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Konflikte

Aktuell: Scholz verteidigt Vorgehen bei Waffenlieferungen

21. August 2022

Bundeskanzler Olaf Scholz hat der Ukraine zugesichert, weiter viele Waffen zu liefern, auch moderne. In Moskau wurde die Tochter des Putin-Vertrautem Dugin durch eine Autobombe getötet. Unser Nachrichtenüberblick.

Deutschland Bundeskanzler Olaf Scholz Tag der offenen Tür der Bundesregierung
Bundeskanzler Olaf Scholz beim Tag der offenen Tür der BundesregierungBild: Michele Tantussi/REUTERS

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Scholz: Deutschland liefert "sehr viele Waffen" an die Ukraine
  • Mordanschlag auf rechtsnationalistische Journalistin in Moskau
  • Westliche Staatenlenker fordern rasche Inspektion von Saporischschja
  • Präsident Selenskyj: "Wir müssen standhalten"
  • UN-Generalsekretär: Mehr Getreideexporte nötig

 

Bundeskanzler Olaf Scholz hat eine Begegnung mit Bundesbürgern am Tag der offenen Tür der Bundesregierung genutzt, um seine Ukraine-Politik zu erläutern. "Deutschland liefert sehr viele Waffen" und sei auch "mittlerweile dabei, die modernsten und effizientesten Geräte zu liefern", sagte Scholz in Berlin. Es gehe aber auch darum "sicherzustellen, dass es keine Eskalation des Krieges gibt".

Scholz verwies auf die erfolgten Lieferungen des Flak-Panzers Gepard und der Panzerhaubitze 2000 und von Mehrfachraketenwerfern sowie geplante Lieferungen des Flugabwehrsystems Iris-T und des Artillerieradars Cobra. "Das kommt demnächst dort an", sicherte der SPD-Politiker zu. Deutschland werde auch weiterhin der Ukraine "das zur Verfügung stellen, was sie für ihre Verteidigung braucht". Der Kanzler antwortete auf eine Publikumsfrage des früheren Bundeswehrgenerals Klaus Wittmann. Dieser hatte das Ausmaß der militärischen Unterstützung als unzureichend kritisiert und Scholz mangelnde Führungskraft vorgeworfen.

Im Gegenzug stellt der Kanzler klar, dass der Schlüssel für ein Ende des Krieges allein in Moskau liege. Der russische Präsident Wladimir Putin und Russland hätten diesen Krieg begonnen, um "sich wie in frühen Zeiten des Imperialismus ein anderes Land oder Teile davon unter den Nagel zu reißen", sagte Scholz. "Das können wir nicht akzeptieren." Einen Diktatfrieden für die Ukraine sei ausgeschlossen, betonte Scholz. Eine friedliche Lösung könne es daher erst geben, wenn auch "Putin, der russische Staat bereit ist, das zu akzeptieren". Dies werde er weiterhin auch in Gesprächen mit Putin ausloten, auch wenn diese schwierig seien.

Als absurd bezeichnete Scholz die These einer angeblichen historischen Zugehörigkeit der Ukraine zu Russland. Wenn alle Staatsführer in den Geschichtsbüchern blättern würden, wo ihre Länder schon einmal Territorien besessen hätten, "dann kommen wir die nächsten 200 Jahre aus Kriegen nicht mehr raus", warnte der Kanzler. Mit Blick auf die von der Ukraine angestrebte EU-Mitgliedschaft fügte er hinzu, Russland müsse auch akzeptieren, wenn andere Länder, "Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wichtig finden".

Zwei "Oben-ohne"-Demonstrantinnen fordern Gasembargo

Bei einem Rundgang von Olaf Scholz im Garten des Kanzleramtes kam es am Tag der offenen Tür der Regierung zu einem Zwischenfall. Zwei Demonstrantinnen stellten sich neben Scholz auf und baten um ein Selfie-Foto, zogen dann aber ihre Oberteile aus. Dadurch wurden Forderungen nach einem Gas-Embargo gegen Russland sichtbar. "Gas-Embargo now" hatten die Frauen jeweils auf ihre nackte Brust geschrieben. Sie wurden umgehend von Sicherheitsleuten abgedrängt.

Ein Zwischenfall mit "Oben ohne"-Demonstrantinnen im Garten des Kanzleramtes Bild: Michael Sohn/AP Photo/picture alliance

Die Bundesregierung lehnt ein Gasembargo gegen Russland bislang mit der Begründung ab, dass in einem solchen Fall eine sichere Energieversorgung nicht zu gewährleisten sei. Allerdings hat Russland seinerseits die Lieferungen inzwischen stark reduziert.

Mordanschlag auf rechtsnationalistische Journalistin in Moskau

In Russland ist die Tochter des kremlnahen, rechtsnationalistischen Ideologen Alexander Dugin bei einem Anschlag getötet worden. Nach Angaben der Ermittler saß Daria Dugina am Steuer eines Wagens, der am Samstagabend auf einer Autobahn bei Moskau explodiert und in Flammen aufgegangen war. Die junge Frau war demnach sofort tot. In dem Auto sei ein Sprengsatz platziert worden. Das Ermittlungskomitee leitete Mordermittlungen ein.

Ermittler sichten Überreste des Wagens von Darja Dugina Bild: Investigative Committee of Russia via REUTERS

Die 29 Jahre alte Darja Dugina galt als glühende Verfechterin des Angriffskrieges gegen die Ukraine. Die Journalistin und Politologin stand nach Berichten Moskauer Medien auf der Sanktionsliste Großbritanniens wegen der Verbreitung von Propaganda und Falschnachrichten über die von Kremlchef Wladimir Putin am 24. Februar befohlene Invasion.

Unter russischen Nationalisten und prorussischen Kräften in der Ukraine löste der Anschlag Entsetzen aus. Kiew hat eine Beteiligung daran von sich gewiesen: "Die Ukraine hat natürlich nichts mit der gestrigen Explosion zu tun, weil wir kein krimineller Staat sind - wie die Russische Föderation - und schon gar kein Terrorstaat", sagte der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak.

Alexander Dugin, Vater der getöteten Politologin Darja Dugina, wird zuweilen als "das Gehirn" des Kremlchefs bezeichnetBild: Francesca Ebel/AP Photo/picture alliance

Russische Medien sehen in Duginas Vater das eigentliche Ziel des Anschlags. Der Autor hatte ihr den Wagen für die Fahrt ausgeliehen. Alexander Dugin wird von Medien und Autoren immer wieder als Einflüsterer oder als "Gehirn" Putins sowie als Ideengeber auch für den Angriff auf die Ukraine bezeichnet.

Westliche Staatenlenker fordern rasche Inspektion von Saporischschja

Vor dem Hintergrund anhaltender Angriffe auf das Gelände des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja haben die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, den USA, Frankreich und Großbritannien eine rasche Inspektion durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) gefordert. Zugleich hätten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), US-Präsident Joe Biden und sein französischer Kollege Emmanuel Macron sowie der britische Premierminister Boris Johnson zur "militärischen Zurückhaltung" in der Umgebung des Atomkraftwerks aufgerufen, teilte der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit mit. Die Politiker seien sich zudem einig gewesen, die Unterstützung der Ukraine zur "Abwehr der russischen Aggression nachhaltig" fortzusetzen.

Die vier Staats- und Regierungschefs tauschten sich demnach am Sonntagnachmittag über die internationale Lage aus. Das Atomkraftwerk Saporischschja wird seit März von der russischen Armee besetzt, seit Ende Juli wurde die Anlage wiederholt beschossen. Die Angriffe weckten Befürchtungen einer atomaren Katastrophe am größten Atomkraftwerk Europas. Für den Beschuss machen sich Moskau und Kiew gegenseitig verantwortlich.

Österreich reagiert auf Diplomaten-Tweet

Das österreichische Außenministerium hat laut Presseinformationen für diesen Sonntag Russlands Ständigen Vertreter bei den Internationalen Organisationen, Mikhail Ulyanov, einbestellt. Das Außenministerium reagiere damit auf einen Twitter-Kommentar Ulyanovs, berichtet "Bild". Er soll unter einen Tweet des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geschrieben haben: "Kein Erbarmen für das ukrainische Volk!". Der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefanchuk hatte Österreich aufgefordert, den Ständigen Vertreter wegen "Aufrufs zum Völkermord" zur unerwünschten Person (persona non grata) zu erklären und sofort auszuweisen.

Präsident Selenskyj: "Wir müssen standhalten"

"Für den Sieg der Ukraine müssen wir kämpfen, es gibt noch viel zu tun, wir müssen standhalten und noch viel ertragen, leider auch viel Schmerz", erklärte der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj in einer neuen Videobotschaft. In der kommenden Woche, am 24. August, feiert das Land seinen Unabhängigkeitstag. Erinnert wird an dem Tag auch an ein halbes Jahr russischer Angriffskrieg, den Kremlchef Wladimir Putin am 24. Februar befohlen hatte.

Selenskyj warnte, dass Russland den Unabhängigkeitstag für besondere Brutalität nutzen könnte. "So ist unser Feind. Schon in jeder anderen Woche dieses halben Jahres hat Russland so etwas Ekelhaftes und Grausames ständig getan", sagte Selenskyj. Unter anderem verwies er auf "russischen Terror" im Gebiet Charkiw und im Donbass, wo es täglich Raketen- und Artillerieangriffe gibt.

Vollkommen zerstört: Gebäude in CharkiwBild: Andrii Marienko/AP/dpa/picture alliance

"Der Krieg hat alles verändert für die Ukraine, für Europa und für die Welt", fügte Selenskyj hinzu. Ziel Russlands sei es, das Land zu erniedrigen und Angst und Konflikt zu verbreiten. Deshalb dürfe sich niemand dem Druck beugen und Schwäche zeigen. "Deshalb halten wir zusammen, helfen einander, bauen das Zerstörte wieder auf und kämpfen für unsere Leute."

24-stündige Ausgangssperre am 24. August

Am ukrainischen Nationalfeiertag (24. August) soll in Charkiw, der zweitgrößten Stadt des Landes, den ganzen Tag eine Ausgangssperre herrschen. "Bleiben Sie zuhause und beachten sie die Warnungen", schrieb der Gouverneur der Region Synehub auf dem Messengerdienst Telegram. In der Stadt im Nordosten des Landes gilt normalerweise nur eine nächtliche Ausgangssperre. 

Besatzer melden neuen AKW-Beschuss

Ukrainische Streitkräfte sollen erneut das von russischen Truppen besetzte Atomkraftwerk Saporischschja attackiert haben. Die NATO-Munition sei vom gegenüberliegenden Ufer des Dnipro-Flusses abgefeuert worden und auf dem Gelände des AKW eingeschlagen - in unmittelbarer Nähe eines Verwaltungsgebäudes, hieß es. Kritische Objekte seien nicht getroffen worden, teilte die russische Militärverwaltung in der Stadt Enerhodar mit, wo sich das Atomkraftwerk befindet. Die Angaben waren von unabhängiger Seite nicht überprüfbar.

Umkämpft: das AKW Saporischschja auf einer Satellitenaufnahme Bild: Maxar Technologies/AP/dpa/picture alliance

Das mit sechs Reaktoren und einer Nettoleistung von 5700 Megawatt größte AKW Europas wurde von russischen Truppen Anfang März besetzt. Es ist für die Stromversorgung der Ukraine von strategischer Bedeutung.

Guterres fordert mehr Getreideexporte

Nach Ansicht von UN-Generalsekretär Antonio Guterres sind mehr Ausfuhren von Getreide und Düngemitteln aus der Ukraine und Russland notwendig, um die Rohstoffmärkte weiter zu beruhigen. Mit höheren Exportmengen würden auch die Preise für die Verbraucher sinken, sagte Guterres bei einem Besuch im Getreide-Koordinierungszentrum im türkischen Istanbul.

Auftritt in Istanbul: UN-Generalsekretär GuterresBild: Khalil Hamra/AP/dpa/picture alliance

Die Ukraine und Russland hatten Ende Juli mit der Türkei unter Vermittlung der Vereinten Nationen ein Abkommen unterzeichnet, um Getreideausfuhren aus ukrainischen Häfen wieder zu ermöglichen. Aktuell lagern schätzungsweise noch mehr als 20 Millionen Tonnen Getreideerzeugnisse in der Ukraine.

USA: Russland will Sanktionen über die Türkei umgehen 

Der stellvertretende US-Finanzminister Wally Adeyemo warnt, dass Russland versuche, westliche Sanktionen über die Türkei zu umgehen. Darüber habe Adeyemo mit dem stellvertretenden türkischen Finanzminister Yunus Elitas in einem Telefonat gesprochen, heißt es aus dem US-Finanzministerium.

Der türkische Finanzminister Minister Elitas und der stellvertretende US-Ressortchef Adeyemo im Juni in AnkaraBild: TUR Ministry of Treasury/AA/picture alliance

Die Türkei teilt diese Befürchtungen nicht. Man unterhalte umfangreiche wirtschaftliche und politische Beziehungen zu Russland und zur Ukraine, sagte Elitas, doch mit Blick auf die Strafmaßnahmen habe sich die Position der Türkei nicht geändert. Die Regierung in Ankara werde nicht erlauben, dass gegen die Sanktionen verstoßen werde.

Bundesregierung: EU-Sanktionen schwächen Russland wirksam  

Die Bundesregierung hält die wegen des Ukraine-Kriegs verhängten Sanktionen für wirksam und erwartet in Russland einen Wirtschaftseinbruch von bis zu 15 Prozent. Dies geht aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums an den Ostbeauftragten der Linksfraktion, Sören Pellmann, hervor. Darin heißt es: "Seriöse Berechnungen prognostizieren eine Rezession in Russland, das heißt eine Reduktion des russischen Bruttoinlandsprodukts in einer Spanne von 6 bis 15 Prozent für das Jahr 2022." 

Deutschland und die übrigen EU-Länder hatten gemeinsam nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sechs Sanktionspakete beschlossen, darunter auch ein Kohle- und ein Ölembargo. In der Antwort des Ministeriums heißt es weiter: "Die Sanktionen der EU und ihrer Partner sind bewusst so konzipiert, dass ihre Auswirkungen Russland deutlich stärker treffen als die EU". Die Regierung räumt aber ein, dass es wegen der wirtschaftlichen Verflechtungen auch Auswirkungen auf die Staaten gebe, die die Strafmaßnahmen verhängt hätten.

Der Linken-Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann traut der positiven Einschätzung der Bundesregierung nichtBild: Christian Thiel/imago images

Pellmann kommentierte, dass die Bundesregierung weiterhin behaupte, die Sanktionen würden Russland mehr schaden als die EU-Staaten, sei "abwegig". Vielmehr werde der russische Präsident Wladimir Putin kaum getroffen, Deutschland und insbesondere der Osten jedoch sehr. "Hierzulande Privathaushalte und Produktion zu ruinieren, ist keine Hilfe für die Ukraine", betonte der Linken-Abgeordnete. 

Ukraine bemüht sich um LNG aus Kanada

Vor einer Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz nach Kanada hat der Chef des ukrainischen Energiekonzerns Naftogaz, Jurij Witrenko, ebenfalls verstärktes Interesse an kanadischem Flüssiggas (LNG) gezeigt. "LNG aus Kanada ist eine viel bessere Alternative als Gas aus Russland", sagte Witrenko der Nachrichtenagentur Reuters. Kanada sei ein demokratisches Land, das seine Nachbarn nicht überfalle. "Kanadische Anbieter haben keine Vormachtstellung auf dem deutschen Markt und missbrauchen ihn nicht wie Gazprom, das das Angebot künstlich verknappt, den Markt beherrscht und seine Kunden abzockt", fügte Witrenko hinzu.

Auch die Ukraine sucht nach Alternativen für russisches Gas. Bereits Mitte Juni hatten Naftogaz und die kanadische Firma Symbio eine Absichtserklärung für die Lieferung von LNG und Wasserstoff geschlossen. "Kanadisches LNG von Symbio ist viel umweltfreundlicher als Gas von Gazprom", so Witrenko. Aufgrund "überlegener Technologien und Sorgfalt" würden sehr viel weniger Methan- und CO2-Emissionen freigesetzt.

Reisen gemeinsam: Olaf Scholz (r.) und Robert Habeck (Archiv)Bild: Bernd Von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Scholz (SPD) wird an diesem Sonntag gemeinsam mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach Kanada reisen. Hauptziel des Besuchs ist die Vertiefung der Zusammenarbeit beider Länder im Klima- und Energiebereich. Bei den Gesprächen mit Ministerpräsident Justin Trudeau wird es aber auch um die politische, wirtschaftliche und militärische Unterstützung der Ukraine gehen.

Kretschmer möchte Fracking hierzulande

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hat sich für die Förderung von Fracking-Gas in Deutschland als Ersatz für russisches Erdgas ausgesprochen. Er habe die Abhängigkeit vom Ausland immer kritisch gesehen, deswegen müsse Deutschland jetzt "auch alles in die Waagschale werfen, was wir an Ressourcen in unserem Land haben", sagte Kretschmer dem Berliner "Tagesspiegel". Wenn russisches Gas nicht mehr zur Verfügung stehe, müsse Deutschland auch auf die eigenen Gas-Vorkommen zurückgreifen, forderte der CDU-Politiker. "Heimisches Fracking-Gas wäre eine Möglichkeit, um die Abhängigkeit von Russland und auch vom Weltmarkt zu reduzieren."

wa/cw/kle/hf (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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