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Politik

Aktuell: Rätselraten über Gespräche über Getreidekrise

13. Juli 2022

Über das Ergebnis der Gespräche Russlands und der Ukraine über die Wiederaufnahme des Getreideexports gibt es widersprüchliche Angaben. Die Separatisten in der Ostukraine führen die Todesstrafe wieder ein. Ein Überblick.

Türkei Istanbul | Getreide-Verhandlungen in Istanbul
Bei den Verhandlungen in Istanbul saßen erstmals seit März wieder ukrainische und russische Delegierte an einem TischBild: TURKISH DEFENCE MINISTRY/REUTERS

Das Wichtigste in Kürze:

  • Rätselraten über Ausgang der russisch-ukrainischen Getreide-Verhandlungen
  • In den Separatistengebieten soll wieder die Todesstrafe gelten
  • Separatisten in Luhansk melden Beschuss mit US-Waffen
  • Steinmeier bei US-Truppen: Geeint in der Unterstützung der Ukraine
  • Russischer Oppositioneller Ilja Jaschin weiter in Haft

 

Die durch den Krieg in der Ukraine ausgelöste Getreidekrise war Thema bei einem Treffen in Istanbul. Delegationen aus Russland, der Ukraine, der Türkei und der Vereinten Nationen haben über eine Wiederaufnahme der Getreidelieferungen über das Schwarze Meer beraten. Fortschritte waren zunächst nicht erkennbar. Das türkische Verteidigungsministerium teilte am Abend lapidar mit, die Gespräche seien "zu Ende gegangen". Später hieß es dann, die Verhandler der Länder wollten sich nächste Woche erneut treffen, um eine Vereinbarung zu unterzeichnen. Man habe sich auf die Errichtung eines Koordinationszentrums geeinigt. 

Ähnlich äußerte sich UN-Generalsekretär in New York. Er sagte vor Journalisten, bei den Gesprächen zwischen Vertretern der Vereinten Nationen, der Ukraine, Russlands und der Türkei in Istanbul sei ein "entscheidender Schritt" in Richtung einer Lösung vorgenommen worden. "Heute haben wir endlich ein bisschen Hoffnung." Details teilte Guterres zunächst nicht mit. Er sagte aber: "Es wird noch mehr technische Arbeit notwendig sein, damit sich der heutige Fortschritt materialisiert."

Die internationale Gemeinschaft fordert von Russland seit Wochen, den Export von ukrainischem Getreide zu ermöglichen. In ukrainischen Häfen, die unter russischer Kontrolle stehen oder von russischen Truppen blockiert werden, stecken Millionen Tonnen Weizen fest. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar hat sich in vielen Ländern die Getreideversorgung extrem verschlechtert. Die Ukraine gehört zu den weltgrößten Exporteuren von Weizen und anderem Getreide und hat eine wichtige Rolle für die Ernährungssicherheit in der Welt. Die Vereinten Nationen warnten zuletzt vor der größten drohenden Hungersnot seit Jahrzehnten.

Laut türkischen Angaben lag bei den Gesprächen ein UN-Plan zur Lösung der Krise vor, der unter anderem die Einrichtung eines Kontrollzentrums am Bosporus vorsieht. Die durch Istanbul verlaufende Meerenge, über die die Türkei die Hoheit hat, ist der einzige Seeweg vom Schwarzen Meer ins Mittelmeer.

In den Separatistengebieten soll wieder die Todesstrafe möglich sein

Im Osten der Ukraine haben die prorussischen Separatisten in der Region Donezk das Moratorium auf die Todesstrafe aufgehoben. Separatistenführer Denis Puschilin unterzeichnete einen entsprechenden Erlass, wie die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass berichtete. Im vergangenen Monat hatten die Separatisten drei Ausländer in den Reihen der ukrainischen Armee als Söldner zum Tode verurteilt. Die zwei Briten und ein Marokkaner warten derzeit auf eine Entscheidung im Berufungsverfahren. Die Urteile sollen nach Angaben der Separatisten noch in diesem Monat fallen.

Falls die Entscheidung aus erster Instanz nicht aufgehoben wird oder die Angeklagten nicht ausgetauscht werden, droht ihnen Tod durch Erschießen. Medienberichten zufolge sind weitere Ausländer in der Gewalt der Separatisten. Im russischen Fernsehen wurden auch zwei US-Amerikaner als Gefangene vorgeführt.

Separatistenführer Denis Puschilin (Archivbild vom Februar) Bild: Alexander Ermochenko/REUTERS

Separatisten melden Beschuss mit US-Waffen

Die ukrainischen Streitkräfte haben im Osten des Landes gegen die prorussische Separatistenhochburg Luhansk zahlreiche Raketen abgefeuert. Es habe massenhaften Beschuss aus dem von den USA gelieferten Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars gegeben, teilte der Separatistenvertreter Andrej Marotschko in seinem Blog im Nachrichtenkanal Telegram mit. Gefeuert worden sei am späten Dienstagabend von der Ortschaft Artemiwsk im Gebiet Donezk aus auf Luhansk. Mehrere Raketen hätten ihre Ziele getroffen.

Auch die ukrainische Seite berichtete vom Einsatz des Mehrfachraketenwerfers. Der Chef der ukrainischen Militäradministration für das Gebiet Luhansk, Serhij Hajdaj, teilte mit, dass Militärdepots des Feindes vernichtet würden. In der Industriezone von Luhansk sei es in der Nacht zum Mittwoch nicht ruhig gewesen, meinte er. Die russischen Besatzer würden aber weiter von allen Seiten angreifen - mit Luftwaffe und Artillerie. 

Das russische Militär wiederum hat nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau vier ukrainische Kampfjets abgeschossen. Eine Su-25 und eine Su-24 der ukrainischen Luftwaffe sei in der Region Donezk im Osten des Landes getroffen worden, eine weitere Su-25 und eine Mig-29 im Gebiet von Mikolajiw im Süden, teilte das Ministerium in seinem täglichen Bericht mit. Unabhängig konnten diese Angaben nicht überprüft werden.

Mindestens fünf Zivilisten bei Mykolajiw in der Ukraine getötet

Bei russischen Angriffen nahe der südukrainischen Großstadt Mykolajiw sind nach ukrainischen Angaben mindestens fünf Zivilisten getötet worden. Im Kreis Witowka der Gebietshauptstadt Mykolajiw habe es russischen Artilleriebeschuss gegeben, teilte der Vizechef des Präsidentenbüros, Kyrylo Tymoschenko, auf Telegram mit. Zudem seien 28 Raketeneinschläge in verschiedenen Siedlungen registriert worden. Dabei seien etwa ein Krankenhaus und Wohnhäuser beschädigt worden. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Die russische Seite bestätigte den Beschuss von Mykolajiw und sprach von Angriffen auf zwei Kommandoposten der ukrainischen Armee. Es seien mehr als 350 ukrainische Soldaten getötet worden, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau. Auch das ließ sich nicht überprüfen. Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs wurden am Mittwoch auch Charkiw im Nordosten des Landes sowie mehrere Viertel der südlich von Charkiw gelegenen Stadt Bachmut bombardiert.

Inzwischen 45 Todesopfer in Tschassiw Jar

In der Kleinstadt Tschassiw Jar im Osten der Ukraine ist die Zahl der Toten nach einem russischen Raketenangriff auf ein Wohnhaus auf 45 gestiegen. Neun Menschen seien seit dem Angriff vom Samstag aus den Trümmern gerettet worden, teilte der Zivilschutz in der Region Donezk mit. Die Regierung in Kiew spricht von einem zivilen Wohngebäude. Die russische Armee behauptet hingegen, ein militärisch genutztes Gebäude attackiert zu haben.

Dieses Gebäude in Tschassiw Jar wurde am Samstag von einer russischen Rakete getroffenBild: Nariman El-Mofty/AP/dpa/picture alliance

Steinmeier bei US-Truppen: Geeint in der Unterstützung der Ukraine

Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Stärke des transatlantischen Bündnisses beschworen: "Wir sind geeint und entschlossen, Freiheit, Demokratie und Völkerrecht zu verteidigen. Wir sind geeint in unserer Unterstützung für die Ukraine", sagte Steinmeier bei einem Besuch der US-Streitkräfte in Grafenwöhr im Nordosten Bayerns. Ge- und Entschlossenheit seien noch nie so wichtig gewesen wie im Angesicht der russischen Aggression.

Bundespräsident Steinmeier mit US-Botschafterin Amy Gutmann beim Truppenbesuch in GrafenwöhrBild: ANDREAS GEBERT/REUTERS

Der Bundespräsident sicherte zu, dass Deutschland alles daransetzen werde, um diese Geschlossenheit zu erhalten. Deutschland stehe zu seinen Bündnisverpflichtungen und wisse, dass es dafür mehr tun müsse. "Wir werden mehr investieren, mehr Truppen an der NATO-Ostflanke bereitstellen und die deutsche Bundeswehr umfassend modernisieren." Steinmeier besuchte als erstes deutsches Staatsoberhaupt seit mehr als 25 Jahren in Deutschland stationierte US-Truppen. Mehrere zehntausend US-Soldaten sind seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ständig in Deutschland stationiert.  

Drohnen für den Ukraine-Krieg

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USA verlangen Stopp von Deportationen nach Russland

Die USA fordern von der Regierung in Moskau die umgehende Freilassung von Ukrainern, die aus ihrer Heimat nach Russland zwangsverbracht worden seien. Berichte deuteten darauf hin, dass Russland "ukrainische Kinder von ihren Eltern trennt und andere aus Waisenhäusern entführt, um sie dann in Russland zur Adoption freizugeben", sagte Außenminister Antony Blinken. Deportationen geschützter Personen seien ein schwerer Verstoß gegen die Genfer Konventionen und ein Kriegsverbrechen. Ukrainische Behörden haben Russland zuvor vorgeworfen, Hunderttausende Menschen aus den besetzten Gebieten in der Ukraine deportiert zu haben, und baten das Rote Kreuz um Unterstützung. Blinken fordert von Russland die Zulassung externer Beobachter. Russland hat erklärt, es biete jenen humanitäre Hilfe an, die die Ukraine verlassen wollten. Den Vorwurf, Zivilisten ins Visier zu nehmen, hat die Regierung in Moskau wiederholt zurückgewiesen.

Bundeskabinett beschließt Verordnung zur Kohleverstromung

In der Erdgaskrise können schon bald vermehrt Kohlekraftwerke zur Stromerzeugung zum Einsatz kommen. Das Bundeskabinett beschloss eine entsprechende Verordnung, die am Donnerstag in Kraft tritt. "Wir wollen jetzt im Sommer Gas einsparen, um unsere Speicher für den Winter zu füllen", erklärte Wirtschaftsminister Robert Habeck. Kraftwerke, die mit Kohle und Öl betrieben werden und sich aktuell in der Netzreserve befinden, können demnach bis zum Ende des Winters befristet an den Strommarkt zurückkehren. Damit will Habeck die Vorsorge stärken. Man wappne sich weiter für eine Zuspitzung der aktuellen Lage am Energiemarkt.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, hier bei einem Auftritt an der Raffinerie in SchwedtBild: Monika Skolimowska/dpa/picture alliance

Wegen einer jährlichen Wartung fließt aktuell kein Gas mehr durch die Ostseepipeline Nord Stream 1. Die große Sorge ist, dass Russland nach der Wartung, die in der Regel bis zu zehn Tage dauert, den Gashahn nicht wieder aufdreht. Das vordringliche Ziel, den Kohleausstieg in Deutschland bis 2030 zu vollenden, bleibe von der befristeten Maßnahme unangetastet, so das Ministerium.

USA unterstützen Ukraine mit weiteren 1,7 Milliarden Dollar

Die USA haben der von Russland angegriffenen Ukraine weitere 1,7 Milliarden US-Dollar (1,69 Milliarden Euro) als Zuschuss für den Staatshaushalt zur Verfügung gestellt. Bezahlt werden sollen damit etwa Gehälter von Gesundheitspersonal, wie die US-Behörde für internationale Entwicklung in Washington mitteilte. Das Geld solle sicherstellen, dass die Regierung in Kiew ihre Arbeit fortsetzen und grundlegende Dienstleistungen wie die Gesundheitsversorgung gewährleisten könne.

Die Behörde hat nach eigenen Angaben bereits insgesamt vier Milliarden Dollar als Zuschuss gegeben. Die Mittel seien unter anderem für den Betrieb von Krankenhäusern und Schulen sowie für die Versorgung wichtiger Infrastruktur mit Gas und Strom verwendet worden. 

Ilja Jaschin im Juni bei einer Gerichtsverhandlung in MoskauBild: Alexander Zemlianchenko/AP/picture alliance

Russischer Oppositioneller Ilja Jaschin weiter in Haft

Der Verbündete von Kreml-Kritiker Alexej Nawalny, der russische Oppositionspolitiker Ilja Jaschin, muss nach einer Entscheidung eines Moskauer Gerichts bis zum 12. September im Gefängnis bleiben. Die russische Justiz leitet nach eigenen Angaben Ermittlungen gegen den Oppositionellen wegen angeblicher Verbreitung von Falschinformationen zu Russlands Armee ein. Ursprünglich sollte er heute wieder frei kommen. Ende Juni hatte ein Gericht Jaschin zunächst nur zu 15 Tagen Haft verurteilt, wie der der Oppositionelle damals auf seinem Telegram-Kanal mitteilte. Er sei wegen der Verbreitung seiner politischen Sichtweisen festgenommen worden. Jaschin hatte zuvor den russischen Einmarsch in die Ukraine verurteilt. Im April sprach er auf seinem YouTube-Kanal von "der Ermordung von Zivilisten in Butscha".

Die "Verbreitung falscher Informationen" über das russische Militär kann in Russland mit bis zu 15 Jahren Haft bestraft werden. Das Gesetz stellt Kritik an Russlands Offensive in der Ukraine unter Strafe und wurde nach Beginn des Einsatzes verabschiedet.

qu/kle/nob/as/se/fab (dpa, rtr, afp, ap)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.