie einsatzbereit seien. Im ersten Quartal sei eine zweistellige Zahl zu erwarten, das Ende nicht genau absehbar.

Natürlich könne man sich im Nachhinein fragen, ob solche Entscheidungen nicht hätten früher fallen können, gab der Grünen-Politiker zu. Doch andererseits sei die Frage wohl müßig, weil dabei immer auch die politische und militärische Situation eine Rolle spiele. "Ich hoffe, dass sie gerade noch rechtzeitig getroffen wurde und der ukrainischen Armee das Maß an technischer Unterstützung bereitstellt, das jetzt im Frühjahr dringend notwendig ist."

US-Raketenwerfer für Polen

Die US-Regierung hat den Verkauf von Waffen im Wert von zehn Milliarden US-Dollar (9,3 Milliarden Euro) an Polen genehmigt. Zu dem Paket gehören 18 Himars-Mehrfachraketenwerfersysteme inklusive Munition, 45 Raketen des Typs ATACMS mit größerer Reichweite sowie weitere Waffen und Militärausrüstung. Der Verkauf werde Polens militärische Kapazitäten ausweiten und "gleichzeitig die Interoperabilität mit den Vereinigten Staaten und anderen Verbündeten erhöhen", teilte die für Auslandsverkäufe zuständige Unterbehörde im US-Verteidigungsministerium (DSCA) mit. Polen werde die Raketenwerfer benutzen, um "die Verteidigung des Heimatlandes zu stärken und regionale Bedrohungen abzuwehren".

US-Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars bei einer Übung in Kalifornien (Archiv)Bild: U.S. Marines/ZUMA Wire/IMAGO

Polen ist ein NATO-Verbündeter der USA und teilt sich eine Grenze mit der Ukraine. Himars-Raketenwerfer haben eine Schlüsselrolle im Kampf der Ukraine gegen die russische Invasion gespielt und wurden bei Angriffen auf Versorgungsposten und russische Stellungen eingesetzt.

Das US-Außenministerium billigte den Verkauf bereits. Nun muss der Kongress in Washington dem Geschäft noch zustimmen.

London: Russen und Ukrainer wollen Dnipro-Delta nicht aufgeben

Nach Einschätzung britischer Geheimdienste wollen sowohl die Russen als auch die Ukrainer das Delta des ukrainischen Dnipro-Flusses nicht aufgeben. Auch nach dem Rückzug der Russen vom Westufer des Flusses im vergangenen November gingen dort Scharmützel weiter und beide Seiten seien weiter präsent, hieß es im täglichen Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums. Moskau setze dort höchstwahrscheinlich kleine Boote ein, um an den wichtigsten Inseln der Region vor Ort zu sein. Den Ukrainern sei es einige Male gelungen, mit Langstreckenwaffen einige russische Vorposten zu treffen.

Beide Seiten wollten mutmaßlich den Zugang zu dem strategisch wichtigen Fluss kontrollieren und den Gegner davon abhalten, einen größeren Angriff über den Dnipro zu starten, hieß es weiter. Die britischen Militärexperten halten es jedoch ohnehin für unwahrscheinlich, dass die Russen einen Angriffsversuch über den Fluss unternehmen, da ein solcher sehr komplex und kostspielig wäre. Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine Desinformationskampagne vor.

Offensive auf Charkiw und Saporischschja erwartet

Die ukrainische Regierung geht davon aus, dass die von ihr erwartete baldige russische Offensive die Regionen Charkiw im Nordosten und Saporischschja im Süden betreffen wird. Russland werde versuchen, rund um den ersten Jahrestag des Kriegs am 24. Februar Vorzeigeergebnisse parat zu haben, sagte der Leiter des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats, Olexij Danilow der Nachrichtenagentur Reuters.

Die bereits stark zerstörte Stadt Charkiw im Nordosten der Ukraine rechnet mit weiteren russischen AngriffenBild: Vitalii Hnidyi/REUTERS

Mutmaßungen anderer ukrainischer Behördenvertreter, wonach Moskau auch einen Angriff vom Territorium seines Verbündeten Belarus aus auf den Nordwesten der Ukraine planen könnte, sieht Danilow skeptisch. Es sei "zweifelhaft, dass sie aus der Richtung kommen werden", weil "dort ganz klar nicht genügend Truppen sind".

mak/bru/qu/cwo/kle/uh (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.