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KonflikteUkraine

Ukraine aktuell: Tausende flüchten vor Überflutung

6. Juni 2023

Angesichts der Überschwemmung nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms wächst unter den Bewohnern der Region Cherson die Furcht. Der Westen betrachtet Russland als den Schuldigen. Unser Nachrichtenüberblick.

Ukraine | Krieg | Dammbruch Nova Khakovka Talsperre
Dieses Foto der ukrainischen Atomenergiebehörde Energoatom zeigt im Vordergrund den zerstörten StaudammBild: ENERGOATEM/AFP

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Tausende werden nach Staudammbruch evakuiert
  • Westliche Politiker sprechen von Kriegsverbrechen
  • Moskau verkündet Schlag gegen Ukraine
  • Bericht: USA wussten von Plänen zu Nord-Stream-Explosion
  • Vorbereitungen für Kampfpiloten-Ausbildung

 

Angesichts von Überschwemmungen nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine wächst die Furcht unter den Bewohnern der Region. Ukrainische Behörden leiteten die Evakuierung von rund 17.000 Menschen ein. Auf der von Russland besetzten Seite des Flusses Dnipro sollten weitere 25.000 Anwohner fortgebracht werden.

Der Chef der Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), Rafael Grossi, warnte vor den Folgen für die Kühlung des Atomkraftwerks Saporischschja. 

Der in russisch besetztem Gebiet liegende Kachowka-Staudamm am Dnipro war bei einer Explosion in der Nacht zum Dienstag größtenteils zerstört worden, große Mengen Wasser traten aus. Nach Angaben des ukrainischen Innenministers, Igor Klymenko, wurden 24 Ortschaften überschwemmt. 

Ein Bewohner der Stadt Cherson vor seinem überfluteten Haus Bild: Nina Lyashonok/AP/picture alliance

Ukrainischer Umweltminister im DW-Interview:  Ein "Ökozid"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj warf Russland vor, den Staudamm "vermint" und dann "gesprengt" zu haben. Damit habe Russland auch einen "Ökozid" begangen, fügte er mit Blick auf die Umweltauswirkungen hinzu. Auch Umweltminister Ruslan Strilets sprach von einem "Ökozid". Die Zerstörung des Dammes sei "ein barbarischer Akt" und "eine echte humanitäre Katastrophe", sagte Strilets in einem Interview der Deutschen Welle. Dadurch könnten bis zu eine Million Menschen ihren Zugang zu Süßwasser verlieren. Der ukrainische Ressortchef konstatierte: "Einige Teile der wilden Natur haben wir für immer verloren."

Der ukrainische Generalstaatsanwalt Andrij Kostin erklärte in Online-Netzwerken, für Gegenden mit insgesamt mehr als 40.000 Einwohnern bestehe Überflutungsgefahr. Aus Angst vor den Wassermassen begannen Anwohner, ihre Habseligkeiten zu packen und in Sicherheit zu bringen. Der Kreml wiederum sprach von einer "vorsätzlichen Sabotage" Kiews. 

Bepackt mit dem Nötigsten verlassen Bewohner die Region Cherson Bild: Nina Lyashonok/AP/picture alliance

Westen beschuldigt Russland

Die Ukraine und der Westen machen Russland für die Sprengung des Kachowka-Staudamms verantwortlich. Bundeskanzler Olaf Scholz warf Moskau vor, in dem seit mehr als 15 Monaten dauernden Angriffskrieg immer stärker zivile Ziele anzugreifen und sprach von einer "neuen Dimension". NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hielt Russland vor, Tausende Zivilisten zu gefährden und schwere Umweltschäden in Kauf zu nehmen. EU-Ratspräsident Charles Michel zeigte sich schockiert über einen "beispiellosen Angriff". Der britische Außenminister James Cleverly sprach von einem "Kriegsverbrechen". 

Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) geht davon aus, dass es zur Kühlung des Atomkraftwerks Saporischschja - oberhalb des geborstenen Damms - ausreichend Wasser aus anderen Quellen als dem Kachowka-Stausee gibt. Entscheidend dafür sei das Kühlbecken beim AKW selbst. IAEA-Chef Rafael Grossi appellierte deshalb an die Ukraine und Russland, es dürfe nichts unternommen werden, was die Unversehrtheit des Beckens gefährde. 

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj berief den nationalen Sicherheitsrat ein. Das ukrainische Einsatzkommando Süd teilte mit, die russischen Besatzer hätten den Damm selbst gesprengt. Die russische Seite hingegen machte ukrainischen Beschuss für die Schäden verantwortlich. Die Angaben beider Kriegsparteien lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

Der 30 Meter hohe und 3,2 Kilometer lange Staudamm wurde 1956 am Fluss Dnipro als Teil des Wasserkraftwerks Kachowka errichtet. Der dadurch gebildete Stausee fasst rund 18 Milliarden Kubikmeter Wasser. Er versorgt auch das AKW Saporischschja sowie die bereits 2014 von Russland annektierte Halbinsel Krim.

Präsident Wolodymyr Selenskyj ist sehr zufrieden mit dem Einsatz seiner Soldaten (Archivbild)Bild: https://www.president.gov.ua

Selenskyj lobt Soldaten

Der ukrainische Präsident hat die Erfolge der Truppen seines Landes nahe der zerstörten Stadt Bachmut gelobt. "Gut gemacht, Krieger", sagte Selenskyj in einer Videobotschaft. "Wir sehen, wie hysterisch Russland auf jeden Schritt reagiert, den wir dort unternehmen, auf alle Stellungen, die wir erobern." Im übrigen äußerte sich das Staatsoberhaupt nur vage, sodass nicht klar wurde, ob es sich dabei schon um die lange erwartete "Frühjahrsoffensive" der ukrainischen Streitkräfte handelt.

Zuvor hatte die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Malijar Geländegewinne nahe Bachmut im Osten des Landes bekannt gegeben. Das Gebiet um die Stadt in der Region Donezk bleibe "das Zentrum der Kämpfe", erklärte sie. Die eigenen Truppen rückten vor und errängen Erfolge. "Der Feind ist in der Defensive."

Moskau verkündet Schlag gegen Ukraine

Russland hat eigenen Angaben zufolge eine weitere Großoffensive der ukrainischen Streitkräfte in Donezk vereitelt. Das russische Verteidigungsministerium teilte auf seinem Telegram-Kanal mit, man habe den ukrainischen Streitkräften eine Niederlage zugefügt. Der Bericht konnte unabhängig nicht bestätigt werden, eine Stellungnahme vonseiten der Ukraine lag nicht vor. Zuvor hatte die Ukraine bereits die russische Darstellung zurückgewiesen, dass eine Gegenoffensive in der Donezk-Region eingeleitet worden sei.

Bericht: USA kannten ukrainische Pläne für Angriff auf Nord Stream

Den USA lagen einem Medienbericht zufolge drei Monate vor dem Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines detaillierte ukrainische Pläne für einen Angriff auf die Erdgasleitungen vor. Wie die "Washington Post" berichtete, wurden die Einzelheiten des Plans von einem europäischen Geheimdienst zusammengetragen und im Juni 2022 an den US-Dienst CIA übergeben.

Der ursprüngliche Bericht basierte demnach auf Informationen, die von einer Person in der Ukraine stammten. Demnach soll das ukrainische Militär einen Angriff mit einer kleinen Gruppe von Tauchern geplant haben. Zwar sei er aus unbekannten Gründen auf Eis gelegt worden. Allerdings stimmten Elemente daraus mit den bisherigen Ermittlungsergebnissen überein.

Eine Stellungnahme der Ukraine, Russlands, der CIA und der USA zu dem Bericht lag zunächst nicht vor. BND-Chef Bruno Kahl hatte im Mai Hoffnungen auf eine schnelle Klärung gedämpft und erklärt, es gebe Hinweise "in alle möglichen Richtungen". Durch die Pipeline Nord Stream 1 hatte Russland bis zum Lieferstopp Erdgas aus Sibirien nach Deutschland und in weitere europäische Länder gepumpt. Nord Stream 2 wurde wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine nicht in Betrieb genommen. 

Vorbereitungen für Kampfpiloten-Ausbildung

Die Vorbereitungen für eine Ausbildung ukrainischer Piloten in Großbritannien sind offenbar angelaufen. Regierungschef Denys Schmyhal dankte London bei einem Treffen mit dem britischen Außenminister James Cleverly in Kiew "für die Bereitschaft, Piloten auszubilden. Die erste Gruppe ist nach Großbritannien geschickt worden." Allerdings stellte der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Juri Ihnat, im Anschluss an die bei Telegram verbreitete Mitteilung Schmyhals klar, dass keine Piloten das Land verlassen hätten. Gegenüber dem Nachrichtenportal "Ukrajinska Prawda" führte er weiter aus, es gehe um eine Ausbildung von Fachkräften, darunter Luftfahrtingenieure, die Flugzeuge täglich warten müssten, und Offiziere, die die Gefechtskontrolle hätten. Es gehe nicht nur um Piloten, so Ihnat.

Künftig sollen auch ukrainische Ingenieure, Mechaniker und Offiziere an F-16-Kampfjets ausgebildet werden (Archivbild)Bild: Nicolas Maeterlinck/BELGA/dpa/picture alliance

Großbritannien gehört mit den USA und Deutschland zu den größten Unterstützern der Ukraine im Kampf gegen die russische Invasion. Das Land hat als erstes auch Raketen mit größerer Reichweite an die Ukraine geliefert.

Finnland weist neun russische Botschaftsmitarbeiter aus

Finnland weist neun Mitarbeiter der russischen Botschaft aus. Das teilten Präsident Sauli Niinistö und die Regierung der geschäftsführenden Ministerpräsidentin Sanna Marin nach einem Treffen in Helsinki mit. Die Botschaftsmitarbeiter seien geheimdienstlich tätig gewesen und hätten gegen das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen verstoßen. Zugleich verurteilten der finnische Staatschef und die Regierung die Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine. Es handle sich um eine humanitäre und ökologische Katastrophe, erklärten Niinistö und Marin. Finnland ist das EU-Land mit der mit Abstand längsten Grenze zu Russland, sie erstreckt sich auf einer Länge von 1340 Kilometern.

Das Gebäude der russischen Botschaft in Finnlands Hauptstadt Helsinki Bild: VESA MOILANEN/AFP/Getty Images

Weitere EU-Sanktionen gegen Russen

Die Europäische Union hat Sanktionen gegen neun Russen im Zusammenhang mit der Inhaftierung des Kreml-Kritikers Wladimir Kara-Mursa verhängt. Unter den Sanktionierten seien der Vize-Justizminister, Richter und andere Justizvertreter sowie ein hochrangiger Gefängnisbeamter, erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Ihre Vermögen wurden demnach eingefroren und ihnen wurde die Reise nach oder durch EU-Länder untersagt.

Kara-Mursa war Mitte April in Moskau wegen seiner Kritik am russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu 25 Jahren Haft in einer Strafkolonie mit "strengen Haftbedingungen" verurteilt worden. Neben den Anklagepunkten Hochverrat und "Verbreitung von Falschinformationen" wurde der 41-Jährige der illegalen Arbeit für eine "unerwünschte" Organisation schuldig gesprochen. Großbritannien und Litauen haben wegen des Falls ebenfalls russische Vertreter sanktioniert.

Brüssel verlängert Getreide-Sanktionen

Die Europäische Union hat darüber hinaus die Einschränkungen für Getreide-Einfuhren aus der Ukraine verlängert. Die Handelsbeschränkungen sollen bis zum 15. September beibehalten werden, teilte die Brüsseler Behörde mit. Die Einschränkungen betreffen Bulgarien, Polen, Ungarn, Rumänien und die Slowakei, wo bestimmte Getreidesorten aus der Ukraine nicht mehr frei gehandelt werden dürfen. Der Transit der Waren in andere EU-Länder ist jedoch erlaubt. Auf ukrainisches Getreide werden wegen des russischen Einmarsches gegenwärtig keine Zölle erhoben.

Deutschland will Zwei-Prozent-Ziel einhalten

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich zum Zwei-Prozent-Ziel der NATO bekannt. Es werde der Zeitpunkt kommen, an dem die 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr ausgegeben seien, sagte Scholz bei einem Besuch des Marinestützpunkts Rostock und der Fregatte "Mecklenburg-Vorpommern". "Dann werden wir das Zwei-Prozent-NATO-Ziel in Deutschland aus dem normalen Haushalt erwirtschaften müssen. Das ist auch unser Wille, das ist der Wille der von mir geführten Bundesregierung", ergänzte Scholz.

Olaf Scholz beim Besuch der deutschen Marine in Rostock-WarnemündeBild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

jj/fab/mak/wa (dpa, rtr, afp)

Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.

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