Aktuell: Selenskyj bittet IWF um Darlehen
13. August 2022
Das Wichtigste in Kürze
- Ukraine will Milliarden-Darlehen vom Internationalen Währungsfonds
- Ratingagenturen stufen Kreditwürdigkeit der Ukraine herunter
- London sieht Russen durch beschädigte Dnipro-Brücken geschwächt
- Verteidigungsminister fordert westliche Hilfe für Aufklärung von Kriegsverbrechen
- Selenskyj bekräftigt Forderung nach Reisebann für Russen
Die Ukraine wirbt weiter um Hilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF). Ein Darlehen von fünf Milliarden Dollar könne dem Land helfen, das Vertrauen anderer Geldgeber zu stützen, sagte der Chef-Wirtschaftsberater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, Oleh Ustenko, der Nachrichtenagentur Reuters. Entsprechende IWF-Hilfen für rund 18 Monate könnten als Grundlage für ein weitergehendes Unterstützungspaket von 15 bis 20 Milliarden Dollar dienen.
Kaum noch kreditwürdig
Die Ratingagenturen S&P und Fitch haben die Kreditwürdigkeit der Ukraine auf "selektiven Zahlungsausfall" herabgestuft - und somit eine Stufe über einem vollständigen Zahlungsausfall. S&P begründete den Schritt mit dem Hinweis auf Schulden der Ukraine gegenüber dem Ausland. Hier hatte es einen erneuten Zahlungsaufschub für die Ukraine gegeben.
Kiew hatte von seinen internationalen Gläubigern ein zweijähriges Moratorium für seine Auslandsschulden erhalten, die auf 20 Milliarden US-Dollar geschätzt werden. Eine Gruppe westlicher Gläubigerstaaten, darunter Frankreich, die USA, Deutschland, Japan und Großbritannien, hatten am 20. Juli nach einem Antrag Kiews einer Stundung der Zinszahlungen auf ukrainische Schulden zugestimmt und andere Gläubiger dazu aufgefordert, ebenso zu verfahren.
Die Wirtschaftsleistung der Ukraine war seit Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar massiv eingebrochen. Nach den jüngsten Schätzungen der Weltbank vom Juni dürfte die Wirtschaftsleistung der Ukraine in diesem Jahr um 45 Prozent zurückgehen.
London weist auf beschädigte Dnipro-Brücken hin
Die russische Position im besetzten südukrainischen Cherson ist nach Einschätzung britischer Geheimdienste durch Gegenangriffe auf strategisch wichtige Flussquerungen deutlich geschwächt. Über die zwei Hauptstraßenbrücken über den Dnipro könne mutmaßlich keine erhebliche militärische Ausrüstung mehr in die russisch besetzen Gebiete westlich des Flusses transportiert werden, erklärte das britische Verteidigungsministerium.
An der Antoniwka-Brücke seien den Russen in den vergangenen Tagen nur oberflächliche Reparaturen gelungen. Die andere wichtige Brücke sei durch ukrainische Angriffe mit Präzisionswaffen in den vergangenen Tagen für schwere Militärfahrzeuge unbefahrbar geworden. Auch die wichtigste Eisenbahnbrücke in der Nähe von Cherson soll weiter beschädigt worden sein. Um militärischen Nachschub zu organisieren, habe Moskau zuletzt vor allem auf eine Fährverbindung nahe der Brücke gesetzt, hieß es in London.
Raketenangriff auf Saporischschja
Die südukrainische Großstadt Saporischschja ist nach örtlichen Angaben von fünf russischen Raketen getroffen worden. Dabei seien Gebäude der Infrastruktur zerstört worden, teilte Gebietsgouverneur Olexander Staruch im Internetdienst Telegram mit.
Ein Brand sei ausgebrochen. Mindestens eine Frau sei verletzt worden. Die Hauptstadt der Region, Saporischschja, ist nach wie vor in ukrainischer Hand.
Kriegsverbrechen müssen aufgeklärt werden
Der ukrainische Verteidigungsminister Olekxij Resnikow hat die USA und andere westliche Staaten zur Hilfe bei der Verfolgung russischer Kriegsverbrechen aufgefordert. Die Ukraine brauche Experten für Militärrecht und Spezialisten für die Aufklärung von Kriegsverbrechen, um die russischen Angreifer zu bestrafen, teilte Resnikow mit.
Er habe eine entsprechende Bitte über das Außenministerium in Kiew an die Ukraine-Kontaktgruppe gerichtet, zu der neben den USA auch Deutschland und Großbritannien gehören. Es müsse eine internationale Koalition gebildet werden, um die blutigen Taten zu verfolgen, betonte der Minister.
Resnikow bezog sich besonders auch auf das Schicksal von ukrainischen Kriegsgefangenen, die in russischer Haft getötet und gefoltert worden sein sollen. "Ich zweifele nicht daran, dass wir nach dem Sieg der Ukraine in diesem Krieg auf dem einen oder anderen Weg jeden aufspüren werden, der an den barbarischen Morden und der Folter beteiligt ist", sagte Resnikow. Dabei sollten nicht nur die Täter selbst, sondern die Befehlsgeber und jene, die solche Verbrechen rechtfertigten, bestraft werden. Als Vorbild nannte er den Nürnberger Kriegsverbrecherprozess gegen Nationalsozialisten nach dem Zweiten Weltkrieg.
Forderung nach Reisebann für Russen erneuert
Präsident Selenskyj hat seine Forderung nach einem Reisebann für Russen bekräftigt. Nach allem, was die russische Besatzung in der Ukraine getan habe, könne es zu Russland nur eine Haltung geben, nämlich es als Terrorstaat zu betrachten. Das sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache am Freitag in Kiew. "Von diesem Standpunkt aus sollte auch die Haltung zu den Bürgern Russlands bestimmt werden."
Er dankte Tschechien und den baltischen Staaten, dass sie offiziell in der EU die Frage von Touristenvisa für russische Bürger aufgeworfen haben. "Es gibt Leute, die wirklich Schutz brauchen, die in Russland verfolgt werden", sagte Selenskyj. Für sie gebe es erprobte Mechanismen wie Asyl. Das habe aber nichts mit Urlaubs- oder Geschäftsreisen von Russen nach Europa zu tun.
"Es muss gewährleistet sein, dass russische Mörder und Helfer des Staatsterrors nicht Schengen-Visa nutzen", sagte er. Russlands Nachbarstaaten Estland und Lettland im Baltikum haben die Einreiseregeln für Russen bereits verschärft, auch Finnland erwägt dies. Deutschland und auch die EU-Kommission in Brüssel lehnen einen grundsätzlichen Stopp von Touristenvisa für Russinnen und Russen ab.
Russland warnt USA
Die russische Regierung hat die USA davor gewarnt, Moskau als "Terrorunterstützer" zu bezeichnen. Das könne die bilateralen diplomatischen Beziehungen erheblich beschädigen oder gar zum Erliegen bringen, sagte Alexander Darchiev, Leiter der Nordamerika-Abteilung im russischen Außenministerium, nach Angaben der Nachrichtenagentur Tass.
Washington würde einen "Point of no return" überschreiten, wenn der US-Senat tatsächlich ein Gesetz verabschiedete, mit dem Russland ausgegrenzt werde, sagte.
mak/se/haz/qu (dpa, afp, rtr)
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