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Konflikte

Aktuell: Putin warnt Westen vor weiteren Waffenlieferungen

28. Mai 2022

Der Kremlchef hat mit Bundeskanzler Scholz und Frankreichs Präsident Macron telefoniert. Moskau meldet die Einnahme der Stadt Lyman. Finnland drückt aufs Tempo im Streit um den NATO-Beitritt. Ein Überblick.

Kombobild Vladimir Putin - Olaf Scholz - Emmanuel Macron
Die Staats- und Regierungschefs von Russland, Deutschland und Frankreich: Putin, Scholz, Macron (Archivbilder, v. l. n. r.)

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Putin warnt vor weiteren Waffenlieferungen
  • Moskau meldet vollständige Kontrolle über die Stadt Lyman
  • Ukrainische Truppen wollen sich aus Sjewjerodonezk zurückziehen
  • Präsident Selenskyj gibt sich kämpferisch
  • Ukrainisch-orthodoxe Kirche kappt Verbindungen zu Moskau

 

Der russische Präsident Wladimir Putin hat bei einem Telefonat mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron den Westen gewarnt, weiter schwere Waffen an die Ukraine zu liefern. Dies könne die Lage destabilisieren und die humanitäre Krise verschärfen, sagte Putin laut einer Mitteilung des Kremls.

Scholz und Macron forderten in dem 80-minütigen Gespräch erneut ein Ende des Krieges. Der Kanzler und der französische Präsident hätten auf einen "sofortigen Waffenstillstand" und einen "Rückzug der russischen Truppen" gedrungen, teilte der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, mit. Der Kremlchef müsse für eine "Verbesserung der humanitären Lage der Zivilbevölkerung" sorgen. Nach Angaben aus Berlin fand das Telefonat auf Initiative von Scholz und Macron statt.

Großes Thema: Lebensmittelsicherheit

Die westlichen Politiker pochten zudem auf die Freilassung von rund 2500 ukrainischen Kämpfern, die das Asow-Stahlwerk in der Hafenstadt Mariupol verteidigt hatten, wie der Élysée-Palast in Paris erklärte. Die russische Armee hatte die Stadt monatelang belagert und vor gut einer Woche deren vollständige Eroberung verkündet.

Putin betonte laut Kreml die Bereitschaft Moskaus, die auf Eis gelegten Friedensverhandlungen wieder aufzunehmen. Ausführlich sei es bei den Telefonat auch um die Lebensmittelsicherheit in der Welt gegangen. Der Westen verlangt von Russland, die Blockade der ukrainischen Häfen im Schwarzen Meer zu beenden, damit das Land wieder Weizen exportieren kann. Putin stellte ein Entgegenkommen beim Export von ukrainischem Getreide in Aussicht, erneuerte zugleich aber seine Forderung nach einer Lockerung der westlichen Sanktionen gegen sein Land.

Moskau meldet Einnahme der Stadt Lyman

Das russische Militär hat nach eigenen Angaben die vollständige Kontrolle über die strategisch wichtige Kleinstadt Lyman im ostukrainischen Donbass-Gebiet erlangt. "Durch das gemeinsame Vorgehen von Einheiten der Donezker Volksrepublik und der russischen Streitkräfte wurde die Stadt Krasny Liman vollständig von ukrainischen Nationalisten befreit", sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow.

Ukrainische Soldaten in der Region Luhansk - hier in Lyssytschansk - ziehen sich teilweise zurückBild: Rick Mave/ZUMA Wire/IMAGO

Krasny Liman ist die noch aus sowjetischer Zeit stammende Bezeichnung für Lyman. Die mit Moskau verbündeten Separatisten hatten die Eroberung schon am Freitag vermeldet. An diesem Samstag hatte auch der ukrainische Generalstab indirekt den Fall der Kleinstadt eingestanden. Lyman ist als Eisenbahnknoten und Straßenverbindung zu den Ballungsräumen Sjewjerodonezk - Lyssytschansk im Osten und Slowjansk - Kramatorsk im Südwesten strategisch wichtig.

Mit dem Verlust von Lyman wird die Lage für die ukrainischen Streitkräfte nach Einschätzung von András Rácz, von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, zunehmend kritisch. Im Interview der Deutschen Welle führte der Experte für russische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik aus, dass der Fall von Lyman den Russen nun den Weg ebene für einen Vormarsch auf Slowjansk und andere wichtige Städte im Donbass. "Allerdings muss man hinzufügen, dass sich mehrere wichtige Siedlungen in der Donbass-Region noch unter ukrainischer Kontrolle befinden. Selbst der Fall von Lyman bedeutet also nicht, dass die ukrainischen Verteidigungsanlagen zusammenbrechen", sagte Rácz.

Eine Lehrerin vor dem zerstörten Schulgebäude in Verkhnokmayanske, im Osten der UkraineBild: Rick Mave/SOPA Images/ZUMA Press/picture alliance

Die Lage für die ukrainischen Truppen in Sjewjerodonezk wird nach Angaben des Gouverneurs der Provinz Luhansk, Serhij Hajdaj, immer bedrohlicher. Russische Einheiten seien in die Stadt eingedrungen, schrieb er auf Telegram. Zwar hätten die ukrainischen Soldaten genügend Kraft und Ressourcen, um sich zu verteidigen. "Trotzdem ist es möglich, dass wir uns zurückziehen müssen, um uns nicht ergeben zu müssen."

Selenskyj: Situation ist sehr schwierig

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Situation im umkämpften Donbass angesichts russischer Angriffe als sehr schwierig bezeichnet. Moskau setze dort ein Maximum an Artillerie und Reserven ein, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Es gebe Raketen- und Luftangriffe. Die ukrainische Armee verteidige das Land mit allen derzeit verfügbaren Ressourcen.

Umkämpfte Stadt Siewierodonezk im Donbass (26.05.2022)Bild: Aris MessinisAFP/Getty Images

Russland will Milliarden-Mehreinnahmen in die Offensive stecken

Die Regierung in Moskau rechnet in diesem Jahr mit zusätzlichen Einnahmen in Höhe von umgerechnet 13,7 Milliarden Euro durch den Export von fossilen Brennstoffen. "Wir erwarten bis zu eine Billion Rubel mehr an Öl- und Gaseinnahmen", sagte Finanzminister Anton Siluanow im staatlichen Fernsehen mit Verweis auf die jüngste Prognose des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung. Ein Teil der Mehreinnahmen könne für die Fortsetzung der russischen Offensive in der Ukraine ausgegeben werden.

Russische Bohrinsel in der PetschoraseeBild: ITAR-TASS/imago

Der Westen hat eine Reihe von Sanktionen gegen Moskau verhängt, um den Kreml für den Angriff auf die Ukraine zu bestrafen. Die Öl- und Gaslieferungen Russlands sind bislang von den Sanktionen ausgenommen. Russland verbucht wegen des sehr hohen Gaspreises derzeit Rekordeinnahmen.

Helsinki drückt aufs Tempo im Streit um NATO-Beitritt

Finnland drängt auf eine zügige Lösung des Streits um seine NATO-Mitgliedschaft. Es sei sehr wichtig, dass die Vorbehalte der Türkei gegen einen Beitritt Finnlands zu dem Militärbündnis vor dem NATO-Gipfel Ende Juni beseitigt seien, sagte Außenminister Pekka Haavisto nach einem Treffen mit seinem US-Kollegen Antony Blinken.

Der US-Außenminister äußerte sich zuversichtlich, dass es vor dem in vier Wochen geplanten Gipfel möglich sei, die türkischen Einwände gegen einen Beitritt der beiden skandinavischen Länder zur NATO auszuräumen. Er freue sich darauf, "Finnland und Schweden unsere Alliierten" nennen zu können, so Blinken.

Zuvor hatte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu betont, die beiden Nordländer müssten "konkrete Schritte" unternehmen, ehe Ankara ihre Mitgliedschaft unterstützen könne.

Dem Beitritt neuer Mitglieder müssen alle 30 NATO-Staaten zustimmen. Die Türkei, die im Bündnis die zweitgrößte Armee besitzt, stellt sich jedoch dagegen. Sie wirft den beiden Kandidaten vor, kurdische Milizen zu unterstützen, die von Ankara als Terroristen klassifiziert werden. Außerdem hätten sich Finnland und Schweden in der Vergangenheit für Restriktionen auf Waffenverkäufe an die Türkei ausgesprochen.

Ukrainisch-orthodoxe Kirche sagt sich von Moskau los

Eine der christlich-orthodoxen Kirchen der Ukraine hat angekündigt, ihre seit Jahrhunderten bestehende Verbindung nach Russland zu kappen. Die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats unter Leitung von Kirchenvorsteher Onufrij erklärte am Freitag ihre "vollständige Unabhängigkeit" von geistlichen Autoritäten in Russland. Was den Konflikt angehe, sei man uneins mit der Position des Moskauer Patriarchen Kirill, teilte die Kirche in Kiew mit. Man verurteile den Krieg und appelliere an die Ukraine und Russland, den Verhandlungsprozess fortzusetzen und das Blutvergießen zu stoppen, hieß es.

Patriarch Kirill (r.) mit Russlands Präsident Wladimir Putin (20.11.2021)Bild: Mikhail Metzel/Sputnik/Kremlin Pool Photo/AP/picture alliance

Kirill, Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, steht im Ukraine-Krieg fest hinter Putin. Zuletzt war der innerkirchliche Druck gestiegen, sich von Moskau loszusagen. Hunderte Priester hatten gar ein Kirchentribunal gegen den Patriarchen gefordert.

Der Außenamtschef des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion, stimmte in einer Videobotschaft der Entscheidung der eigenen ukrainisch-orthodoxen Kirche zu, ab sofort komplett eigenständig zu sein. Zugleich betonte er: "Die Einheit der russischen und ukrainischen Kirche bleibt gewahrt, und wir werden diese Einheit weiter stärken."

Dritte Abspaltung in kurzer Zeit

In der Ukraine gibt es mehrere Kirchen orthodoxer Christen. Dazu gehören die ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats, die nach der Zahl der Gemeinden größte Kirche im Land, und die 2018 entstandene Orthodoxe Kirche der Ukraine.

Eine Loslösung der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats wäre die dritte religiöse Abspaltung der Ukraine von Russland binnen weniger Jahre. Nach Russlands Annexion der Krim im Jahr 2014 und der anhaltenden Unterstützung Moskaus für separatistische Rebellen in der Ostukraine wurde im Dezember 2018 die von Russland unabhängige Orthodoxe Kirche in der Ukraine gegründet.

Innerhalb des anderen Zweiges, der ukrainisch-orthodoxen Kirche, hatte es danach eine weitere tiefe Spaltung gegeben: zwischen den Gläubigen Moskauer Patriarchats, die der russischen Hauptstadt treu blieben, und denjeingen, die sich lossagten - und seither als Orthodoxe Kiewer Patriarchats bezeichnet werden.

mak/cw/nob/pg/jj/uh (dpa, rtr, afp, ap, kna)