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KonflikteUkraine

Ukraine aktuell: Moskau erleichtert Einberufungen zur Armee

11. April 2023

Per Gesetz können russische Männer künftig leichter zum Militärdienst eingezogen werden als bisher. Einem Medienbericht zufolge zweifeln US-Geheimdienste am Erfolg einer ukrainischen Offensive. Ein Nachrichtenüberblick.

Krim Sevastopol Wehrpflichtiger Verabschiedung von Familie
Russische Wehrpflichtige kurz vor ihrem Abmarsch in die Kaserne im November 2022Bild: ALEXEY PAVLISHAK/REUTERS

Das Wichtigste in Kürze:

  • Duma macht Einberufung von Russen zum Militär einfacher
  • Bericht: US-Geheimdienste zweifeln Erfolgsaussichten einer ukrainischen Offensive
  • Rumänien will F-35-Kampfjets kaufen
  • Ungarn setzt auch weiterhin auf russisches Gas
  • Russland startet großes Militärmanöver in der Arktis

 

Nach Problemen bei der Teilmobilmachung für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine können Männer in dem Riesenreich künftig deutlich leichter zum Militärdienst eingezogen werden als bisher. Die Einberufungsbescheide müssen nun nicht mehr persönlich überreicht werden, sondern können auf elektronischem Weg über das staatliche Serviceportal Gosuslugi zugestellt werden. Das entschied die Staatsduma in Moskau. Die Änderungen wurden in einer Blitzabstimmung verabschiedet, obwohl einige Abgeordnete beklagten, sie hätten keine Zeit gehabt, das Gesetz zu lesen.

Die ausstehende dritte und letzte Lesung und eine Unterschrift von Kremlchef Wladimir Putin gelten als Formsache. Durch die Änderungen ist ein Wehrpflichtiger elektronisch erfasst und kann bis zur Vorstellung bei der Einberufungsstelle etwa das Land nicht mehr verlassen. Wer sich nicht innerhalb von 20 Tagen nach der Vorladung beim Militärkommissariat meldet, muss mit drastischen Einschränkungen rechnen. So dürfen Wehrdienstverweigerer nicht mehr Auto fahren oder Immobilien kaufen. Auch die Registrierung als Selbstständiger ist nicht möglich. Sie sollen zudem keinen Kredit mehr erhalten.

Im September waren bei der teils chaotisch organisierten Teilmobilmachung Hunderttausende geflohen. Beobachter befürchten, dass mit der neuen Methode eine neue Mobilmachung für den Krieg vorbereitet werde. Kremlsprecher Dmitri Peskow wies diese Darstellung zurück. Er begründete die Initiative mit einer allgemeinen Digitalisierung des Lebens.

Bericht: US-Dienste haben Zweifel an möglicher Offensive Kiews

Die US-Geheimdienste sind einem Medienbericht skeptisch, was die Erfolgsaussichten einer möglichen ukrainischen Offensive gegen die russischen Truppen angeht. Eine solche Offensive könnte nur "eingeschränkte territoriale Gewinne" erzielen, heißt es nach einem Bericht der "Washington Post" in einem der geheimen US-Dokumente, die seit einigen Tagen im Internet veröffentlicht werden.

Bild: Thomas Trutschel/Photothek/imago images

Im Ukraine-Krieg wird allgemein in den kommenden Wochen mit einer Offensive Kiews gerechnet. Allerdings wird in dem US-Geheimdienstdokument gewarnt, dass es "fortdauernde ukrainische Rückstände" bei der Ausbildung der Soldaten und bei der Munitionsversorgung gebe. Außerdem seien die russischen Truppen schlagkräftig. Dies alles zusammen werde ukrainische "Fortschritte einschränken und die Verluste während der Offensive verstärken", schreibt die Zeitung.

Die geheimen US-Regierungsdokumente waren nach und nach auf Online-Plattformen wie Discord, Telegram und Twitter aufgetaucht. Laut der "New York Times" wurden sie über pro-russische Kanäle verbreitet. Ein Großteil der Dokumente bezieht sich auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die US-Regierung hatte am Montag erklärt, dass das Durchsickern der geheimen Dokumente ins Internet "ein sehr ernstes" Sicherheitsrisiko darstelle. Viele der geleakten Unterlagen sind inzwischen nicht mehr online zugänglich. Berichten zufolge arbeiten die USA mit Hochdruck daran, sie aus dem Internet verschwinden zu lassen.

Kiew ist angeblich verärgert über Datenleck in USA

Die Führung in Kiew hat nach einem Bericht des US-Fernsehsenders CNN verärgert darüber reagiert, dass im Internet vertrauliche Informationen zum Kriegsgeschehen auftauchten. Die Tatsache an sich sei keine Überraschung, aber ukrainische Beamte seien zutiefst frustriert über das Datenleck, schrieb CNN unter Berufung auf eine Präsident Wolodymyr Selenskyj nahe stehende Person. Die Ukraine habe bereits einige ihrer militärischen Pläne geändert, berichtete der Sender unter Berufung auf das Umfeld Selenskyjs.

Einer der engsten Sicherheitsberater des Präsidenten, Oleksii Danilow, äußerte dagegen Zweifel an dieser Darstellung. Im Exklusivinterview mit der ARD sagte der Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidungsrats der Ukraine: "Ich weiß nicht, mit wem CNN gesprochen hat. Ich kann auf jeden Fall sagen, dass die Anzahl der Personen, die unsere Pläne auf unserem Staatsgebiet kennt, äußerst begrenzt ist. Und ich denke nicht, dass der Informant, der mit CNN in Kontakt stand, etwas damit zu tun hat."

Von der Veröffentlichung zahlreicher Geheimdokumente zeigt sich Danilow betont unbeeindruckt. Ein Teil der Informationen, die dort zu finden seien, seien gar nicht geheim gewesen. 

Ähnlich äußerte sich Präsidentenberater Mychajlo Podoljak. Beratungen des Staatschefs mit dem Militär liefen anders ab als in veröffentlichten Geheimdienstdokumenten dargestellt, sagte er im ukrainischen Fernsehen. Die Beziehungen der Ukraine zu ihren westlichen Partnern seien durch die Veröffentlichungen nicht gefährdet. "Das sind normale Analysen", sagte er. Auch Pläne zu einer ukrainischen Gegenoffensive würden nicht torpediert, weil daran noch gearbeitet werde.

Unklar ist aber weiter, wer die Unterlagen unter anderem der US-Geheimdienste und des Militärs veröffentlicht hat und ob sie tatsächlich alle echt sind. Analysten hatten teils Manipulationen an den fotografierten Unterlagen nachgewiesen - im Sinne Russlands.

Rumänien will F-35-Kampfjets kaufen

Angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine beabsichtigt Rumänien, seine Luftwaffe aufzurüsten. Dazu will das Land mehrere Mehrzweck-Kampfflugzeuge der neuesten Version des amerikanischen Typs F-35 kaufen. Das beschloss der Oberste Verteidigungsrat unter dem Vorsitz von Staatspräsident Klaus Iohannis, wie das Präsidialamt in Bukarest mitteilte. Wie viele Exemplare der hochmodernen Kampfflugzeuge aus US-Produktion erworben werden sollen, wurde nicht mitgeteilt.

Amerikanische Kampfjets vom Typ Lockheed Martin F-35Bild: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

In der Sitzung des Verteidigungsrats ging es um die Sicherheitslage im Schwarzmeer-Raum vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine sowie der Bedrohungslage für die Republik Moldau. Rumänien ist EU- und NATO-Mitglied und grenzt im Norden und Osten an beide Länder.

Im November 2022 hatte die Regierung in Bukarest mit Norwegen einen Vertrag zum Kauf von 32 gebrauchten F-16-Kampfjets geschlossen. Damit würde sich Rumäniens F-16-Flotte nahezu verdreifachen. Die Maschinen aus Norwegen sollen im Laufe der nächsten drei Jahre in Rumänien eintreffen, die ersten davon bereits in diesem Jahr. Jüngst hatte Rumänien zudem 17 Jets vom Typ F-16 gebraucht in Portugal gekauft.

Ungarn setzt auch weiterhin auf russisches Gas

Ungeachtet des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine will Ungarn weiter vor allem russisches Gas nutzen. Außenminister Peter Szijjarto teilte mit, er habe mit Russland vereinbart, dass der Energiekonzern Gazprom zusätzliches Gas über die Mengen hinaus liefern könne, die in einem langfristigen Abkommen festgelegt wurden. Das EU-Mitglied Ungarn bezieht 80 bis 85 Prozent seines Gases aus Russland und erhielt 2022 nach Angaben von Szijjarto zudem 80 Prozent seiner Rohölimporte ebenfalls aus Russland. Ein Sprecher von Ministerpräsident Viktor Orban warnte die EU auf Twitter, das nun geschlossene Zusatzabkommen zu untersagen.

Der ungarische Außenminister Peter SzijjartoBild: Danil Shamkin/NurPhoto/picture alliance

Während sich die anderen EU-Staaten bemühen, russisches Gas zu ersetzen, erhält Ungarn im Rahmen eines 15-Jahres-Vertrags aus dem Jahr 2021 4,5 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr aus Russland, hauptsächlich über die Pipeline Turkstream. Orban, der mit seiner nationalkonservativen Fidesz-Partei in Budapest regiert, betont seit Jahren seine besonderen Beziehungen zu Russland. So teilte die Regierung vor wenigen Tagen mit, dass Ungarn den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen den russischen Staatschef Wladimir Putin ignoriere werde. Putin würde nicht verhaftet, wenn er nach Ungarn käme.

Selenskyj begrüßt Gefangenenaustausch

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Austausch von mehr als 200 Kriegsgefangenen zwischen Moskau und Kiew begrüßt. "Das sind 100 Familien, denen vor Ostern echte Freude geschenkt wurde", sagte Selenskyj am Montag in seiner abendlichen Videoansprache über die ukrainischen Heimkehrer.

Die orthodoxen Kirchen feiern das Osterfest erst am kommenden Sonntag. Selenskyj zufolge wurden auch 20 Soldatinnen freigelassen. Russland hatte demnach 106 Gefangene zurückbekommen.

Lage in Bachmut "unter Kontrolle"

Die ukrainischen Streitkräfte haben nach Angaben des Generalstabs in Kiew seit Ostersonntag rund 60 russische Angriffe abgewehrt und auch sechs Drohnen abgeschossen. Am aktivsten sei der Gegner im Raum Donezk im Osten, hieß es. Betroffen von massivem Artilleriebeschuss war zudem etwa die Stadt Cherson im Süden. Der Schwerpunkt der Kämpfe liegt den Angaben zufolge weiter in der Stadt und im Raum Bachmut im Gebiet Donezk.

Blick auf die umkämpfte Stadt Bachmut im Osten der UkraineBild: Oleksandr Klymenko/REUTERS

Der Kommandeur der ukrainischen Streitkräfte im Osten, General Olexander Syrskyj, warf Russland vor, dort - wie zuvor in Syrien - zu einer "Taktik der verbrannten Erde" übergegangen zu sein. "Es werden mit Luftschlägen und Artilleriefeuer Gebäude und Stellungen zerstört. Die Lage ist schwierig, aber unter Kontrolle", sagte Syrskyj am Montag.

Die ukrainische Führung hatte stets betont, die strategisch wichtige Stadt Bachmut nicht aufzugeben, um einen weiteren Durchbruch der russischen Truppen ins Landesinnere zu verhindern. Russland verfolgt in dem Krieg unter anderem das Ziel, die gesamte Region Donezk einzunehmen.

Fall Gershkovich: USA erhöhen Druck auf Moskau

Im Fall des in Russland unter Spionageverdacht inhaftierten US-Reporters Evan Gershkovich erhöht Washington den Druck auf Moskau. Das US-Außenministerium erklärte den Journalisten am Montag offiziell als "zu Unrecht festgenommen" und forderte erneut seine sofortige Freilassung. "Journalismus ist kein Verbrechen", betonte ein Ministeriumssprecher.

Dem US-Journalisten Evan Gershkovich wird von der Regierung in Moskau Spionage vorgeworfenBild: The Wall Street Journal/AP/picture alliance

Außenminister Antony Blinken "hat die Entscheidung getroffen, dass Gershkovich von Russland zu Unrecht festgenommen wurde", erklärte der Sprecher. Diese ungewöhnlich schnell getroffene Entscheidung bedeutet, dass sich nun der US-Sondergesandte für Geiseln um den Fall kümmert und mehr Ressourcen zur Verfügung stehen. Zudem zeigt sie, wie ernst die USA die Angelegenheit nehmen - und erhöht damit den Druck auf Moskau.

Der in Russland wegen Spionage für Washington inhaftierte Gershkovich war am Freitag offiziell angeklagt worden. Gershkovich habe die Vorwürfe des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB "kategorisch" zurückgewiesen und betont, er sei lediglich als Journalist in Russland, berichtete die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass. Der Fall des 31-Jährigen sei als "streng geheim" eingestuft worden; ihm drohen demnach 20 Jahre Haft. Washington wirft Moskau seit längerem vor, willkürlich US-Bürger festzunehmen, um sie gegen inhaftierte Russen auszutauschen.

Russland startet großes Militärmanöver in der Arktis

Die russische Nordmeerflotte hat nach eigenen Angaben ein mehrtägiges Großmanöver in den Gewässern der Arktis begonnen. An der Übung sollen 1800 Soldaten und mehr als ein Dutzend Schiffe teilnehmen. Geprüft werde das Zusammenwirken zwischen den Schiffen und der Luftwaffe unter Leitung der entsprechenden Kommandostäbe, teilte der Pressedienst der Flotte mit. Es sind auch 40 Flugzeuge und Hubschrauber im Einsatz, daneben Fahrzeuge für Landoperationen. Die Nordostpassage führt an der Nordküste Russlands entlang. Wegen der Klimaerwärmung wird die Route für den Schiffsverkehr immer wichtiger, denn inzwischen ist sie im Sommer teilweise sogar ohne Eisbrecher passierbar.

Kreml-Kritiker Kara-Mursa: "Ich bereue nichts"

Der angeklagte russische Oppositionelle Wladimir Kara-Mursa bereut nach eigenem Bekunden keine seiner Äußerungen - obwohl ihm wegen Kommentaren gegen die Ukraine-Offensive nun 25 Jahre Haft drohen. "Ich unterschreibe jedes Wort, das ich gesagt habe und wegen dessen ich heute angeklagt bin", zitierte ein Journalist am Montag Kara-Mursas letzte Worte vor Gericht im Onlinedienst Telegram. "Nicht nur bereue ich nichts - ich bin stolz darauf", führte er demnach fort.

Wladimir Kara-Mursa in einem Moskauer Gericht (09.08.2022)Bild: Anton Novoderezhkin/Tass/picture alliance

Dem 41-Jährigen werden mehrere Vorwürfe gemacht, darunter Hochverrat und die Verbreitung von Falschinformationen über die russische Armee. In der vergangenen Woche hatte die Staatsanwaltschaft bei einer Anhörung hinter verschlossenen Türen 25 Jahre Haft für Kara-Mursa beantragt. Das Urteil gegen Kara-Mursa wird für nächsten Montag erwartet.

Haft für Kriegsdienstverweigerer

In der Ukraine ist ein Kriegsdienstverweigerer zu drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der 40-Jährige sei Einberufungsbescheiden wiederholt nicht nachgekommen, teilte die Staatsanwaltschaft des Kreises Tkatschiw im Westen des Landes am Montag mit.

Der Mann aus einem Dorf nahe der Grenze zu Rumänien habe erklärt, keine Waffe in die Hand nehmen zu können, um andere Menschen zu töten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Die Verfassung der Ukraine gestattet Wehrdienstverweigerung nur aus religiösen Gründen. Der Verurteilte gehört nach Angaben der Staatsanwaltschaft aber keiner Religionsgemeinschaft an, die Gewalt strikt ablehnt. Manche Ukrainer versuchen, sich vom Wehrdienst freizukaufen oder mit gefälschten Unterlagen ins Ausland zu fliehen. Für ukrainische Männer zwischen 18 und 60 Jahren wurde unmittelbar nach dem russischen Einmarsch im Februar vergangenen Jahres ein grundsätzliches Ausreiseverbot verhängt.

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

kle/uh/mak/fw (dpa, rtr, afp)