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Konflikte

Aktuell: Scholz für Gespräche mit Putin

17. Dezember 2022

Der Bundeskanzler ruft den russischen Staatschef nochmals zu einem Ende des Kriegs auf. Vor dem Europäischen Gerichtshof häufen sich Klagen russischer und belarussischer Oligarchen. Ein Überblick.

Bundeskanzler Olaf Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz ruft zu einem Ende der Angriffe auf Bild: Michael Sohn/AP Photo/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Scholz betont die Notwendigkeit, mit Putin zu reden 
  • Oligarchen aus Russland und Belarus klagen gegen EU-Sanktionen
  • Selenskyj lobt ukrainische Luftabwehr
  • Iranische Drohnen starten von anderem Standort 
  • Moldau schaltet mutmaßlich pro-russische TV-Sender ab

 

"Unser Ziel ist, dass Russland seinen Angriffskrieg beendet und dass die Ukraine ihre Integrität verteidigt", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz der "Süddeutschen Zeitung" (SZ). Dazu werde es "notwendig sein zu sprechen", erklärte Scholz. "Ob das per Telefon, Videoschalte oder an einem langen Tisch geschieht, muss sich erweisen."

Russland müsse "einsehen, dass das so nicht weitergeht". Der russische Präsident Wladimir Putin müsse "den Krieg beenden, Truppen zurückziehen und so die Möglichkeit für eine gegenseitige Verständigung schaffen". Der Appell könne nur sein: "Putin, beenden Sie diesen Krieg." Die Gefahr einer Eskalation sei angesichts des militärischen Misserfolgs Russlands "groß".

Russlands Präsident Wladimir Putin ist derzeit nicht zu Konzessionen bereit Bild: Mikhail Metzel/SPUTNIK/AFP

Anfang Dezember hatte Scholz zum ersten Mal seit Mitte September wieder mit Putin telefoniert. In dem rund einstündigen Gespräch drängte der Kanzler Regierungssprecher Steffen Hebestreit zufolge auf eine möglichst schnelle diplomatische Lösung.

Explodiertes Geschenk aus der Ukraine "ein Granatwerfer"

Nach der Explosion eines Geschenks aus der Ukraine hat der dabei leicht verletzte polnische Polizeichef enthüllt, dass es sich bei dem Präsent um einen Granatwerfer handelte. Während eines Ukraine-Besuchs habe er bei einem Treffen mit Leitern der dortigen Polizei und Notfalldienste zwei gebrauchte Granatwerfer bekommen, von denen einer zu einem Lautsprecher umgebaut gewesen sei, sagte Jaroslaw Szymczyk dem Radiosender RMF. Wie der Radiosender berichtete, gehören militärische Souvenirs wie aufgebrauchte Granatwerfer zu den Geschenken, die ukrainische Behördenvertreter ausländischen Besuchern gerne machen.

Jarosław Szymczyk: Als ich die aufgebrauchten Granatwerfer umstellen wollte, gab es eine Explosion (Archivbild)Bild: Artur Widak/NurPhot/picture alliance

Die ukrainische Seite habe zugesichert, dass die Waffen sicher seien, sagte Szymczyk. Er brachte die Geschenke dann zurück nach Polen, wo einer der Granatwerfer am Mittwoch detonierte. Zu der Explosion sei es gekommen, als er die Granatwerfer bewegt habe. Die polnischen Behörden untersuchen den Vorfall und erwägen eine mögliche Anklage. Eine Verurteilung wegen einer unabsichtlich herbeigeführten Explosion, die das Leben vieler Menschen bedroht, wird in Polen mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft.

Oligarchen klagen gegen EU-Sanktionen

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg verzeichnet einem Medienbericht zufolge eine Klagewelle russischer und belarussischer Oligarchen und Unternehmen gegen die von der EU verhängten Sanktionen. Wie die "Bild"-Zeitung berichtet, sind derzeit 61 Klagen von sanktionierten Personen und Unternehmen in Luxemburg anhängig.

Die Kläger wehrten sich gegen den Vorwurf, Russlands Präsident Wladimir Putin und seinen Krieg gegen die Ukraine politisch oder finanziell zu unterstützen. Außerdem werfen sie dem Bericht zufolge der EU vor, mit dem Einfrieren von Vermögen und Einreisesperren unverhältnismäßig in ihre Grundrechte und ihr Eigentum eingegriffen zu haben.

Die Superyacht "Nord" gehört dem russischen Oligarchen Alexey Mordashov, der auf der Sanktionsliste steht - zuletzt vor Malaysia gesichtetBild: Tyrone Siu/REUTERS

Vom symbolischen Euro bis zu einer Million Schadenersatz

Nach Dokumenten, die auf der Website des Gerichtshofes einsehbar sind, verlangen zum Beispiel die zwei Oligarchen Grigorij Bereskin und Gennadij Timtschenko Schadenersatz für einen angeblich erlittenen "immateriellen Schaden". Bereskin macht demnach geltend, er habe "schwere Reputationsschäden erlitten" und stehe in keinem Zusammenhang mit den Ereignissen in der Ukraine. Auch unterstütze er nicht die Regierung der Russischen Föderation. Er verlangt offensichtlich symbolisch einen Euro als Ersatz für den immateriellen Schaden.

Der in der Schweiz lebende Timtschenko, der mit Kreml-Chef Wladimir Putin Eishockey spielte, will hingegen eine Million Euro Schadenersatz von der Europäischen Union. Er wirft der EU in seiner Klage einen offensichtlichen Beurteilungsfehler vor, was "die Beziehung zwischen dem Kläger und Präsident Putin" angeht.

Auch Roman Abramowitsch klagt gegen seiner Ansicht nach ungerechtfertigte EU-SanktionenBild: Clive Mason/Getty Images

Auf der Liste der Kläger in Luxemburg stehen den Gerichtsdokumenten zufolge weitere im Westen bekannte Oligarchen, unter ihnen der Ex-Besitzer des englischen Fußballclubs FC Chelsea, Roman Abramowitsch, oder Michail Fridman, Gründer und Manager des großen Finanzkonzerns Alfa-Group. Abramowitsch fordert dabei wie Timtschenko eine Million Euro "als Ersatz für den entstandenen immateriellen Schaden". Die Summe soll im Fall einer Verurteilung der EU an eine im Rahmen des Verkaufs des FC Chelsea neu zu gründende gemeinnützigen Stiftung zugunsten von Kriegsopfern gehen.

Selenskyj lobt Luftabwehr

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die effektive Arbeit der ukrainischen Luftabwehr hervorgehoben, die Freitagvormittag einen Großteil der einfliegenden Marschflugkörper und Raketen abgeschossen hatte. "Aber leider gab es auch Treffer", sagte er in seiner täglichen Videobotschaft.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei seiner abendlichen Videoansprache an das ukrainische VolkBild: Ukrainan Presidency/ZUMA/IMAGO

Bei dem russischen Raketenschlag fing die ukrainische Flugabwehr nach eigenen Angaben knapp 80 Prozent von insgesamt 76 Projektilen ab. Von den 72 Marschflugkörpern und vier Lenkraketen seien 60 abgeschossen worden. Nach Angaben der Militärverwaltung von Kiew zufolge galt der Hauptschlag der Hauptstadt. Von 40 Raketen über der Dreimillionenstadt seien 37 abgefangen worden, sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache.

Zerstörtes Haus in Kryvyi Rih nach russischen Angriffen - nicht alle Raketen konnte die Luftabwehr abfangenBild: Evgeniy Maloletka/AP/picture alliance

Zwar habe Russland immer noch genug Raketen für weitere massiven Angriffe. "Wir aber haben genug Entschlossenheit und Selbstvertrauen, um nach diesen Schlägen unsere eigenen auszuteilen", sagte der ukrainische Staatschef.

An diesem Samstag gab es im ganzen Land erneut Luftalarm. 

Iranische Drohnen starten von Krasnodar aus

Die russischen Streitkräfte setzen im Krieg gegen die Ukraine nach Einschätzung britischer Geheimdienste iranische Drohnen mittlerweile von einem anderen Standort aus ein. Bei den Angriffen auf kritische Infrastruktur in den vergangenen Tagen seien neben luft- und seegestützten Marschflugkörpern  höchstwahrscheinlich auch vom Iran bereitgestellte Drohnen verwendet worden, die aus der südrussischen Region Krasnodar gestartet worden seien, hieß es im täglichen Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums auf Twitter. Zuvor seien solche Drohnen hauptsächlich von der Schwarzmeer-Halbinsel Krim aus gestartet worden, die Russland 2014 völkerrechtswidrig annektiert hatte.

Die Briten werten die Verlagerung als Zeichen dafür, dass Moskau besorgt über die Verwundbarkeit der Krim sein könnte. 

Buschmann: Strafgerichtshof kann gegen Putin ermitteln

Die gezielte Zerstörung der ukrainischen Infrastruktur durch Russland kann nach den Worten von Bundesjustizminister Marco Buschmann zu Ermittlungen gegen den russischen Präsidenten
Wladimir Putin führen. Der Internationale Strafgerichtshof könnte gegen Putin etwa wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ermitteln, sagte der FDP-Politiker dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland".  "Und das ist kein hypothetischer Fall", fügte Buschmann hinzu.

Wenn Menschen durch die gezielte Vernichtung ziviler Infrastruktur ohne Strom und Heizung winterlichen Temperaturen von minus 30 Grad ausgesetzt seien, könnte dies als Verbrechen gegen die  Menschlichkeit gewertet werden. Ein Indiz dafür, dass Putin direkt verantwortlich sei,  könnten etwa seine Fernsehansprachen sein. In diesen erkläre er, dass die Zerstörung eine gewünschte Taktik sei. 

Kirchenoberhaupt ruft zu Solidarität auf

Der griechisch-katholische Kiewer Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk hat die Welt zu Solidarität aufgerufen. "Im Namen der ukrainischen Kinder und der ukrainischen Jugend appelliere ich heute an das Gewissen der Weltgemeinschaft: Seien Sie nicht gleichgültig gegenüber dem, was in der Ukraine geschieht", sagte er laut deutscher Übersetzung in einer Videobotschaft.

Griechisch-katholischer Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk (Archiv)Bild: Tomasz Waszczuk/EPA/dpa/picture alliance

"Verschließt eure Herzen und Augen nicht vor dem Unglück und dem Leid, das Russland heute in der Welt verbreitet", fügte er hinzu: "Denken Sie daran, dass Gleichgültigkeit tötet, aber Solidarität rettet. Sie rettet Leben."

Moldau schaltet TV-Sender ab

Eine Sonderkommission in der Republik Moldau, einem Nachbarland der Ukraine, hat vorübergehend sechs Fernsehanstalten wegen angeblich fehlerhafter Berichterstattung über Ereignisse im Land und den Krieg in der Ukraine gesperrt. "Die Republik Moldau muss vor Propaganda und Lügen geschützt werden", schrieb der stellvertretende Ministerpräsident Andrei Spinu auf Telegram.

Das Verbot soll am 19. Dezember in Kraft treten und zunächst bis Februar gelten, wenn der nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine verhängte Ausnahmezustand endet. Die sechs Sender sind eng mit dem Politiker und Geschäftsmann Ilan Shor verknüpft, der aus seinem Exil in Israel immer wieder gegen die prowestliche Regierung von Präsidentin Maia Sandu Stimmung macht. Einer der betroffenen Sender, TV-6, der Shor gehört, weist die Vorwürfe als unbegründet zurück und nennt die Entscheidung der Kommission illegal und einen Angriff auf die Redefreiheit.

Kulturstaatsministerin bekräftigt Hilfsbereitschaft

Kulturstaatsministerin Claudia Roth hat den Willen der Bundesregierung zur Unterstützung der Ukraine unterstrichen. "Wir wollen geben, was immer möglich ist, um der Ukraine zu ermöglichen, sich zu verteidigen", sagte die Grünen-Politikerin in Berlin nach der Premiere des ukrainischen Dokumentarfilms "Oh, Sister" über die Rolle von Frauen im Kampf der Ukraine angesichts der russischen Angreifer. Dies betreffe nicht nur Waffen, sondern auch Hilfe etwa im humanitären Bereich oder bei der Rekonstruktion kultureller Einrichtungen.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth, B'90/Grüne (Archiv)Bild: Oliver Berg/dpa/picture alliance

Roth verurteilte den russischen Angriff als Krieg "auch gegen die Kultur". Seit Beginn der Auseinandersetzungen seien mehr als 1000 Museen, Theater, Kinos, Büchereien, Archive zerstört oder beschädigt worden. Dadurch solle die kulturelle Identität der Ukraine zerstört werden. "Es ist eine fürchterliche Waffe, die Erinnerung und Identität von Menschen in der Ukraine zu zerstören", sagte Roth.

Die ukrainische Bürgerrechtlerin Oleksandra Matviychuk, deren Organisation Zentrum für bürgerliche Freiheiten (CCL) mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, sprach von einem Krieg nicht nur zwischen zwei Staaten, sondern zwischen den beiden Systemen von Autokratie und Demokratie. Ihre Organisation habe seit Beginn des russischen Angriffs etwa 27.000 Kriegsverbrechen dokumentiert. Es müsse jetzt ein internationales Tribunal eingerichtet werden, forderte Matviychuk. Dies wäre ein kraftvolles Zeichen, um Russland die Konsequenzen seiner Handlungen klar zu machen. "Es würde Leben retten", sagte die Juristin. Roth unterstützte die Forderung nach einer raschen Installation eines solchen Gerichts.

Der Film "Oh, Sister" der ukrainischen Filmemacherin Hanna Kopylova begleitet den Besuch der Friedensnobelpreisträgerinnen Tawakkol Karman, Jody Williams und Leymah Gbowee Krakau in Polen und in der Ukraine, wo sie sich im Sommer über das Engagement ukrainischer Frauen für Frieden, Menschenrechte, Unabhängigkeit, Würde und Wohlstand informierten.

uh/jj/se/mak/rb (dpa, afp, rtr, kna)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.