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Politik

Aktuell: Russlands Krieg treibt fünf Millionen in die Flucht

15. April 2022

Wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine verlassen immer mehr Menschen das Land. Die Bundesregierung stockt ihre Militärhilfe für die Ukraine deutlich auf. Ein Überblick.

Ukraine | Flüchtende erreichen Zaporiyia
Bild: Manuel Bruque/Agencia EFE/IMAGO

Das Wichtigste in Kürze:

  • Mehr als fünf Millionen Menschen fliehen aus der Ukraine
  • Deutschland stockt Rüstungshilfe auf
  • Russland kündigt weitere Raketenangriffe an
  • Selenskyj dankt allen Unterstützern
  • Pentagon-Sprecher äußert sich zu "Moskwa"-Untergang
  • Habeck ruft nochmals zum Energiesparen auf

 

Die Zahl der wegen des russischen Angriffskriegs aus der Ukraine geflohenen Menschen geht immer weiter nach oben. Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) teilte mit, laut den jüngsten Datenerhebungen hätten exakt 4.796.245 Millionen Ukrainer ihr Land verlassen. Hinzu kommen nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) fast 215.000 Staatsangehörige anderer Länder, die in der Ukraine lebten und inzwischen ebenfalls aus dem Land geflohen sind. 

Größte Flüchtlingsbewegung seit 1945

Es handelt sich um die größte Flüchtlingsbewegung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Bei 90 Prozent der ins Ausland Flüchtenden handelt es sich um Frauen und Kinder, da Männer zwischen 18 und 60 Jahren die Ukraine derzeit nicht verlassen dürfen. Der Großteil der Flüchtlinge - 2,7 Millionen - ging nach Polen.

Innerhalb der Ukraine sind nach IOM-Schätzungen zudem weitere 7,1 Millionen Menschen auf der Flucht. Vor dem russischen Einmarsch lebten in der Ukraine 37 Millionen Menschen in den von der Regierung kontrollierten Gebieten - die von Russland annektierte Halbinsel Krim und die prorussischen Separatistengebiete in der Ostukraine nicht mitgerechnet.

Bundesregierung stockt Rüstungshilfe auf

Als Reaktion auf den Ukraine-Krieg will die Bundesregierung ihre Rüstungshilfe für Partnerländer in diesem Jahr auf zwei Milliarden Euro aufstocken. "Die Mittel kommen weit überwiegend der Ukraine zugute", teilte Finanzminister Christian Lindner mit. "Der Bundeskanzler hatte dies frühzeitig angefordert." 

Die Summe soll über den Ergänzungshaushalt bereitgestellt werden. Eine Regierungssprecherin sagte, die beteiligten Ressorts hätten sich schon vor zwei Wochen grundsätzlich darauf verständigt, die Mittel für die sogenannte Ertüchtigungsinitiative substanziell zu erhöhen. In der vergangenen Woche sei die Summe auf insgesamt zwei Milliarden Euro festgesetzt worden. 

Russland droht mit weiterem Beschuss

Russland kündigte unterdessen weitere Angriffe an. Nachdem man in der Nacht ein militärisches Ziel am Stadtrand von Kiew mit Marschflugkörpern attackiert habe, würden weitere Angriffe auf die ukrainische Hauptstadt folgen, hieß es aus dem Moskauer Verteidigungsministerium. 

Ukrainische Soldaten in Termakhivka in der Region Kiew (am Donnerstag)Bild: Vladyslav Musiienko/REUTERS

In Kiew waren an diesem Freitag so starke Explosionen zu hören, wie kaum seit dem jüngsten Rückzug russischer Truppen aus der ukrainischen Hauptstadt. Russlands Armee hat eigenen Angaben zufolge eine Raketenfabrik unweit von Kiew angegriffen. Auf die Fabrik "Wisar", knapp fünf Kilometer südwestlich des Stadtrands, seien in der Nacht zum Freitag Raketen des Typs Kalibr abgefeuert worden, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Von ukrainischer Seite gab es zunächst keine Bestätigung. Die Fabrik "Wisar" soll Raketen für das Flugabwehrsystem S-300 hergestellt haben. 

Kriegsschäden in Makariw in der Region KiewBild: K. Honcharov/DW

Die russische Marine bombardiert weiterhin die ukrainischen Städte am Schwarzen Meer. Auch andere Landesteile stehen unter Beschuss. Aus dem südlichen Cherson, Charkiw im Osten und Iwano-Frankiwsk im Westen wurden ebenfalls gewaltige nächtliche Explosionen gemeldet.

Nach ukrainischen Angaben konnten etwa 2800 Menschen aus besonders umkämpften Gebieten im Osten des Landes herausgebracht werden. Etwa 2500 Flüchtlinge seien in der Stadt Saporischschja im Süden angekommen, darunter 363 aus der schwer getroffenen Hafenstadt Mariupol, schrieb Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk.

Selenskyj dankt allen Unterstützern der Ukraine

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat seinen Landsleuten für 50 Tage Widerstand gegen Russland gedankt. "Gott sei Dank, den Streitkräften der Ukraine und unserem Volk - wir haben den größten Teil unseres Landes verteidigt", sagte Selenskyj anlässlich des 50. Tages seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. "50 Tage unserer Verteidigung sind eine Leistung. Eine Leistung von Millionen von Ukrainern", so Selenskyj in einem Internetvideo.

Er erinnere sich an den ersten Tag der russischen Invasion in die Ukraine. "Um es milde auszudrücken: Niemand war überzeugt, dass wir bestehen würden." Viele hätten ihm geraten, das Land zu verlassen. "Sie haben dazu geraten, dass wir uns de facto der Tyrannei ergeben." Sie hätten aber die Ukrainer nicht gekannt und nicht gewusst, wie mutig diese seien und wie sehr sie Freiheit schätzten, "so zu leben, wie wir wollen".

Selenskyj dankte zudem allen Unterstützern der Ukraine. Er habe in den 50 Tagen viele politische Führer auf eine andere Art gesehen. Er habe "große Großzügigkeit" bei denen gesehen, die nicht reich seien oder Entschlossenheit bei jenen, die von anderen nicht ernst genommen worden seien. Er habe aber auch Politiker gesehen, die sich so verhielten, als hätten sie keine Macht.

Reaktionen auf Untergang der "Moskwa"

Am frühen Morgen meldete sich Selenskyj erneut zu Wort. Diesmal spielte der ukrainische Präsident auf das gesunkene russische Kriegsschiff "Moskwa" an. Er pries all jene, die gezeigt hätten, dass russische Schiffe "auf den Grund gehen können". Nach Angaben der Ukraine wurde der russische Raketenkreuzer von zwei ukrainischen Neptun-Raketen getroffen. Das russische Verteidigungsministerium hatte den Untergang des Flaggschiffes der Schwarzmeerflotte am Abend bestätigt. Es sei in einem Sturm gesunken, während es zu einem Hafen geschleppt wurde. Die "Moskwa" sei nach einem Brand und der Explosion von Munition an Bord schwer beschädigt gewesen.

Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, sagte, der Untergang der "Moskwa" werde "Konsequenzen" für die Einsatzfähigkeit der russischen Marine in der Region haben. Der mit Raketen ausgerüstete Kreuzer habe eine "Schlüsselrolle" in den Bemühungen Russlands gespielt, eine "Dominanz seiner Marine im Schwarzen Meer" herzustellen, sagte Kirby dem US-Sender CNN.

Pentagon-Sprecher Kirby: "Schlüsselrolle für Russlands Dominanz im Schwarzen Meer"Bild: Andrew Harnik/AP Photo/picture alliance

Habeck für mehr Waffenlieferungen

Deutschlands Vizekanzler Robert Habeck dringt auf eine Ausweitung der Waffenlieferungen in die Ukraine. "Es müssen mehr Waffen kommen", sagt der Grünen-Politiker der Funke Mediengruppe. "Wir können die Ukraine in dem Krieg nicht alleine lassen. Sie kämpft auch für uns." Die Ukraine dürfe nicht verlieren, Putin nicht gewinnen.

Vizekanzler Habeck will weitere Waffen in die Ukraine schickenBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Die Bundesregierung habe aber auch eine Verantwortung dafür, dass Deutschland nicht selbst zum Angriffsziel werde. Große Panzer oder Kampfflugzeuge seien bisher nicht Teil des gesetzten Rahmens für Waffenlieferungen. Eine Brutalisierung des Krieges bedeute jedoch auch, dass man in Quantität und Qualität der Waffenlieferungen zulegen müsse.

"Zehn Prozent geht immer"

Gleichzeitig rief Habeck die Menschen in Deutschland nochmals dazu auf, Energie zu sparen. "Ich bitte jeden und jede, jetzt schon einen Beitrag zum Energiesparen zu leisten", sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Als Faustformel würde ich ausgeben: Zehn Prozent Einsparung geht immer."

Der Grünen-Politiker ergänzte: "Wir können nur unabhängiger von russischen Importen werden, wenn wir es als großes gemeinsames Projekt ansehen, an dem wir alle mitwirken." Wenn man an Ostern die Bahn oder das Fahrrad nehmen könne, sei das gut. "Das schont den Geldbeutel und ärgert Putin", erklärte Habeck.

Russischer Minister sieht Abhängigkeit der Europäer

Russlands Energieminister Alexander Nowak zeigte sich von europäischen Diskussionen um mögliche Importverbote für russisches Gas und Öl unbeeindruckt. "Eine vernünftige Alternative zu den Energiequellen aus Russland gibt es kaum. Unter Berücksichtigung des Marktanteils von Russland wird ersichtlich, dass es ohne russische Energieressourcen unmöglich ist, die Energiesicherheit Europas zu garantieren", schrieb Nowak in einem Leitartikel für das Branchenjournal "Energetitscheskaja Politika" ("Energiepolitik"). Nowaks Worten zufolge werde es noch fünf bis zehn Jahre dauern, bis die EU russisches Öl und Gas vollständig ersetzen könne. Weder die USA noch die OPEC-Staaten hätten genug Kapazitäten, um den Europäern schnell auszuhelfen.

Russland Energieminister Nowak ist sicher: so schnell kommt Europa nicht von Russlands Gas und Öl losBild: Sergei Pyatakov/ITAR-TASS/IMAGO

"Darum hängt das Schicksal der europäischen Industrie und das Wohlbefinden der EU-Bürger voll und ganz von der Rationalität der Entscheidungen der EU-Führer ab", schrieb Nowak. Zugleich verteidigte er die von Russlands Präsident Wladimir Putin geforderte Umstellung der Gas-Zahlungen auf Rubel.

Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat der Westen weitreichende Sanktionen gegen Moskau verhängt. In dem Zusammenhang will Europa auch die Abhängigkeit von russischem Gas verringern. Forderungen nach einem sofortigen Stopp russischer Gaslieferungen hat unter anderem Deutschland jedoch eine Absage erteilt. 

18 EU-Vertreter müssen Moskau verlassen

Die diplomatischen Spannungen zwischen der EU und Russland verstärken sich dabei zusehends. Als Reaktion auf die Ausweisung von russischen Diplomaten bei der Europäischen Union weist Russland seinerseits 18 Diplomaten der EU-Vertretung in Moskau aus. Dies teilte das Außenministerium in Moskau mit. Zugleich warf es der EU eine "konsequente Zerstörung der über Jahrzehnte geschaffenen Architektur des bilateralen Dialogs und der Zusammenarbeit" vor.

Mit Blick auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hatte Brüssel Anfang April 19 Beamte der russischen Vertretung bei der Europäischen Union zu unerwünschten Personen erklärt. Begründet wurde dies damit, dass sie Tätigkeiten ausübten, die ihrem diplomatischen Status widersprächen. Auch zahlreiche EU-Mitgliedsstaaten - darunter Deutschland - wiesen in den vergangenen Wochen russische Diplomaten aus, die in den verschiedenen Hauptstädten beschäftigt waren. 

 

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

haz/qu/AR/cw (rtr, afp, dpa)

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