1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Aktuell: Selenskyj besucht befreite Gebiete

14. September 2022

Der ukrainische Präsident reiste in die Stadt Isjum im Gebiet Charkiw. Kanzler Scholz sieht nach seinem Telefonat mit Putin keine Einsicht beim Kremlchef. Alleingänge bei Lieferung von Panzern lehnt er ab. Ein Überblick.

Ukraine Selensky besucht die Stadt Izjum
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensky begrüßt ukrainische Soldaten in der befreiten Stadt IsjumBild: Zelenskiy / Official / Telegram

Das Wichtigste in Kürze:

  • Selenskyj feiert in den befreiten Gebieten den Rückzug der Russen 
  • Scholz will keine Alleingänge bei der Lieferung von Kampfpanzern
  • UN-Generalsekretär Antonio Guterres telefoniert mit Putin
  • Ukraine hofft auf Garantien und NATO-Beitritt
  • Von der Leyen: EU-Sanktionen gegen Russland sind von Dauer

 

Nach dem Rückzug russischer Truppen feiern die Ukrainer in den befreiten Gebieten im Osten des Landes ihren Zwischenerfolg. Präsident Wolodymyr Selenskyj reiste nach Isjum im Gebiet Charkiw, machte Selfies mit Soldaten der ukrainischen Armee und ließ sich neben der ukrainischen Fahne ablichten, wie Fotos im Telegram-Kanal des 44-Jährigen zeigten.

"Unsere blau-gelbe (Flagge) weht über dem befreiten Isjum", teilte Selenskyj dazu mit. Er kündigte zudem ein weiteres Vorrücken der ukrainischen Armee an: "Wir bewegen uns nur in eine Richtung - vorwärts und bis zum Sieg". 

Scholz sieht keine Einsicht bei Putin

Bundeskanzler Olaf Scholz erkennt beim russischen Präsidenten Wladimir Putin keinerlei Änderung in seiner Haltung zum Krieg gegen die Ukraine. "Leider kann ich Ihnen nicht sagen, dass dort jetzt die Einsicht gewachsen ist, dass das ein Fehler war, diesen Krieg zu beginnen", sagte Scholz in Berlin mit Blick auf sein 90-minütiges Telefonat mit Putin am Dienstag. "Es hat sich auch nicht angedeutet, dass dort jetzt neue Haltungen entstehen." Es sei trotzdem richtig, miteinander zu sprechen und Putin die eigene Sicht der Dinge darzulegen, betonte Scholz. 

Der Kanzler äußerte sich nach dem Treffen mit dem georgischen Regierungschef Irakli Garibaschwili (li.)Bild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Scholz: Keine Kampfpanzer für die Ukraine

In der Debatte um eine Lieferung von Kampfpanzern in die von Russland angegriffene Ukraine schloss Scholz deutsche Alleingänge erneut aus. "Deutschland gehört zu den Ländern, die die Ukraine am meisten unterstützen: finanziell, humanitär, aber auch was Waffenlieferungen betrifft", sagte Scholz in Berlin bei einer Pressekonferenz mit Georgiens Ministerpräsidenten Irakli Garibaschwili. 

Die bereits zur Verfügung gestellten schweren Waffen seien "entscheidend für die Entwicklung des Konflikts im Osten der Ukraine" und hätten dazu geführt, dass die Ukraine "sehr sichtbar ihr eigenes Land zu verteidigen in der Lage ist". Scholz sagte: "Entlang dieser Linie werden wir auch weiter agieren." 

Die US-Botschaft in Berlin hatte Deutschland und andere Verbündete ermuntert, bei der Militärhilfe für die Ukraine "so viel Unterstützung wie möglich" zu leisten. Unklar blieb, ob und welche Absprachen für die öffentlich diskutierte und von der Ukraine geforderte Lieferung westlicher Kampfpanzer gelten.

UN-Generalsekretär Guterres spricht mit Putin

UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat mit Russlands Präsident Wladimir Putin über das Getreideabkommen mit der Ukraine gesprochen. Sie hätten auch russische Exporte von Nahrungsmitteln und Dünger besprochen, sagt Guterres. Es sei absolut wichtig, dass Hindernisse diesbezüglich aus dem Weg geräumt würden. Er habe sich mit Putin auch über Kriegsgefangene und die Lage im von Russland kontrollierten AKW Saporischschja im Süden der Ukraine ausgetauscht.

Kiew setzt auf internationale Garantien

Ukrainische Soldaten in der Region CharkiwBild: Kostiantyn Liberov/AP Photo/picture alliance

Zuvor sorgte ein Konzept für internationale Sicherheitsgarantien nach einem Ende des russischen Angriffskrieges, das die Ukraine vorstellte, in Moskau für Unmut. Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew reagierte mit scharfen Drohungen. Solche Garantien wären der "Auftakt zum Dritten Weltkrieg", heißt es in einer Erklärung von Medwedew, die dieser auf Telegram veröffentlichte.

Sie kämen der Beistandsverpflichtung nach Artikel 5 des NATO-Vertrags nahe. Wenn die westlichen Länder versuchten, Russland auf diese Weise zu schwächen, werde bei ihnen selbst "die Erde brennen und der Beton schmelzen" drohte Medwedew, der jetzt Vizesekretär des russischen Sicherheitsrates ist.

Russlands Ex-Präsident Medwedew hat in den vergangenen Monaten den Westen wiederholt scharf attackiertBild: Yekaterina Shtukina/ITAR-TASS/IMAGO

Der Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Andrij Jermak, und der frühere NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hatten das Papier am Dienstag in Kiew vorgestellt. Demnach sollte die ukrainische Armee so ausgerüstet und ausgebildet werden, dass das Land jederzeit einen russischen Angriff abwehren kann. Eine Gruppe von Ländern sollte politisch und rechtlich die Sicherheit der Ukraine garantieren.

Auch Deutschland ist unter den Garantiestaaten

Als mögliche Garantiestaaten wurden aufgelistet: die USA, Großbritannien, Kanada, Polen, Italien, Deutschland, Frankreich, Australien, die Türkei sowie die Länder Nordeuropas und des Baltikums. Auch mit den Garantien strebe die Ukraine weiter einen Beitritt zur NATO an, hieß es.

Die Frage internationaler Garantien hatte vor allem zu Anfang des mittlerweile ein halbes Jahr dauernden Krieges eine Rolle gespielt, als beide Seiten noch über einen Waffenstillstand verhandelten. Damals gab es Signale aus Kiew, den neutralen Status der Ukraine festzuschreiben und auf die NATO-Mitgliedschaft zu verzichten. Ende August sagte die für NATO-Integration zuständige Vizeregierungschefin Olha Stefanischyna dagegen, für ihr Land komme nur noch eine direkte Mitgliedschaft ohne vorherigen Beitrittsplan infrage.

Von der Leyen: EU-Sanktionen gegen Russland sind von Dauer

In einer Rede vor dem Europäischen Parlament hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betont, Russlands Krieg sei nicht nur ein Krieg gegen die Ukraine. "Dies ist ein Krieg gegen unsere Energieversorgung, ein Krieg gegen unsere Wirtschaft, ein Krieg gegen unsere Werte und ein Krieg gegen unsere Zukunft."

Autokratie kämpfe gegen Demokratie. Sie sei sich sicher, dass sich die Ukraine gegen Russland behaupten könne, dass man den russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Mut und Solidarität zum Scheitern bringen werde und Europa am Ende die Oberhand gewinne. Weiter sagte von der Leyen, man müsse darauf hinarbeiten, dass die Ukraine einen Zugang zum europäischen Binnenmarkt habe und umgekehrt. Der Binnenmarkt sei eine der größten Erfolgsgeschichten Europas. Es sei an der Zeit, diesen auch zu einer Erfolgsgeschichte für die Ukrainer zu machen.

Kommissionspräsidenten Ursula von der Leyen, demonstrativ gekleidet in den Farben der ukrainischen NationalflaggeBild: Jean-Francois Badias/AP Photo/picture alliance

Russland kann nach den Worten der EU-Kommissionschefin auf absehbare Zeit nicht mit einer Aufhebung der EU-Sanktionen rechnen. "Ich möchte keinen Zweifel daran lassen, dass die Sanktionen von Dauer sein werden", sagte sie. Moskau trage die Verantwortung dafür, dass die russische Wirtschaft den Anschluss verliere. "Dies ist der Preis für Putins Spur des Todes und der Vernichtung."

Zur Unterstützung der Ukraine will die EU-Kommissionspräsidentin noch am Mittwoch erneut nach Kiew reisen, das dritte Mal seit Kriegsbeginn.

Ist tatsächlich ein Wendepunkt erreicht?

Die US-Regierung sieht angesichts militärischer Erfolge der Ukraine eine neue Dynamik im Krieg mit Russland. "Ich denke, was Sie sehen, ist sicherlich eine Verschiebung, ein Momentum der ukrainischen Streitkräften, insbesondere im Norden", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, in Washington.

John Kirby, Kommunikationsdirektor des Nationalen US-SicherheitsratesBild: Win McNamee/Getty Images

Er wolle es aber dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj überlassen, zu entscheiden, ob tatsächlich ein Wendepunkt erreicht sei. "Ich möchte nicht für das ausländische Militär sprechen, aber ich meine, im Norden haben wir gesehen, wie die Russen ihre Verteidigungspositionen evakuiert und sich zurückgezogen haben", sagte Kirby weiter.

Die Russen hätten ihre Kampfpositionen verlassen und ihre Vorräte zurückgelassen. "Sie nennen es eine Neupositionierung, aber es ist sicher, dass sie sich angesichts der ukrainischen Streitkräfte, die eindeutig in der Offensive sind, zurückgezogen haben." Kirby betonte gleichzeitig, dass Russland weiterhin große militärische Fähigkeiten habe. 

Neuer ukrainischer Vorstoß in Luhansk?

Präsidentenberater Oleksij Arestowytsch stellt eine Offensive auf die östliche Provinz Luhansk in Aussicht. "Es gibt jetzt einen Angriff auf Lyman, und es könnte einen Vorstoß auf Siwersk geben", sagt Arestowytsch in einem auf YouTube veröffentlichten Video in Bezug auf die zwei Städte. Er gehe von einem erbitterten Kampf um die Stadt Swatowo aus, da Russland seiner Ansicht nach dort Versorgungslager stationiert habe. "Und das ist es, was sie am meisten fürchten - dass wir Lyman einnehmen und dann auf Lyssytschansk und Sjewjerodonezk vorrücken. Dann wären sie von Swatowo abgeschnitten." Denis Puschilin, Chef der selbsternannten prorussischen Volksrepublik Donezk, erklärte in einem Videobeitrag, dass Lyman weiterhin in ihrer Hand sei.

In der Region Luhansk, wie hier die Stadt Alchevsk, ist viel durch russische Angriffe zerstörtBild: Stanislav Krasilnikov/TASS/picture alliance

Hinweise auf mögliche russische Kriegsverbrechen in Region Charkiw

Aus den zurückeroberten Gebieten im Osten gibt es noch nicht verifizierte Berichte über den Fund von Ermordeten. Im Gebiet Charkiw gebe es nach dem Rückzug der Russen bereits 40 Verdachtsfälle, sagte Vize-Innenminister Jewhenij Jenin. Hinweise auf Kriegsverbrechen der russischen Besatzer werden auch aus Balaklija gemeldet. Dort sollen russische Kräfte im örtlichen Polizeirevier ein Foltergefängnis unterhalten haben. Im Keller seien während der mehrere Monate dauernden Besatzung durchgehend um die 40 Menschen eingesperrt gewesen. Laut Zeugenaussagen seien Gefangene mit Stromschlägen gefoltert worden.

Alle Notstromleitungen sind wieder intakt 

Unterdessen sind alle drei Notstromleitungen des von Russland kontrollierten Kernkraftwerks Saporischschja in der Ukraine wiederhergestellt worden. Eine von ihnen versorge die Anlage mit externem Strom, den es für die Kühlung und andere wichtige Sicherheitsfunktionen benötigt, und die zwei anderen würden in Reserve gehalten, erklärte die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA). Die erste dieser Leitungen wurde am Samstag wieder in Betrieb genommen.

Die Ukraine geht allerdings davon aus, dass die Zahl der russischen Anschläge auf ihre Energie-Infrastruktur zunehmen wird. Das sagte Mychajlo Podoljak, ein Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Man sei auf verschiedene Szenarien vorbereitet. Die ukrainische Bevölkerung müsse sich auf Probleme bei der Strom- und Wärmeversorgung in diesem Winter einstellen.

Scholz und Putin telefonieren erstmals seit langem wieder

Bundeskanzler Olaf Scholz und der russische Präsident Wladimir Putin hatten bei ihrem Telefonat auch über die Lage am und im ukrainischen Atomkraftwerk Saporischschja gesprochen. Der Bundeskanzler habe die Notwendigkeit betont, die Sicherheit des Atomkraftwerks zu gewährleisten, hieß es in Berlin. Scholz habe in diesem Zusammenhang gefordert, jegliche Eskalationsschritte zu vermeiden und die im Bericht der Internationalen Atomenergieagentur empfohlenen Maßnahmen umgehend umzusetzen.

Bundeskanzler Scholz hatte am Dienstag mit Russlands Präsident Putin telefoniertBild: Thomas Koehler/photothek/picture alliance

Laut Kreml sagte Putin, dass das Komitee vom Roten Kreuz Zugang zu den ukrainischen Gefangenen habe und Russland bereit sei, ein zuverlässiger Energielieferant zu bleiben. Das Telefonat habe 90 Minuten gedauert. Scholz und Putin hätten vereinbart, in Kontakt zu bleiben. Das Telefonat am Dienstag war das erste zwischen den beiden Politikern seit mehreren Monaten.

Die weiteren Mitteilungen des Kremls zu dem Telefonat ließen auf keinerlei Einlenken Putins schließen. Der Präsident habe den Kanzler auf die "himmelschreienden Verstöße" der Ukrainer gegen das humanitäre Völkerrecht aufmerksam gemacht, hieß es. Die ukrainische Armee beschieße Städte im Donbass und töte dort Zivilisten.

haz/AL/qu/as/nob/uh (dpa, afp, rtr)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen
Den nächsten Abschnitt Top-Thema überspringen

Top-Thema

Den nächsten Abschnitt Weitere Themen überspringen