1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Aktuell: Selenskyj kündigt Rückeroberungen an

11. Mai 2022

Der Präsident der Ukraine steckt den Rahmen für ein Kriegsende. Die Ukraine drosselt die Zufuhr von russischem Gas. Ukrainische Soldaten werden in Deutschland geschult. Der Überblick.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj spricht in einer Videoschalte mit Studenten der französischen Universität Sciences Po
Der ukrainische Präsident Selenskyj spricht in einer Videoschalte mit Studenten der französischen Universität Sciences PoBild: Thibault Camus/AP/dpa/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze: 

  • Wolodymyr Selenskyj definiert seine Kriegsziele
  • Die Ukraine verringert den Gastransit im Osten des Landes
  • Geländegewinne rund um Großstadt Charkiw
  • Ukrainische Soldaten zur Ausbildung an Panzerhaubitzen in Deutschland
  • Britischer Beistandspakt mit Schweden und Finnland
  • Der Krieg vernichtet Millionen Jobs in der Ukraine

 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj strebt die Wiederherstellung des Territoriums seines Landes an. Erst dann sei ein Ende des Krieges mit Russland vorstellbar, sagte Selenskyj in einer Videoschalte mit Studenten der französischen Universität Sciences Po. "Wenn wir alles zurückgewonnen haben, was uns gehört, werden wir dies beenden." Später fügte Selenskyj hinzu: "Wäre die Ukraine vor dem Krieg in der NATO gewesen, hätte es keinen Krieg gegeben."

Ukraine schränkt Gastransit in Region Luhansk ein

Wegen des Krieges hat die Ukraine den Transit von russischem Gas Richtung Europa im Gebiet Luhansk im Osten des Landes eingeschränkt. Aufgrund der russischen Besatzung sei es unmöglich geworden, den Punkt Sochraniwka sowie die Verdichterstation Nowopskow zu kontrollieren, teilte der ukrainische Gasnetzbetreiber GTSOU mit. Damit fielen bis zu 32,6 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag weg. Das sei fast ein Drittel der täglich über die Ukraine nach Europa transportierbaren Höchstmenge. Sochraniwka ist Teil der Sojus-Pipeline, die vom russischen Gebiet Orenburg bis ins ukrainische Uschhorod führt. Die Buchungen für den Gastransit über Sochraniwka sanken laut GTSOU inzwischen auf null.  

Der russische Energieriese Gazprom bestätigte, dass weniger Gas durch die Ukraine in Richtung Europa geleitet werde. "Gazprom liefert am 11. Mai russisches Gas im Umfang von 72 Millionen Kubikmetern für den Transit durch das Gebiet der Ukraine", sagte Unternehmenssprecher Sergej Kuprijanow der Agentur Interfax zufolge. Am Dienstag habe das Auftragsvolumen noch bei 95,8 Millionen Kubikmetern gelegen. Laut Bundesnetzagentur kommt so gut ein Viertel weniger Gas in Süddeutschland an. Norwegen und die Niederlande glichen dies aber mit höheren Lieferungen aus. Nennenswerte Preissteigerungen seien an den Großhandelsmärkten aktuell nicht zu beobachten.

Bundestag entscheidet über Energiesicherungsgesetz

Vor dem Hintergrund des geplanten Ölembargos gegen Russland entscheidet der Deutsche Bundestag an diesem Abend über eine Novelle des Energiesicherungsgesetzes. Die Reform soll nach offiziellen Angaben die "Instrumente der Krisenbewältigung" stärken. Anlagen der so genannten kritischen Infrastruktur könnten dann leichter unter staatliche Kontrolle gebracht werden. Ein Beispiel wäre die vom russischen Konzern Rosneft betriebene PCK-Raffinerie im brandenburgischen Schwedt.

Russische Regionen berichten von Angriffen

Die russischen Grenzregionen Belgorod und Kursk berichten von neuen Angriffen aus der Ukraine. Der Gouverneur des Gebiets Belgorod teilte mit, bei einem Beschuss des Dorfes Solochi habe es Zerstörungen und einen Verletzten gegeben. Im Gebiet Kursk wurde nach Behördenangaben von der russischen Luftabwehr eine ukrainische Drohne abgeschossen. Es sei niemand verletzt worden, heißt es.

Um sich gegen den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg auf ihr Staatsgebiet zu verteidigen, darf die Ukraine nach Auffassung von Bundesjustizminister Marco Buschmann in begrenztem Umfang auch in Russland militärisch agieren. "Im Kriegsvölkerrecht ist man sich einig: Wenn man Opfer eines Aggressors ist, darf man sich verteidigen", sagte der FDP-Politiker im Deutschen Bundestag.

Ukraine verkündet Geländegewinne rund um Charkiw

Nach Angaben der Regionalverwaltung von Charkiw drängte die ukrainische Armee die russische Armee aus den Orten Tscherkassy Tyschky, Rusky Tyschky, Rubischne und Bayrak in der Region Charkiw zurück. Die "heftigen Kämpfe" in der Region, einschließlich in Charkiw selbst, hielten demnach weiter an. Durch Charkiw zieht sich nach Angaben der Regionalverwaltung eine Spur der Verwüstung. Unter den Trümmern eines zerstörten Hauses in der unter russischen Kontrolle befindlichen Stadt Isjum wurden demnach die Leichen von 44 Zivilisten gefunden. Die russischen Truppen hinterließen nach ihren Rückzügen zudem "Todesfallen", also Minen, hieß es weiter. 

Zerstörungen in einem Dorf nahe CharkiwBild: Diego Herrera Carcedo/AA/picture alliance

Die Kämpfe zwischen ukrainischen und russischen Streitkräften um die Schlangeninsel im Schwarzen Meer dauern nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums an. Russland versuche wiederholt, seine Truppen auf der Insel zu verstärken. Wenn Russland seine Position auf der Insel mit strategischer Luftabwehr und Marschflugkörpern zur Küstenverteidigung festige, könnte es das nordwestliche Schwarze Meer beherrschen, twitterte das britische Verteidigungsministerium in einem Lagebericht.

Zerstörung ukrainischer Munitionsdepots

Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Moskau haben russischen Streitkräfte in der Nacht zum Mittwoch jeweils mehr als ein Dutzend Munitionsdepots und Gefechtsstände der Ukraine vernichtet. Insgesamt seien durch Luft- und Artillerieschläge 280 ukrainische Soldaten getötet und fast 60 Militärfahrzeuge außer Gefecht gesetzt worden. Außerdem seien neun ukrainische Drohnen abgeschossen worden, darunter eine über der strategisch wichtigen Schlangeninsel im Schwarzen Meer.

Ukrainer werden im Umgang mit der Panzerhaubitze geschult 

Ukrainische Soldaten sind zur Ausbildung an der Panzerhaubitze 2000 in Deutschland eingetroffen. Die künftigen Besatzungen des Waffensystems und technische Fachleute werden an der Artillerieschule der Bundeswehr in Idar-Oberstein eingewiesen. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht wertet die Ausbildung nicht als Eintritt ins Kriegsgeschehen. "Meine juristische Bewertung ist, dass wir damit nicht zur Kriegspartei werden", sagt die SPD-Politikerin im ZDF-Mittagsmagazin. "Wir bilden hier aus, ja, aber wir entsenden natürlich keine Soldaten. Und deswegen ist diese Ausbildung, ist diese Unterstützung noch kein Schritt hin zur Kriegspartei."

Eine Panzerhaubitze 2000 der Bundeswehr auf einem Übungsplatz in Niedersachsen (Archivfoto)Bild: Philipp Schulze/picture alliance

Zur Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg wird Deutschland sieben und die Niederlande werden fünf Panzerhaubitzen übergeben. Sie werden jeweils von fünf Soldaten bedient. 

Eine Panzerhaubitze ist ein schweres Artilleriesystem mit einer Kanone auf einem Kettenfahrzeug, ähnlich einem Panzer. Die Besatzung kann bis zu sechs Granaten so abfeuern, dass diese gleichzeitig einschlagen. Die Panzerhaubitze 2000 gilt als eines der modernsten Artilleriegeschütze weltweit.

Scholz warnt vor langen Kriegsfolgen

Die Ukraine wird nach den Worten von Bundeskanzler Olaf Scholz noch "hundert Jahre" mit den Folgen des Krieges zu tun haben. "Wer in Deutschland lebt weiß es: Die Bomben, die im Zweiten Weltkrieg hier runtergegangen sind, werden auch jetzt noch entdeckt", sagte der Kanzler in Berlin. "Deshalb werden wir auch gemeinsam den Wiederaufbau voranbringen."

Der russische Angriffskrieg sei nicht nur ein Krieg gegen die Ukraine, "sondern auch ein Krieg mit Folgen für die ganze Welt", fügte Scholz unter Verweis auf steigende Energie- und Lebensmittelpreise sowie drohende Hungerkrisen in ärmeren Staaten hinzu.

Britische Sicherheitsgarantien für Schweden und Finnland

Großbritanniens Premier Boris Johnson hat in Stockholm eine "politische Solidaritätserklärung" mit Schweden unterzeichnet. Darin versprechen sich die beiden Staaten, ihre militärischen Beziehungen zu stärken und sich im Falle eines Angriffs gegenseitig zu unterstützen. Eine ähnliche Erklärung hat Johnson kurz danach auch in Finnland unterzeichnet.

Der britische Premierminister Boris Johnson trifft in Schweden Premierministerin Magdalena AnderssonBild: Jonathan Nackstrand/AFP

Die schwedische Ministerpräsidentin Magdalena Andersson sagte, Russlands Präsident Wladimir Putin habe gedacht, Spaltung verursachen zu können. Er habe jedoch das genaue Gegenteil erreicht. Schweden und Finnland wollen in wenigen Tagen über einen NATO-Beitritt entscheiden.

Guterres besucht Flüchtlingslager in Moldau 

UN-Generalsekretär António Guterres hat in der Republik Moldau ein Aufnahmezentrum für Flüchtlinge aus der Ukraine besucht. "Es ist unmöglich, Flüchtlinge zu treffen und von ihren Geschichten nicht tief bewegt zu sein", sagte der 73-Jährige in der Hauptstadt Chisinau. Diese Tragödie zeige, dass "Krieg eine sinnlose Sache ist und dass dieser Krieg enden muss".

Eine aus der Ukraine geflüchtete Frau spricht mit UN-Generalsekretär António Guterres Bild: Aurel Obreja/AP/picture alliance

Die kleine Ex-Sowjetrepublik mit ihren 2,6 Millionen Einwohnern hat fast eine halbe Million Kriegsflüchtlinge aus der benachbarten Ukraine aufgenommen.

US-Repräsentantenhaus billigt neues Hilfspaket 

Der US-Kongress hat den ersten Schritt zur Freigabe eines neuen Hilfspakets von fast 40 Milliarden Dollar (38 Milliarden Euro) für die Ukraine getan. Die Abgeordneten des Repräsentantenhauses stimmten für das entsprechende Gesetz. Das Paket muss nun noch vom Senat verabschiedet werden, bevor es von Präsident Joe Biden verkündet werden kann.

Für sechs Milliarden Dollar aus dem Paket sollen gepanzerte Fahrzeuge sowie Luftabwehrsysteme für die ukrainischen Streitkräfte gekauft werden. Weitere neun Milliarden Dollar sind für Waffen für die US-Streitkräfte eingeplant, nachdem diese bereits zahlreiche Rüstungsgüter in die Ukraine geschickt haben. Neun Milliarden Dollar sind für die Aufrechterhaltung der Regierungsfunktionen vorgesehen. Daneben wollen die USA auch weitere Mittel für humanitäre Hilfe bereitstellen.

UN: Ukraine verliert fast ein Drittel aller Jobs

In der Ukraine ist seit Beginn des russischen Angriffskriegs fast ein Drittel aller Arbeitsplätze vernichtet worden. 4,8 Millionen Jobs seien verloren, erklärte die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) in Genf. Gründe seien die "wirtschaftlichen Umbrüche" im Land, Vertreibungen und "Flüchtlingsströme". Im Fall einer militärischen Eskalation werde sich die Entwicklung noch verstärken, befürchtet die UN-Organisation: Bis zu sieben Millionen Arbeitsplätze würden dann vernichtet, das wären 43,5 Prozent.

Ein russisches Kriegsschiff brennt im Hafen von Berdjansk, einem bedeutenden Industriestandort in der OstukraineBild: Ukrainian Military/Zumapress/picture alliance

Tschechien ersetzt Russland im UN-Menschenrechtsrat

Nach dem Ausscheiden Russlands aus dem UN-Menschenrechtsrat ist Tschechien in das internationale Gremium mit Sitz in Genf nachgerückt. Die UN-Vollversammlung in New York entschied sich mit deutlicher Mehrheit in geheimer Abstimmung für die Regierung in Prag.

Der tschechische Außenminister Jan Lipavsky erklärte, sein Land wolle an das Erbe des Bürgerrechtlers und früheren tschechoslowakischen und tschechischen Präsidenten Vaclav Havel anknüpfen.

Als Reaktion auf Berichte über russische Menschenrechtsverletzungen im Ukraine-Krieg hatte die UN-Vollversammlung die Mitgliedschaft Moskaus ausgesetzt. Daraufhin erklärte der Kreml den Austritt aus dem Gremium. 

Das Ergebnis der Abstimmung über die Suspendierung von Russlands Mitgliedschaft Bild: John Minchillo/AP/dpa/picture alliance

Im UN-Menschenrechtsrat sitzen 47 Mitglieder, die von der UN-Vollversammlung für jeweils drei Jahre gewählt werden. Zurzeit sind auch die Ukraine und Deutschland mit dabei.

rb/pg/bri/sti/se/fw (dpa, afp, rtr, ap)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen