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Politik

Aktuell: Russland stoppt Stromlieferung nach Finnland

13. Mai 2022

Finnlands erklärter Wunsch nach einem NATO-Beitritt hat erste Folgen. Der russische Energiekonzern Inter RAO will keinen Strom mehr in das Nachbarland liefern. Ein Überblick.

Hochspannungsleitungen in Finnland
Ein Kraftwerksgelände in Helsinki: Energie aus Russland macht rund zehn Prozent des gesamten Verbrauchs aus, heißt es Bild: Olli Häkamies/Lehtikuva/dpa/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Russland stellt Stromlieferung nach Finnland ein
  • Kanzler Scholz telefoniert abermals mit Präsident Putin
  • Schwedische Sicherheitsanalyse sieht möglichen NATO-Beitritt positiv
  • Türkei gegen NATO-Mitgliedschaft von Schweden und Finnland
  • EU stockt Gelder für Waffenlieferungen auf

Der russische Versorger Inter RAO stellt nach Angaben des finnischen Netzbetreibers Fingrid ab Samstag seine Stromlieferungen nach Finnland bis auf weiteres ein. Grund sei, dass über die Energiebörse Nord Pool seit dem 6. Mai keine Zahlungen bei der russischen Firma eingegangen seien, teilte Fingrid unter Verweis auf eine Erklärung von Inter RAO mit. Fingrid sei nicht für die Zahlungen zuständig. Nord Pool lehnte eine Stellungnahme ab.

Fingrid gab sich indes gelassen und betonte, dass die Versorgungssicherheit nicht gefährdet sei. Die Energie aus Russland mache rund zehn Prozent des gesamten Verbrauchs aus und könne durch Importe aus Schweden und zum Teil durch heimische Stromerzeugung ausgeglichen werden.

Die finnische Staatsspitze hatte am Donnerstag erklärt, Finnland solle angesichts des russischen Militäreinsatzes in der Ukraine "unverzüglich" einen Antrag auf Beitritt zur NATO stellen. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte anschließend, Russland würde eine finnische Mitgliedschaft in dem westlichen Militärbündnis "definitiv" als Bedrohung ansehen. Das russische Außenministerium erklärte, Moskau sehe sich gezwungen, darauf "militärisch-technisch und auf andere Weise" zu reagieren.

Kanzler Olaf Scholz wies Putin "auf die Verantwortung Russlands für die globale Lebensmittellage" hinBild: Tobias Schwarz/AFP/Getty Images

Scholz fordert Waffenstillstand von Putin

Nach mehr als sechs Wochen Funkstille haben Bundeskanzler Olaf Scholz und der russische Präsident Wladimir Putin erstmals wieder telefoniert. Scholz forderte in dem Telefonat nach eigenen Angaben ein sofortiges Ende des Ukraine-Krieges. "Es muss schnellstmöglich einen Waffenstillstand in der Ukraine geben", erklärte der SPD-Politiker via Twitter. "Die Behauptung, dass dort Nazis herrschen, ist falsch."

Er habe Putin zudem "auf die Verantwortung Russlands für die globale Lebensmittellage hingewiesen". Ein Regierungssprecher ergänzte, das 75-minütige Telefonat habe am Freitagvormittag stattgefunden. Scholz habe gegenüber dem russischen Präsidenten auch auf eine Verbesserung der humanitären Lage und auf Fortschritte bei der Suche nach einer diplomatischen Lösung des Konflikts gedrungen.

Die russische Nachrichtenagentur Tass hatte zuvor gemeldet, Putin habe Scholz in dem Telefonat gesagt, dass die Friedensgespräche von der Führung in der ukrainischen Hauptstadt Kiew blockiert würden. Putin und Scholz hätten vereinbart, die Gespräche zur Ukraine auf verschiedenen Ebenen fortzuführen.

Scholz hatte sein Telefonat mit Putin am Morgen im Verteidigungsausschuss des Bundestages angekündigt. Dabei stellte der Bundeskanzler nach Angaben von Teilnehmern der Sitzung klar, "dass das Ziel die Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine sein" müsse und nicht ein "Stillstandsfrieden, bei dem besetzte Gebiete von Russland gehalten werden".

Schwedens Außenministerin Ann Linde (rechts) mit Verteidigungsminister Peter HultqvistBild: HENRIK MONTGOMERY/TT NEWS AGENCY/AFP/Getty Images

Schwedische Analyse betont NATO-Vorteile

Im Schatten des Ukraine-Kriegs hat Schwedens Außenministerin Ann Linde eine mit Spannung erwartete Sicherheitsanalyse vorgestellt. Das Gutachten stellt die Vorteile heraus, die ein NATO-Beitritt des derzeit neutralen Landes mit sich brächte: Schweden käme unter den kollektiven Schutzschirm des Bündnisses. Dadurch würde die Schwelle für militärische Konflikte erhöht, was einen vorbeugenden Effekt in Nordeuropa hätte, so die Autoren.

"Wir stellen fest, dass die Russland-Krise strukturell, systematisch und langwierig ist", bilanzierte Linde bei der Vorstellung des Berichts, den die Parlamentsparteien zusammen mit der Regierung verfasst haben. Dies liege der gesamten Analyse zugrunde. Das Papier listet auch mögliche Nachteile auf: Russland könnte versuchen, die Öffentlichkeit und Entscheidungsträger in Schweden zu beeinflussen. Ebenso seien Cyberangriffe denkbar.

Das skandinavische Königreich ist traditionell bündnisfrei, könnte aber angesichts des Ukraine-Krieges umschwenken - wie das benachbarte Finnland, das am Donnerstag seinen Beitrittswunsch äußerte. Russland würde eine NATO-Erweiterung in Nordeuropa nach Aussage eines Kremlsprechers "definitiv" als Bedrohung werten. Die Sozialdemokraten von Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson, die eine Minderheitsregierung führt, wollen sich am Sonntag in der NATO-Frage positionieren. Plädieren sie für einen Beitritt, könnte ein schwedischer Antrag schon tags darauf gestellt werden.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hält Schweden und Finnland für die "Heimat vieler terroristischer Organisationen"Bild: Ebrahim Noroozi/AP/dpa/picture alliance

Türkei protestiert

Mit der Türkei hat ein erster NATO-Staat Einwände gegen einen Beitritt von Schweden und Finnland zu dem Militärbündnis erhoben. Er habe zu einer Aufnahme der beiden Länder keine "positive Meinung", sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in Istanbul.  "Skandinavische Länder sind wie ein Gästehaus für Terrororganisationen", begründete Erdogan seine Haltung. Die Außenminister aus Stockholm und Helsinki kündigten daraufhin an, am Samstag in Berlin mit ihrem türkischen Kollegen beraten zu wollen.

Die Türkei beschuldigt seit langem die nordischen Länder, insbesondere Schweden, wo viele türkische Einwanderer leben, extremistische kurdische Gruppen sowie Anhänger des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen zu beherbergen. Die Aufnahme neuer Mitglieder muss von den NATO-Mitgliedstaaten einstimmig gebilligt werden. Die Türkei hätte also die Möglichkeit, die Aufnahme Schwedens und Finnlands zu blockieren. 

Außenminister Dmytro Kuleba (l.) sprach am Donnerstag auch mit Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Bild: Wolfgang Kumm/dpa/picture alliance

Kuleba pocht auf territoriale Integrität

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba hat die Ziele seiner Regierung in dem russischen Angriffskrieg dargelegt. Was auch immer nötig sei und ganz gleich, wie lange es dauere, die Ukraine werde militärisch und auch diplomatisch dafür kämpfen, "dass unser Land vollständig wiederhergestellt wird", sagte Kuleba im Zweiten Deutschen Fernsehen. Es gehe um die gesamte territoriale Integrität, einschließlich des Donbass und der Krim, betonte er. Im Gespräch mit anderen Politikern warb der Minister eindringlich für eine EU-Beitrittsperspektive für die Ukraine. Kuleba besucht Deutschland für vier Tage und nimmt zeitweise auch am G7-Außenministertreffen an der Ostsee teil. 

EU stockt Gelder für Waffenlieferungen auf

Die EU will weitere 500 Millionen Euro für die Lieferung von Waffen und Ausrüstung an die ukrainischen Streitkräfte zur Verfügung stellen. Das kündigte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Rande des G7-Außenministertreffens an. Damit würden sich die für die Ukraine zur Verfügung stehenden EU-Mittel für Militärhilfe auf zwei Milliarden Euro erhöhen.

Ukrainischer Botschafter verlangt mehr Einsatz für EU-Beitritt

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk erwartet von der Bundesregierung einen stärkeren Einsatz für die von Kiew angestrebte EU-Mitgliedschaft. "Neben Waffenlieferungen und der Verschärfung von Sanktionen ist unser Hauptziel, Unterstützung zu bekommen für einen Beitritt zur EU", sagte Melnyk dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Da die Entscheidung über den Kandidatenstatus seitens der EU bis Ende Juni getroffen werde, sei es wichtig, dass die Deutschen dabei hülfen, andere Skeptiker zu überzeugen, so Melnyk.

UN, Rotes Kreuz und Türkei in Azovstal-Verhandlungen eingeschaltet

Mit internationaler Unterstützung bemüht sich die ukrainische Führung weiter um die Rettung der Soldaten im belagerten Stahlwerk Azovstal in der Hafenstadt Mariupol. Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk sagte, Kiew habe den Vereinten Nationen (UN) und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz das Mandat zu den Gesprächen mit der russischen Seite erteilt. Die Türkei sei inzwischen als Vermittler dabei.

Angestrebt werde eine Evakuierung in mehreren Etappen - an erster Stelle stehe die Rettung von 38 schwer verwundeten Verteidigern aus Azovstal. Sollte dies klappen, "dann bewegen wir uns weiter". Die Ukraine ist unter anderem bereit, russische Kriegsgefangene für die Verwundeten auszutauschen. 

In dem weitläufigen Industriekomplex haben sich die letzten ukrainischen Verteidiger von Mariupol verschanzt. Russland lehnt bisher jede Evakuierung ab und fordert von den Ukrainern im Werk die Kapitulation.

UN: Keine Schulen bombardieren

Die Vereinten Nationen verlangen ein Ende der Bombardierung sowie der militärischen Nutzung von Schulen in der Ukraine. "Hunderte von Schulen im ganzen Land wurden Berichten zufolge von schwerer Artillerie, Luftangriffen und anderen explosiven Waffen in bewohnten Gebieten getroffen", sagte der stellvertretende Exekutivdirektor des UN-Kinderhilfswerks UNICEF, Omar Abdi, vor dem UN-Sicherheitsrat in New York. Diese Angriffe müssten aufhören.

Andere Schulen würden als Informationszentren, Notunterkünfte, Versorgungszentren oder für militärische Zwecke genutzt - mit langfristigen Auswirkungen auf die Rückkehr der Kinder in die Schule, führte Abdi aus. 

Die Sitzung des Sicherheitsrates war auf Antrag Mexikos und Frankreichs einberufen worden. Beide Länder betonten, Angriffe auf Schulen stellten eine eklatante Verletzung des humanitären Rechts dar.

Russische Raketen treffen Raffinerie in Krementschuk

Die Industriestadt Krementschuk in der Zentralukraine ist laut Behördenangaben von einer Serie russischer Raketen getroffen worden. Beim bisher größten Angriff auf die Stadt seit Kriegsbeginn vor zweieinhalb Monaten sei auch eine Raffinerie beschädigt worden, sagte der regionale Militärchef Dmitrij Lunin nach Angaben der Agentur Unian.

Ukrainische Einheiten haben nach britischen Angaben verhindert, dass russische Truppen den Fluss Siwerskji Donez im Donbass überqueren. Dieser fließt westlich der Stadt Sewerodonezk. Bilder zeigten, dass das russische Militär unter anderem die eingesetzte Ausrüstung zur Bildung von Ponton-Brücken verloren habe, teilt das britische Verteidigungsministerium mit. Es beruft sich auf den jüngsten Lagebericht des britischen Militärgeheimdienstes. Die russischen Truppen hätten versucht, Richtung Slowjansk und Kramatorsk durchzubrechen.

Mehr als sechs Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen

Seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine haben mehr als sechs Millionen Menschen das Land verlassen. Das UN-Flüchtlingswerk UNHCR gab die Gesamtzahl der Geflüchteten bis zum 11. Mai mit 6.029.705 an. Mehr als die Hälfte der Menschen floh ins benachbarte Polen. 

Polen: Frau versorgt acht ukrainische Flüchtlinge

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Der Exodus hält laut UN an: Seit Monatsbeginn verließen fast 500.000 Menschen wegen des Kriegs ihre Heimat. Darüber hinaus schätzt die Internationale Organisation für Migration (IOM), dass rund acht Millionen Menschen innerhalb der Ukraine auf der Flucht sind. 

Ukrainisches Crowdfunding-Projekt bringt Millionen ein

Ein von der ukrainischen Führung ins Leben gerufenes Crowdfunding-Projekt zur Unterstützung des Landes hat innerhalb einer Woche bereits Millionen Euro eingebracht. Wie Digitalminister Mychajlo Fjodorow mitteilte, gingen Spenden im Umfang von 25,8 Millionen Dollar (24,4 Mio. Euro) aus aller Welt über die Website United24 ein. Dort kann gesondert für die Armee, humanitäre Zwecke oder den Wiederaufbau nach dem Krieg gespendet werden.

Die Verwendung der Gelder soll vierteljährlich extern überprüft werden. Die Ukraine gilt nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Transparency International als eines der korruptesten Länder Europas.

uh/sti/se/bru/jj/fab (dpa, rtr, afp, ap) 

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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