Ukraine aktuell: Russland stoppt vorerst Getreidelieferungen
17. Juli 2023Das Wichtigste in Kürze:
- Russland stoppt Getreideabkommen mit Ukraine
- Zweiter Angriff auf Brücke über Straße von Kertsch innerhalb eines Jahres
- Moskau spricht von "Terrorakt"
- Großbritannien verhängt Sanktionen gegen Russen wegen Verschleppung von Kindern
- Ukraine gedenkt ihrer Souveränitätserklärung vor 33 Jahren
- Außenministerin Baerbock will Strafen für Urheber von Angriffskriegen
Russland hat das Abkommen zur Verschiffung von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer gestoppt. Sobald alle russischen Forderungen für den Export seines eigenen Getreides erfüllt seien, kehre Moskau wieder zur Erfüllung der Vereinbarung zurück, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge. Die Vereinbarung mit Russland und der Ukraine hatte nach mehreren Verlängerungen offiziell bis zum späten Montagabend gegolten.
Kreml dementiert Zusammenhang mit der Attacke auf Krim-Brücke
Peskow dementierte, dass die Attacke auf die Krim-Brücke Auswirkungen auf die Zukunft des Getreideabkommens habe. "Das sind zwei nicht miteinander verbundene Ereignisse. Sie wissen, dass noch vor dem Terroranschlag, die Position von Präsident Putin geäußert wurde", sagte er. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte erklärt, dass die Grundlagen fehlten für eine Verlängerung der Vereinbarung. Damit kommt der Transport von Millionen Tonnen von ukrainischem Getreide, vor allem Mais und Weizen, über den Seeweg zum Erliegen, obwohl die Ausfuhren vor allem für ärmere Länder wichtig sind.
Die Vereinbarung, durch die die Ukraine Getreide über das von der russischen Flotte kontrollierte Schwarze Meer exportieren kann, war vor einem Jahr unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei erzielt worden und wurde zwischenzeitlich mehrfach verlängert.
Attacke auf Krim-Brücke kostet Menschenleben
Zuvor meldeten Moskau und Kiew einen Angriff auf die Brücke zwischen Russland und der annektierten Halbinsel Krim. Nach Angaben aus Kiew stecken die ukrainische Marine und Spezialkräfte hinter den Explosionen. Der Angriff sei eine "Spezialoperation" des ukrainischen Inlandsgeheimdienstes SBU und der Marine gewesen, erfuhr die Nachrichtenagentur AFP aus SBU-Kreisen. Bei dem Angriff auf die Brücke über die Straße von Kertsch - zwischen der russischen Region Krasnodar und der Halbinsel Krim - seien Marinedrohnen zum Einsatz gekommen.
Zwei Menschen wurden bei der Attacke getötet, wie das Gesundheitsministerium der russischen Region Krasnodar mitteilte. Ein Mädchen sei verletzt worden. Der Gouverneur der Region Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, erklärte, bei den Toten handele es sich um die Eltern des Kindes. Der Verkehr auf der Brücke wurde unterbrochen.
Der ukrainische Geheimdienst bestätigte eine eigene Beteiligung zunächst nicht, sondern teilte in einer ersten Reaktion lediglich mit: "Erneut hat sich die Brücke 'schlafen' gelegt." Zu einem ersten Anschlag auf der Brücke im vergangenen Herbst mit drei Toten hatte sich Kiew später bekannt. Auch damals wurde die Fahrbahn schwer beschädigt, später allerdings repariert. Die ukrainische Krim wurde 2014 von Russland annektiert.
Kreml: USA und Großbritannien am Angriff beteiligt
Russland sprach offiziell von einem "Terrorakt". Der Kreml machte ukrainische Geheimdienste dafür verantwortlich. Die Brücke sei am frühen Montagmorgen von Überwasserdrohnen attackiert worden, teilte das russische Anti-Terror-Komitee mit. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, beschuldigte die Ukraine, einen Angriff auf die Brücke zwischen Russland und der Krim unter Beteiligung Großbritanniens und der Vereinigten Staaten durchgeführt zu haben. Sacharowa lieferte keine Beweise für ihre Behauptungen.
"Der heutige Angriff auf die Krim-Brücke wurde vom Kiewer Regime verübt. Dieses Regime ist terroristisch und weist alle Merkmale einer internationalen organisierten Verbrechergruppe auf", sagte sie. "Die Entscheidungen werden von ukrainischen Beamten und Militärs unter direkter Beteiligung amerikanischer und britischer Geheimdienste und Politiker getroffen. Die USA und Großbritannien sind für eine terroristische Staatsstruktur verantwortlich."
Die Brücke war im Oktober 2022 bei einer Explosion in Teilen beschädigt worden. Moskau hatte ukrainische Geheimdienste für den Anschlag mit einem Lkw verantwortlich gemacht. Kiew bestritt dies.
Großbritannien verhängt Sanktionen wegen Verschleppung von Kindern
Großbritannien hat wegen der mutmaßlichen Verschleppung von ukrainischen Kindern durch Russland Sanktionen gegen weitere Vertreter oder Unterstützer des Kremls verhängt. Die Maßnahmen zielten auf insgesamt 14 Personen und Organisationen, erklärte die Regierung in London. Unter ihnen sind der russische Bildungsminister Sergej Krawtsow und der bekannte Journalist Anton Krassowski.
Laut Angaben Kiews hat Russland seit Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 mindestens 20.000 Kinder aus der Ukraine auf russisches Staatsgebiet oder in von Russland kontrollierte Gebiete verschleppt. Nur rund 360 von ihnen konnten demnach in ihre Heimat zurückgeholt werden. Mitte März hatte der Internationale Strafgerichtshof wegen der mutmaßlichen Verschleppungen Haftbefehl gegen Kreml-Chef Wladimir Putin und die "Kinderrechtsbeauftragte" des russischen Präsidenten, Maria Alexejewna Lwowa-Belowa, erlassen.
Selenskyj feiert 33 Jahre Souveränität
Vor 33 Jahren hat die Ukraine sich selbst zum souveränen Staat erklärt. Die Verabschiedung des entsprechenden Dokuments am 16. Juli 1990 nahm der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache zum Anlass, die Stärke seines Landes im Widerstand gegen den russischen Angriffskrieg hervorzuheben. "Unser Land wird niemals die Souveränität aufgeben. Das ist schon jedem in der Welt klar", sagte er am Sonntagabend. Gefeiert werde eine freie Ukraine. Einmal mehr dankte Selenskyj explizit einer Reihe von namentlich genannten Soldatinnen und Soldaten, die für das Land kämpften.
In der Erklärung zur Eigenständigkeit der Ukraine, die damals noch Teil der Sowjetunion war, hatte das Parlament in Kiew beschlossen, dass das Land eine eigene Armee und eine eigene Nationalbank haben, aber keine Atomwaffen besitzen sowie blockfrei sein sollte. Im darauffolgenden Jahr erklärte die Ukraine dann ihre Unabhängigkeit von Moskau, was mitverantwortlich für den Zusammenbruch der Sowjetunion war.
Baerbock fordert Strafen für Angriffskriege
Außenministerin Annalena Baerbock setzt auf eine Reform des Völkerrechts, damit Urheber eines Angriffskriegs wie der russische Präsident Wladimir Putin zur Rechenschaft gezogen werden. "Niemand darf im 21. Jahrhundert einen Angriffskrieg führen und straflos bleiben", forderte die Grünen-Politikerin vor einer Reise nach New York. Dort will sie bei den Vereinten Nationen (UN) an einem Festakt zum 25. Jahrestag der Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) teilnehmen. Zudem ist eine Rede im UN-Sicherheitsrat geplant.
"In den Augen der Täter ist der IStGH schon jetzt ein scharfes Schwert", sagte Baerbock. In den Augen der Opfer sei er die Hoffnung darauf, dass ihr Leid nicht ungestraft bleibe. "Deshalb schmerzt eine Lücke in der Strafverfolgung besonders", so die Ministerin: Bei Verbrechen der Aggression gegen "das kostbarste Gut, das wir haben: unseren Frieden" seien die Hürden für eine Strafverfolgung noch zu hoch. "Deshalb wollen wir gemeinsam mit Partnern das Völkerrecht weiterentwickeln, so dass es unseren Realitäten im 21. Jahrhundert gerecht wird."
Baerbock hatte schon im Januar bei einem Besuch am Sitz des Gerichts im niederländischen Den Haag vorgeschlagen, dessen rechtliche Grundlagen so zu ändern, dass auch der Tatbestand des Angriffskriegs uneingeschränkt verfolgt werden kann. So soll es ausreichen, wenn der Opferstaat einer Aggression unter die Jurisdiktion des Gerichtshofes fällt. Derzeit kann nur der UN-Sicherheitsrat den Fall dem Gericht übertragen, da weder Russland noch die Ukraine Vertragspartner sind. Als Ständiges Mitglied hat Russland im Sicherheitsrat ein Vetorecht.
Vor ihrem Abflug kritisierte Baerbock zudem: "Die Barbarei des russischen Krieges zeigt sich vor allem in dem Schicksal der vielen tausend Kinder, die aus der Ukraine nach Russland verschleppt wurden." Russland nehme ihnen nicht nur die Kindheit, sondern auch Identität und Zukunft. Dass der Gerichtshof dazu Ermittlungen aufgenommen habe, sei ein "wichtiger Schritt hin zu Gerechtigkeit".
pg/qu/nob/sti/mak/wa (dpa, afp, rtr)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus Kriegsgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.