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Politik

Aktuell: Türkei blockiert Gespräche zur NATO-Erweiterung

18. Mai 2022

Der türkische Präsident Erdogan lässt seinen Worten Taten folgen und blockiert im NATO-Rat die Gespräche zur Aufnahme Finnlands und Schwedens. Die US-Botschaft in Kiew ist wiedereröffnet worden. Ein Überblick.

Türkei Rede Präsident Erdogan
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan spricht vor Parteianhängern der AKP in AnkaraBild: Turkish Presidency/AP/picture alliance

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Türkei blockiert vorerst Gespräche zur NATO-Erweiterung
  • US-Botschaft in Kiew nimmt Betrieb wieder auf
  • EU investiert 300 Milliarden in Unabhängigkeit von russischer Energie
  • Moskau: 959 ukrainische Kämpfer haben sich in Mariupol ergeben
  • Kriegsverbrecherprozess in Kiew - Russe bekennt sich schuldig

 

Die Türkei hat in der NATO den Beginn der Beitrittsgespräche mit Finnland und Schweden zunächst blockiert. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Bündniskreisen erfuhr, war es am Mittwochvormittag im NATO-Rat nicht möglich, den für den Start des Aufnahmeprozesses notwendigen Beschluss zu fassen.

Schweden und Finnland hatten zuvor offiziell die Mitgliedschaft in der NATO beantragt. Eigentlich war vorgesehen gewesen, dass der NATO-Rat danach sofort den Start der Beitrittsgespräche beschließt. Nach Angaben aus Bündniskreisen brachte die Türkei in der Sitzung Sicherheitsbedenken vor und machte klar, dass sie zum derzeitigen Zeitpunkt nicht zustimmen kann.

Ein Sprecher des Bündnisses wollte sich nicht zu den Gesprächen im NATO-Rat äußern. Er betonte lediglich, dass Generalsekretär Jens Stoltenberg entschlossen sei, zu einer schnellen Lösung für Finnland und Schweden zu kommen. "Beide Länder sind unsere engsten Partner, und ihr Beitritt zur NATO würde die euroatlantische Sicherheit stärken", sagte er.

NATO: Paradigmenwechsel in Schweden

02:32

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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan machte unterdessen erneut deutlich, dass er eine Zustimmung zum NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands von einem Zugehen auf sein Land in Sicherheitsfragen abhängig macht. Die NATO-Erweiterung gehe für die Türkei mit dem Respekt einher, den man ihren Empfindsamkeiten entgegenbringe, sagte er bei einer Rede vor seiner islamisch-konservativen Regierungspartei AKP in Ankara.

US-Präsident Joe Biden begrüßte den Willen Finnlands und Schwedens zur Aufnahme in die NATO. Er unterstütze die "historischen Anträge" nachdrücklich, hieß es in einer vom Weißen Haus in Washington verbreiteten Mitteilung Bidens. Er freue sich darauf, mit dem US-Kongress und den NATO-Verbündeten zusammenzuarbeiten, "um Finnland und Schweden rasch in das stärkste Verteidigungsbündnis der Geschichte aufzunehmen". Der US-Präsident empfängt am Donnerstag Schwedens Ministerpräsidentin Magdalena Andersson und den finnischen Präsidenten Sauli Niinistö im Weißen Haus.

US-Botschaft in Kiew wiedereröffnet

Die wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine geschlossene US-Botschaft in der ukrainischen Hauptstadt Kiew hat ihren Betrieb wiederaufgenommen. Man habe zusätzliche Maßnahmen für die Sicherheit der zurückkehrenden Kolleginnen und Kollegen ergriffen, teilte das Außenministerium in Washington mit. Die US-Flagge an dem Gebäude sei gehisst worden.

Das ukrainische Volk habe sich mit amerikanischer Unterstützung gegen die Invasion Russlands verteidigt, erklärte US-Außenminister Antony Blinken. Deshalb wehe das Sternenbanner ("Stars and Stripes") jetzt wieder über der Botschaft.

Die Flagge wird gehisst: Wiedereröffnung der US-Botschaft in KiewBild: Edgar Su/REUTERS

Die USA hatten ihre Botschaftsgeschäfte vor rund drei Monaten von Kiew zunächst in die westukrainische Stadt Lwiw nahe der Grenze zu Polen verlegt. Kurz vor Ausbruch des Krieges reiste das Botschaftspersonal nach Polen aus. Zuvor war das Personal in Kiew bereits auf ein absolutes Minimum reduziert worden.

EU investiert Milliarden für Unabhängigkeit von russischer Energie

Die EU-Kommission will die Abkehr von russischen Gas-, Öl- und Kohlelieferungen über Investitionen von 300 Milliarden Euro bis 2030 beschleunigen. Davon sollten lediglich zehn Milliarden Euro in die Gas- und zwei Milliarden Euro in die Öl-Infrastruktur fließen, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel. Der Rest werde für den Ausbau der erneuerbaren Energien verwandt.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen kündigte ein 300 Milliardenpaket an (Archivbild)Bild: Kenzo Tribouillard/dpa/Pool AFP/AP/picture alliance

In dem "RePowerEU" genannten Paket sind zudem strengere Ziele für deren Einsatz verankert. Bis 2030 sollen nun 45 Prozent statt wie bisher vorgesehen 40 Prozent der Energie aus diesen Quellen kommen. Geplant sind auch schärfere Vorschriften zum Energiesparen sowie etwa der verpflichtende Einsatz von Solaranlagen auf neuen öffentlichen und gewerblichen Gebäuden. Dies soll ab 2025 greifen, für Privathäuser ab 2029.

Fast 1000 ukrainische Kämpfer ergeben sich in Mariupol

In der ukrainischen Hafenstadt haben sich russischen Angaben zufolge seit Wochenbeginn 959 ukrainische Kämpfer aus dem belagerten Stahlwerk Azovstal in russische Gefangenschaft begeben. Unter ihnen seien 80  Verletzte, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Allein in den vergangenen 24 Stunden hätten sich knapp 700 Menschen den russische Einheiten ergeben.

Von ukrainischer Seite gab es zunächst keine Bestätigung für diese Zahlen. Kiew hatte zunächst - wie zuvor auch Moskau - von etwas mehr als 260 Soldaten gesprochen, die von dem Werksgelände evakuiert worden seien. Unter ihnen waren übereinstimmenden Angaben beider Seiten zufolge auch mehr als 50 Verletzte.

Die Ukraine hofft auf einen Austausch gegen russische Kriegsgefangene, Russlands Militär ließ einen solchen Schritt aber zunächst offen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte in der Nacht in seiner Videoansprache, die ukrainische Regierung arbeite daran, die verbliebenen Kämpfer herauszuholen. Beaufsichtigt werde die Mission vom ukrainischen Militär und von Geheimdienstagenten, beteiligt seien zudem "die einflussreichsten internationalen Vermittler".

Ausgebombt - ein Bahnhofsgebäude in MariupolBild: Vladimir Gerd/dpa/TASS/picture alliance

Wie viele Kämpfer sich aktuell noch auf dem weitläufigen Werksgelände aufhalten, ist unklar. Unterschiedlichen Schätzungen zufolge sollen es vor Beginn der Evakuierungsmission zwischen 1000 und 2500 gewesen sein. Die letzten Zivilisten waren bereits vor rund eineinhalb Wochen mit internationaler Hilfe in Sicherheit gebracht worden.

Duma-Chef spricht von Nazi-Kriminellen

In der Frage eines Gefangenenaustauschs stand das russische Parlament bisher auf der Bremse. Die Duma erwägt, Kämpfer des ukrainischen Asow-Regiments, die sich in wochenlang in dem riesigen Industriekomplex in Mariupol verschanzt hatten, von einem möglichen Gefangenenaustausch auszunehmen. Die Nachrichtenagentur Tass zitiert Duma-Chef Wjatscheslaw Wolodin mit den Worten, es seien Nazi-Verbrecher, die von derartigen Vereinbarungen ausgeschlossen werden müssen. "Das sind Kriegsverbrecher, und wir müssen alles dafür tun, sie vor Gericht zu bringen."

Das Regiment Asow war ursprünglich eine nationalistische Miliz und ging dann in der ukrainischen Nationalgarde auf. Nach ukrainischer Darstellung hat sie ihre radikalen Ursprünge hinter sich gelassen. Die Regierung in Moskau stellt sie dagegen als Hauptverantwortliche für mutmaßlichen antirussischen Nationalismus und Nationalsozialismus da.

Kriegsverbrecherprozess in Kiew - Russe bekennt sich schuldig

In Kiew startete der erste Kriegsverbrecherprozess gegen einen russischen Soldaten. Wadim S. bekannte sich zum Auftakt vor einem Bezirksgericht in der ukrainischen Hauptstadt schuldig, einen unbewaffneten Zivilisten erschossen zu haben.

Der 21-jährige Russe Wadim Schischimarin auf der Anklagebank in KiewBild: Efrem Lukatsky/AP Photo/picture alliance

Dem 21-Jährigen wird vorgeworfen, am 28. Februar im nordukrainischen Dorf Tschupachiwka aus einem gestohlenen Auto heraus einen unbewaffneten 62-Jährigen erschossen zu haben. Dem Soldaten aus dem sibirischen Irkutsk droht eine lebenslange Haftstrafe wegen Kriegsverbrechen und Mordes. Nach Angaben ukrainischer Behörden gab er die Tötung des Mannes zu. 

Der junge Soldat mit dem kahlgeschorenen Kopf blickte während der Anklageverlesung zu Boden. Er wollte den Angaben zufolge nach einem Angriff auf seinen Konvoi in der Nordukraine mit vier Kameraden in dem gestohlenen Auto fliehen. Wegen mutmaßlicher Völkerrechtsverbrechen im Ukraine-Krieg ermittelt auch der Internationale Strafgerichtshof (IStGH).

Russland weist Diplomaten aus

Russland hat 27 spanische und 24 italienische Diplomaten ausgewiesen. Wie das russische Außenministerium mitteilte, wurden die 27 Mitarbeiter der spanischen Botschaft in Moskau und des spanischen Generalkonsulats in St. Petersburg zu "unerwünschten Personen" erklärt. Die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, gab laut russischen Nachrichtenagenturen zudem die Ausweisung der 24 italienischen Diplomaten bekannt.

Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi verurteilte die Entscheidung und sprach von einem "feindseligen Akt". Es handele sich aber auch um eine "Reaktion" auf die Ausweisung russischer Diplomaten aus Italien, sagte Draghi bei einem Treffen mit der finnischen Ministerpräsidentin Sanna Marin in Rom. Er mahnte an, die diplomatischen Kanäle unbedingt offen zu halten, denn diese würden genutzt, um sich für Frieden in der Ukraine einzusetzen.

Kurz zuvor hatte das russische Außenministerium bereits die Ausweisung von 34 französischen Diplomaten angeordnet, auch dabei handelte es sich um eine Vergeltungsmaßnahme.

Blick auf die französische Botschaft in MoskauBild: CSP_megastocker/imago images

Im April hatte Frankreich angesichts des russischen Militäreinsatzes in der Ukraine 41 russische Diplomaten des Landes verwiesen. Einige von ihnen waren nach Angaben des Außenministeriums in Paris "unter diplomatischem Deckmantel" als Geheimagenten in Frankreich tätig gewesen.

London: Russland hat Probleme bei Truppenverstärkung

Die russischen Streitkräfte haben britischen Erkenntnissen zufolge bei ihrem Krieg gegen die Ukraine erhebliche Probleme beim Nachschub und der Zuführung weiterer Truppen. So müsse Russland viele Hilfstruppen für den Versuch einsetzen, den ukrainischen Widerstand zu brechen, darunter Tausende Kämpfer aus der autonomen Teilrepublik Tschetschenien. Das Verteidigungsministerium in London erklärte dazu: Der Kampfeinsatz so unterschiedlichen Personals zeigt die erheblichen Ressourcenprobleme Russlands in der Ukraine und trägt wahrscheinlich zu einem uneinheitlichen Kommando bei, das die russischen Operationen weiterhin behindert."

Zerstörte Gebäude nach russischem Beschuss in Popasna in der Region LuhanskBild: Alexander Reka/Tass/dpa/picture alliance

Obwohl russische Truppen die strategisch wichtige Hafenstadt Mariupol mehr als zehn Wochen eingekreist hatten, habe heftiger ukrainischer Widerstand eine vollständige russische Kontrolle verhindert. Dies habe zu Frust und hohen Verlusten der russischen Streitkräfte geführt, hieß es unter Berufung auf Geheimdienstinformationen. Die tschetschenischen Kräfte würden vornehmlich um die umkämpfte Hafenstadt Mariupol sowie im ostukrainischen Gebiet Luhansk eingesetzt. Sie bestünden wahrscheinlich sowohl aus Freiwilligen als auch aus Einheiten der Nationalgarde, die ansonsten die Herrschaft von Machthaber Ramsan Kadyrow absichern sollen.

Selenskyj in Cannes zugeschaltet: Das Kino sollte nicht schweigen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat überraschend eine Ansprache bei der Eröffnungsfeier der Filmfestspiele von Cannes gehalten. In seiner per Video in den Saal übertragenen Rede rief er die Filmbranche auf, sich politisch gegen Hass und autoritäre Herrscher zu engagieren.

Das Publikum in Cannes quittierte Selenskyis Rede mit stehenden OvationenBild: Eric Gaillard/REUTERS

Selenskyj spielte auf Charlie Chaplins Filmklassiker "Der große Diktator" an und sagte: "Am Ende wird der Hass verschwinden und die Diktatoren werden sterben". Chaplins im Jahr 1940 uraufgeführtes Werk gilt bis heute als besonders wirkmächtige Satire gegen Adolf Hitler.

"Wir brauchen einen neuen Chaplin, um zu beweisen, dass die Filmwelt nicht stumm ist", sagte Selenskyj weiter. Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine fragte er: "Wird die Filmwelt still bleiben oder wird sie die Stimme erheben?"

Friedensgespräche zwischen Moskau und Kiew ausgesetzt

Die Ukraine und Russland haben die Verhandlungen zur Beendigung des Krieges vorerst ausgesetzt. "Der Verhandlungsprozess hängt davon ab, wie die Ereignisse in der Ukraine verlaufen", sagte Kiews Unterhändler Mychajlo Podoljak im Fernsehen. Seit Kriegsbeginn habe sich die Lage spürbar verändert. Podoljak warf Russland vor, weiter in Stereotypen zu denken und nach 82 Kriegstagen die reale Situation in der Ukraine nicht begriffen zu haben. "Sie leben bis heute in einer Welt, in der es angeblich einen ukrainischen Nazismus gibt", erklärte Podoljak. Dabei gebe es nur einen "russischen Nazismus".

Die Gespräche würden nur bei konkreten Vorschlägen wieder aufgenommen. Eine gesichtswahrende Lösung für Kremlchef Wladimir Putin lehne Kiew ab, so Podoljak. Zudem könne man über einen Waffenstillstand nur nach einem vollständigen Rückzug russischer Truppen diskutieren. Zuvor hatte bereits Russland das vorläufige Ende von Gesprächen bestätigt.

Ein weiterer KfW-Kredit und Pflanzkartoffeln 

Die Ukraine erhält einen weiteren Kredit der staatlichen deutschen Förderbank KfW über 150 Millionen Euro. Das Geld solle zur Unterstützung der Bürger und den Wiederaufbau der Infrastruktur eingesetzt werden, sagte der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal nach einer Regierungssitzung in Kiew. Zuvor hatte die Ukraine von der KfW Anfang April ebenfalls 150 Millionen Euro bekommen. Der neue Kredit habe eine Laufzeit von 15 Jahren, und die Rückzahlungen müssten erst nach 5 Jahren beginnen, sagte Schmyhal. Insgesamt habe die Ukraine seit der russischen Invasion am 24. Februar finanzielle Unterstützung von mehr als fünf Milliarden Dollar (aktuell rund 4,8 Milliarden Euro) erhalten.

Um einer möglichen Nahrungsmittelkrise in der Ukraine vorzubeugen, hat die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO Hunderte Tonnen Pflanzkartoffeln an gut 17.700 Haushalte im Land verteilt. Rund 46.000 Menschen könnten von der Initiative profitieren, erklärte die FAO in Rom. Der Mitteilung zufolge wurden in den vergangenen Wochen 862 Tonnen Pflanzkartoffeln an bedürftige Familien geliefert, um sicherzustellen, dass diese Nahrungsquelle bei der Ernte im September genutzt werden kann. Finanziell unterstützt wird die Aktion auch von der EU.

nob/gri/qu/rb/kle/sti (dpa, rtr, afp, kna)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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