Aktuell: Medwedew verteidigt Krieg
27. August 2022
Das Wichtigste in Kürze:
- Russlands Ex-Präsident Medwedew verteidigt Krieg
- Selenskyj hält die Lage im AKW Saporischschja weiter für gefährlich
- London: Kämpfe in der Ostukraine werden intensiver
- Großbritannien liefert Unterwasserdrohnen an Kiew
- Immer mehr Ukrainer finden Arbeit in Deutschland
Russlands ehemaliger Präsident Dmitri Medwedew hat den Angriffskrieg gegen die Ukraine in einem Interview mit dem französischen Fernsehen gerechtfertigt. Er war zwischen 2008 und 2012 der offizielle Machthaber im Kreml, inzwischen ist er Vize-Vorsitzender des russischen Sicherheitsrates. Medwedew gilt seit jeher als Vertrauter des amtierenden Staatsoberhaupts Wladimir Putin. Hoffnungen auf ein baldiges Schweigen der Waffen macht er nicht.
Auch ein offizieller Verzicht der Ukraine auf einen NATO-Beitritt würde den Krieg nicht beenden, sagte 56-Jährige dem französischen Sender LCI. "Der Verzicht auf einen Beitritt zur nordatlantischen Allianz ist jetzt von absolut entscheidender Bedeutung, reicht aber nicht aus, um Frieden zu schaffen", so Medwedew in dem viertelstündigen Interview. Die "militärische Spezialoperation" werde sogar durchgeführt, "damit es nicht zum Dritten Weltkrieg kommt", verteidigte er den nun seit einem halben Jahr andauernden Angriff auf das Nachbarland.
Selenskyj hält Lage in Saporischschja weiter für gefährlich
Russland werde seine militärische Kampagne fortsetzen, bis es seine Ziele erreicht habe. Die russische Regierung sei jedoch unter bestimmten Bedingungen zu Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bereit. Ungeachtet der vielen zivilen Opfer nannte der russische Ex-Präsident das Vorgehen in der Ukraine "maximal schonend und gemäßigt". Die Regierung in Moskau habe derzeit nicht vor, Atomwaffen einzusetzen. Medwedew bekräftigte Vorwürfe gegen die NATO und westliche Staaten, "einen sogenannten Stellvertreterkrieg gegen die Russische Föderation" zu führen.
Der ukrainische Präsident warnt derweil vor einer erneuten Unterbrechung der Stromzufuhr für das von russischen Truppen besetzte Atomkraftwerk Saporischschja im Süden der Ukraine. "Die Situation dort ist nach wie vor sehr riskant und gefährlich", sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Eine weitere Abschaltung der Reaktoren wegen Strommangels würde das AKW erneut "an den Rand einer Katastrophe" bringen. Einmal mehr forderte Selenskyj einen baldigen Besuch internationaler Experten sowie den Rückzug der russischen Truppen von dem AKW-Gelände.
Am Donnerstag war es in Europas größtem Atomkraftwerk zu einer Notabschaltung gekommen. Grund war nach Angaben beider Seiten eine beschädigte Hochspannungsleitung. Die Ukraine nannte russischen Artilleriebeschuss als Ursache. Die Besatzer sprachen hingegen von einem Brand als Auslöser eines Kurzschlusses. Das staatliche ukrainische Atomunternehmen Energoatom hatte am Freitag mitgeteilt, die beiden funktionierenden Reaktoren des Kraftwerks seien wieder an das Netz angeschlossen und lieferten Strom.
Saporischschja ist nach Angaben beider Seiten am Samstag abermals beschossen worden. Russland und die Ukraine weisen sich erneut gegenseitig die Verantwortung dafür zu.
London: Kämpfe im Osten werden intensiver
Die russische Armee hat nach britischen Erkenntnissen ihre Angriffe in der Ostukraine zuletzt wieder verstärkt. In den vergangenen fünf Tagen habe die Intensität russischer Attacken nahe der Großstadt Donezk zugenommen, teilte das Verteidigungsministerium in London unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. Mit den Angriffen wollten die russischen Truppen vermutlich zusätzliche ukrainische Truppen im Osten binden, um eine erwartete ukrainische Gegenoffensive im Süden des Landes zu erschweren, hieß es.
Es habe heftige Kämpfe nahe den Städten Siwersk und Bachmut nördlich von Donezk gegeben. Truppen der moskautreuen Separatisten seien vermutlich weiter ins Zentrum des Dorfes Pisky nahe dem zerstörten Flughafen Donezk vorgedrungen. Insgesamt hätten die russischen Einheiten aber nur wenige Geländegewinne verzeichnet.
Großbritannien liefert Unterwasserdrohnen an Kiew
Zur Entfernung von Seeminen vor der ukrainischen Küste schickt Großbritannien sechs Unterwasserdrohnen. Ukrainisches Personal werde in Großbritannien an den Geräten ausgebildet, teilte das Verteidigungsministerium in London mit. Der Schritt solle auch dazu beitragen, die Fahrt für Getreidefrachter sicherer zu machen. Russische Seeminen würden die Transporte weiterhin gefährden. "Russlands zynische Versuche, die globale Lebensmittelversorgung als Geisel zu nehmen, dürfen keinen Erfolg haben", sagte Verteidigungsminister Ben Wallace. Drei Drohnen würden aus britischen Beständen übergeben, drei weitere von der Industrie angekauft, hieß es weiter. Die ferngesteuerten Geräte können demnach Seeminen mit Hilfe von Sensoren in bis zu 100 Metern Tiefe aufspüren.
Immer mehr Ukrainer finden Arbeit in Deutschland
In Deutschland haben immer mehr geflüchtete Menschen aus der Ukraine eine reguläre Arbeitsstelle, wie Bundesarbeitsminister Hubertus Heil mitteilte. Auch würden die Flüchtlinge zunehmend an Sprach- und Integrationskursen teilnehmen, sagte Heil der Zeitung "Welt am Sonntag" (WamS). Die Herausforderungen seien groß, aber man befinde sich bei der Integration der geflüchteten Menschen auf einem guten Weg. Es sei ein wichtiges Zeichen der Solidarität, "Grenzen und Herzen zu öffnen für die Menschen, die vor Putins schrecklichem Krieg fliehen mussten", so der Minister.
Etwas zurückhaltender geben sich Vertreter der deutschen Wirtschaft: "Integration ist definitiv nicht im Blitzverfahren möglich", sagte Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der WamS. Eine große Hürde sei etwa die schleppende Anerkennung der Abschlüsse. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Achim Dercks, ergänzte, etliche Unternehmen böten Geflüchteten Beschäftigungschancen. Voraussetzung sei meist der Spracherwerb. "Das geht jedoch nicht von heute auf morgen", so Dercks.
Mitte Juli haben laut Bundesarbeitsministerium rund 454.000 ukrainische Staatsangehörige in Deutschland Sozialleistungen bezogen. Darunter waren rund 293.000 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Einen Integrationskurs begannen demnach mehr als 90.000 ukrainische Staatsangehörige.
Seit Beginn des Krieges fanden nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit 26.000 Ukrainer eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Das sei der Fluchtmigration zuzurechnen, so die Bundesagentur. Die Zahl beziehe sich jedoch auf den Zeitraum von Februar bis Mai, mittlerweile dürfte sie dem Bericht zufolge deutlich höher liegen.
Polen und Tschechien schützen slowakischen Luftraum
Polen und Tschechien schützen künftig den Luftraum über dem EU- und NATO-Partnerland Slowakei mit Kampfflugzeugen. Die Verteidigungsminister der drei Länder unterzeichneten dazu auf dem slowakischen Militärflugplatz Malacky eine Vereinbarung. Als Ersatz für veraltete MiG-29-Maschinen sowjetischer Bauart hatte die Slowakei 14 Maschinen des US-amerikanischen Typs F-16 bestellt. Deren Lieferung verzögert sich aber voraussichtlich bis 2024. Die Wartung der MiG-29-Flotte wurde auch aufgrund der Sanktionen gegen Russland wegen des Kriegs gegen die Ukraine immer schwieriger. Die Maschinen sollen nun außer Dienst gestellt werden.
AR/wa/jj/gri/qu (afp, rtr, dpa, epd, kna)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.