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Politik

Aktuell: Steinmeier telefoniert mit Selenskyj

5. Mai 2022

Nach diplomatischem Streit hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nun mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert. Sowohl er als auch Kanzler Olaf Scholz wurden nach Kiew geladen. Ein Überblick.

PK Präsident Steinmeier
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach seinen Respekt für den mutigen Kampf des ukrainischen Volkes aus Bild: Michael Sohn/AP/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze: 

  • Selenskyj lädt Steinmeier und Scholz ein
  • Israel: Putin entschuldigt sich für Hitler-Vergleich
  • Geberkonferenz sammelt Milliardenhilfen für Flüchtlinge
  • Ukraine meldet Beschuss trotz Waffenruhe in Mariupol
  • Bundesregierung will sieben Panzerhaubitzen liefern 

 

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert. Dabei seien die Irritationen aus der Vergangenheit ausgeräumt worden, teilte das Bundespräsidialamt mit. Steinmeier habe Selenskyj "Solidarität, Respekt und Unterstützung für den mutigen Kampf des ukrainischen Volkes gegen den russischen Aggressor ausgesprochen".

Beide Präsidenten hätten das Gespräch als "sehr wichtig" und "sehr gut" bezeichnet. Wie es aus dem Bundespräsidialamt weiter hieß, wurden der Bundespräsident persönlich und die Bundesregierung von Selenskyj zu einem Besuch in Kiew eingeladen. Steinmeier und Selenskyj hätten sich in dem Telefonat darauf verständigt, "ihre Vergangenheit zurückzulassen und sich auf die zukünftige Zusammenarbeit zu konzentrieren", sagte ein Sprecher des ukrainischen Präsidenten der "Bild"-Zeitung. 

Affront gegen Steinmeier

Die Irritationen waren zustande gekommen, nachdem die ukrainische Seite Mitte April einen Besuch Steinmeiers in Kiew abgelehnt hatte. Der Bundespräsident wollte die ukrainische Hauptstadt zusammen mit den Präsidenten Polens und der drei baltischen Staaten besuchen, wurde zur Verärgerung Berlins aber im letzten Moment ausgeladen. Wegen dieses Affronts hatte Bundeskanzler Olaf Scholz erklärt, dass er vorerst nicht nach Kiew reisen wolle

Weiter hieß es in Berlin, bereits am 8. April habe Steinmeier den Wunsch nach einem Telefonat mit Selenskyj an die Ukraine übermitteln lassen. Ein für den 11. April angesetztes Telefonat sei dann aber abgesagt worden, auch weitere Termine seien von ukrainischer Seite verschoben worden. Das rund 45-minütige Telefonat am Donnerstagmittag sei in freundlichem Ton verlaufen. Von ukrainischer Seite sei keine Kritik an der Russland-Politik vorgebracht worden, die Steinmeier in seiner früheren Funktion als Außenminister vertreten hatte.

Bas und Baerbock planen Kiew-Besuch

Auch Außenministerin Annalena Baerbock und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas haben Reisepläne in die ukrainische Hauptstadt. Eine Sprecherin von Bas teilte mit, die Bundestagspräsidentin habe den Wunsch, auf Einladung ihres Amtskollegen Ruslan Stefantschuk in die Ukraine zu fahren, gemeinsam mit ihm aller Opfer des Zweiten Weltkriegs zu gedenken und politische Gespräche zu führen, sagte eine Sprecherin auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Offizieller Anlass ist das Weltkriegsgedenken in der Ukraine am Sonntag. Bas hat protokollarisch nach dem Bundespräsidenten das zweithöchste Staatsamt inne.

Außenministerin Baerbock wird "demnächst" in die Ukraine reisen, wie Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin ankündigte. Einzelheiten dazu teilte er nicht mit. Auch zu eventuellen eigenen Reiseplänen äußerte er sich nicht. 

Nach EU-Angaben sind rund acht Millionen Binnenflüchtlinge dringend auf Unterstützung angewiesenBild: Leo Correa/AP Photo/picture alliance

Geberkonferenz für humanitäre Hilfe   

Die Teilnehmer einer internationalen Geberkonferenz haben nach Angaben des polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki Zusagen über mehr als 6 Milliarden Euro gemacht. Deutschland steuert 125 Millionen Euro für humanitäre Hilfe bei, wie Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Konferenz ankündigte. Zudem seien weitere 140 Millionen Euro für die Entwicklungshilfe der Ukraine vorgesehen. Polen und Schweden hatten die Veranstaltung in Warschau unter Beteiligung der EU und der Vereinten Nationen organisiert. Sie fand als hybrides Treffen auf Ebene der Staats- und Regierungschefs statt.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in einer Videobotschaft betont, dass mit Hilfe der verbündeten Länder ein rascher Wiederaufbau nach dem Krieg nötig sei. Dies sei eine "Investition in die Stabilität Zentral- und Osteuropas" und in die "freie Welt". Zugleich erneuerte Selenskyj seine Forderung nach einem EU-Beitritt. Nach UN-Schätzungen benötigen in der Ukraine mehr als zwölf Millionen Menschen dringend humanitäre Hilfe, darunter Nahrung, medizinische Versorgung und Unterkünfte.

Israel: Putin entschuldigt sich

Der russische Präsident Wladimir Putin hat sich nach israelischen Angaben bei Ministerpräsident Naftali Bennett für die Äußerungen seines Außenministers Sergej Lawrow entschuldigt, der behauptet hatte, Adolf Hitler könnte "jüdisches Blut" gehabt haben.

"Der Regierungschef hat die Entschuldigung von Präsident Putin für die Äußerungen Lawrows angenommen und ihm für die Klarstellung seiner Haltung gegenüber dem jüdischen Volk und der Erinnerung an den Holocaust gedankt", hieß es in einer Erklärung von Bennetts Büro. Lawrow hatte in einem am vergangenen Wochenende ausgestrahlten Interview mit dem italienischen Sender Mediaset gesagt: "Ich könnte mich irren, aber Hitler hatte auch jüdisches Blut."

Vom Kreml gab es für eine solche Entschuldigung zunächst keine Bestätigung. Von dort hieß es lediglich, der russische Präsident habe in dem Telefonat die freundschaftlichen Beziehungen seines Landes zu Israel betont. Thema des Telefonats seien auch die Kämpfe in der Ukraine gewesen.

Weiter Kämpfe um Stahlwerk?

Trotz einer von Russland angekündigten Feuerpause dauern die Kämpfe um das Asow-Stahlwerk in Mariupol nach ukrainischen Angaben weiter an. Russland versuche, die letzten verbliebenen ukrainischen Verteidiger auf dem Fabrikgelände zu "vernichten", erklärte die ukrainische Armee. Der Kreml beteuerte hingegen, die Feuerpause werde eingehalten.

Moskau hatte am Mittwochabend eine begrenzte Waffenruhe zur Evakuierung von Zivilisten aus dem Stahlwerk in der südukrainischen Hafenstadt angekündigt. Die russischen Streitkräfte wollten demnach am Donnerstag, Freitag und Samstag jeweils von 7.00 bis 17.00 Uhr (MESZ) Fluchtkorridore für Zivilisten aus dem Industriekomplex öffnen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in seiner täglichen Videoansprache zugesichert, die eigene Armee werde die Waffenruhe einhalten.

Der Kommandeur des ukrainischen Asow-Regiments, Denys Prokopenko, hatte in einem am Mittwochabend auf Telegram veröffentlichten Video erklärt, russische Soldaten seien in das Stahlwerk eingedrungen und lieferten sich "heftige und blutige Gefechte" mit den ukrainischen Streitkräften.

Mariupol ist nach wochenlanger russischer Belagerung und vielfachen Angriffen weitgehend zerstört. Das Stahlwerk ist der letzte Rückzugsort ukrainischer Soldaten in der strategisch wichtigen Stadt. Nach Angaben des Bürgermeisters von Mariupol, Wadym Boitschenko, sitzen noch 200 Zivilisten in ausgedehnten Tunnelanlagen auf dem Werksgelände fest.

Selenskyj spricht zum dänischen Volk

Der ukrainische Präsident hat das dänische Volk an das Ende der Besatzung durch Nazideutschland erinnert. Die Nazis hätten damals verloren und die Freiheit habe gewonnen, sagte Selenskyj auf Veranstaltungen in Kopenhagen und Aarhus, zu denen er auf Großbildschirmen aus der Hauptstadt Kiew zugeschaltet war. Dänemark und die Welt hätten damals gefeiert und die Hoffnung gehabt, dass solch ein grausamer Krieg der letzte sein werde. Doch mit dem russischen Angriff gegen die Ukraine sei der Krieg wieder da, sagte Selenskyj.

Fast 1000 Raketen seien gegen die Ukrainer eingesetzt worden, die Mehrheit davon gegen nicht-militärische Einrichtungen. "Das sind Kindergärten, Schulen, Universitäten. Das ist es, wogegen Russland in der Ukraine kämpft." In Dänemark werden jedes Jahr am 4. Mai Lichter in Erinnerung an die Befreiung von der deutschen Besatzung angezündet. 

Panzer der pro-russischen Separatisten in MariupolBild: Alexei Alexandrov/AP/picture alliance

Tote und Verletzte im Donbass

Nach massivem Beschuss mehrerer ukrainischer Städte im Donbass melden die örtlichen Behörden etliche zivile Opfer. Bei Angriffen in Tschasiw Jar habe es mindestens einen Toten gegeben, teilte der Leiter der Militärverwaltung des Gebiets Donezk, Pawlo Kyrylenko, auf seinem Telegram-Kanal mit. In Kramatorsk seien durch einen Raketeneinschlag mindestens 25 Menschen verletzt worden. Wohnhäuser, eine Schule und weitere Objekte der zivilen Infrastruktur wurden demnach beschädigt.

Der Gouverneur der ebenfalls schwer umkämpften Region Luhansk, Serhij Hajdaj, sprach von mindestens fünf Toten durch den Beschuss der Städte Sjewjerodonezk, Lyssytschansk, Hirske und Popasna. Auch hier seien Wohnhäuser und Infrastruktur schwer beschädigt worden, teilte Hajdaj mit.

Die russische Armee meldet ihrerseits den Beschuss mehrerer strategisch wichtiger Ziele in ukrainischen Großstädten. Auf dem Militärflughafen Kanatowo nahe Kirowohrad sei Flugzeugtechnik zerstört worden, in der Stadt Mykolajiw habe man ein Munitionsdepot getroffen, sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, in seinem Lagebericht. Darüber hinaus sei im Kreis Schowtnewe, das ebenfalls zum Gebiet Mykolajiw zählt, ein Treibstofflager der ukrainischen Armee zerstört worden. Die russische Luftabwehr habe mehrere Kampfflugzeuge und Drohnen abgeschossen. Von unabhängiger Seite ließen sich diese Angaben nicht überprüfen.

Russische Streitkräfte in Kaliningrad simulieren Atomangriff

In Kaliningrad simulierten die russischen Streitkräfte nach eigenen Angaben Angriffe mit nuklearwaffenfähigen Raketen. Kaliningrad ist eine russische Exklave an der Ostsee zwischen den beiden EU- und NATO-Mitgliedern Polen und Litauen. Im Rahmen einer Übung hätten rund hundert Soldaten den "elektronischen Start" von mobilen ballistischen Raketensystemen mit Atomwaffen vom Typ Iskander geprobt, erklärte das Verteidigungsministerium. Die Streitkräfte hätten Angriffe auf militärische Ziele eines imaginären Feindes sowie die Reaktion auf einen Gegenschlag geübt. 

Im März trainierten russische Soldaten in Kaliningrad mit einem Flugabwehrraketen-System Bild: Vitaly Nevar/TASS/picture alliance

Der russische Präsident Wladimir Putin hat in jüngster Zeit angedeutet, dass er womöglich bereit wäre, Russlands taktische Atomwaffen einzusetzen. Der Kremlchef warnte zudem vor einer "blitzschnellen" Vergeltung, falls der Westen direkt in den Ukraine-Krieg eingreifen sollte. 

Beobachtern zufolge versucht das russische Staatsfernsehen seit einigen Tagen, der Öffentlichkeit den Einsatz von Atomwaffen schmackhaft zu machen. "Seit zwei Wochen hören wir über unsere Bildschirme, dass die Atomsilos geöffnet werden sollten", sagte der russische Journalist und Friedensnobelpreisträger Dmitri Muratow.

Bundesregierung will Panzerhaubitzen an Kiew liefern

Die Bundesregierung plant laut Medienberichten, der Ukraine sieben Panzerhaubitzen zu überlassen. Die Haubitzen befinden sich nach Angaben aus Regierungskreisen derzeit in der Instandsetzung und sollen bis Ende Juni intakt sein, wie die "Bild"-Zeitung schreibt.  

Eine Panzerhaubitze 2000 - das Standardgeschütz der Bundeswehr Bild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance

Unterdessen verzögert sich laut "Bild" der Ringtausch mit Slowenien. Die Slowenen sollten T-72-Kampfpanzer an Kiew liefern und im Gegenzug deutsche Marder-Schützenpanzer sowie Fuchs-Transportpanzer bekommen. Aber Sloweniens Regierung bestehe offenbar auf der Lieferung modernerer Panzer, schreibt das Blatt.

Mehr als 600.000 ukrainische Flüchtlinge in Deutschland angekommen

Nach einer Auswertung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sind seit Kriegsbeginn mehr als 600.000 Menschen aus der Ukraine in Deutschland angekommen. Im Zeitraum zwischen Ende Februar und Ende April seien 610.103 Personen aus der Ukraine neu erfasst worden, berichten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe. 

Unklar ist allerdings, wie viele der erfassten Personen in ein anderes EU-Land weitergereist sind oder trotz der Kampfhandlungen wieder in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Laut Behörden könne es sich um eine "erhebliche Zahl" handeln. Oftmals würden sich die Menschen nicht abmelden.

uh/fab/se/mak/jj (dpa, rtr, afp, ap) 

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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